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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1
StR 178/13
vom
6. Mai
2013
in der Strafsa[X.]he
gegen
1.
2.
wegen
zu 1.: sexueller Nötigung u.a.
zu 2.: Vergewaltigung u.a.
-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 6. Mai
2013
gemäß §
349 Abs. 2
und 4, § 357 Abs. 1 StPO
bes[X.]hlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten N.
wird das Urteil des [X.] vom 20.
Dezember 2012 unter Erstre[X.]kung auf die Mitangeklagte
J.
dahinge-hend abgeändert, dass
a) die Angeklagte N.
der gefährli[X.]hen Körperverlet-zung und der sexuellen Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Nöti-gung und gefährli[X.]her Körperverletzung s[X.]huldig ist,
b) die Mitangeklagte J.
der gefährli[X.]hen Körperverlet-zung in zwei Fällen, der Vergewaltigung und der [X.] in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Nöti-gung und mit gefährli[X.]her Körperverletzung s[X.]huldig ist.
2. Die weitergehende Revision der Angeklagten und die Revi-sion des Angeklagten
R.
werden verworfen.
3. Die Bes[X.]hwerdeführer haben die Kosten ihrer Re[X.]htsmittel und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstan-denen notwendigen Auslagen zu tragen.
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-
Gründe:
I.
Das Landgeri[X.]ht hat die Angeklagte N.
und die ni[X.]ht revidierende Mitangeklagte
J.
aufgrund vers[X.]hiedener Handlungen zum Na[X.]hteil der Nebenklägerin u.a. wegen Vergewaltigung in zwei Fällen verurteilt. Den S[X.]huldsprü[X.]hen wegen dieses Delikts in den Fällen [X.] und [X.] der Ur-teilsgründe
liegt folgendes tatsä[X.]hli[X.]he Ges[X.]hehen zugrunde:
1.
Na[X.]hdem beide im Zusammenwirken mit dem Angeklagten R.
und einem weiteren ni[X.]ht revidierenden Mitangeklagten die Nebenklägerin über mehrere Stunden misshandelt und gedemütigt hatten, zwangen diese die Ne-benklägerin unter Androhung von S[X.]hlägen, si[X.]h na[X.]kt in eine Badewanne zu stellen. Dort führte ihr die Mitangeklagte J.
in Anwesenheit und mit Billigung der Angeklagten N.
einen mit Gleitgel versehenen Vibrator in den Anus ein. Auf die
dadur[X.]h hervorgerufenen S[X.]hmerzenss[X.]hreie der Nebenklägerin reagierten sie mit lautem Gelä[X.]hter (Fall [X.]
der Urteilsgründe). Einige [X.] später bra[X.]hten beide die Nebenklägerin unter Drohung mit S[X.]hlägen dazu, bei dem Angeklagten R.
für einige
Minuten den Oralverkehr auszuführen. Da si[X.]h bei diesem jedo[X.]h keine Erektion einstellte, wurde der weitere Vollzug ab-gebro[X.]hen (Fall [X.]
der Urteilsgründe).
2.
Wie der [X.] in seiner Antragss[X.]hrift vom 4.
April 2013 zutreffend ausgeführt hat, belegen diese Feststellungen den S[X.]huld-spru[X.]h gegen die Angeklagte N.
wegen Vergewaltigung in zwei Fällen
177 Abs.
2 Satz
2 Nr.
1 StGB abstellenden Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] verwirkli[X.]ht das genannte, eigenständig zu tenorierende [X.] nur derjenige Tatbe-1
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teiligte, der in eigener Person eine der in der Vors[X.]hrift genannten sexuellen Handlungen verwirkli[X.]ht ([X.], Bes[X.]hlüsse vom 15.
März 2000 -
2 [X.], [X.], 326 und vom 21.
April 2009 -
4 [X.], [X.], 278). Tatbeteiligte, bei denen diese eigenhändige Verwirkli[X.]hung ni[X.]ht vorliegt, können ni[X.]ht als Mittäter einer Vergewaltigung verurteilt werden ([X.], [X.] vom 8.
November 2011 -
4 StR 468/11, [X.], 45). Die Ange-klagte N.
hat in keinem der beiden Fälle ein von den [X.] der Vergewaltigung erfasstes Verhalten in eigener Person vollzogen.
Da jedo[X.]h na[X.]h den [X.] Feststellungen die Voraussetzun-gen einer sexuellen Nötigung gemäß §
177 Abs.
2 Satz
2 Nr.
2 StGB jeweils erfüllt waren, war der S[X.]huldspru[X.]h entspre[X.]hend zu beri[X.]htigen. §
265 StPO steht ni[X.]ht entgegen, weil die vollumfängli[X.]h geständige Angeklagte si[X.]h ni[X.]ht anders als ges[X.]hehen hätte verteidigen können.
Angesi[X.]hts der na[X.]h den festgestellten Gesamtumständen der si[X.]h über rund 24 Stunden erstre[X.]kenden Misshandlungen, Demütigungen und Erniedri-gungen der Nebenklägerin ungewöhnli[X.]h niedrigen Strafe s[X.]hließt der Senat aus, dass das Tatgeri[X.]ht zu einer no[X.]h geringeren Jugendstrafe gelangt wäre, wenn es in den Fällen [X.] und 4.
der Urteilsgründe
von sexuellen Nötigun-gen gemäß §
177 Abs.
2 Satz
2 Nr.
2 StGB statt von Vergewaltigungen gemäß §
177 Abs.
2 Satz 2 Nr.
1 StGB ausgegangen wäre.
3. Dass die Angeklagte N.
im Fall [X.] der Urteilsgründe ni[X.]ht zusätzli[X.]h wegen Nötigung gemäß §
240 Abs.
4
Satz 2
Nr.
1 StGB verurteilt worden ist, weil sie gemeinsam mit der Mitangeklagten J.
die Nebenkläge-rin dur[X.]h Drohung mit Misshandlungen dazu gezwungen hat, si[X.]h zeitli[X.]h vor der analen Penetration dur[X.]h die Mitangeklagte J.
den Vibrator selbst vagi-nal einzuführen, hat si[X.]h ni[X.]ht zu Lasten der Angeklagten ausgewirkt.
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5
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4.
Die Angriffe der Revision der Angeklagten N.
gegen die [X.] einer Jugendstrafe und deren Bemessung dringen ni[X.]ht dur[X.]h.
a)
Der Senat teilt insbesondere ni[X.]ht die Auffassung der Revision, der
17 Abs.
2 [X.] könne grund-
ni[X.]ht der bisherigen Re[X.]htspre[X.]hung des [X.], die au[X.]h außer-halb dessen bei besonders s[X.]hweren Straftaten, zu denen gravierende Sexu-aldelikte gehören können ([X.], Bes[X.]hlüsse vom 27. Oktober 2009
-
3 [X.], [X.], 56
f. und vom 28.
September 2010
-
5 StR 330/10, [X.], 588 f.),
die Verhängung einer allein auf die S[X.]hwere der S[X.]huld gegrün-deten Jugendstrafe zugelassen hat (etwa [X.], Bes[X.]hluss vom 20. Januar 1998 -
4 [X.], [X.], 332, 333; weit. Na[X.]hw. bei [X.] in Mün[X.]he-ner Kommentar zum StGB, 2.
Aufl., 2013, Band 6, [X.] §
17 Rn.
67).
b)
Im Übrigen neigt der Senat dazu, bereits das Vorliegen eines [X.] allein als Anordnungsgrund einer auf das Merkmal der
s-fähigkeit und -bedürftigkeit des jugendli[X.]hen oder heranwa[X.]hsenden Täters genügen zu lassen. Weder der Wortlaut von §
17 Abs.
2 [X.] no[X.]h dessen Entstehungsges[X.]hi[X.]hte (vgl. BT-Dru[X.]ks. I/3264 S.
40 re.
Spalte/S.
41 li.
Spalte) deuten auf ein kumulatives Erfordernis eines sol[X.]hen [X.] als Anordnungsvoraussetzung der Jugendstrafe hin. Die in §
18 Abs.
2 [X.] enthaltene Vorgabe, bei der Bemessung der Jugendstrafe die erforderli[X.]he er-zieheris[X.]he Einwirkung mögli[X.]h zu ma[X.]hen, betrifft unmittelbar ledigli[X.]h die Festsetzung der Dauer einer Jugendstrafe,
ni[X.]ht aber die vorgelagerte, in §
17 Abs.
2 [X.] (in Verbindung mit §
5 und §
13 Abs.
1 [X.]) geregelte Auswahl der jugendstrafre[X.]htli[X.]hen Sanktion. Es entspri[X.]ht zudem ohnehin der gefestig-7
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6
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ten Re[X.]htspre[X.]hung des [X.], im Rahmen der Strafbemessung der Jugendstrafe gemäß §
18 Abs.
2 [X.] neben der Erziehungswirksamkeit au[X.]h andere Strafzwe[X.]ke, bei s[X.]hweren Straftaten vor allem das Erfordernis des gere[X.]hten [X.], zu berü[X.]ksi[X.]htigen ([X.], Bes[X.]hlüsse vom 1.
Dezember 1981 -
1 [X.], [X.] 1982, 121; vom 27.
November 1995
-
1 [X.], [X.], 232 f.; [X.], Urteil vom 23.
Oktober 1997 -
5 [X.]; Bes[X.]hluss vom 23.
März 2010 -
5 [X.], [X.], 290, 291). Dem Gedanken des [X.] ist insbesondere bei fünf Jahre übersteigenden Jugendstrafen Bedeutung zugemessen worden, weil bei derar-tigen Verbüßungszeiträumen eine (weitere) erzieheris[X.]he Wirkung bezweifelt wird (vgl. [X.], Bes[X.]hlüsse vom 27.
November 1995 -
1 [X.], [X.], 232 f.
und vom 20.
März 1996 -
3 StR 10/96, [X.], 344; siehe aber au[X.]h [X.], Bes[X.]hluss vom 7.
Mai 1996 -
4 [X.], [X.], 496
f.).
[X.])
Ob faktis[X.]he Erziehungsfähigkeit und re[X.]htli[X.]he Erziehungsbere[X.]hti-gung (bei Heranwa[X.]hsenden) notwendige Anordnungsvoraussetzungen der Jugendstrafe wegen S[X.]hwere der S[X.]huld sind, bedarf vorliegend allerdings [X.] Ents[X.]heidung, weil das Tatgeri[X.]ht ohne Re[X.]htsfehler
ein Erziehungsbe-dürfnis bei der Angeklagten festgestellt hat.
d)
beanstanden. Gerade weil in der Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] die-ses Merkmal ni[X.]ht anhand des äußeren Unre[X.]htsgehalts der Tat, sondern der [X.]harakterli[X.]hen Haltung, der Persönli[X.]hkeit und der Tatmotivation des bzw. der Jugendli[X.]hen oder Heranwa[X.]hsenden beurteilt werden soll (etwa [X.], [X.] vom 14. August 2012 -
5 [X.], [X.], 469 f.), versteht si[X.]h das Vorliegen dieses Anordnungsgrundes des §
17 Abs.
2 [X.] angesi[X.]hts der getroffenen Feststellungen geradezu von selbst.
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5.
Im Fall [X.] der Urteilsgründe ist die Beri[X.]htigung des S[X.]huld-spru[X.]hs gemäß §
357 Satz 1 StPO au[X.]h auf die ni[X.]ht revidierende Mitange-klagte
J.
zu erstre[X.]ken (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 8.
November 2011 -
4 StR 468/11, [X.], 45). Diese
hat ledigli[X.]h im Fall [X.] der Urteilsgründe dur[X.]h das anale Einführen des Vibrators in eigener Person eine der in §
177 Abs.
2 Satz
2 Nr.
1 StGB genannten Handlungen vorgenommen, ni[X.]ht aber im Fall [X.]
der Urteilsgründe.
Die Erstre[X.]kung ist au[X.]h dann vor-zunehmen, wenn si[X.]h die S[X.]huldspru[X.]hberi[X.]htigung ni[X.]ht auf den Re[X.]htsfol-genausspru[X.]h auswirkt ([X.], Bes[X.]hluss vom 7.
Oktober 2003 -
1 StR 385/03 mwN).
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II.
Die Revision des Angeklagten R.
bleibt aus den Gründen der An-tragss[X.]hrift des [X.]s vom 4. April 2013 ohne Erfolg.
Wahl Rothfuß
Jäger
[X.] Zeng
13
Meta
06.05.2013
Bundesgerichtshof 1. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.05.2013, Az. 1 StR 178/13 (REWIS RS 2013, 6092)
Papierfundstellen: REWIS RS 2013, 6092
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 StR 178/13 (Bundesgerichtshof)
Jugendstrafe nach Vergewaltigung: Anordnungsgrund der "Schwere der Schuld"; kumulatives Erfordernis einer Erziehungsbedürftigkeit
4 StR 461/17 (Bundesgerichtshof)
205 StRR 377/19 (BayObLG München)
Jugendstrafverfahren wegen Vergewaltigung
4 StR 280/20 (Bundesgerichtshof)
Jugendstrafrecht: Formelle und materielle Voraussetzungen einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung
2 StR 460/16 (Bundesgerichtshof)
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