Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2004, Az. IV ZR 291/03

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 449

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL [X.]/03

Verkündet am:

1. Dezember 2004

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

[X.] §§ 6 Abs. 1 Satz 3, 15a, 187

In der Frachtführerhaftpflichtversicherung kann das [X.] des § 6 Abs. 1 Satz 3 [X.] in Versicherungsbedingungen wirksam a[X.]edungen werden.

[X.], Urteil vom 1. Dezember 2004 - [X.]/03 - OLG S[X.]rbrücken

LG S[X.]rbrücken

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.] und [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2004

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des S[X.]r-ländischen Oberlandesgerichts vom 18. Juni 2003 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen des Verlustes von [X.] aus einer Frachtführerhaftpflichtversicherung in Anspruch.

Deren Versicherungsschutz erstreckt sich auf die vertragliche Haf-tung der Klägerin aus Verträgen über entgeltliche Transporte von Schrott- und Schüttgut mit betriebseigenen Fahrzeugen im [X.] Güterverkehr nach den Bestimmungen der §§ 407 - 450 HGB und im grenzüberschreitenden Verkehr nach dem Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr ([X.]). In den Versicherungsbedingungen (im folgenden: [X.]) ist u.a. bestimmt: - 3 -

"9 [X.]

9.1 Vor Eintritt des [X.] ...

9.1.2 SICHERUNG [X.]

Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, für eine ordnungs-gemäße Sicherung beladener Fahrzeuge zu sorgen. [X.] nachts oder während [X.] ist eine ausrei-chende, angemessene Bewachung sicherzustellen. ...

9.1.4 [X.] FÜR INTERNATIONALE TRANS-

[X.]

Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist, daß folgen-de Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden.

Motorfahrzeuge und/oder Anhänger bzw. Auflieger mit La-dung dürfen länger als 45 Minuten nur verlassen werden, wenn sie auf bewachten Parkplätzen abgestellt sind.

...

10 [X.] EINER OBLIEGENHEITSVERLET-

[X.]

10.1 Verletzt der Versicherungsnehmer gesetzlich vorge-schriebene oder vertraglich vereinbarte Obliegenheiten, so ist der Versicherer nach Maßgabe der §§ 6 ff und 61 ff des Versicherungsvertragsgesetzes zur Kündigung berechtigt und in diesem Fall leistungsfrei, auch wenn er von dem Kün-digungsrecht keinen Gebrauch macht."

Am 28. August 2001 übernahm die Klägerin in [X.]

([X.]) 24,68 [X.], um diesen im eigenen Lastzug nach B. ([X.]) zu transportieren. In der darauf folgenden Nacht stellte der Fahrer der Klägerin den Lastzug auf dem unbewachten Parkplatz des - 4 -

[X.]bei [X.]ab, schlief zunächst im Fahrzeug und begab sich danach zum Duschen und Frühstücken in die Raststätte. Als er ungefähr 90 Minuten später wieder zurückkehrte, war das Fahrzeug samt Ladung verschwunden. Anfang September 2001 wurde der Lastzug ohne die Ladung in der Nähe von [X.]wieder aufgefunden.

Die Klägerin, die von der Beklagten wegen des Verlustes der La-dung 46.689,13 • fordert, ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht ([X.], 456 ff.) hält die Beklagte für leistungsfrei. Entgegen der Obliegenheit aus Ziff. 9.1.2 [X.] habe die Klägerin ihren Fahrer weder auf die spezifischen Sicherheitsstandards für internationale Transporte gemäß Ziff. 9.1.4 [X.] hingewiesen noch ihm überhaupt Anweisungen für eine Sicherung des Transportgutes bei [X.] gegeben. Damit habe sie ele-mentare Sorgfaltsanforderungen grob fahrlässig mißachtet.

Nach Ziff. 9.1.4 [X.] dürften beladene Fahrzeuge bei internationalen Transporten nur auf bewachten Parkplätzen länger als 45 Minuten ver-lassen werden. Die Regelung sei nicht lediglich auf den im Ausland [X.] Teil der Fahrstrecke beschränkt, weil eine derart zer-- 5 -

gliederte Betrachtungsweise im Wortlaut der Klausel keine Stütze finde und auch der Systematik der korrespondierenden [X.] nicht gerecht werde, nach der der grenzüberschreitende Straßengüterverkehr auf der gesamten Fahrstrecke dem Haftungsregime der [X.] unterliege. Sowohl Ziff. 9.1.2 [X.] als auch Ziff. 9.1.4 [X.] hielten einer Inhaltskontrolle stand, weil die Definition klarer Sicherheitsstandards im [X.] Interesse beider Vertragsparteien liege und an den Versicherungs-nehmer keine unzumutbaren Anforderungen stelle.

Die Beklagte könne sich hier auch ohne Kündigung des [X.] auf Leistungsfreiheit berufen, da das [X.] des § 6 Abs. 1 Satz 3 [X.] in Ziff. 10.1 [X.] wirksam a[X.]edungen sei. § 15a [X.] stehe dem wegen der Ausnahmeregelung für Großrisiken in § 187 [X.] und Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EG[X.] (in Verbindung mit [X.] b der Anlage Teil A zum Versicherungsaufsichtsgesetz) nicht [X.]. Der Ausschluß des [X.]ses benachteilige die Versicherungsnehmerin hier nicht unangemessen im Sinne von § 9 [X.].

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Gegen Wirksamkeit und Anwendung der unter den Ziffern 9.1.2 und 9.1.4 der [X.] geregelten Sicherungs- und Bewachungsklauseln be-stehen keine Bedenken.

a) Bei Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen, die in Versicherungsverträgen über Großrisiken (im Sinne des § 187 [X.] i.V. - 6 -

mit Art. 10 Abs. 1 EG[X.]) Verwendung finden, ist auf die maßgebliche Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abzustellen ([X.]Z 84, 268, 272; 123, 83, 85) und dabei zu berücksichtigen, daß der [X.] hier in der Regel Kaufmann, zumindest aber geschäfts-erfahren ist und ständig selbst mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu arbeiten pflegt ([X.], Urteil vom 9. Mai 1984 - [X.] - [X.], 830 unter [X.]; [X.]Z 118, 275, 280; [X.] in [X.]/Langheid [X.] 2. Aufl. § 129 [X.]. 5).

b) Ein solcher durchschnittlicher geschäftskundiger [X.] wird bei aufmerksamer Durchsicht der [X.] erkennen, daß Ziff. 9.1.2 [X.] ihm aufgibt, für eine ordnungs-gemäße Sicherung beladener Fahrzeuge zu sorgen und insbesondere nachts oder während [X.] eine ausreichende, angemessene Bewachung sicherzustellen. Aus der Formulierung "zu sorgen" wird er schließen, daß er den Fahrer mit der Ladung nicht einfach sich selbst überlassen darf, sondern Anweisungen für das Verhalten bei Fahrtunter-brechungen erteilen muß (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2003 - [X.]/02 - [X.], 445 unter [X.]). Er wird weiter erkennen, daß Ziff. 9.1.4 [X.] es bei internationalen Transporten nicht gestattet, Motorfahr-zeuge und/oder Anhänger bzw. Auflieger mit Ladung auf unbewachten Parkplätzen länger als 45 Minuten zu verlassen (sog. [X.]), und er gehalten ist, einen mit einem solchen internationalen Trans-port betrauten Fahrer entsprechend zu belehren und ihm die Einhaltung auch dieser Verhaltensbestimmung zur Pflicht zu machen. - 7 -

c) Die so verstandenen Sicherheitsanforderungen halten einer [X.] Überprüfung stand, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat ([X.], 456, 457).

Danach ist bei der am Maßstab des § 9 [X.] ausgerichteten [X.] zu berücksichtigen, daß die Frage nach den für die Sicherung des [X.] erforderlichen Vorkehrungen nicht [X.] gültig beantwortet werden kann, sondern diese Sicherheitsvorkeh-rungen von den Umständen des Einzelfalles abhängen. Insbesondere sei darauf abzustellen, inwieweit das Transportgut aufgrund seines Wertes oder seiner Verwertbarkeit einer besonderen Diebstahlsgefahr ausge-setzt sei. In Anbetracht der daraus erwachsenden Schwierigkeiten diene der Versuch der Beklagten, für den Versicherungsvertrag klare Sicher-heitsstandards zu beschreiben, dem Interesse beider Vertragsparteien. Daß dabei unzumutbare Anforderungen an den Versicherungsnehmer gestellt würden, sei nicht ersichtlich. Insbesondere gestehe Ziff. 9.1.4 der Versicherungsbedingungen dem Fahrer eines Transports das Verlas-sen des Fahrzeugs für 45 Minuten zu. Diese Zeitspanne trage im [X.] auch möglichen Unwägbarkeiten angemessen Rechnung, aufgrund derer ein Fahrer zum Verlassen des Fahrzeugs veranlaßt werde.

Dem stimmt der Senat zu. Anders als die Revision meint, ist die Frist von höchstens 45 Minuten, während derer ein Fahrzeug auf einem unbewachten Parkplatz verlassen werden darf, nicht willkürlich und ohne erkennbaren sachlichen Grund gewählt. Vielmehr ist die Frist das Ergeb-nis einer Abwägung des Interesses des Versicherers an einer möglichst lückenlosen Beaufsichtigung des Transports mit dem Interesse des [X.], seinem Personal angemessene Zeiten für den übli-- 8 -

chen Aufenthalt in einer Raststätte mit Einnahme eines Essens zu er-möglichen.

d) Entgegen der Ansicht der Revision ist die in Ziff. 9.1.4 [X.] ent-haltene Bewachungsklausel für internationale Transporte hier anzuwen-den, obwohl Fahrzeug und Ladung bereits vor dem Grenzübertritt nach [X.] auf einem in [X.] belegenen Parkplatz entwendet wurden.

[X.]) Von internationalem Straßengüterverkehr wird der [X.] schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch dann [X.], wenn die Orte der Übernahme und der Ablieferung des [X.]es in zwei verschiedenen St[X.]ten liegen (vgl. dazu auch Art. 1 Abs. 1 [X.]).

Der Versicherungsvertrag differenziert zwischen der vertraglichen Haftung des Versicherungsnehmers aus Verträgen über entgeltliche Gü-terbeförderungen im [X.] Güterverkehr nach den [X.] der §§ 407 - 450 HGB (Ziff. 1.1 [X.]) einerseits und der vertraglichen Haftung des Versicherungsnehmers aus Verträgen über entgeltliche Gü-terbeförderungen im grenzüberschreitenden Verkehr nach dem "Überein-kommen über den [Beförderungsvertrag im] internationalen Straßengü-terverkehr ([X.])" (Ziff. 1.2 [X.]) andererseits. Dabei erkennt ein durch-schnittlicher geschäftskundiger Versicherungsnehmer, daß der Versiche-rungsvertrag zwei tatsächlich und rechtlich unterschiedliche Risiken [X.]. Diese unterschiedlichen Risiken sind deshalb auch unterschiedli-chen Regelungen unterworfen, die jeweils Geltung für den gesamten Transport - und mithin auch für die gesamte Transportstrecke - bean-- 9 -

spruchen. Das zeigt sich gerade auch daran, daß die in den [X.] für den internationalen Straßengüterverkehr aufge-stellten Sicherheitsregeln schon nach ihrem Wortlaut nicht danach [X.], ob sich der Transport auf einem inländischen oder ausländi-schen Streckenabschnitt befindet. Das dient - für den Versicherungs-nehmer erkennbar - dem Zweck, zum einen das Risiko auf der gesamten Transportstrecke gleichmäßig gering zu halten und zum anderen Ausein-andersetzungen darüber zu vermeiden, ob - je nach Einreise- oder [X.] - mit einem Grenzübertritt im konkreten Fall eine Erhö-hung des [X.] einhergeht. So ließe sich beispielsweise im vor-liegenden Fall kaum darlegen, daß das Verlustrisiko in [X.] höher gewesen wäre als in [X.].

[X.]) In diesem Verständnis wird der Versicherungsnehmer dadurch bestärkt, daß parallel dazu auf entsprechende Beförderungsverträge die Vorschriften der [X.] vom Vertragsschluß bis zur Beendigung des inter-nationalen Transports anzuwenden sind, somit auch während des ge-samten [X.] Beförderungsabschnitts (vgl. [X.], Urteil vom 27. Januar 1982 - [X.] - [X.], 669 unter I; [X.], Trans-portrecht 5. Aufl. vor Art. 1 [X.] [X.]. 2 und Art. 1 [X.] [X.]. 1), so daß sich die vertragliche Haftung, auf die sich der Versicherungsschutz er-streckt, auch im Inland nach den für den internationalen Straßengüter-verkehr geltenden Bestimmungen richtet.

2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei dargelegt, daß die Klägerin es grob fahrlässig unterlassen hat, den von ihr mit der Ausfüh-rung des Transports betrauten Fahrer auf die besonderen Sicherheits-standards aus Ziff. 9.1.4 [X.] aufmerksam zu machen. Die hiergegen er-- 10 -

hobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

3. Das [X.] des § 6 Abs. 1 Satz 3 [X.] ist in Ziff. 10.1 [X.] wirksam a[X.]edungen. Der Leistungsfreiheit der Beklagten steht deshalb nicht entgegen, daß die Beklagte den [X.] nicht gekündigt hat.

a) Grundsätzlich soll dem Versicherer durch die in § 6 Abs. 1 Satz 3 [X.] geregelte Verknüpfung von Leistungsfreiheit wegen Oblie-genheitsverletzung und (fristgebundener) Kündigung des [X.] die Möglichkeit genommen werden, nach Kenntnisnahme von einer Obliegenheitsverletzung über einen längeren Zeitraum weiter Prä-mien zu erheben und sich schließlich dennoch bei Eintritt eines späteren Versicherungsfalls seiner Leistungspflicht zu entziehen. Er soll sich auf Leistungsfreiheit nur dann berufen können, wenn der Verstoß für ihn so schwer wiegt, daß er sich zur Auflösung des Versicherungsverhältnisses entschließt. Das hilft dem Versicherungsnehmer Klarheit darüber zu ge-winnen, ob der Versicherer aus der Obliegenheitsverletzung Rechte [X.] will oder nicht ([X.]Z 4, 369, 373 ff.; Senatsurteil vom 29. Januar 2003 [X.]O unter [X.]).

b) § 6 Abs. 1 Satz 3 [X.] gehört gemäß § 15a [X.] zu den [X.] und damit den die Vertragsfreiheit beschränkenden Vor-schriften des Versicherungsvertragsgesetzes. Solche Vorschriften hat der Gesetzgeber zum Schutz besonders wichtiger Interessen des [X.]s in das Gesetz aufgenommen. Der Versicherungsneh-mer ist beim Versicherungsvertrag im allgemeinen der schwächere Teil; - 11 -

er steht an Geschäftserfahrung dem Versicherer regelmäßig nach. Das Bedürfnis für solche Vorschriften erstreckt sich jedoch nicht auf alle Ver-sicherungszweige. Bei den in § 187 [X.] genannten Großrisiken sind die Versicherungsnehmer im allgemeinen hinreichend geschäftskundig, um selbst für die Wahrung ihrer Interessen zu sorgen. Deshalb finden die Beschränkungen der Vertragsfreiheit bei diesen Versicherungsarten [X.] Anwendung; jedenfalls die halbzwingenden Vorschriften des [X.] sind in den [X.] des § 187 [X.] abdingbar ([X.]Z 118, 275, 278 f.)

Die hier in Rede stehende Frachtführerhaftpflichtversicherung ge-hört zu diesen Großrisiken (§ 187 [X.], Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EG[X.], [X.] b der Anlage Teil A zum Versicherungsaufsichtsgesetz). Auf das in § 6 Abs. 1 Satz 3 [X.] an die Leistungsfreiheit geknüpfte [X.] konnten die Parteien in Ziff. 10.1 [X.] insoweit wirksam verzichten.

c) Die Klausel hält auch im übrigen einer Inhaltskontrolle stand.

Für die Kontrolle nach §§ 9 [X.], 307 Abs. 1 und 2 BGB ist die § 6 Abs. 1 Satz 3 [X.] a[X.]edingende Vertragsbedingung am gesetzli-chen Leitbild des § 6 [X.] zu messen ([X.]Z 120, 290, 295).

Bei der Prüfung der Frage, inwieweit Regelungen des dispositiven Rechts [X.] beanspruchen, ist zunächst davon auszugehen, daß gesetzliche Regelungen grundsätzlich auf einen angemessenen In-teressenausgleich der Vertragsparteien ausgerichtet sind. Allerdings stellen sie zumeist nicht den einzig denkbaren Interessenausgleich dar, - 12 -

sondern nur eine von mehreren vertretbaren [X.]. Aus diesem Grunde ist dem Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingun-gen nicht jede Abweichung vom Gesetz untersagt, vielmehr hat er ledig-lich von grundlegenden Veränderungen der vom Gesetz als gerecht vor-gegebenen Ausgleichsstruktur zum Nachteil der Interessen seines Ver-tragspartners Abstand zu nehmen (vgl. [X.]/[X.], 13. Bearb. § 9 [X.] [X.]. 168).

Im Hinblick auf den von § 6 [X.] geschaffenen Interessenaus-gleich bedeutet dies, daß die Leistungsfreiheit des Versicherers nicht vom Verschulden des Versicherungsnehmers gelöst werden kann ([X.], [X.]O; [X.], Urteil vom 2. Dezember 1999 - [X.] - [X.], 494 unter I[X.] c). Daß die Leistungsfreiheit des Versicherers an ein [X.] des Versicherungsnehmers geknüpft sein muß, ist Kerngehalt der Vorschrift des § 6 [X.], dem jedenfalls insoweit [X.] zu-kommt. Ein solcher alle Versicherungsverträge gleichermaßen beherr-schender Rechtsgrundsatz ist § 6 Abs. 1 Satz 3 [X.] - wie das [X.] überzeugend darlegt - nicht zu entnehmen.

Eine Kündigung des [X.] entspricht nicht stets den berechtigten Schutzinteressen des Versicherungsnehmers (vgl. [X.] der [X.] des Versicherungsvertrags-rechts vom 19. April 2004 S. 315 f.). Das trifft insbesondere bei einer Frachtführerhaftpflichtversicherung zu, wie sie hier in Rede steht. In [X.] der hohen mit dem Transport von Gütern verbundenen Risiken und des Umstandes, daß in die Frachtführerhaftpflichtversicherung in der Regel der gesamte Fahrzeugbestand des Versicherungsnehmers einge-schlossen ist, besteht regelmäßig ein existentielles Interesse des [X.] -

[X.] am Fortbestand eines den Betrieb des Unternehmens sichernden, lückenlosen Versicherungsschutzes. Dieser wäre aber er-heblich gefährdet, wenn der Versicherer gezwungen würde, bei [X.] stets das gesamte Versicherungsverhältnis zu kündigen, um im Einzelfall leistungsfrei zu werden. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, daß ein Transportunternehmer im [X.] ohne weiteres zu zumutbaren Bedingungen sofort anderweitig Versicherungsschutz erlangen kann. Eine Regelung zur Entkoppelung von Leistungsfreiheit und Kündigung, die - wie hier Ziff. 10.1 [X.] - das Verschuldenserfordernis und die Möglichkeit zur Führung des [X.] unberührt läßt, liegt somit typischerweise auch im [X.] einer Frachtführerhaftpflichtversiche-rung. Demgegenüber wiegen die mit ihr für den Versicherungsnehmer verbundenen Nachteile nicht allzu schwer. Zwar eröffnet sie dem [X.] die Möglichkeit, in Kenntnis einer Obliegenheitsverletzung weiter Prämien zu erheben und sich erst nach einem längeren Zeitraum auf Leistungsfreiheit zu berufen. Auch wird ihm die Berufung auf Leistungs-freiheit wegen Obliegenheitsverletzung in weniger schweren Fällen er-leichtert, in denen er sonst möglicherweise von einer Kündigung des ge-samten Vertragsverhältnisses Abstand nehmen würde. Dem steht jedoch gegenüber, daß der Versicherungsnehmer aufgrund seiner - hier regel-mäßig gegebenen - Geschäftserfahrung die möglichen Folgen einer Ob-liegenheitsverletzung selbst erkennen und sich auch ohne den [X.] einer Kündigung darauf einstellen kann. Im übrigen muß der [X.] auch damit rechnen, daß der geschäftskundige Versicherungs-nehmer Ziff. 12.1 [X.] bzw. § 158 [X.] kennt und im Falle einer Ableh-nung der Versicherungsleistung seinerseits den Versicherungsvertrag kündigt. Im Ergebnis bewirkt Ziff. 10.1 [X.] somit keine grundlegende - 14 -

Veränderung einer vom Gesetz als gerecht vorgegebenen Ausgleichs-struktur zum Nachteil des Versicherungsnehmers und ist deswegen mit dem gesetzlichen Leitbild des § 6 [X.] vereinbar (vgl. auch [X.], Urteil vom 19. Dezember 2001 - 3 U 41/01; [X.] VersR 1998, 1505 f.; [X.]/M. VersR 1998, 362 ff.; [X.] VersR 1994, 977 f.; [X.], [X.]O § 129 [X.]. 4; [X.], § 6 [X.]. 91; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 27. Aufl. § 6 [X.]. 133; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], ([X.]O) § 129 [X.]. 3 und 8; [X.] in [X.]/[X.], [X.]O § 187 [X.]. 5; [X.], [X.], 1107, 1117; Wittchen, [X.], 530, 532; a.[X.], [X.]. §§ 129 - 148 [X.]. 27).
d) Der Ausschluß des [X.]ses (§ 6 Abs. 1 Satz 3 [X.]) in Ziff. 10.1 [X.] ist schließlich auch nicht überraschend im Sinne der §§ 3 [X.], 305 c Abs. 1 BGB. Ein Überraschungsmoment fehlt schon deshalb, weil Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Ob-liegenheitsverletzung in [X.].1 [X.] in einem einzigen Satz geklärt wer-den. Von einem durchschnittlichen geschäftskundigen Versicherungs-nehmer darf erwartet werden, daß er die Klausel bis zu Ende liest und dabei erkennt, daß sie von der gesetzlichen Regelung des § 6 [X.] ab-weicht, zumal bei Versicherungsverträgen über Großrisiken (§ 187 [X.] i.V. mit Art. 10 Abs. 1 EG[X.]) die Frage, ob die Voraussetzungen des - 15 -

§ 6 [X.] ganz oder teilweise a[X.]edungen werden sollen, typischerweise Gegenstand besonderer Vertragsbestimmungen ist (dazu [X.], [X.]O [X.]. 2).

[X.][X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.]

Meta

IV ZR 291/03

01.12.2004

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2004, Az. IV ZR 291/03 (REWIS RS 2004, 449)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 449

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