Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.02.2023, Az. IV ZR 353/21

4. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 922

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Gegenstand

Altverträge über fondsgebundene Lebens- bzw. Rentenversicherungen: Treuwidrige Ausübung des Widerspruchsrechts bei geringfügigem Belehrungsfehler


Leitsatz

Die Ausübung des Widerspruchsrechts gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. (hier: Fassung vom 13. Juli 2001) verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn ein geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt, durch den dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (hier: Schriftform statt Textform).

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des [X.] - 6. Zivilsenat - vom 9. Juli 2021 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 23.373,84 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin macht aus behauptet abgetretenem Recht Ansprüche auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung fondsgebundener Lebens- beziehungsweise [X.] geltend.

2

Diese Versicherungsverträge mit den [X.] 7540, 7539 und 8188 wurden zwischen den jeweiligen Versicherungsnehmern und der Beklagten mit Versicherungsbeginn zum 1. November 2002 ([X.] 7540 und 7539) beziehungsweise zum 1. Dezember 2002 ([X.] 8188) nach dem sogenannten [X.] des § 5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a [X.] a.F.) abgeschlossen. Die Versicherungsnehmer erhielten jeweils den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen nebst Verbraucherinformation sowie ein Begleitschreiben zugesandt. Das Begleitschreiben enthielt eine Belehrung, die auszugsweise lautete:

"Der Vertrag gilt … als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der genannten Unterlagen schriftlich widersprechen.

… Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs an uns."

3

In der Folgezeit zahlten die Versicherungsnehmer jeweils die Versicherungsbeiträge.

4

Den Versicherungsvertrag mit den [X.] 7540 kündigte die Versicherungsnehmerin mit Schreiben vom 15. April 2017 und die Beklagte zahlte ihr einen Rückkaufswert aus. Im März 2018 erklärte die Versicherungsnehmerin mit Schreiben datiert auf den 27. Dezember 2017 unter anderem den Widerspruch nach § 5a [X.] a.F. Die Klägerin verlangt - soweit für die Revision von Belang - noch Zahlung von 6.320,95 € nebst Zinsen.

5

Den Versicherungsvertrag mit den [X.] 7539 kündigte der Versicherungsnehmer mit Schreiben vom 15. April 2017 und die Beklagte zahlte ihm einen Rückkaufswert aus. Im März 2018 erklärte der Versicherungsnehmer mit Schreiben datiert auf den 29. Dezember 2017 unter anderem den Widerspruch nach § 5a [X.] a.F. Die Klägerin verlangt - soweit für die Revision von Belang - noch Zahlung von 6.679,99 € nebst Zinsen.

6

Den Versicherungsvertrag mit den [X.] 8188 kündigte der Versicherungsnehmer mit Schreiben vom 28. Dezember 2016 und die Beklagte zahlte ihm einen Rückkaufswert aus. Im Januar 2018 erklärte der Versicherungsnehmer mit Schreiben datiert auf den 27. Dezember 2017 unter anderem den Widerspruch nach § 5a [X.] a.F. Die Klägerin verlangt - soweit für die Revision von Belang - noch Zahlung von 10.372,90 € nebst Zinsen.

7

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren im genannten Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

8

[X.]ie Revision hat keinen Erfolg.

9

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Geltendmachung des Rückabwicklungsanspruchs der Grundsatz von [[X.].] und Glauben entgegen. Bei einer fehlerhaften Belehrung könne der Versicherer grundsätzlich keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen. [X.]ies schließe jedoch nicht aus, eine [X.]urchsetzung des Anspruchs wegen widersprüchlichen Verhaltens im Einzelfall zu versagen, wenn besonders gravierende Umstände vorlägen, die das Verhalten des Versicherungsnehmers als besonders treuwidrig erscheinen ließen. Ein vorrangiges schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers in den Fortbestand des Vertrags komme in Betracht, wenn Umstände vorlägen, die den Schluss darauf zuließen, dass der Versicherungsnehmer auch in Kenntnis seines Lösungsrechts vom Vertrag an diesem festgehalten hätte. [X.]ieser Schluss sei hier gerechtfertigt, weil alle drei Versicherungsnehmer jeweils trotz der [[X.].] erfolgten Belehrung über ihr Widerspruchsrecht erst Ende [X.]ezember 2017 nach vorheriger Kündigung und Abrechnung der Verträge durch die Beklagte von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht hätten. [X.]er Fehler in der Belehrung über die Schriftform anstelle der seit dem 1. August 2001 ausreichenden Textform für die Widerspruchserklärung könne die Versicherungsnehmer nicht ernsthaft von der Ausübung des Widerspruchsrechts innerhalb der bei ordnungsgemäßer Belehrung gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 [[X.].] a.[[X.].] geltenden Frist abgehalten haben. [X.]enn die Ausübung der Schriftform stelle keine wesentliche Erschwernis im Vergleich zur Textform dar. [X.]a der Versicherungsnehmer mit einer schriftlichen Erklärung, wie sie laut Belehrung notwendig erschienen sei, zum einen die gesetzlich vorgesehene Textform jedenfalls erfüllt hätte, also eine wirksame Erklärung abgegeben hätte, und zum anderen den Vorteil der leichteren Beweisbarkeit der Einhaltung des [[X.].] habe in Anspruch nehmen können, erscheine es im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [[X.].] als unverhältnismäßig, unter Hinweis auf diesen Fehler in der Belehrung die Lösungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers zeitlich unbegrenzt zuzulassen.

II. [X.]as hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. [X.]ie Versicherungsnehmer konnten den Widerspruch nicht noch im Jahr 2018 wirksam erklären. [[X.].] kann daher, ob - wie die Beklagte zu bedenken gibt - die Berufung und die Berufungsbegründung der Klägerin formgerecht eingereicht worden sind.

1. a) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden und von der Revisionserwiderung - zu Recht - nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts enthielt die für den Beginn der Widerspruchsfrist nach § 5a Abs. 2 Satz 1 [[X.].] a.[[X.].] erforderliche Widerspruchsbelehrung zwar jeweils eine unrichtige Information über die Form der Widerspruchserklärung. [X.]ie Belehrung im Begleitschreiben wies auf ein Recht zum schriftlichen Widerspruch hin, obwohl nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [[X.].] in der ab 1. August 2001 gültigen Fassung ein Widerspruch in Textform genügte (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 2015 - [[X.].], juris Rn. 12).

b) Weitere Mängel der Belehrung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Soweit die Revision der Klägerin rügt, es fehle auch an einer drucktechnischen Hervorhebung der Widerspruchsbelehrung, vermag sie hiermit nicht durchzudringen. Bereits das [[X.].] hatte festgestellt, dass die Versicherungsnehmer in den Anschreiben jeweils unter drucktechnischer Hervorhebung darüber belehrt worden waren, dass sie das Widerspruchsrecht innerhalb von 14 Tagen ausüben können. [X.]iese Feststellung, der sich das Berufungsgericht durch den Verweis auf die landgerichtliche Entscheidung angeschlossen hat, hat die Klägerin in den Instanzen nicht weiter angegriffen. [X.]ie Auslegung bewegt sich innerhalb des den Tatgerichten zustehenden [[X.].]ielraums und lässt keinen Rechtsfehler erkennen. [X.]ie in diesem Zusammenhang von der Revision erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

2. Aus der unrichtigen Information über die Form der Widerspruchserklärung ergibt sich aber kein fortbestehendes Widerspruchsrecht der Versicherungsnehmer. [X.]as Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass ein Bereicherungsanspruch der Klägerin jedenfalls nach § 242 [[X.].] wegen rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Widerspruchsrechts ausgeschlossen ist.

a) Wird dem Versicherungsnehmer durch die fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, wäre es unverhältnismäßig, es ihm zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen (vgl. [[X.].], Urteil vom 19. [X.]ezember 2019, [[X.].] u.a., [[X.].]/18 bis [[X.].]/18 und [[X.].]/18, [[X.].]:[[X.].] = NJW 2020, 667 Rn. 79). Unter diesen (engen) Voraussetzungen liegt ein geringfügiger Belehrungsfehler vor, der - anders als die Revision meint - einer Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 242 [[X.].] entgegensteht (offengelassen unter anderem in den [[X.].] vom 29. Juli 2015 - [[X.].], [[X.].], 1101 Rn. 32; [[X.].], [[X.].], 1104 Rn. 30; vgl. BeckOK-[[X.].]/[[X.].], § 5a a.[[X.].] Rn. 45 f. [Stand: 1. November 2022]; vgl. auch [[X.].], NJW 2014, 2619, 2621).

aa) Zwar gibt es im [[X.].] Recht keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach geringfügige Pflichtverletzungen oder Mängel stets ohne Folgen bleiben (vgl. [[X.].]/[[X.].], [[X.].]. § 242 Rn. 53; [[X.].]/[[X.].], 4. Aufl. § 242 Rn. 88). Es ist aber anerkannt, dass nach dem aus § 242 [[X.].] hergeleiteten sogenannten Übermaßverbot bestimmte schwerwiegende Rechtsfolgen bei nur geringfügigen Vertragsverletzungen nach [[X.].] und Glauben nicht eintreten (vgl. [[X.].], Urteile vom 15. Februar 1985 - [[X.].], [[X.].], 876 unter [[X.].] b [juris Rn. 15]; vom 28. September 1984 - [[X.].], NJW 1985, 266 unter [[X.].] d [juris Rn. 23]; vom 8. Juli 1983 - [[X.].], [[X.].]Z 88, 91 unter [[X.].] b aa [juris Rn. 23]; vgl. auch [[X.].]/[[X.].], [[X.].] § 242 Rn. 1184 [Stand: 15. September 2022]; [[X.].]/[[X.].] aaO). [X.]ies wurde unter anderem angenommen bei für die Feststellung des Versicherungsfalles oder des Schadensumfanges folgenlosen, die berechtigten Interessen des Versicherers nicht ernsthaft gefährdenden Obliegenheitsverletzungen durch den Versicherungsnehmer, die andernfalls zu einer gänzlichen Leistungsfreiheit des Versicherers geführt hätten (vgl. Senatsurteile vom 7. Juli 2004 - [[X.].], [[X.].], 1117 [juris Rn. 10]; vom 21. April 1982 - [[X.].], [[X.].]Z 84, 84 unter I 1 [juris Rn. 9]; vom 16. Januar 1970 - [[X.].], [[X.].]Z 53, 160, 164 ff. [juris Rn. 11, 13]; jeweils zu § 7 V AKB a.[[X.].]; vgl. auch [[X.].], Urteil vom 8. Juli 1981 - [[X.].], NJW 1981, 2686 unter I 4 [juris Rn. 14]).

[X.]anach verstößt die Ausübung des Widerspruchsrechts gegen [[X.].] und Glauben (§ 242 [[X.].]), wenn ein geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt, durch den dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben. [X.]enn dies stellt eine nur geringfügige, im Ergebnis folgenlose Verletzung der Pflicht des Versicherers zur ordnungsgemäßen Belehrung dar. In einem solchen Fall bleibt es dem über sein Widerspruchsrecht informierten Versicherungsnehmer vielmehr unbenommen, dieses Recht innerhalb der Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 [[X.].] a.[[X.].] wie bei ordnungsgemäßer Belehrung auszuüben, sodass es unverhältnismäßig wäre, es ihm zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus dem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen (vgl. [[X.].], Urteil vom 19. [X.]ezember 2019, [[X.].] u.a., [[X.].]/18 bis [[X.].]/18 und [[X.].]/18, [[X.].]:[[X.].] = NJW 2020, 667 Rn. 79 f.).

bb) [X.]em steht - anders als die Revision meint - nicht die zum Widerrufsrecht bei [[X.].] ergangene Entscheidung des [[X.].]. Zivilsenats des [[X.].] vom 12. Juli 2016 ([[X.].] ZR 564/15, [[X.].]Z 211, 123 Rn. 1, 40 f.) entgegen. [X.]anach komme es im Rahmen der Verwirkung für das Umstandsmoment nicht darauf an, wie gewichtig der Fehler ist, der zur Wirkungslosigkeit der Widerrufsbelehrung führt. Für die Bildung schutzwürdigen Vertrauens der [[X.].] es keine Rolle, dass sie den Verbraucher überhaupt belehrt habe. Zudem habe der Gesetzgeber einen Vorschlag des [[X.].] zum Entwurf der Bundesregierung für ein "Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen" vom 28. Januar 2004, innerhalb des § 355 Abs. 3 Satz 3 [[X.].] in der dann zum 8. [X.]ezember 2004 in [[X.].] gesetzten Fassung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Belehrungsmängeln zu unterscheiden und das "ewige" Widerrufsrecht bei unwesentlichen Belehrungsmängeln einzuschränken, nicht übernommen.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist hingegen ein Widerspruch gegen das Zustandekommen von Lebens- beziehungsweise [[X.].] nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [[X.].] a.[[X.].] Bei dem Widerrufsrecht bei [[X.].] nach § 495 Abs. 1 [[X.].] und dem Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 [[X.].] a.[[X.].] handelt es sich um unterschiedliche Rechte in unterschiedlichen Vertragskonstellationen (vgl. [[X.].], Beschluss vom 7. März 2018, [[X.].] ZR 298/17, juris). Zudem geht es hier um die Anwendung des aus § 242 [[X.].] hergeleiteten Übermaßverbots dergestalt, dass die Einräumung eines Vertragslösungsrechts unverhältnismäßig wäre, wenn dem Versicherungsnehmer durch die fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben. Hinweise auf einen dieser Anwendung des § 242 [[X.].] entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers bei Lebens- beziehungsweise [[X.].] sind weder dargelegt noch ersichtlich und lassen sich - anders als die Klägerin meint - insbesondere nicht allein daraus ableiten, dass im Versicherungsvertragsrecht keine gesonderte gesetzliche Regelung zu unwesentlichen Belehrungsmängeln getroffen wurde.

b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass den Versicherungsnehmern durch die unrichtige Information über ein Recht zum schriftlichen Widerspruch, obwohl nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [[X.].] in der ab 1. August 2001 gültigen Fassung ein Widerspruch in Textform genügte, nicht die Möglichkeit genommen wurde, ihr Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (vgl. auch [[X.].], [[X.].] 2020, 317, 320; [[X.].], [[X.].], 351, 352; a.[[X.].], [[X.].], 83, 84 f., 88). [X.]iese Bewertung des Tatrichters kann in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen [X.]enkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2016 - [[X.].], [[X.].] 2016, 147 Rn. 19; [[X.].], Urteil vom 16. März 2017 - [[X.].], [[X.].], 702 Rn. 99 m.w.N.; jeweils zur unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 [[X.].]). [X.]aran gemessen ist das Berufungsurteil nicht zu beanstanden. Soweit sich aus der Entscheidung des Senats vom 17. Juni 2015 ([[X.].], juris Rn. 12) etwas anderes ergibt, wird hieran nicht festgehalten.

aa) [X.]as Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass die für die Widerspruchserklärung ausreichende Textform eine Erleichterung gegenüber der Schriftform darstellt. Es bedarf nicht mehr der traditionellen Schriftform, die - worauf die Klägerin zutreffend hinweist - im Unterschied zur Textform eine eigenhändige Unterschrift erfordert (§ 126 Abs. 1 [[X.].]) und damit strengere Anforderungen stellt (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 2015 - [[X.].], juris Rn. 12; vgl. auch BT-[X.]rucks. 14/4987, [[X.].], 41). Vielmehr ist eine Verkörperung in "Textform" ausreichend, d.h. es genügt, wenn die Erklärung in Textform lesbar gemacht werden kann (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 2015 - [[X.].], [[X.].], 18 Rn. 12 m.w.N.).

bb) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht zunächst maßgeblich darauf abgestellt, dass der vorliegende Belehrungsfehler für den Versicherungsnehmer nicht die Gefahr begründete, einen formunwirksamen Widerspruch abzugeben. Ein - nach der fehlerhaften Belehrung erforderlicher - schriftlicher Widerspruch genügte den Anforderungen des § 5a Abs. 1 Satz 1 [[X.].] in der ab dem 1. August 2001 gültigen Fassung, nach der bereits ein Widerspruch in Textform ausreichte (vgl. auch BT-[X.]rucks. 14/4987, [[X.].]. [[X.].]. zur Ersetzung der Textform). Im Übrigen blieb es dem Versicherungsnehmer nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [[X.].] a.[[X.].] trotz der fehlerhaften Belehrung unbenommen, seinen Widerspruch (wirksam) in Textform zu erklären. Mit Blick darauf handelt es sich bei der Annahme, dass der vorliegende Belehrungsfehler dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit nimmt, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung wahrzunehmen, auch nicht um die Korrektur eines vom Gesetzgeber zwingend vorgegebenen [[X.].] (a.[[X.].], [[X.].], 83, 84).

Weiter hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass im Alltag für eine Vielzahl von (rechtsgeschäftlichen) Erklärungen die Schriftform auch bei Verbrauchern eine geradezu typische und faktisch regelmäßig praktizierte Mitteilungsform ist, die für jedermann einfach und ohne besonderen Aufwand durchzuführen ist, so dass keine für ihre Effektivität relevanten Hürden entgegenstehen (vgl. OGH [[X.].], 574 unter [[X.].] und [[X.].]; a.[[X.].], [[X.].], 83, 84; kritisch BeckOK-[[X.].]/[[X.].], § 5a Rn. 50 [Stand: 1. November 2022]). [X.]ementsprechend war nach § 5a a.[[X.].] Abs. 1 Satz 1 [[X.].] in der Fassung vom 21. Juli 1994 der Widerspruch noch schriftlich und nicht etwa formlos zu erklären, ohne dass dem Versicherungsnehmer die Ausübung des Widerspruchsrechts dadurch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert worden wäre (vgl. auch [[X.].], [[X.].], 351, 352).

c) [X.]ie Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerspruchsrechts in dem Fall, dass dem Versicherungsnehmer durch den Belehrungsfehler nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, steht auch in Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [[X.].] (vgl. auch [[X.].], [[X.].], 622, 623; BeckOK-[[X.].]/[[X.].], § 5a Rn. 42 ff. [Stand: 1. November 2022]), sodass eine Vorlage an den Gerichtshof nicht veranlasst ist (vgl. zu den Maßstäben: [[X.].], Urteil vom 6. Oktober 2021, [[X.].] u.a., [[X.].]/19, [[X.].]:[X.]:2021:799 = NJW 2021, 3303 Rn. 33 ff.).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs wäre es unverhältnismäßig, es dem Versicherungsnehmer, dem durch die fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen. In solchen Fällen bliebe es dem über sein Rücktrittsrecht informierten Versicherungsnehmer unbenommen, sein Rücktrittsrecht auszuüben und sich von den eingegangenen Verpflichtungen zu lösen, so dass der Informationszweck der [[X.].] (vgl. Richtlinie 90/619/[[X.].] vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die [X.]irektversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien [X.]ienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/[[X.].] - Zweite Richtlinie Lebensversicherung, [[X.].]. [[X.].]; Richtlinie 92/96/[[X.].] vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die [X.]irektversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der [[X.].]/[[X.].] und 90/619/[[X.].] - [X.]ritte Richtlinie Lebensversicherung, [[X.].]. [[X.].]; Richtlinie 2002/83/[[X.].] und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen, [[X.].]. L 345 S. 1; Richtlinie 2009/138/[[X.].] und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der [[X.].] - Solvabilität II, [[X.].]. L 335 S. 1) erfüllt werde. [X.]as nationale Gericht habe zu prüfen, ob die fehlerhafte Belehrung derart unrichtig ist, dass dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit genommen wurde, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, wobei im Wege einer Gesamtwürdigung insbesondere dem nationalen Rechtsrahmen und den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen sei (vgl. [[X.].], Urteil vom 19. [X.]ezember 2019, [[X.].] u.a., [[X.].]/18 bis [[X.].]/18 und [[X.].]/18, [[X.].]:[[X.].] = NJW 2020, 667 Rn. 79-81). Eine solche Prüfung wurde auch ausdrücklich für den - hier gegebenen - Fall vorgesehen, dass in den Informationen, die der Versicherer dem Versicherungsnehmer mitteilt, für den Widerspruch eine Form verlangt wird, die nach dem auf den Vertrag anwendbaren nationalen Recht nicht vorgeschrieben ist (vgl. [[X.].], Urteil vom 19. [X.]ezember 2019 aaO Rn. 76-82).

[X.]ass der Gerichtshof hiervon mit seinem Urteil vom 9. September 2021 ([[X.].] u.a., [[X.].]/20, [[X.].]/20 und [[X.].]/20, [[X.].]:[[X.].] = NJW 2022, 40 Rn. 113 ff., 119 ff.) abweichen wollte, ist nicht ersichtlich (vgl. [[X.].]/Olzen in [[X.].], [[X.].] (2019) § 242 Rn. 1247.2 [Stand: 31. August 2022]; vgl. auch BeckOK-[[X.].]/[[X.].], § 5a Rn. 43 [Stand: 1. November 2022]). [X.]iese Entscheidung bezieht sich auf Fälle, in denen eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48/[[X.].] und des Rates vom 23. April 2008 über [[X.].] und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/[[X.].] ([[X.].]. L 133 S. 66; im Folgenden: [[X.].]) vorgesehenen zwingenden Angaben fehlt. Insoweit äußert sich der Gerichtshof zu der von ihm im Versicherungsvertragsrecht vorgenommenen [X.]ifferenzierung nach der Bedeutung des [[X.].] nicht (vgl. [[X.].], [[X.].], 622, 623 f.).

[X.]ementsprechend ist - anders als die Revision meint - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des [[X.].] (Beschluss vom 22. Juli 2022 - [[X.].]/21, [[X.].], 1252) kein Vorabentscheidungsverfahren an den Gerichtshof der [[X.].] veranlasst. [X.]iese Entscheidung betraf ebenfalls weder den ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer (vgl. [[X.].] aaO Rn. 39) noch den - hier gegebenen und einer ordnungsgemäßen Belehrung im Wesentlichen gleichstehenden - Fall, dass dem Versicherungsnehmer durch die Belehrung, auch wenn diese fehlerhaft ist, nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (vgl. [[X.].] aaO Rn. 46, 82; vgl. auch BeckOK-[[X.].]/[[X.].], § 5a a.[[X.].] Rn. 44 [Stand: 1. November 2022]).

3.a) [X.]ie Frage, ob das Policenmodell mit den [[X.].] der [[X.].] unvereinbar ist, ist hier nicht entscheidungserheblich. Auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des [[X.].] ist es dem - im Wesentlichen - ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer, der sich aus den genannten Gründen nicht auf die geringfügige Fehlerhaftigkeit der Belehrung berufen kann, nach [[X.].] und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger [X.]urchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben: Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - [[X.].], [[X.].]Z 202, 102 Rn. 32-42; [X.] [[X.].], 693 Rn. 42 ff.; Beschluss vom 4. März 2015 - 1 BvR 3280/14, juris Rn. 30 ff.; vgl. auch Senatsurteil vom 10. Juni 2015 - [[X.].], [[X.].], 876 Rn. 12-14).

b) Zum Einwand von [[X.].] und Glauben ist auch hier eine Vorlage an den Gerichtshof der [[X.].] nicht erforderlich. [X.]ie Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von [[X.].] und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt und die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht in Fällen wie dem vorliegenden in Einklang mit dieser Rechtsprechung. [X.]ie Anwendung auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht und beeinträchtigt hier die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht (vgl. Senatsurteile vom 10. Juni 2015 - [[X.].], [[X.].], 876 Rn. 12 ff.; vom 16. Juli 2014 - [[X.].], [[X.].]Z 202, 102 Rn. 42; jeweils m.w.N.). Eine Vorlagepflicht ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass das [[X.].] Erfurt (Beschluss vom 14. Oktober 2022 - 8 O 1462/20, juris Rn. 25 f.) ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [[X.].] gerichtet hat, das die gleiche Problematik betrifft (vgl. [[X.].], Urteil vom 9. September 2015, [X.] und [[X.].], [X.], [X.]/14, [[X.].]:[X.]:2015:564 = juris Rn. 56-63).

aa) [X.]ie Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürfen, berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. [X.]er Anwendung des Grundsatzes von [[X.].] und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [[X.].] berücksichtigen dürfen ([X.] [[X.].], 693 Rn. 44 m.w.N.).

bb) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Ausführungen des Gerichtshofs der [[X.].] zum unionsrechtlichen Grundsatz des Rechtsmissbrauchs in dessen Entscheidung vom 9. September 2021 ([[X.].] u.a., [[X.].]/20, [[X.].]/20 und [[X.].]/20, [[X.].]:[[X.].] = NJW 2022, 40), die zu der [[X.].] ergangen ist und zudem - ebenfalls anders als im vorliegenden Fall - den nicht ordnungsgemäß belehrten Verbraucher betrifft (vgl. [[X.].] aaO Rn. 113 ff., 119 ff.).

Für den Bereich der Lebensversicherungen hat der Gerichtshof der [[X.].] festgestellt, dass die Mitgliedstaaten die Modalitäten der Ausübung des Rücktrittsrechts und der Mitteilung von Informationen, insbesondere zur Ausübung dieses Rechts, im Einzelnen regeln können, womit naturgemäß Einschränkungen des Rücktrittsrechts einhergehen können. [X.]as gilt sowohl für die Zweite und [X.]ritte Richtlinie Lebensversicherung als auch für die [X.] und die [X.] (vgl. [[X.].], Urteil vom 19. [X.]ezember 2019, [[X.].] u.a., [[X.].]/18 bis [[X.].]/18 und [[X.].]/18, [[X.].]:[[X.].] = NJW 2020, 667 Rn. 55, 62 zur [X.] und [X.]ritten Richtlinie Lebensversicherung; Beschluss vom 28. Mai 2020, [X.] Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit, [X.]/19, [[X.].]:[X.]:2020:413 = juris Rn. 27 f. zur Richtlinie 2002/83/[X.] und [X.]). [X.]abei müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die praktische Wirksamkeit der Richtlinien gewährleistet ist (vgl. [[X.].], Urteil vom 19. [X.]ezember 2019 aaO Rn. 55, 62).

[X.]iese Rechtsprechung hat der Gerichtshof im [X.] an seine Entscheidung vom 9. September 2021 ([[X.].] u.a., [[X.].]/20, [[X.].]/20 und [[X.].]/20, [[X.].]:[[X.].] = NJW 2022, 40) für die Rechtsfolgen der Nichterfüllung oder der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der in den Richtlinien vorgesehenen vorvertraglichen Mitteilungspflicht sowie in Bezug auf das dort niedergelegte Recht des Versicherungsnehmers auf Rücktritt vom Versicherungsvertrag bestätigt (vgl. [[X.].], Urteil vom 24. Februar 2022, A u.a. [[X.]], [X.]/20 und [X.]/20, [[X.].]:[X.]:2022:118 = NJW 2022, 1513 Rn. 120, 123 zur Richtlinie 2002/83/[X.]). Es ist Sache der Mitgliedstaaten, diese Aspekte des Versicherungsvertragsrechts zu regeln und dabei dafür zu sorgen, dass unter Berücksichtigung des mit den Richtlinien verfolgten Zwecks deren praktische Wirksamkeit gewährleistet ist (vgl. [[X.].] aaO Rn. 120). Insoweit ist es Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob die praktische Wirksamkeit des Rücktrittsrechts und der Mitteilungspflicht gewährleistet ist (vgl. [[X.].] aaO Rn. 123, 125; vgl. auch [[X.].], Urteil vom 23. März 2000, [X.]iamantis, [X.]/97, [[X.].]:[X.]:2000:150 = [X.], 663 Rn. 34 f.).

[X.]araus folgt, dass es auf den allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts zum Rechtsmissbrauch und dessen Voraussetzungen hier nicht ankommt (a.[X.], [[X.].], 203, 205 f.; [X.], [X.] 85 [2021], 505, 528 f.; Mährlein [[X.].], 145, 146; [X.], [X.] 1/2022 [X.]. 3 unter [X.] und [X.]; [X.], [[X.].], 83, 88), sondern ein Rückgriff auf den nationalen Grundsatz von [[X.].] und Glauben nach § 242 [[X.].] im Bereich der [[X.].] zulässig ist, soweit die praktische Wirksamkeit der Richtlinien nicht beeinträchtigt wird (vgl. BeckOK-[[X.].]/[[X.].], § 5a a.[[X.].] Rn. 53 [Stand: 1. November 2022]; [[X.].], [[X.].], 622, 623; vgl. auch [[X.].]/[[X.].], [[X.].] § 242 Rn. 319, 330, 333, 335 ff. [Stand: 15. September 2022]; MünchKomm-[[X.].]/[[X.].], 9. Aufl. § 242 Rn. 112, 507; [[X.].], Urteil vom 23. März 2000, [X.]iamantis, [X.]/97, [[X.].]:[X.]:2000:150 = [X.], 663 Rn. 34), was vom nationalen Gericht zu prüfen ist (vgl. auch [X.] NJW 2022, 2828 Rn. 19; [[X.].], Urteile vom 24. Februar 2022, A u.a. [[X.]], [X.]/20 und [X.]/20, [[X.].]:[X.]:2022:118 = NJW 2022, 1513 Rn. 123, 125; vom 23. März 2000 aaO Rn. 34 f.).

[X.]ies übersieht die von der Klägerin angeführte Entscheidung des [[X.].] ([[X.].], 1252), die zudem den nicht ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer betrifft. Zwar liegt es in der Zuständigkeit des Gerichtshofs der [[X.].], dem nationalen Gericht alle geeigneten Auslegungskriterien für die Beurteilung der Frage, ob die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts gewährleistet ist, an die Hand zu geben (vgl. [[X.].], Urteile vom 19. [X.]ezember 2013, [X.], [X.]-209/12, [[X.].]:[X.]:2013:864 = [X.], 225 Rn. 19; vom 23. März 2000, [X.]iamantis, [X.]/97, [[X.].]:[X.]:2000:150 = [X.], 663 Rn. 34 f.; vgl. auch [X.] NJW 2022, 2828 Rn. 19). [X.]ie von den [[X.].] verfolgten Zwecke sind aber in der Rechtsprechung des Gerichtshofs für den vorliegenden Fall hinreichend geklärt.

[X.]anach verfolgen die [[X.].] den Informationszweck, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers insbesondere über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen (vgl. [[X.].], Urteil vom 19. [X.]ezember 2019, [[X.].] u.a., [[X.].]/18 bis [[X.].]/18 und [[X.].]/18, [[X.].]:[[X.].] = NJW 2020, 667 Rn. 63-71). Zudem haben sie das Ziel, dem Versicherungsnehmer einen gewissen Zeitraum zur Verfügung zu stellen, um unter den verschiedenen verfügbaren Versicherungsverträgen den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen und auf informierter Grundlage zu entscheiden, ob er sich vertraglich binden will (vgl. [[X.].], Urteil vom 24. Februar 2022, A u.a. [[X.]], [X.]/20 und [X.]/20, [[X.].]:[X.]:2022:118 = NJW 2022, 1513 Rn. 115). Er soll deshalb von einem Vertrag zurücktreten können, bei dem sich nach dessen Abschluss innerhalb der für die Ausübung des Rücktrittsrechts vorgesehenen Überlegungsfrist herausstellt, dass er nicht seinen Bedürfnissen entspricht (vgl. [[X.].], Urteil vom 19. [X.]ezember 2019 aaO Rn. 101).

cc) [X.]ie Anwendung der Grundsätze von [[X.].] und Glauben beeinträchtigt angesichts der besonderen Umstände des [X.] die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht.

(1) [X.]as in den [[X.].] vorgesehene Recht, sich vom Vertrag zu lösen, wird dem Versicherungsnehmer, dem nach jahrelanger [X.]urchführung des Vertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit wegen Richtlinienwidrigkeit des [[X.].] nach [[X.].] und Glauben versagt ist, nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert. [X.]enn der Gesichtspunkt von [[X.].] und Glauben greift keineswegs stets bei ordnungsgemäßer Belehrung, sondern nur in Fällen jahrelanger [X.]urchführung des Vertrages (vgl. Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - [[X.].], [[X.].]Z 202, 102 Rn. 41). [X.]er Zweck der [[X.].], eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, wird ebenfalls nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt wurde oder sich aus den genannten Gründen auf einen Belehrungsfehler nicht berufen kann, nach jahrelanger [X.]urchführung des Vertrages die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrages verwehrt wird (vgl. Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 42). Gleiches gilt im Hinblick auf das weitere Ziel der [[X.].], dem Versicherungsnehmer auf informierter Grundlage die Auswahl des seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrages zu ermöglichen. [X.]ieses Ziel ist hier ebenfalls nicht gefährdet, weil die Versicherungsnehmer den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhalten haben, sodass sie von den ihren Vertrag betreffenden Informationen Kenntnis nehmen konnten.

Entscheidend ist im Streitfall, dass die Versicherungsnehmer die Versicherungsverträge in Vollzug gesetzt und über mehrere Jahre durchgeführt haben, obwohl sie nach dem geltenden nationalen Recht über die Möglichkeit, die Verträge ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, ordnungsgemäß belehrt wurden bzw. sich aus den genannten Gründen auf einen Belehrungsfehler nicht berufen können. [X.]ie Widerspruchsfrist wurde erst mit der Überlassung der Unterlagen in Gang gesetzt und die Versicherungsnehmer hatten es mit dem Widerspruch in der Hand, die aus der verspäteten Information resultierenden Nachteile zu vermeiden (vgl. [[X.].], [X.], 7, 14). Hier kommt hinzu, dass sie die Verträge sodann zunächst nicht einmal rückwirkend, sondern lediglich durch Kündigung mit Wirkung für die Zukunft beendet haben, sich den vom Versicherer auf die Kündigung hin berechneten Rückkaufswert haben auszahlen lassen und erst danach unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit der Verträge diese von Anfang an nicht mehr haben gelten lassen wollen und Rückzahlung aller Prämien verlangt haben. Maßgeblich ist das Verhalten der Versicherungsnehmer, das ein vorrangig schutzwürdiges Vertrauen bei dem Versicherer in den Bestand der Verträge für die Vergangenheit begründet hat (vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 2015 - [[X.].], [[X.].], 876 Rn. 14). [X.]iese vertrauensbegründende Wirkung war für die Versicherungsnehmer auch erkennbar (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 2015 - [X.], [X.], 336 Rn. 12).

(2) Mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [[X.].] steht ebenfalls in Einklang, dass für den im nationalem Recht aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden des Versicherungsnehmers nicht erforderlich sind (vgl. Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - [[X.].], [[X.].]Z 202, 102 Rn. 37, 42; vgl. auch [[X.].]/[[X.].], [[X.].] § 242 Rn. 316, 343 [Stand: 15. September 2022]; a.A. [X.], [X.] 85 [2021], 505, 520 ff.; [X.]/[X.], [X.], 2169, 2178 f.). Nach der Entscheidung des Gerichtshofs vom 9. September 2021 ([[X.].] u.a., [[X.].]/20, [[X.].]/20 und [[X.].]/20, [[X.].]:[[X.].] = NJW 2022, 40 Rn. 122) setzt zwar die Feststellung eines Missbrauchs zum einen eine Gesamtheit objektiver Umstände voraus, aus denen sich ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde, zum anderen ein subjektives Element, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden.

[X.]iese Ausführungen betreffen aber allein den unionsrechtlichen Grundsatz des Rechtsmissbrauchs, der speziell die Vorgänge betrifft, die nur zu dem Zweck stattfinden, missbräuchliche Vorteile aus dem Unionsrecht zu ziehen oder Vorschriften des Unionsrechts zu umgehen (vgl. [X.] [[X.].], 693 Rn. 45 m.w.N.; vgl. auch MünchKomm-[[X.].]/[[X.].], 9. Aufl. § 242 Rn. 112). [X.]arum geht es hier aber nicht. Entscheidend ist - wie ausgeführt - vielmehr das widersprüchliche Verhalten der Versicherungsnehmer, das für diese erkennbar ein schutzwürdiges Vertrauen bei dem Versicherer geweckt hat. Hierauf geht die von der Klägerin angeführte Entscheidung des [[X.].] ([[X.].], 1252 Rn. 73) nicht ein, soweit sie sich auf das Erfordernis eines subjektiven Elements bei der Prüfung, ob einem Verbraucher die Berufung auf ein ihm garantiertes Widerspruchsrecht wegen Rechtsmissbrauchs verwehrt werden dürfe, bezieht; im Übrigen betrifft diese Entscheidung den - hier nicht gegebenen - Fall des nicht ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmers (vgl. nur [X.] aaO Rn. 35, 39).

Prof. [X.]r. Karczewski     

      

Harsdorf-Gebhardt     

      

[X.]r. Brockmöller

      

[X.]r. Bußmann     

      

[X.]r. Bommel     

      

Meta

IV ZR 353/21

15.02.2023

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 9. Juli 2021, Az: 6 U 1139/20

§ 242 BGB, § 5a Abs 1 S 1 VVG vom 13.07.2001

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.02.2023, Az. IV ZR 353/21 (REWIS RS 2023, 922)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 922 NJW 2023, 1659 REWIS RS 2023, 922

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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