Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2010, Az. 1 StR 500/10

1. Strafsenat | REWIS RS 2010, 1725

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 500/10 vom 3. November 2010 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 3. November 2010 beschlos-sen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] (Allg.) vom 20. Mai 2010 wird als unbegründet verwor-fen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten er-geben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen. Ergänzend bemerkt der [X.] zur Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO: Der Angeklagte stellte durch seinen damaligen Verteidiger einen Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden der erkennenden [X.] wegen [X.] der Befangenheit. Dem Befangenheitsantrag lag Folgendes zugrunde: Am 2. Verhandlungstag wurde ein Ermittlungsbeamter als Zeuge gehört. Während dessen Vernehmung unterband der Vorsitzende die Beantwortung einer Frage des Verteidigers unter Hinweis auf die eingeschränkte Aussagege-nehmigung des Zeugen. Er verlas dazu das entsprechende Schreiben des [X.] 3 - zeipräsidenten. Dieses war dem [X.] zuvor um 15.31 Uhr per Fax zugegangen. Der Verteidiger des Angeklagten forderte die Übergabe einer Kopie. Der Vorsitzende lehnte dies ab. Stattdessen wurde dem Verteidiger das (Original-)Fax zur Einsichtnahme übergeben (mit der Bitte um Rückgabe in [X.] - so die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden). Der Verteidiger bestand gleichwohl auf der Aushändigung einer Kopie. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung über die Forderung nach der [X.] Übergabe einer Kopie äußerte der Vorsitzende: —Jetzt mandeln Sie sich schon wieder auf. Sie kriegen jetzt keine Kopiefi (so in der Revisionsbegrün-dung) oder —er - der Verteidiger - solle sich nicht so aufmandelnfi (so in der dienstlichen Stellungnahme des [X.]). Die Vernehmung des Zeugen wurde zunächst fortgesetzt, später kurz zur Fertigung von Kopien des Schreibens über die Beschränkung der Aussagege-nehmigung unterbrochen. Die Ablichtungen wurden dann dem Verteidiger des Beschwerdeführers sowie der Verteidigerin bzw. dem Verteidiger der beiden Mitangeklagten und der Vertreterin der Staatsanwaltschaft übergeben. Der Befangenheitsantrag wurde durch Beschluss der [X.] (in der Besetzung gemäß § 27 Abs. 1 und 2 StPO) als unbegründet zurückgewie-sen. Die Revision trägt vor, dieser Zurückweisungsbeschluss sei unter [X.] gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und schon [X.] fehlerhaft gefasst worden. Außerdem sei der Befangenheitsantrag auch in der Sache zu Unrecht verworfen worden. Auch insoweit bleibt der Revision - entsprechend dem Antrag des [X.] - der Erfolg versagt. - 4 - 1. Zum Vorwurf der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtli-chen Gehörs: Die [X.] habe - so der Beschwerdeführer - bei der Ablehnung des [X.] überraschend Tatsachen zugrunde gelegt, zu denen kein Gehör gewährt worden sei, nämlich hinsichtlich vermeintlicher Spannungen während der Hauptverhandlung, deren Ursache einseitig beim Verteidiger ge-sehen worden sei. Dazu führte die [X.] im Zurückweisungsbeschluss aus: —Wie der Berichterstatter der Kammer mitteilte, war das Verhalten des Verteidigers bisher dadurch gekennzeichnet, dass er mit der Verhandlungsführung des Vorsitzenden nicht einverstanden war, diesem mehrfach ins Wort fiel und dies auch trotz mehrmaligen [X.] des Vorsitzenden nicht unterließ, wodurch sich naturgemäß eine angespannte Atmosphäre aufbaute–.. Vor dem Hintergrund, dass auch sein Verteidiger nicht gerade höflich mit Prozessbeteiligten umgeht, stellt die schroffe Zurückweisung dieses Ansinnens [Fertigung und Übergabe einer Kopie des Schreibens des Polizeipräsidenten] daher keinen Ablehnungsgrund dar. So sagte dieser zur Staatsanwältin bereits am ersten Verhandlungstag [X.] solle doch nicht dümmer tun, als sie tatsächlich sei‚. Wer derart austeilt, darf sich aber nicht wundern, wenn er selbst nicht mit Samthandschuhen angefasst wird.fi Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. - 5 - Das Gesetz sieht für das Verfahren zur Entscheidung über ein [X.] lediglich die Herbeiführung einer dienstlichen Äußerung des ab-gelehnten Richters vor (§ 26 Abs. 3 StPO), die zur Gewährung des rechtlichen Gehörs dem Antragsteller mitzuteilen ist. Eine förmliche Beweisaufnahme über das Ablehnungsvorbringen findet hingegen nicht statt. Es ist vielmehr dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts überlassen, mit welchen Mitteln es sich Kenntnis von dem Bestehen oder Nichtbestehen der maßgeblichen Tatsachen verschaffen will. Haben sich die Tatsachen vor demselben Gericht ereignet, so kann dieses auf Grund eigener Wahrnehmungen ohne weiteres die Entschei-dung treffen (vgl. [X.], Beschluss vom 22. August 2006 - 1 [X.]). So war es im vorliegenden Fall, da der Berichterstatter als Mitglied der [X.] den fraglichen Vorgang miterlebt hatte. In der Sache widerspricht der Beschwerdeführer in der Revisionsbegrün-dung der Schilderung des Prozessverhaltens des damaligen Verteidigers im Beschluss der [X.] über die Ablehnung des [X.] nicht, insbesondere nicht hinsichtlich der Eingriffe des Verteidigers in die allein dem Vorsitzenden obliegenden Leitung der Verhandlung (§ 238 Abs. 1 StPO) und zu der zumindest unsachlichen Äußerung gegenüber der Staatsanwältin. Der [X.] kann folglich davon ausgehen, dass die Ausführungen der [X.] im Ablehnungsbeschluss insoweit zutreffen. Zwar trat in der Instanz ein anderer Verteidiger auf als derjenige, der die Revision begründete. Dies ist [X.] ohne Belang, da der Revisionsverteidiger verpflichtet ist, sich bei seinem - insoweit auskunftspflichtigen - Kollegen über alle wesentlichen Vorgänge in der Hauptverhandlung zu erkundigen, um die Revision ordnungsgemäß be-gründen zu können. Dass dies im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen wä-re, wird nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. - 6 - Der damalige Verteidiger erlebte die Hauptverhandlung selbst mit. Er be-einflusste sie hinsichtlich des Verhandlungsstils maßgeblich. Es konnte ihn [X.] nicht überraschen, dass die [X.] sein Auftreten bei der [X.] berücksichtigte. Dies lag hier auf der Hand. 2. Zum Vorwurf der Befangenheit: Den auf die eingangs geschilderten Vorgänge gestützten [X.] hat die [X.] zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. a) Ein Anspruch auf sofortige Aushändigung einer Kopie des Schreibens des Polizeipräsidenten über die Beschränkung der Aussagegenehmigung des Ermittlungsbeamten bestand nicht. Ein Verteidiger hat grundsätzlich keinen [X.] auf Übergabe von Kopien der Ermittlungs- und Gerichtsakten. Er kann sie sich bei [X.] selbst fertigen. Gleichwohl wird sinnvoller [X.] häufig anders verfahren, wenn dies aus Gründen der Fairness, der Verfah-rensvereinfachung und -beschleunigung angezeigt erscheint; so dann ja auch im vorliegenden Fall noch während der Vernehmung des Zeugen. Zwingend war dies hier nicht. Das - im Text - zweiseitige und bei [X.] Vortrag oh-ne weiteres verständliche Schreiben des Polizeipräsidenten wurde zur Informa-tion der Verfahrensbeteiligten vom Vorsitzenden vorgelesen. Dem damaligen Verteidiger des Beschwerdeführers wurde das Fax zur Einsichtnahme überge-ben. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Angeklagte oder sein Verteidiger dann noch in ihren Verteidigungsrechten beschnitten gewesen sein könnten oder ein entsprechender Eindruck beim Angeklagten hätte entstehen können. b) Die Verwendung des Begriffs —aufmandelnfi seitens des Vorsitzenden der [X.] (beim [X.]) gegenüber dem Verteidiger des Angeklagten vermag hier den Eindruck der Befangenheit nicht zu begründen. Dieser Begriff wird im [X.] häufig gebraucht. Er ist abgelei-- 7 - tet von der [X.] Verkleinerungsform für [X.] ([X.]). —[X.] Sie sich nicht so [X.] beinhaltet zwar eine gewisse Kritik (etwa: spielen Sie sich doch nicht so auf). Gerade durch die Verwendung der lokalen Sprachform wird dem Vorwurf aber die Schärfe genommen. Dementsprechend erklärte auch der Vorsitzende in seiner dienstlichen Stellungnahme, er habe mit der —Verwendung des freundlich bleibenden und hier nicht ungebräuchlichen Ausdrucksfi nur [X.] —unnötiges [X.] verhindern wollen. Diese Erläuterung in der dienst-lichen Erklärung ist für sich schon geeignet, ursprüngliches Misstrauen zu [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 12. März 2002 - 1 [X.]). Im Übrigen kann der tadelnde Hinweis —nun mandeln Sie sich doch nicht so [X.] oder —jetzt mandeln Sie sich schon wieder [X.] vor dem Hintergrund des von der [X.] in ihrem Beschluss über die Zurückweisung des [X.] geschilderten Prozessverhaltens des Verteidigers nur als eine auf [X.] eher zurückhaltend formulierte Bitte um Respektierung des Rechts und - 8 - der Pflicht des [X.], die Verhandlung zu leiten (§ 238 Abs. 1 StPO), sowie um Wahrung des - auch standesrechtlich geforderten (§ 43a [X.]) - Gebots der Sachlichkeit verstanden werden. [X.] Wahl [X.] Hebenstreit [X.]

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1 StR 500/10

03.11.2010

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2010, Az. 1 StR 500/10 (REWIS RS 2010, 1725)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1725

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