Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.10.2016, Az. 5 C 55/15

5. Senat | REWIS RS 2016, 3205

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Gegenstand

Umfang des Ersatzanspruchs nach § 47a BAföG


Leitsatz

Die Pflicht zum Ersatz von Ausbildungsförderungsleistung nach § 47a Satz 1 BAföG erstreckt sich nicht auf den Teil der Leistung, der bei wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben gegenüber dem Auszubildenden hätte erbracht werden müssen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme nach § 47a [X.] auf Ersatz von Ausbildungsförderung, die seinem [X.] geleistet wurde.

2

Das [X.] des Beklagten bewilligte dem [X.] des [X.] für das [X.] Ausbildungsförderung in Höhe von 326 € monatlich. Wie gesetzlich vorgesehen, rechnete es das Einkommen seiner Eltern im vorletzten Jahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums, hier also im [X.], an. Nachdem der Kläger unter Vorlage von [X.] mitgeteilt hatte, er werde im [X.] ein wesentlich niedrigeres Einkommen als 2008 beziehen, stellte der [X.] einen so genannten Aktualisierungsantrag nach § 24 Abs. 3 [X.]. In dem Feld "Abfindungen" der im Antragsformular enthaltenen Erklärung zu seinen voraussichtlichen Einnahmen im [X.] trug der Kläger einen Schrägstrich ein. Das [X.] hob daraufhin den Bewilligungsbescheid auf und setzte den Förderbetrag unter dem Vorbehalt der Rückforderung für das [X.] auf monatlich 448 € fest. Später wurde der Betrag auf 465 € erhöht.

3

Im Rahmen des Antrags auf weitere Ausbildungsförderung des [X.]es legte der Kläger im Januar 2012 u.a. einen Verdienstnachweis vor. Dem war zu entnehmen, dass ihm im September 2010 eine Abfindung in Höhe von 57 706,17 € gezahlt worden war. Die Zahlung dieses Betrages war mit seinem früheren Arbeitgeber bereits im Zeitpunkt des [X.] vereinbart worden. Daraufhin berechnete das [X.] den Förderbetrag für das [X.] neu und setzte ihn abschließend auf Null fest. Mit Bescheid vom 16. März 2012 forderte das [X.] den Kläger zum Ersatz der seinem [X.] für das [X.] gezahlten Ausbildungsförderung in Höhe von 5 427 € auf.

4

Mit seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger die Aufhebung des Bescheides insoweit beantragt, als mehr als 1 431 € gefordert werden. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Zwar bestehe nach § 47a [X.] dem Grunde nach ein Ersatzanspruch gegen den Kläger, nicht aber in der festgesetzten Höhe. Es sei nur der Betrag zu ersetzen, der sich aus der tatsächlich geleisteten Ausbildungsförderung abzüglich dessen ergebe, was der Beklagte rechtmäßig hätte leisten müssen.

5

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine Ersatzpflicht des [X.] nach § 47a [X.] lägen dem Grunde nach vor. Der Beklagte habe den vom Kläger zu ersetzenden Betrag auch zu Recht auf 5 427 € festgesetzt. Der Kläger habe die gesamte für das [X.] geleistete Förderung zu erstatten. Dieser Betrag sei nicht um die Förderung zu mindern, die bei vollständigen Angaben des [X.] hätte geleistet werden müssen. Die Auffassung des [X.] führe zu einem Wertungswiderspruch, weil danach der Elternteil, der vorsätzlich falsche oder unvollständige Angaben gemacht habe, besser gestellt werde als der Auszubildende, den kein Verschulden treffe.

6

Hiergegen wendet sich die Revision des [X.]. Bei § 47a [X.] handele es sich um einen eigenständigen Schadensersatzanspruch. Die haftungsbegründende Kausalität sei unstreitig, es fehle aber an dem haftungsausfüllenden [X.]. Der Geschädigte dürfe nicht besser gestellt werden, als er bei rechtmäßigem Handeln des Schädigers gestanden hätte. Dem Beklagten sei nur in der Höhe der Differenz zu den Leistungen ein Schaden entstanden, die der [X.] bei korrekten Angaben des [X.] erhalten hätte. Der vom Oberverwaltungsgericht für maßgeblich gehaltene Wertungswiderspruch sei keine Folge des Verhaltens des Schädigers. Zu einem Wertungswiderspruch komme es außerdem deshalb nicht, weil der Beklagte den Rückforderungsbescheid gegenüber dem [X.] zurückgenommen habe.

7

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

8

Der Vertreter des [X.] beteiligt sich am Verfahren. Er schließt sich dem Ergebnis und der Argumentation des [X.] an.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt [X.]undesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es steht mit § 47a Satz 1 des [X.]undesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung ([X.] - [X.]) i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 7. Dezember 2010 ([X.] I S. 1952; 2012 I S. 197), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 27. Juli 2015 ([X.] I S. 1386), nicht in Einklang. Der entscheidungstragenden Annahme des [X.], von dem zu Unrecht geleisteten Förderbetrag, der nach dieser Vorschrift zu ersetzen sei, könne nicht das abgezogen werden, was dem Auszubildenden bei rechtmäßigem Verhalten des Auskunftspflichtigen nach § 24 Abs. 1 [X.] gewährt worden wäre, ist nicht zu folgen.

1. Die Revision hat nicht schon deshalb Erfolg, weil § 47a [X.] keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des streitigen [X.] enthält.

Der Erlass eines [X.]escheides, mit dem die [X.]ehörde den [X.]ürger zur Leistung eines Geldbetrages verpflichtet, bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die die [X.]ehörde gerade auch ermächtigt, durch Verwaltungsakt tätig zu werden (stRspr, vgl. z.[X.]. [X.], Urteil vom 11. Oktober 2012 - 5 C 20.11 - [X.]E 144, 306 Rn. 11 m.w.N.). Eine ausdrückliche Ermächtigung für den Erlass des hier streitigen [X.] fehlt. Nach dem insoweit allein in [X.]etracht kommenden § 47a Satz 1 [X.] sind auch die Eltern des Auszubildenden zum Ersatz des [X.]etrages, der nach § 17 Abs. 1 und 2 [X.] für den Auszubildenden als [X.] zu Unrecht geleistet worden ist, verpflichtet, wenn sie die Leistung von Ausbildungsförderung an den Auszubildenden unter anderem dadurch herbeigeführt haben, dass sie vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht haben. Dem ist keine ausdrückliche [X.]efugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes zu entnehmen. Eine solche Ermächtigung besteht aber auch dann, wenn die [X.]ehörde und der [X.]ürger gerade mit [X.]lick auf den von ihr geltend gemachten Anspruch in einem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnis stehen. Das ist auch der Fall, wenn eine öffentlich-rechtlich begründete Ersatzpflicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer öffentlich-rechtlich ausgestalteten Auskunftspflicht des [X.] steht ([X.], Urteil vom 11. Oktober 2012 - 5 C 20.11 - [X.]E 144, 306 Rn. 11 und 13). So liegt es hier. Soweit § 47a Satz 1 [X.] voraussetzt, dass falsche oder unvollständige Angaben gemacht worden sind, nimmt er in der Sache [X.]ezug auf die Pflicht des § 47 Abs. 4 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SG[X.] I. Danach sind unter anderem die Eltern des Auszubildenden gehalten, alle leistungserheblichen Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig anzugeben. An diese öffentlich-rechtliche Pflicht knüpft § 47a Satz 1 [X.] an und begründet im Fall ihrer Verletzung die Ersatzpflicht. Für den Erlass eines [X.] zur Durchsetzung der Ersatzpflicht besteht deshalb eine ausreichende Ermächtigung (so bereits [X.], [X.]eschluss vom 29. Dezember 1981 - 5 [X.] 18.81 - [X.] 436.36 § 47a [X.] Nr. 1 S. 1 f. und Urteil vom 25. November 1992 - 11 C 4.92 - [X.] 436.36 § 47a [X.] Nr. 2 S. 9 f.).

2. Das Urteil des [X.] ist mit § 47a Satz 1 [X.] nicht vereinbar, weil sich der dort geregelte Ersatzanspruch gegen den Kläger nicht auf den [X.]etrag erstreckt, den dessen [X.] als Förderungsleistung hätte erhalten müssen, wenn der Kläger vollständige Angaben über seine Einkommensverhältnisse gemacht hätte.

a) Die Voraussetzungen des Ersatzanspruchs nach § 47a Satz 1 [X.] sind erfüllt.

aa) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des [X.] hat der Kläger vorsätzlich unvollständige Angaben über sein voraussichtliches Einkommen im [X.] gemacht, weil er die damals bereits vereinbarte Abfindung in dem Formular für den [X.] nicht angegeben hat. Daran ist der Senat, soweit diese Feststellungen tatsächliche Elemente enthalten, gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.

bb) Durch diese unvollständige Angabe hat der Kläger die Leistung von Ausbildungsförderung an seinen [X.] für das [X.] "herbeigeführt".

Der nach diesem Tatbestandsmerkmal erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der falschen oder unvollständigen Angabe und der Leistung bestimmt sich grundsätzlich nach den im zivilrechtlichen Deliktsrecht geltenden Kriterien. Dies folgt daraus, dass der Ersatzanspruch des § 47a [X.] - wie sich auch aus der Entstehungsgeschichte der [X.]estimmung ergibt - eine Sachnähe zu den deliktischen Schadensersatzansprüchen des bürgerlichen Rechts aufweist. Es handelt sich dabei nicht um einen Erstattungsanspruch, sondern um einen eigenständigen Schadensersatzanspruch des öffentlichen Rechts, der der [X.] nach §§ 823 ff. [X.] nahesteht ([X.], Urteil vom 25. November 1992 - 11 C 4.92 - [X.] 436.36 § 47a [X.] Nr. 2 S. 1, 5 f.). Deshalb finden im Rahmen des § 47a Satz 1 [X.] die Regeln über die Kausalität im zivilrechtlichen Deliktsrecht Anwendung, wenn und soweit Grundsätze des öffentlichen Rechts, insbesondere des Ausbildungsförderungsrechts, dem nicht entgegenstehen. Im Zivilrecht haftet der Schädiger für die adäquaten Folgen seines Verhaltens. Ein solcher haftungsbegründender adäquater Ursachenzusammenhang besteht, wenn eine Tatsache nicht nur im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach regelmäßigem Verlauf der Dinge außer [X.]etracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet ist (vgl. [X.], Urteil vom 9. Oktober 1997 - [X.] - [X.]Z 137, 11 <19> m.w.N.). Gesichtspunkte, die der Anwendung dieses Grundsatzes bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "herbeigeführt" in § 47a Satz 1 [X.] entgegenstehen, liegen nicht vor.

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des [X.] ist nicht zweifelhaft, dass das Verschweigen der Abfindung adäquat kausal dafür war, dass der [X.]eklagte dem [X.] des [X.] nach Maßgabe des § 24 Abs. 3 [X.] für das [X.] Ausbildungsförderung geleistet hat. Während nach § 24 Abs. 1 [X.] für die Anrechnung des Einkommens der Eltern grundsätzlich deren Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor [X.]eginn des [X.]ewilligungszeitraums, hier also im [X.], maßgeblich sind, ist gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 [X.] auf besonderen Antrag des Auszubildenden von den Einkommensverhältnissen im [X.]ewilligungszeitraum auszugehen, wenn dieses Einkommen voraussichtlich wesentlich niedriger sein wird. Einem solchen [X.] des [X.]es hat das Amt für Ausbildungsförderung stattgegeben und im [X.] auf der Grundlage von § 24 Abs. 3 [X.] Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 5 427 € gezahlt, weil der Kläger in dem Antragsformular im Feld "Abfindungen" einen Strich eingetragen hatte.

b) Gemäß § 47a Satz 1 [X.] hat der Kläger dem [X.]eklagten deshalb den zu Unrecht geleisteten [X.] zu ersetzen. Dies ist hier nicht der gesamte [X.]etrag, der dem [X.] des [X.] für das [X.] zugewandt wurde. Dieser ist vielmehr um die Ausbildungsförderungsleistung zu mindern, die der Auszubildende im [X.] bei vollständigen Angaben des [X.] über seine Einkommensverhältnisse erhalten hätte.

aa) [X.]ereits der Wortlaut des § 47a Satz 1 [X.] weist sehr deutlich in die Richtung, dass die Ersatzleistung und die aufgrund der falschen oder unvollständigen Angaben geleistete Ausbildungsförderung nicht identisch sein müssen. Die [X.]estimmung umschreibt beide Leistungen in unterschiedlicher Weise. Zu ersetzen ist, was "als [X.] zu Unrecht geleistet" wurde, nicht die durch die falschen oder unvollständigen Angaben herbeigeführte "Leistung von Ausbildungsförderung".

bb) Dass der "zu Unrecht geleistete" [X.] nicht auch die Leistung umfasst, die der [X.] des [X.] bei vollständigen Angaben erhalten hätte, folgt aus Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte sowie Systematik des § 47a Satz 1 [X.].

(1) Wie oben dargelegt, ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des § 47a Satz 1 [X.] dessen Zweck, einen eigenständigen öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch zu begründen, der eine Sachnähe zu den deliktischen Schadensersatzansprüchen des Zivilrechts aufweist. Die insoweit geltenden zivilrechtlichen Maßstäbe sind deshalb auch aus systematischen Gründen im Zusammenhang mit der Auslegung des Merkmals "als [X.] zu Unrecht geleistet" heranzuziehen, wenn und soweit öffentlich-rechtliche Gesichtspunkte keine Abweichung gebieten. Daraus folgt zunächst, dass der "zu Unrecht geleistete" [X.] mit einem Vermögensschaden im Sinne des Deliktsrechts gleichzusetzen ist, für den nach §§ 249 und 251 [X.] Schadensersatz zu leisten wäre. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. [X.]eschluss vom 20. Januar 1997 - 5 [X.] 123.96 - juris Rn. 3, "Vermögensschaden").

(2) Aus dem systematischen Zusammenhang zu den deliktsrechtlichen Maßstäben folgt weiter, dass die [X.]estimmung der Höhe des "zu Unrecht geleisteten [X.]etrages" sich grundsätzlich nach den Kriterien richtet, die bei der [X.]estimmung der Höhe des Vermögensschadens im Zivilrecht Geltung beanspruchen. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]undesgerichtshofs beurteilt sich die Frage, ob und in welcher Höhe ein zu ersetzender Vermögensschaden eingetreten ist, grundsätzlich nach der so genannten [X.] durch einen Vergleich der infolge des [X.] eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte. Der durch eine unerlaubte Handlung Geschädigte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, besser zu stehen, als er stünde, wenn der Schädiger die unerlaubte Handlung nicht begangen hätte ([X.], Urteil vom 18. Januar 2011 - [X.]/09 - [X.]Z 188, 78 Rn. 8 f. m.w.N.). Gesichtspunkte des öffentlichen Rechts, die der grundsätzlichen Anwendung der [X.] entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

c) Ein Absehen von dem Erfordernis einer Vermögensdifferenz kommt hier nicht in [X.]etracht.

Die zivilrechtlichen Grundsätze sind hier auch insoweit heranzuziehen, als nach ihnen unter bestimmten Voraussetzungen die [X.] keine Anwendung findet. Das Ergebnis der Schadensermittlung anhand der Differenzmethode bedarf zur Ergebniskontrolle einer ergänzenden wertenden (normativen) [X.]etrachtung unter dem Gesichtspunkt, ob aus gewichtigen Gründen ein Vermögensschaden auch ohne Vermögensdifferenz anzunehmen ist. Die Wertungsmaßstäbe dafür sind in erster Linie dem Sinn und Zweck aller in [X.]etracht kommenden Rechtsnormen zu entnehmen (vgl. [X.], Urteil vom 30. November 1979 - [X.] - [X.]Z 75, 366 <372> m.w.N.). Der Anwendung dieser Einschränkung im Rahmen des § 47a Satz 1 [X.] stehen öffentlich-rechtliche Regelungen nicht entgegen. Gründe, die danach ein Abweichen von dem Erfordernis einer Vermögensdifferenz gebieten würden, sind nicht erkennbar.

aa) Gegen die Anwendung der [X.] sprechen nicht der Sinn und Zweck der Verpflichtung aus § 47 Abs. 4 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SG[X.] I zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Angabe leistungserheblicher Tatsachen, an die - wie aufgezeigt - § 47a Satz 1 [X.] anknüpft. Fraglich ist bereits, ob der Verletzung einer Pflicht, die Voraussetzung des Schadens ist, überhaupt eine Aussage über die auf der [X.] angesiedelte Schadensermittlung entnommen werden kann. Jedenfalls ergibt sich aus dem Zweck der Mitteilungspflicht nichts für ein Absehen von der [X.]. Diese Pflicht ist Ausdruck des allgemeinen Gebots, auch die [X.]ehörde vor Schäden zu bewahren, die das [X.] betreffen (vgl. [X.]SG, Urteil vom 28. März 2013 - [X.] 4 [X.]/12 R - [X.]SGE 113, 177 Rn. 16 m.w.N.), und dient in Ergänzung des [X.] bzw. Untersuchungsgrundsatzes dazu, den Leistungsträger in die Lage zu versetzen, eine rechtmäßige Entscheidung über eine zu gewährende Leistung zu treffen. Dies steht der Anwendung der Ermittlung des Schadens auf der Grundlage der [X.] nicht entgegen.

Das gilt auch dann, wenn man mit in den [X.]lick nimmt, dass die unvollständigen Angaben des [X.] die Grundlage für eine stattgebende Entscheidung über den [X.] des [X.]es nach § 24 Abs. 3 [X.] waren, an den dieser jedenfalls ab dem Ende des [X.]ewilligungszeitraums mit der Folge gebunden sein könnte, dass eine [X.]erechnung der Ausbildungsförderung auf der Grundlage des § 24 Abs. 1 [X.] nicht mehr möglich ist. Abgesehen davon, dass eine hypothetische Annahme nicht mit einem tatsächlichen [X.]efund entkräftet werden kann, ist die [X.]indung an den [X.] bereits deshalb für den im Rahmen der [X.] vorzunehmenden Vermögensvergleich ohne [X.]edeutung, weil dieser die Vermögenslage nach der hypothetischen vollständigen und wahrheitsgemäßen Angabe durch den Kläger betrifft. Eine positive [X.]escheidung des [X.] auf einer anderen Grundlage kann deshalb schwerlich als gewichtiger Grund für ein Absehen von der [X.] herangezogen werden.

bb) Das Ergebnis der [X.] ist nicht im Hinblick auf den Zweck des § 47a [X.] zu vernachlässigen. Mit § 47a [X.] sollte - wie dargelegt - ein eigenständiger öffentlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch unter anderem gegen die Eltern des Auszubildenden geschaffen werden, wenn diese die Leistung von Ausbildungsförderung durch falsche oder unvollständige Angaben erreicht haben. Auch daraus folgt für die Einzelheiten der Schadensermittlung nichts.

cc) Die Anwendung der [X.] im Rahmen des § 47a Satz 1 [X.] bewirkt keinen Wertungswiderspruch zu der nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] bestehenden Erstattungspflicht des Auszubildenden. Ein Wertungswiderspruch liegt vor, wenn [X.] gleichgelagerte Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden (vgl. [X.], Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 334).

Der [X.]etrag, den ein Elternteil nach § 47a Satz 1 [X.] zu ersetzen hat, und die Summe, die der Auszubildende nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] erstatten muss, wenn mehr Ausbildungsförderung geleistet wurde, als ihm tatsächlich zusteht, können zwar bei Anwendung der [X.] voneinander abweichen. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] ist der [X.]ewilligungsbescheid aufzuheben und der [X.] vom Auszubildenden zu erstatten, wenn die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem [X.] vorgelegen haben, für den sie gezahlt worden ist, und die Ausbildungsförderung - wie hier nach § 24 Abs. 3 Satz 3 [X.] - unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden ist. Sollte dieser Erstattungsanspruch gegenüber dem [X.] des [X.] in voller Höhe der ihm aufgrund seines [X.] nach § 24 Abs. 3 [X.] geleisteten Ausbildungsförderung bestehen, wäre dieser Rückerstattungsanspruch im vorliegenden Fall höher als der Schadensersatzanspruch, den der [X.]eklagte nach § 47a [X.] gegen den Vater bei Anwendung der [X.] hat, weil ihm in dem Umfang, in dem ohne die unvollständigen Angaben nach § 24 Abs. 1 [X.] Ausbildungsförderung hätte geleistet werden müssen, kein Schaden entstanden wäre. Die Annahme eines [X.] scheidet aber aus, weil der Erstattungsanspruch nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] und der Ersatzanspruch nach § 47a Satz 1 [X.] [X.] unterschiedliche Sachverhalte betreffen, was auch in den unterschiedlichen Regelungen seinen Ausdruck findet.

§ 47a Satz 1 [X.] und § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] beziehen sich auf unterschiedliche Rechtsverhältnisse. Während § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] das Verhältnis zwischen dem Auszubildenden und der [X.]ehörde betrifft, hat § 47a [X.] - soweit hier von Interesse - das Verhältnis zwischen Elternteil und [X.]ehörde im [X.]lick.

Die beiden [X.]estimmungen regeln auch unterschiedliche Rechtsinstitute. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] begründet eine Pflicht zur Erstattung erhaltener Leistungen, § 47a [X.] verleiht einen Schadensersatzanspruch wegen der Gewährung von Leistungen an einen [X.]. Dass der [X.] leisten muss, obwohl er keine Leistungen erhalten hat, kann als gewichtiger Grund angesehen werden, ihn nicht für den [X.]etrag in Anspruch zu nehmen, den der Schadensersatzberechtigte auch bei zutreffenden Angaben hätte aufbringen müssen.

Darüber hinaus beruhen der Erstattungsanspruch und der Schadensersatzanspruch auf unterschiedlichen Voraussetzungen, die auch die wesensmäßige Differenz der ihnen zugrunde liegenden Sachverhalte spiegeln. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] verlangt, dass eine Leistung ohne Vorliegen der Voraussetzungen unter Vorbehalt erbracht wurde. Die Leistungserbringung unter Vorbehalt beruht hier gemäß § 24 Abs. 3 Satz 3 [X.] auf einem positiv beschiedenen [X.], den der Auszubildende in eigener Verantwortung gestellt hat. Damit ist er auch das Risiko einer Pflicht zur möglicherweise vollständigen Rückerstattung des unter Vorbehalt gezahlten [X.]etrages eingegangen, falls das Elterneinkommen höher als erwartet ausfällt. Für die Erstattungspflicht nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] macht es keinen Unterschied, ob die Prognose über die künftigen Einkünfte sich wegen schuldhaft falscher oder unvollständiger Angaben als unrichtig erweist oder ob sich vollständige und in gutem Glauben gemachte Angaben aufgrund nicht absehbarer Entwicklungen später als unzutreffend herausstellen. Der besonderen Situation der Auszubildenden, bei denen aufgrund falscher oder defizitärer Angaben Dritter eine Leistung erbracht wurde, hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass er der [X.]ehörde in diesen Fällen mit § 47a [X.] einen parallelen Schadensersatzanspruch eingeräumt hat. Dessen Voraussetzungen unterscheiden sich von denjenigen des Erstattungsanspruchs grundlegend.

d) In Anwendung der [X.] hat der Kläger dem [X.]eklagten gemäß § 47a Satz 1 [X.] den Unterschied zwischen der auf der Grundlage von § 24 Abs. 3 [X.] für das [X.] gewährten Ausbildungsförderung in Höhe von 5 427 € und der Förderungsleistung zu ersetzen, die sein [X.] für das [X.] erhalten hätte, wenn er zu seinem voraussichtlichen Einkommen im [X.]ewilligungszeitraum 2010 vollständige und zutreffende Angaben gemacht hätte. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des [X.] hätte der [X.]eklagte in diesem Fall den [X.] gemäß § 24 Abs. 3 [X.] ablehnen und dem [X.] gemäß § 24 Abs. 1 [X.] Ausbildungsförderung auf der Grundlage der Einkommensverhältnisse des [X.] im [X.] in Höhe von 3 996 € leisten müssen. Zu ersetzen ist danach ein [X.]etrag in Höhe von 1 431 €.

3. [X.] folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

Meta

5 C 55/15

27.10.2016

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 24. September 2015, Az: 7 A 11090/14, Urteil

§ 47a S 1 BAföG, § 24 Abs 1 BAföG, § 24 Abs 3 BAföG, § 17 Abs 1 BAföG, § 17 Abs 2 BAföG, § 20 Abs 1 S 1 Nr 4 BAföG, § 249 BGB, § 251 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.10.2016, Az. 5 C 55/15 (REWIS RS 2016, 3205)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3205

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