Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.02.2016, Az. IV ZR 142/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 15677

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:240216UIVZR142.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 142/15

Verkündet am:

24. Februar 2016

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin Dr.
Brockmöller im schriftli-chen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 5.
Februar 2016

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerseite
wird das Urteil des 11.
Zivilsenats des [X.]ischen Oberlandesge-richts
vom 23. Dezember 2014
aufgehoben und die Sa-che zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 12.608,52

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin:
im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer kapitalbildenden Le-bensversicherung.
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Diese wurde aufgrund eines Antrags d.
[X.] mit [X.] zum 1. August 1996
nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung
(im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen. D. [X.] zahlte in der Folge die [X.]. Mit
Schreiben vom 1. Oktober
2009
erklärte sie u.a. den [X.] gemäß § 5a [X.] a.F., hilfsweise die Kündigung des Versiche-rungsvertrages
und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 6. Juni
2011 erklärte d. [X.]
erneut den Widerspruch ge-mäß § 5a [X.] a.F.

Mit der Klage verlangt d. [X.]

soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse -
Rückzahlung aller geleisteten Beiträge nebst Zinsen ab-züglich des bereits gezahlten [X.].

Nach Auffassung d. [X.] ist der
Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil sie
nicht ordnungsgemäß belehrt wurde. Auch nach Ablauf der Frist des

gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden

§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden
können.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.
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I. Dieses hat einen
Prämienrückerstattungsanspruch aus
unge-rechtfertigter Bereicherung
verneint. D. [X.] habe die Prämien mit Rechts-grund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekom-men, denn der Versicherer habe ordnungsgemäß
über das [X.]srecht belehrt.
Die Regelung des [X.] verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.
Mit der Geldendmachung bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsansprüche verstoße die Klägerin nach jahrelanger Vertragsdurchführung gegen das Prinzip von Treu und Glauben.

[X.] Die Revision ist begründet.

1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB
kann d. [X.] nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung versagt werden.

a)
Der
zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft
keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war

ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist

rechtzeitig.

aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts belehrte der
Ver-sicherer d. [X.] nicht ordnungsgemäß im Sinne von
§
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F.
über das Widerspruchsrecht.
Die Widerspruchsbelehrung in dem maßgeblichen
Policenbegleitschreiben
genügt den Anforderungen des §
5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. nicht.

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Anders als das Berufungsgericht und die Revisionserwiderung meinen, genügt die Widerspruchsbelehrung in dem Übersendungsschrei-ben inhaltlich nicht den Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F., denn sie knüpft den Fristbeginn nur an den "Zugang dieses Briefes",
nicht aber in unmissverständlicher Weise auch an den Erhalt des Versi-cherungsscheins, der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der
Verbraucherinformation (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 1992

I
ZR 73/91, [X.]Z 121, 52, 57 unter [X.] 3).

Für einen solchen Fall bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F.
zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
Das Widerspruchsrecht bestand hier aber
nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.]
a.F.
auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.]/11,
[X.]Z 201, 101 Rn.
17-34) entschieden
und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung
grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d.
[X.]
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wie hier
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nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

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bb) Die hilfsweise Kündigung des Versicherungsvertrages
steht dem Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.[X.]). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.[X.]).

[X.]) D. [X.] hat das Recht zum Wiederspruch hier auch nicht [X.]. Es fehlt jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Ver-trauen kann der Versicherer schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er d. [X.] keine [X.] erteilte.

b)
Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

2. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss
sich d. [X.] bei
der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den
jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.[X.]; vgl. auch Senatsurteile vom 29. Juli 2015

[X.], [X.], 1101 und [X.], [X.], 1104).

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Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit
zu ergänzendem Vortrag zu geben haben
(vgl. Senatsurteile
vom 7.
Mai 2014
aaO Rn.
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und vom 11. November 2015

IV ZR 513/14, [X.], 33 Rn. 41 ff.).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.05.2013 -
6 [X.]/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 23.12.2014 -
11 [X.] -

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Meta

IV ZR 142/15

24.02.2016

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.02.2016, Az. IV ZR 142/15 (REWIS RS 2016, 15677)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15677

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Zitiert

IV ZR 142/15

IV ZR 76/11

IV ZR 384/14

IV ZR 448/14

IV ZR 513/14

11 U 107/13

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