Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.10.2021, Az. I ZR 17/21

1. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 1729

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Gegenstand

Irreführende geschäftliche Handlung: Unberechtigte Zahlungsaufforderung bei Irrtum des Unternehmers über den Umstand einer vorhergehenden Bestellung; Inaussichtstellen einer Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung; als "geliefert" anzusehende Waren und als "erbracht" anzusehende Dienstleistungen - Identitätsdiebstahl II


Leitsatz

Identitätsdiebstahl II

1. Ein Irrtum des Unternehmers über den Umstand einer vorhergehenden Bestellung durch den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher ist im Rahmen der Prüfung der Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung unter dem Gesichtspunkt der Irreführung auch dann nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wenn dieser Irrtum nicht vorwerfbar ist (Bestätigung von BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 216/17, GRUR 2019, 1202 Rn. 26 = WRP 2019, 1471 - Identitätsdiebstahl I).

2. Eine unzulässige geschäftliche Handlung nach Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG kann nur dann angenommen werden, wenn eine nicht bestellte Ware tatsächlich geliefert oder eine nicht bestellte Dienstleistung tatsächlich erbracht wurde. Das bloße Inaussichtstellen einer Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung genügt nicht (Aufgabe von BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 134/10, GRUR 2012, 82 Rn. 12 = WRP 2012, 198 - Auftragsbestätigung).

3. Waren sind nur dann als "geliefert" und Dienstleistungen nur dann als "erbracht" im Sinne von Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG anzusehen, wenn sie den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher in einer Weise erreicht haben, dass dieser tatsächlich in der Lage ist, sie zu nutzen oder sonst über deren Verwendung zu bestimmen (Klarstellung von BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 216/17, GRUR 2019, 1202 Rn. 32 - Identitätsdiebstahl).

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des [X.] - 15. Zivilsenat - vom 28. Januar 2021 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG eingetragener Verbraucherschutzverband. Die Beklagte ist ein Inkassounternehmen. Sie verschickte im Juni 2018 im Auftrag der T.     G.   GmbH & Co. KG (T.    ) die als Anlage [X.] vorgelegte Zahlungsaufforderung über einen Betrag von 635,07 € an die Zeugin [X.]  . Als Grund der Forderung ist dort angegeben: "Mobilfunkvertrag vom 01.11.2017 ([X.]. +49      )".

2

Der zugrundeliegende Vertrag wurde unter Verwendung des Namens und einer früheren Anschrift der Zeugin [X.]   mit der T.     geschlossen. Ein Vertragsschluss zwischen der Zeugin [X.]   selbst und der T.     erfolgte nicht. Nachdem zwei von der Beklagten an die frühere Anschrift der Zeugin versandte Zahlungsaufforderungen als unzustellbar zurückgekommen waren, ermittelte die Beklagte die neue Anschrift der Zeugin und versandte an diese die streitgegenständliche Zahlungsaufforderung. Die Zeugin reagierte hierauf nicht. Gegen einen anschließend an sie ergangenen Mahnbescheid legte sie Widerspruch ein. Auf eine entsprechende Beschwerde der Zeugin bei der Klägerin mahnte diese die Beklagte erfolglos ab.

3

Die Klägerin hat beantragt, es der Beklagten unter Androhung von [X.] zu untersagen,

gegenüber einem Verbraucher in einem [X.] zugunsten eines Auftraggebers der Beklagten zu behaupten, der Verbraucher sei aufgrund des Abschlusses eines Mobilfunkvertrags unter Zuweisung einer bestimmten Mobilfunknummer zur Zahlung einer Vergütung ("Hauptforderung" nebst "Inkassovergütung") verpflichtet, wenn in Wahrheit das im [X.] genannte [X.] zwischen dem Auftraggeber der Beklagten und dem Verbraucher gar nicht existiert, wie geschehen in dem [X.] nach Anlage [X.] in Bezug auf den angeblich am 01.11.2017 geschlossenen Mobilfunkvertrag zur Telefonnummer +49      .

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen ([X.], zfm 2019, 65). Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Urteil abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt (O[X.], [X.], 369). Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen möchte. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

5

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Dazu hat es ausgeführt:

6

Das Versenden der Zahlungsaufforderung an die Zeugin [X.]stelle eine irreführende geschäftliche Handlung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 1 UWG dar. Die Zahlungsaufforderung sei als unwahre Angabe im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, weil die Beklagte mit ihr jedenfalls sinngemäß behauptet habe, es sei zu einem entsprechenden Vertragsschluss zwischen der Zeugin und der [X.]     gekommen, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall sei. Die Angabe sei auch zur Täuschung geeignet. Zwar werde man im Fall eines behaupteten [X.] nicht stets annehmen können, dass der Verbraucher nicht mehr wisse, ob er den Vertrag geschlossen habe oder nicht. Es reiche aber eine abstrakte Eignung zur Täuschung aus, die hier zu bejahen sei. Die irreführende Angabe sei zudem geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Selbst wenn der aufmerksame Durchschnittsverbraucher wisse, dass er das geforderte Entgelt nicht schulde, sei eine Aufforderung zur Erfüllung des behaupteten Vertrags geeignet, einen erheblichen Teil des angesprochenen [X.] zu einer geschäftlichen Entscheidung in Gestalt der Zahlung zu veranlassen. Die Wiederholungsgefahr sei aufgrund der begangenen Rechtsverletzung indiziert. Auch eine wettbewerbliche Relevanz sei gegeben.

7

Der Umstand, dass ein Identitätsdiebstahl vorliege, also ein unbekannter Dritter unter dem Namen der Zeugin die auf Abschluss des [X.] gerichtete Willenserklärung abgegeben habe, stehe dem Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Für die Annahme einer Irreführung sei es nicht erforderlich, dass der Gewerbetreibende vorsätzlich eine objektiv falsche Angabe mache. Zwar befinde sich der Verbraucher in einem Fall wie dem vorliegenden gegenüber dem Gewerbetreibenden hinsichtlich des [X.] nicht in einer unterlegenen Position. Tatsächlich sei sogar das Gegenteil der Fall, wenn er wisse, dass er den Vertrag nicht geschlossen habe, der Gewerbetreibende dies aber nicht wisse. Nach der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung sei ein Irrtum des Unternehmers über den Umstand einer vorhergehenden Bestellung durch den Verbraucher allerdings auch dann nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wenn dieser Irrtum nicht vorwerfbar sei.

8

Der Gesichtspunkt der Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem [X.] des § 5 Abs. 1 UWG und dem besonderen Unlauterkeitstatbestand von Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG führe ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar sei eine unbestellte Ware oder Dienstleistung nur dann als "geliefert" im Sinne der Nr. 29 des [X.]angs anzusehen, wenn sie den Verbraucher in einer Weise erreiche, dass dieser tatsächlich zu deren Nutzung in der Lage sei. Weder die Beklagte noch die [X.]     hätten etwas an die Zeugin [X.]geliefert. Angesichts der unterschiedlichen [X.] und Zielrichtungen von Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG einerseits und § 5 Abs. 1 UWG andererseits lasse sich allerdings kein wertender Rückschluss dahingehend ziehen, dass eine ähnliche Verhaltensweise lauterkeitsrechtlich immer dann nicht zu missbilligen sei, wenn sie auch nur eine Voraussetzung der erstgenannten Norm nicht erfülle.

9

Schließlich erscheine die gerichtliche Titulierung des klägerischen Unterlassungsbegehrens auch nicht als unverhältnismäßig. Die Beklagte habe nicht hinreichend dazu vorgetragen, warum es einen wirtschaftlich unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde, [X.] wirksam auszuschließen. Es sei schon nicht dargelegt, auf welche Weise der in Rede stehende Vertrag abgeschlossen worden sei.

II. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 1 UWG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG zu.

1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben (Fall 1) oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über - nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält (Fall 2).

2. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, die an die Zeugin [X.]übersandte Zahlungsaufforderung stelle eine geschäftliche Handlung dar. Die konkludente Behauptung, es sei zu einem entsprechenden Vertragsschluss zwischen der Zeugin und der [X.]     gekommen, sei außerdem eine unwahre Angabe im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG. Hiergegen wendet sich die Revision nicht.

3. Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, die unwahre Angabe sei zur Täuschung der Verbraucherin geeignet. Auch insoweit unterliegt die Entscheidung keinem Rechtsfehler.

a) [X.] kann, ob auch unwahre Angaben zur Täuschung geeignet sein müssen oder ob bei unwahren Angaben das Erfordernis der Täuschungseignung entfällt (zum [X.] vgl. [X.], Urteil vom 6. Juni 2019 - [X.], [X.], 1202 Rn. 21 = [X.], 1471 - [X.]). Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, die in der Übersendung der Zahlungsaufforderung liegende unwahre Behauptung einer Bestellung der in Rechnung gestellten Dienstleistung sei zur Täuschung der Verbraucherin geeignet gewesen (vgl. auch [X.], [X.], 1202 Rn. 21 - [X.], mwN).

b) Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, im Fall eines behaupteten Vertrags über Mobilfunkdienstleistungen als nicht völlig alltäglichem Vertrag könne zwar nicht stets anzunehmen sein, dass der verständige und [X.] aufmerksame Verbraucher nicht mehr wisse, ob er diesen Vertrag abgeschlossen habe oder nicht. Dies gelte zumal dann, wenn er - wie die Zeugin [X.]- den angeblichen Vertragspartner gar nicht namentlich kenne. Es reiche aber die abstrakte Eignung zur Täuschung gegenüber einem erheblichen Teil des angesprochenen [X.], die im Streitfall zu bejahen sei, aus. Es bestünden zahlreiche leicht zugängliche Möglichkeiten zum Abschluss eines [X.], insbesondere über Telefon und [X.]. Vielfach würden solche Vertragsabschlüsse von den Anbietern auch mit anderen Inhalten kombiniert, etwa mit dem Kauf eines Mobiltelefons. Ein erheblicher Teil der Durchschnittsverbraucher könne daher nach dem Zugang einer entsprechenden unberechtigten Zahlungsaufforderung annehmen, er habe - etwa versehentlich oder nicht mehr erinnerlich - den behaupteten Vertrag geschlossen. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

Die Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob ihr ein zutreffender rechtlicher Maßstab zugrunde liegt, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt sind und kein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegt (vgl. [X.], Urteil vom 22. Juli 2021 - [X.], [X.], 1422 Rn. 16 = [X.], 1441 - Vorstandsabteilung, mwN; Urteil vom 29. Juli 2021 - I ZR 114/20, [X.], 1315 Rn. 17 = [X.], 1444 - Kieferorthopädie). Gemessen daran sind die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.

Anders als die Revision geltend macht, ist das Berufungsgericht insbesondere nicht von einem unzutreffenden [X.] ausgegangen, sondern hat zu Recht die Vorstellung eines verständigen und [X.] aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers zugrunde gelegt (st. Rspr.; vgl. zuletzt [X.], [X.], 1422 Rn. 16 - Vorstandsabteilung). Dabei hat es das Berufungsgericht auch nicht versäumt, die Umstände des Streitfalls in den Blick zu nehmen. Es hat diese umfassend berücksichtigt und dabei nicht verkannt, dass es sich bei dem Abschluss eines [X.] nicht um einen alltäglichen Vertrag handelt. Zu Recht hat es darauf abgestellt, dass es für die Annahme einer Irreführung erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn das beanstandete Verhalten geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der relevanten Verkehrskreise irrige Vorstellungen über marktrelevante Umstände hervorzurufen (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2012 - [X.], [X.], 1053 Rn. 19 = [X.], 1216 - Marktführer Sport; Urteil vom 28. April 2016 - [X.], [X.], 1073 Rn. 27 = [X.], 1228 - [X.], jeweils mwN). Dies hat das Berufungsgericht für den Streitfall rechtsfehlerfrei bejaht. Die hierin liegende Bewertung ist insbesondere nicht erfahrungswidrig.

Soweit die Revision meint, das Berufungsgericht sei fälschlicherweise von einem wenig erfahrenen, leichtgläubigen und überaus vergesslichen Verbraucher ausgegangen, da sich der angesprochene Durchschnittsverbraucher richtigerweise an das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Vertragsschlusses erinnern werde, versucht sie in unbehelflicher Weise, die Bewertung des Berufungsgerichts durch ihre eigene zu ersetzen.

4. Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen, die mit der Zahlungsaufforderung verbundene unwahre Angabe eines zugrundeliegenden Vertragsschlusses sei geeignet gewesen, die angeschriebene Verbraucherin zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätte. Die (abstrakte) Täuschungseignung sei selbst dann zu bejahen, wenn die Zeugin [X.]gewusst habe, dass sie das geforderte Entgelt nicht schulde. Die mit der Zahlungsaufforderung verbundene unwahre Angabe sei geeignet gewesen, die angeschriebene Verbraucherin zur Zahlung des verlangten Entgelts und damit zur Erfüllung des behaupteten Vertrags und so zu dessen Behandlung als wirksam zu veranlassen. Auch diese Beurteilung unterliegt keinem Rechtsfehler (vgl. [X.], [X.], 1202 Rn. 22 bis 24 - [X.]).

5. Der Umstand, dass im Streitfall ein sogenannter "Identitätsdiebstahl" dergestalt vorliegt, dass ein unbekannter Dritter unter dem Namen der Zeugin [X.]die auf den Abschluss des [X.] gerichtete Willenserklärung gegenüber der [X.]     abgegeben hat, steht der Annahme einer unlauteren geschäftlichen Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts nicht entgegen.

Zwar befindet sich der Verbraucher, wie das Berufungsgericht richtig hervorgehoben hat, in einem Fall wie dem vorliegenden gegenüber dem Gewerbetreibenden hinsichtlich des [X.] nicht grundsätzlich in einer unterlegenen Position. Es kann sogar das Gegenteil der Fall sein, wenn dem Verbraucher bewusst ist, dass er den Vertrag nicht geschlossen hat, der Gewerbetreibende dies aber nicht weiß.

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist ein Irrtum des Unternehmers über den Umstand einer vorhergehenden Bestellung durch den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher im Rahmen der Prüfung der Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung allerdings auch dann nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wenn dieser Irrtum nicht vorwerfbar ist (vgl. [X.], [X.], 1202 Rn. 26 - [X.]). Die Annahme einer irreführenden Handlung im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt, dessen Umsetzung § 5 UWG dient, setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Gewerbetreibende vorsätzlich eine objektiv falsche Angabe macht (vgl. [X.], Urteil vom 16. April 2015 - [X.]/13, [X.], 600 Rn. 47 bis 49 = [X.], 698 - [X.]; [X.], [X.], 1202 Rn. 26 - [X.]; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], UWG, 39. Aufl., § 5 Rn. 1.53). Ferner braucht bei einer Geschäftspraxis, die - wie im Streitfall - alle in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/[X.] (§ 5 Abs. 1 UWG) genannten Voraussetzungen einer den Verbraucher irreführenden Praxis erfüllt, nicht mehr geprüft zu werden, ob eine solche Praxis auch den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie (§ 2 Abs. 1 Nr. 7, § 3 Abs. 2 UWG) widerspricht, um sie als unlauter ansehen zu können (vgl. [X.], Urteil vom 19. September 2013 - [X.]/11, [X.], 1157 Rn. 42 bis 45 = [X.], 38 - [X.]; [X.], [X.], 600 Rn. 63 - [X.]; [X.], [X.], 1202 Rn. 26 - [X.]; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 5 Rn. 1.53).

6. Der Gesichtspunkt der Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem [X.] nach § 5 Abs. 1 UWG und den besonderen Unlauterkeitstatbeständen des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG zwingt entgegen der Ansicht der Revision ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung des angegriffenen Verhaltens.

a) Allerdings geht die Revision in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG durch die Übersendung der Zahlungsaufforderung an die Zeugin [X.]nicht erfüllt ist. Nach dieser Vorschrift stellt die gegenüber Verbrauchern erfolgte Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter, aber gelieferter Waren oder erbrachter Dienstleistungen oder eine Aufforderung zur Rücksendung oder Aufbewahrung nicht bestellter Sachen eine Handlung dar, die stets unzulässig ist.

aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat weder die Beklagte noch deren Auftraggeberin, die [X.]    , eine Ware an die Zeugin [X.]geliefert oder ihr gegenüber eine Dienstleistung erbracht. Zwar hat die [X.]     einen auf den Namen der Zeugin lautenden Mobilfunkanschluss mit einer bestimmten, aus der Zahlungsaufforderung ersichtlichen Rufnummer eingerichtet und freigeschaltet. Allerdings hatte die Zeugin hiervon keine Kenntnis. Sie hat auch keine SIM-Karte von der [X.]     erhalten und konnte den Zugang zum Mobilfunknetz nicht nutzen. Mit der freigeschalteten SIM-Karte wurden zu keinem Zeitpunkt Telefon- oder Datendienstleistungen abgerufen.

bb) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass in Ermangelung einer an die Verbraucherin gelieferten Ware oder einer ihr gegenüber erbrachten Dienstleistung eine nach Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG unzulässige Handlung nicht gegeben ist.

(1) Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG setzt Nr. 29 des [X.]angs I zu Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/[X.] um und ist deshalb unionsrechtskonform auszulegen. Nach Nr. 29 des [X.]angs I zu Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/[X.] stellt die Aufforderung des Verbrauchers zur sofortigen oder späteren Bezahlung oder zur Rücksendung oder Verwahrung von Produkten, die der Gewerbetreibende geliefert, der Verbraucher aber nicht bestellt hat (unbestellte Waren oder Dienstleistungen), mit Ausnahme von Produkten, bei denen es sich um Ersatzlieferungen gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 97/7/[X.] über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz handelt, eine stets unzulässige Geschäftspraxis dar.

(2) Bereits aus dem Wortlaut der in Rede stehenden Regelungen ergibt sich, dass für eine Erfüllung des jeweiligen [X.] eine nicht bestellte Ware tatsächlich geliefert und eine nicht bestellte Dienstleistung tatsächlich erbracht worden sein muss. Nr. 29 des [X.]angs I zu Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/[X.] bezieht sich ausdrücklich auf Produkte (also gemäß der Definition in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/[X.] Waren oder Dienstleistungen), "die der Gewerbetreibende geliefert, der Verbraucher aber nicht bestellt hat". Die in verschiedenen anderen Sprachfassungen verwendeten Partizipien entsprechen der [X.] Sprachfassung. So ist etwa in der [X.] Sprachfassung von "products supplied", in der [X.] von "produits fournis" und in der [X.] von "[X.] ha fornito" die Rede. Dementsprechend bezieht sich auch Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG ausdrücklich auf "gelieferte Waren" und "erbrachte Dienstleistungen".

(3) Soweit der Senat zur alten Fassung von Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG, in der nicht von "gelieferten" Waren oder "erbrachten" Dienstleistungen die Rede war, die Auffassung vertreten hat, bereits die Ankündigung einer fortlaufenden Lieferung von Waren werde von diesem Tatbestand erfasst (vgl. [X.], Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 134/10, [X.], 82 Rn. 12 = [X.], 198 - Auftragsbestätigung), wird hieran angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift in ihrer aktuell maßgeblichen Fassung nicht festgehalten (vgl. dazu auch [X.], [X.], 1202 Rn. 32 - [X.]). Das nunmehr vertretene [X.], wonach das bloße Inaussichtstellen einer Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung dem Tatbestand von Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG nicht unterfällt, wird von der Literatur ganz überwiegend geteilt (vgl. etwa [X.].UWG/[X.], UWG, 3. Aufl., nach § 3 Abs. 3 Nr. 29 Rn. 29; Büscher/Büscher, UWG, 2. Aufl., [X.]. zu § 3 Abs. 3 Nr. 29 Rn. 356; [X.]/[X.], 13. Edition [Stand 1. August 2021], [X.]. zu § 3 Abs. 3 Nr. 29 Rn. 11c; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO [X.]. zu § 3 Nr. 29 Rn. 29.4; [X.], [X.], 217, 219; Großkomm.UWG/[X.], 3. Aufl., [X.]. Nr. 29 Rn. 11; [X.] in Harte/[X.], UWG, 4. Aufl., [X.]. zu § 3 Abs. 3 Nr. 29 Rn. 6; [X.], [X.], 588, 589; Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 Rn. 5a).

cc) Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass Waren nur dann als "geliefert" und Dienstleistungen nur dann als "erbracht" im Sinne von Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG angesehen werden können, wenn sie den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher tatsächlich erreicht haben (vgl. [X.].UWG/[X.] aaO nach § 3 Abs. 3 Nr. 29 Rn. 28; [X.]/[X.] aaO [X.]. zu § 3 Abs. 3 Nr. 29 Rn. 11c; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO [X.]. zu § 3 Nr. 29 Rn. 29.8; jurisPK.UWG/Seichter, Stand 30. März 2021, [X.]. zu § 3 Abs. 3 Nr. 29 Rn. 5.1). Der Verbraucher muss also in die Lage versetzt worden sein, die Dienstleistung oder Ware zu nutzen oder über deren Verwendung zu bestimmen. Hiervon ist insbesondere dann auszugehen, wenn dem Verbraucher eine gelieferte Ware im Wege der Besitzverschaffung zur Verfügung gestellt wurde, sie also in seinen Machtbereich gelangt ist. Eine Dienstleistung muss dementsprechend in einer Weise bei dem Verbraucher angekommen sein, dass er sie nutzen oder sonst von ihr profitieren kann. Die Bereitstellung des Mobilfunkanschlusses und die Freischaltung der SIM-Karte haben die Verbraucherin im Streitfall allerdings nicht in einer Weise erreicht, dass sie in der Lage gewesen wäre, hiervon Gebrauch zu machen. Sie hat keine SIM-Karte erhalten und konnte den Mobilfunkanschluss nicht nutzen.

(1) Für die Ansicht des Berufungsgerichts spricht der mit Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG verfolgte Zweck. Dieser liegt darin, die durch die Zurverfügungstellung einer unbestellten Ware oder die Erbringung einer nicht beauftragten Dienstleistung eintretende besondere Drucksituation zu vermeiden (vgl. Begründung des [X.] eines [X.] zur Änderung des [X.], BT-Drucks. 16/10145 S. 34 f.; [X.], [X.], 1202 Rn. 35 - [X.]; Büscher/Büscher aaO [X.]. zu § 3 Abs. 3 Nr. 29 Rn. 353; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO [X.]. zu § 3 Nr. 29 Rn. 29.2; Großkomm.UWG/[X.] aaO [X.]. Nr. 29 Rn. 11 Rn. 1; [X.] in Harte/[X.] aaO [X.]. zu § 3 Abs. 3 Nr. 29 Rn. 5; [X.] in [X.][X.], UWG, 3. Aufl., § 3 Rn. 177). Die in den Blick genommene Drucksituation des Verbrauchers ist eine andere, nämlich deutlich weniger schwerwiegende, wenn er außer einer Zahlungsaufforderung nichts erhalten hat. Er befindet sich dann nicht in einer Lage, in der es ihm unangenehm sein kann, trotz der erhaltenen Ware oder trotz der empfangenen Dienstleistung keine Zahlung zu leisten, oder er sich vor die lästige Frage gestellt sieht, wie er mit ihm bereits zur Verfügung gestellten Waren oder Leistungen umgeht (vgl. dazu BT-Drucks. 16/10145 [X.]; Büscher/Büscher aaO [X.]. zu § 3 Abs. 3 Nr. 29 Rn. 353).

(2) Dem dargestellten [X.] entsprechend hat auch der [X.] festgehalten, Nr. 29 von [X.]ang I der Richtlinie 2005/29/[X.] sei insbesondere dann erfüllt, wenn der Gewerbetreibende den Verbraucher zur Bezahlung einer Ware oder Dienstleistung auffordere, die er dem Verbraucher geliefert habe, die vom Verbraucher aber nicht bestellt worden sei (vgl. [X.], Urteil vom 13. September 2018 - [X.]/17 und [X.]/17, [X.], 1156 Rn. 43 = [X.], 1304 - [X.] und [X.]). Die Formulierung "dem Verbraucher geliefert" deutet darauf hin, dass auch aus Sicht des Gerichtshofs der [X.] die Lieferung den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher erreicht haben muss.

(3) Soweit die Senatsentscheidung "[X.]" ([X.], [X.], 1202 Rn. 32) entsprechend den Ausführungen des Berufungsgerichts dahingehend zu verstehen sein könnte, dass die bloße Einrichtung eines E-Mail-Kontos, von dem der zur Zahlung aufgeforderte Verbraucher nichts weiß und auf das er auch keinen Zugriff hat, für die Erfüllung des Tatbestands von Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG genügt, hält der Senat hieran nicht fest.

b) Das Berufungsgericht hat ebenfalls zu Recht angenommen, dass die Nichterfüllung von Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG der Annahme einer unlauteren geschäftlichen Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG im Streitfall nicht entgegensteht.

aa) Die allgemeinen Vorschriften der Unlauterkeit wegen irreführender und aggressiver Geschäftspraktiken werden durch die spezielleren Tatbestände im [X.]ang zu § 3 Abs. 3 UWG nicht verdrängt, sondern lediglich ergänzt ([X.], [X.], 82 Rn. 16 - Auftragsbestätigung; [X.], 1202 Rn. 28 - [X.]). Wird ein Verhalten von den Tatbeständen des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG nicht erfasst, folgt daraus nicht, dass es hinzunehmen ist. Vielmehr greift dann die Prüfung nach den allgemeinen Bestimmungen über unlautere Geschäftspraktiken ein (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juni 2011 - I ZR 157/10, [X.], 184 Rn. 29 = [X.], 194 - [X.]; Büscher/Büscher aaO § 5 Rn. 96; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 3 Rn. 4.4 und [X.]. zu § 3 Rn. 0.8; Großkomm.UWG/[X.]/[X.] aaO § 5 Rn. 308; [X.] in [X.][X.] aaO § 5 Rn. 0.12).

bb) Die im [X.]ang geregelten Tatbestände sind außerhalb ihres eigentlichen Anwendungsbereichs dennoch nicht bedeutungslos. Im Rahmen der Gesetzesauslegung anhand des Regelungszusammenhangs sind vielmehr grundsätzlich auch das Gesamtsystem des [X.] und die sich daraus ergebenden Wertungen in den Blick zu nehmen.

(1) Danach ist es geboten, bei der Prüfung einer geschäftlichen Handlung anhand der allgemeinen Vorschriften der §§ 4 bis 6 UWG zu fragen, ob es gesetzlich geregelte Verbotstatbestände oder Regelbeispiele gibt, die zumindest einen ähnlichen Fall erfassen und damit einen wertenden Rückschluss erlauben, ob die entsprechende Verhaltensweise lauterkeitsrechtlich zu missbilligen ist oder nicht. Dementsprechend darf die Prüfung nach den allgemeinen Bestimmungen über unlautere Geschäftspraktiken nicht zu einem Wertungswiderspruch zu den speziellen Tatbeständen des [X.]angs führen (vgl. [X.], [X.], 1202 Rn. 29 - [X.]; zu einem Wertungswiderspruch infolge verschiedener Maßstäbe an das Verhalten des Werbenden gegenüber Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern vgl. [X.], [X.], 184 Rn. 29 - [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO [X.]. zu § 3 Rn. 0.8).

(2) Ob nach diesen Grundsätzen auch ein Wertungswiderspruch zwischen dem Tatbestand von Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG und dem [X.] nach § 5 Abs. 1 UWG entstehen kann (offenlassend [X.], [X.], 1202 Rn. 30 - [X.]), bedarf keiner Entscheidung, da ein solcher Wertungswiderspruch im Streitfall nicht anzunehmen ist.

Wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, liegen den genannten Normen unterschiedliche Zielrichtungen und unterschiedliche Regelungsbereiche zugrunde. Während Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG die bereits beschriebene, durch die Lieferung einer Ware oder Erbringung einer Dienstleistung begründete besondere Drucksituation vermeiden soll (dazu oben unter Rn. 31), schützt das [X.] die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers dahingehend, dass er seine Entscheidung auf Grundlage zutreffender und vollständiger Informationen treffen kann (zu Art. 8 der Richtlinie 2005/29/[X.] vgl. [X.], [X.], 1156 Rn. 45 - [X.] und [X.]). Die Regelungsbereiche von Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG einerseits und § 5 Abs. 1 UWG andererseits überschneiden sich zwar, sie decken sich aber nicht. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen eine Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter (aber gelieferter) Produkte gegeben ist, ohne dass auch eine Irreführung über den Umstand des Vertragsschlusses vorliegt. Umgekehrt kann - wie im Streitfall - eine Irreführung über den Vertragsschluss anzunehmen sein, ohne dass der Verbraucher das berechnete Produkt tatsächlich erhalten hat. Es stellt keinen Wertungswiderspruch dar, sondern würde den Schutz der Verbraucher vor Irreführung in nicht gerechtfertigter Weise einschränken, wenn eine derartige Verhaltensweise vom Geltungsbereich des § 5 Abs. 1 UWG ausgenommen würde.

Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht mit der Bejahung eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 UWG auch nicht einen von den abschließend aufgezählten Tatbeständen des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG nicht erfassten Sachverhalt wie einen solchen behandelt und damit eine unzulässige Analogie begründet. Vielmehr hat es zutreffend angenommen, der Umstand, dass die Zusendung einer unberechtigten Zahlungsaufforderung je nach den Gegebenheiten des Falls sowohl eine Verletzung von Nr. 29 des [X.]angs zu § 3 Abs. 3 UWG als auch eine Verletzung von § 5 Abs. 1 UWG darstellen könne, stehe einer Anwendung von § 5 Abs. 1 UWG nicht entgegen.

7. Die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung ist schließlich auch nicht unverhältnismäßig.

a) Das [X.] steht unter dem Vorbehalt des unter anderem in Erwägungsgrund 6 Satz 2 der Richtlinie 2005/29/[X.] angeführten Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. [X.], Urteil vom 7. November 2002 - I ZR 276/99, [X.], 628, 630 [juris Rn. 37] = WRP 2003, 747 - Klosterbrauerei; Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 219/12, [X.], 1252 Rn. 17 = [X.], 1582 - Medizinische Fußpflege; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 5 Rn. 1.94 f. und 1.200; [X.].UWG/[X.] aaO § 5 Rn. 225). Hiergegen verstößt die angegriffene Entscheidung nicht.

b) Eine Unverhältnismäßigkeit der Titulierung des klägerischen Unterlassungsanspruchs ergibt sich entgegen der Revision insbesondere nicht daraus, dass die in der Zahlungsaufforderung enthaltene Falschangabe für die Beklagte möglicherweise nicht zu vermeiden war (vgl. dazu [X.], [X.], 756, 757 f.). Wie bereits (unter Rn. 20 bis 22) dargelegt, ändert ein fehlendes Verschulden des Gewerbetreibenden in einer Konstellation wie der vorliegenden nach der Rechtsprechung des [X.] nichts daran, dass ihm die Herbeiführung der beim Verbraucher eingetretenen Irreführung als unlauteres Verhalten anzulasten ist.

c) Die Revision macht außerdem ohne Erfolg geltend, der mit der Verurteilung verfolgte Zweck könne nicht erreicht werden, weil die Festsetzung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO ein - hier nicht vorhandenes - Verschulden des Schuldners voraussetze. Von einer etwaigen Verurteilung zur Unterlassung bliebe nur die Kostenlast übrig, weshalb sie nicht zweckmäßig, sondern schikanös sei. Zwar muss die Festsetzung eines Ordnungsmittels, da sie für den Betroffenen strafähnliche Wirkung hat, grundlegenden strafrechtlichen Prinzipien genügen und setzt deshalb ein Verschulden des Schuldners voraus (vgl. [X.], NJW-RR 2007, 860 Rn. 11; [X.], Beschluss vom 8. Dezember 2016 - [X.] 118/15, [X.], 318 Rn. 19 = [X.], 328, mwN; Beschluss vom 17. Dezember 2020 - [X.] 99/19, [X.], 767 Rn. 43 = [X.], 764). Die beabsichtigte Verurteilung erfasst aber auch - und zwar erst recht - einen schuldhaften Verstoß der Beklagten gegen das Unterlassungsgebot. Ob die Beklagte ein Verschulden trifft, ist in einem etwaigen Vollstreckungsverfahren zu klären.

d) Eine fehlende Verhältnismäßigkeit kann im Streitfall schließlich auch nicht deshalb angenommen werden, weil - wie die Revision darlegt - Unternehmen einen wirtschaftlich unverhältnismäßigen Aufwand betreiben müssten, um [X.] wirksam ausschließen zu können.

aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, von einem wirtschaftlich unverhältnismäßigen Aufwand könne nicht ausgegangen werden, weil die Beklagte dazu nicht vorgetragen habe. Sie habe lediglich geltend gemacht, eine Prüfung der Identität des Verbrauchers beim Abschluss von Mobilfunkverträgen sei "schlicht unmöglich und unzumutbar". Es sei jedoch schon nicht dargelegt, auf welche Weise der in Rede stehende Vertrag konkret geschlossen worden sei. Insbesondere hätten sich die Parteien nicht dazu verhalten, ob der Vertrag über das [X.] geschlossen worden sei. Eine Identitätsprüfung in Anwesenheit des Verbrauchers könne ohne Weiteres durch Vorlage und Überprüfung eines Ausweisdokuments erfolgen. Entsprechendes gelte für online abgeschlossene Verträge, etwa über das Postident-Verfahren.

bb) Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht hätte der Beklagten einen Hinweis erteilen müssen, dass es ihren Vortrag zur Unzumutbarkeit des zum Ausschluss von [X.]n erforderlichen Aufwands für unzureichend erachte. Dieser Gesichtspunkt habe in beiden Instanzen keinen hohen Stellenwert besessen. Das [X.] habe die Klage aus anderen Gründen abgewiesen. Auf der unterbliebenen Erteilung des gebotenen Hinweises beruhe die angegriffene Entscheidung. Hätte das Berufungsgericht seiner Hinweispflicht genügt, hätte die Beklagte dargelegt, dass die [X.]     im Jahr 2020 mehr als 400.000 [X.] über das [X.] abgeschlossen habe und mit einer unternehmensseitigen Benutzung des vom Berufungsgericht angesprochenen [X.] erhebliche, von der Revision im Einzelnen geschilderte Hindernisse einhergingen. Außerdem hätte sie vorgetragen, dass der [X.]     keine Fälle von Identitätsdiebstahl im Rahmen von online abgeschlossenen Verträgen bekannt seien und dem Streitfall eine Sondersituation zugrunde liege. Hiermit hat die Revision keinen Erfolg.

cc) Es kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht einen Hinweis hätte erteilen müssen. Die Revision hat nicht dargelegt, dass eine - unterstellte - Verletzung der Hinweispflicht entscheidungserheblich war. Dazu hätte sie jedenfalls darlegen müssen, dass die Beklagte auf einen entsprechenden Hinweis vorgetragen hätte, auf welchem Weg der streitgegenständliche Mobilfunkvertrag geschlossen worden ist. Der mit einer Identitätsprüfung einhergehende Aufwand ist ein erheblich anderer - nämlich geringerer -, wenn der Vertrag nicht über das [X.], sondern etwa in einem Ladengeschäft zustande gekommen ist. Den Ausführungen der Revision zu den mit dem Postident-Verfahren verbundenen Hindernissen und der großen Zahl der online abgeschlossenen Verträge kann auch nicht die konkludente Behauptung entnommen werden, der streitgegenständliche Vertrag sei seinerseits über das [X.] zustande gekommen. Hiergegen spricht ihr Vorbringen, der [X.]     seien keine Fälle des [X.] im Rahmen von online abgeschlossenen Verträgen bekannt und dem Streitfall liege eine (nicht näher erläuterte) Sondersituation zugrunde.

III. Eine Vorlage an den [X.] nach Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 Rn. 21 - [X.] u.a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - [X.]/14, [X.]. 2015, 1152 Rn. 43 - [X.]; Urteil vom 6. Oktober 2021 - [X.]/19, juris Rn. 33, 39 bis 50 - [X.] und [X.]). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Die Beantwortung der ersten von der Revision als klärungsbedürftig angesehenen Frage, ob auch im Fall eines [X.], in dem ein Unternehmen irrtümlich und nicht vorwerfbar von einem Vertragsschluss durch den angeschriebenen Verbraucher ausging, eine irreführende Geschäftspraxis angenommen werden könne, unterliegt keinen Zweifeln (vgl. [X.], [X.], 1202 Rn. 25 f., 39 - [X.]). Die zweite von der Revision als klärungsbedürftig angesehene Frage zum Verhältnis von Nr. 29 des [X.]angs I zu Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/[X.] einerseits und deren Art. 6 andererseits und insbesondere dazu, ob zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen in Fällen wie dem vorliegenden eine Anwendung des allgemeinen [X.]s nicht in Betracht kommt, ist nicht entscheidungserheblich (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 2021 - [X.]/19, juris Rn. 33 bis 35 - [X.] und [X.]), weil das Berufungsgericht einen Wertungswiderspruch zu Recht nicht angenommen hat.

IV. Danach ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Koch     

      

Schwonke     

      

[X.]

      

[X.]     

      

Wille     

      

Meta

I ZR 17/21

20.10.2021

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 28. Januar 2021, Az: 15 U 128/19, Urteil

§ 3 Abs 3 Anlage Nr 29 UWG, § 5 Abs 1 S 1 UWG, § 5 Abs 1 S 2 Alt 1 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.10.2021, Az. I ZR 17/21 (REWIS RS 2021, 1729)

Papier­fundstellen: MDR 2022, 181-182 GRUR 2022, 170 REWIS RS 2021, 1729

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