Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.09.2010, Az. V ZB 160/09

5. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2830

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Gegenstand

Zwangsversteigerungsverfahren: Fehlerhafte Angaben über das Versteigerungsobjekt in der Terminsbestimmung


Leitsatz

Ein bereits erteilter Zuschlag ist zu versagen, wenn die Terminsbestimmung derart fehlerhafte Angaben über das Versteigerungsobjekt enthält, dass von einer Irreführung der Bieterkreise auszugehen ist .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des [X.] vom 4. September 2009 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens für die Gerichtskosten beträgt 87.500 €.

Gründe

I.

1

Das Vollstreckungsgericht hat die Zwangsversteigerung des aus dem Rubrum ersichtlichen Grundbesitzes der Schuldner angeordnet. Bei dem Versteigerungsobjekt handelt es sich um die im [X.] mit [X.] bezeichnete Eigentumswohnung, die an die Eigentumswohnung Nr. 2 der Beteiligten zu 7 und 8 angrenzt. Die tatsächliche Größe der Wohnungen stimmt nicht mit der der grundbuchrechtlichen Lage überein. Nach der baulichen Situation weisen beide Wohnungen eine Wohnfläche von jeweils ca. 90 qm auf. Auf der Grundlage der Eintragung im Grundbuch in Verbindung mit den in Bezug genommenen Plänen und Urkunden ergibt sich, dass die der Wohnung [X.] zugewiesene Wohnfläche lediglich 48,2 qm beträgt. Auf diese Diskrepanz haben die Beteiligten zu 7 und 8 bereits vor dem ersten Versteigerungstermin hingewiesen und geltend gemacht, sie würden die nur faktisch der Wohnung [X.] zugeschlagene, ihnen aber rechtlich zustehende Fläche von einem Ersteher herausverlangen. In dem vor dem ersten Termin zur Verkehrswertfestsetzung eingeholten Sachverständigengutachten ist die Größe der Wohnung [X.] mit ca. 91 qm angegeben worden, allerdings mit der Einschränkung, die tatsächlichen Gegebenheiten entsprächen nicht den der Teilungserklärung beigefügten Grundrissen.

2

In der [X.] zu dem auf den 25. Juni 2008 anberaumten dritten Versteigerungstermin, in dem dem Beteiligten zu 6 als Meistbietendem der Zuschlag erteilt worden ist, hatte das Vollstreckungsgericht das Versteigerungsobjekt unter Angabe der Grundbuchdaten und dem Zusatz "ohne Gewähr" wie folgt bezeichnet:

"4-Zi.whg mit Küche, WC, Bad u. Terrasse, 91,36 qm, nebst Kellerr. u. [X.] u.a. an [X.] im [X.]. 1999."

3

Auf die Beschwerde des Meistbietenden und der Beteiligten zu 7 und 8 hat das [X.] den Zuschlag versagt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die beteiligte Gläubigerin zu 1 eine Wiederherstellung des [X.] erreichen. Der Meistbietende beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

4

Das Beschwerdegericht steht auf dem Standpunkt, ein nach § 100 Abs. 3 [X.]. § 83 Nr. 7 [X.] von Amts wegen zu berücksichtigender Verstoß gegen § 43 Abs. 1 [X.] liege vor, wenn die [X.] hinsichtlich der Grundstücks- oder Wohnungsbezeichnung eine Falschangabe enthalte, die zu erheblichen Missverständnissen in Bezug auf den [X.] führen könne. Dies gelte auch dann, wenn es nicht um zwingend erforderliche Angaben nach § 37 [X.] gehe. Würden über zwingende Vorgaben hinaus Angaben gemacht, müssten diese richtig sein. Daran fehle es hier, weil auf die erhebliche Diskrepanz zwischen der grundbuchrechtlichen Situation und der baulichen Situation in der [X.] nicht deutlich hingewiesen worden sei.

III.

5

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht hat den erteilten Zuschlag zu Recht aufgehoben (§ 83 Nr. 7 [X.]. § 43 Abs. 1 [X.]).

6

1. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist ein Versteigerungstermin aufzuheben und neu zu bestimmen, wenn die [X.] nicht rechtzeitig bekannt gemacht ist. Durch eine nicht den zwingenden Vorgaben des § 37 [X.] genügende Bekanntmachung wird die Frist nicht gewahrt. Ein bereits erteilter Zuschlag ist nach § 83 Nr. 7, § 100 [X.] zu versagen (vgl. nur [X.] in [X.]/[X.] u.a., [X.], 13. Aufl., § 37 Rn. 3; [X.], [X.], 19. Aufl., § 37 Rn. 1). Dasselbe gilt, wenn zu den [X.] nach § 38 [X.] Angaben gemacht werden, die derart fehlerhaft sind, dass von einer Irreführung der Bieterkreise auszugehen ist (vgl. auch Senat, Beschluss vom 19. Juni 2008 - [X.], NJW-RR 2008, 1741, 1742; [X.], aaO, § 43 Rn. 12).

7

a) Der Senat hat bereits entschieden, dass es sich bei der [X.] des § 38 [X.] nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt, deren Verletzung die [X.] nur dann in Frage stellt, wenn durch die unrichtige Mitteilung zugleich zwingende Angaben des § 37 [X.] missverständlich oder unklar werden (Beschluss vom 19. Juni 2008 - [X.], aaO). Die Veröffentlichung der [X.] hat unter anderem die Funktion, im [X.] einer bestmöglichen Verwertung des Grundstücks ein möglichst breites Publikum anzusprechen. [X.] soll eine Orientierungshilfe für die Entscheidung an die Hand gegeben werden, ob sie am Verfahren teilnehmen und bis zu welcher Höhe sie Gebote abgeben wollen (Senat, aaO). Angaben in der [X.] bieten für Ersteher auch dann eine maßgebliche Orientierungshilfe, wenn diese nicht zu den Pflichtangaben nach § 37 [X.] gehören. Bedenkt man, dass der Erwerber in der Regel keine Möglichkeit hat, sich über den tatsächlichen Zustand des Objekts vor der Versteigerung Gewissheit zu verschaffen, der [X.] gewährleistungsfrei zugeschlagen wird (§ 56 Satz 3 [X.]) und das Gebot nicht der Anfechtung wegen eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft (§ 119 Abs. 2 BGB) unterliegt (Senat, Beschluss vom 18. Oktober 2007 - [X.], NJW-RR 2008, 222, 223), kommt den Angaben in der [X.] eine hervorgehobene Bedeutung auch dann zu, wenn diese "nur" den von § 38 [X.] vorgegebenen Sollinhalt betreffen. Die durch diese Angaben gegebene Orientierungshilfe darf nicht dadurch in ihr Gegenteil verkehrt werden, dass irreführende, unzutreffende oder nach Aktenlage zumindest erheblichen Zweifeln unterliegende Angaben über das Versteigerungsobjekt gemacht werden, die für die Entschließung eines verständigen [X.] von wesentlicher Bedeutung sind. Dass hierunter neben erheblichen quantitativen Abweichungen (vgl. dazu auch Senat, Beschuss vom 19. Juni 2008 - [X.], aaO; [X.], Rpfleger 1993, 256, 257; [X.], aaO, § 37 Rn. 8 und § 38 Rn. 4) auch Abweichungen fallen, die dem Versteigerungsobjekt qualitativ ein anderes Gepräge geben, liegt auf der Hand. Auch solche Abweichungen führen daher dazu, dass der Zuschlag zu versagen ist. Aus der Senatsentscheidung vom 18. Oktober 2007 ([X.], NJW-RR 2008, 222, 223) folgt nichts anderes. Der Aspekt der [X.] hat in dem damaligen Rechtsbeschwerdeverfahren keine Rolle gespielt.

8

b) Auf dieser Grundlage hat das Beschwerdegericht den Zuschlag zu Recht versagt. Die Beschreibung als 91,36 qm große 4-Zimmer-Wohnung ist schon deshalb evident unrichtig, weil eine nur 48,2 qm große Wohnung im Rechtsverkehr unter keinem denkbaren Gesichtspunkt als 4-Zimmer-Wohnung angesehen wird. Eine nur rund 50 qm große Wohnung spricht ganz andere Bieterkreise an als eine Wohnung mit einer Fläche von gut 90 qm. Auch aus der Sicht eines verständigen Erstehers kommt diesem Umstand bietentscheidende Bedeutung zu. Bei dem Erwerb von Wohnungseigentum stehen bei der [X.] die Angaben zur Größe der Wohn- oder Nutzfläche im Vordergrund und nicht der nur als Bruchteil ausgewiesene Miteigentumsanteil an dem Grundstück ([X.], Rpfleger 1993, 256, 257; vgl. auch [X.], aaO, § 37 Rn. 2.8). Die Wohn- bzw. Nutzfläche bildet ein maßgebliches Kriterium für den Verkehrswert der Wohnung und damit für die Möglichkeit der Finanzierung sowie für die Prognose über die zukünftige Wertentwicklung und die Höhe des zukünftig erzielbaren Mietertrages ([X.], Urteil vom 7. September 2000 - [X.], [X.]Z 145, 121, 129). Nichts anderes gilt für die Beschreibung des Versteigerungsobjekts als 4-Zimmer-Wohnung. Jedenfalls bei irreführenden Informationen über solche zentralen Beschaffenheitsmerkmale ist [X.] nicht damit geholfen, dass der Miteigentumsanteil zutreffend angegeben wird.

9

Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb angezeigt, weil das Vollstreckungsgericht die Beschreibung des Versteigerungsobjekts durch den Zusatz "ohne Gewähr" relativiert hat. Bedenkt man, dass das Vollstreckungsgericht die Wohnfläche mit einer Genauigkeit von zwei Dezimalstellen hinter dem Komma angegeben hat, ist der Zusatz aus der Sicht verständiger [X.] lediglich dahin zu verstehen, dass zwar mit Abweichungen insbesondere von der - Exaktheit suggerierenden - Wohnflächenangabe gerechnet werden muss (zur Frage der Wesentlichkeit von Verkehrswertabweichungen vgl. Senat, Beschluss vom 19. Juni 2008 - [X.], NJW-RR 2008, 1741, 1742), nicht aber, dass auch solche Diskrepanzen in Betracht zu ziehen sind, die dem Versteigerungsobjekt die Eigenschaft als 4-Zimmer-Wohnung nehmen und damit ein völlig anders Gepräge geben.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Dass die Gläubigerin die Gerichtskosten des von ihr erfolglos betriebenen Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen hat, folgt aus dem Gesetz. Ein Ausspruch über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten scheidet aus, weil sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde und einem sich daran anschließenden Rechtsbeschwerdeverfahrens in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen. Das steht einer Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO entgegen (vgl. dazu insbesondere Senat, Urteil vom 19. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 170, 378, 381 mwN).

Krüger                                 Lemke                             Schmidt-Räntsch

                Stresemann                               [X.]

Meta

V ZB 160/09

30.09.2010

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Stuttgart, 4. September 2009, Az: 10 T 330/08, Beschluss

§ 38 ZVG, § 43 Abs 1 S 1 ZVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.09.2010, Az. V ZB 160/09 (REWIS RS 2010, 2830)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2830

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Referenzen
Wird zitiert von

V ZB 53/12

V ZB 53/12

V ZB 265/11

V ZB 207/11

V ZB 65/11

V ZB 65/11

V ZB 160/09

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