Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2014, Az. I ZR 209/12

I. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6966

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
I
[X.]
Verkündet am:

19. März 2014

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 68; HGB § 475 Satz 1
a)
Die Frage, ob ein Gericht die [X.] der in einem Vorprozess ergangenen Entscheidung rechtsfehlerfrei beurteilt hat, ist auch ohne Revisi-onsrüge von Amts wegen zu prüfen.
b)
[X.], der Schadensersatz wegen Beschädigung des [X.] wäh-rend der Lagerzeit beansprucht, muss grundsätzlich darlegen und gegebe-nenfalls beweisen, dass er [X.] in unbeschädigtem Zustand eingelagert und der Lagerhalter es beschädigt zurückgegeben hat.
[X.], Urteil vom 19. März 2014 -
I [X.] -
OLG [X.]

LG [X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-lung vom 19.
März 2014 durch [X.] Dr.
Büscher, Pokrant, Prof. Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff und Dr.
Koch

für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird der Beschluss des [X.] -
6.
Zivilsenat
-
vom 8.
Okto-ber 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist führender Transportversicherer der O.

GmbH in [X.] (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt
die beklagte Lagerhalterin
wegen Beschädigung eines medizinischen Analyse-geräts

teilweise in gewillkürter Prozessstandschaft
aus übergegangenem und abgetretenem Recht der Versicherungsnehmerin auf Schadensersatz in Anspruch. Darüber hinaus verlangt sie von der [X.] die Erstattung der in einem erfolglos geführten Vorprozess entstandenen Kosten sowie Ersatz vor-prozessualer Rechtsverfolgungskosten.
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Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte im Januar 2008 auf der Grundlage eines seit dem 1.
April 2007 bestehenden Dienstleistungsver-trags mit der Einlagerung eines medizinischen Analysegeräts, das am 22.
Ja-nuar 2008 an die Beklagte als "Retourensendung" übergeben wurde. Die Einla-gerung erfolgte am Sitz der [X.] in [X.], B.-Straße

. Am
12.
August 2008 wurde das Gerät nebst Zubehör dort im Auftrag der Versiche-rungsnehmerin von einem Transportunternehmen abgeholt und zu der ebenfalls in [X.] ansässigen Ol.

GmbH befördert, wo das Gerät
in beschädigtem Zustand ankam. Zu welchem [X.]punkt und an welchem Ort die Beschädigung entstanden war, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin hat wegen des streitgegenständlichen Schadens unter Be-rücksichtigung eines Selbstbehalts ihrer
Versicherungsnehmerin Ersatz in Höhe von 108.733,54

Selbstbehalt in Höhe von 2.500

Zinsen hat sie zunächst
gestützt auf §
425 Abs.
1 HGB in Verbin-dung mit §
86 Abs.
1 [X.] und §
398 BGB

ohne Erfolg gegenüber dem von der Versicherungsnehmerin beauftragten Transportunternehmen geltend ge-macht (Urteil vom 9.
April 2010 des [X.]s [X.],
Kammer
012 für Handelssachen

412
O
106/09).
In jenem Verfahren war die Beklagte dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin als Streithelferin beigetreten.

Die Klägerin hat geltend gemacht, das Analysegerät sei der [X.] am 22.
Januar 2008 in unbeschädigtem Zustand übergeben worden. Dies er-gebe sich aus der von einem Mitarbeiter der [X.] am selben Tag unter-zeichneten Anlieferungsquittung. Aufgrund der im Vorprozess getroffenen Fest-stellungen stehe fest, dass das Gerät zum [X.]punkt der Auslagerung beschä-digt gewesen sei. Die Beschädigung sei während der Obhutszeit der [X.] in deren alleinigem Verantwortungsbereich entstanden. Der ihrer Versiche-2
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rungsnehmerin entstandene Schaden habe 111.233,54

Darüber hinaus schulde die Beklagte ihr den Ersatz der Kosten des [X.] in Höhe von 15.883,87

. Diese Beträge nebst Zinsen und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.356,68

e-klagte geltend gemacht.

Die Beklagte hat eine Verantwortlichkeit für den eingetretenen Schaden in Abrede gestellt. Sie hat vorgebracht, das als "Retourensendung" verbuchte Analysegerät sei
wie mit der Versicherungsnehmerin vereinbart
ch der An-lieferung in den von ihrem Warenlager räumlich getrennten und für sie nicht zugänglichen, von der Versicherungsnehmerin zur technischen Überprüfung und Vorbereitung von Geräten genutzten Bereich gebracht worden, in dem es bis zur Auslieferung verblieben sei. Im Übrigen hätten die Mitarbeiter der Versi-cherungsnehmerin freien Zugang zu den in ihren, der [X.], Lagerräumen verwahrten Waren, so dass sie diese jederzeit in den Gerätevorbereitungsbe-reich verbringen und auch wieder
zurückstellen könnten.

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht durch Beschluss gemäß §
522 Abs.
2 Satz
1 ZPO zurückgewiesen.

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

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Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte schulde für die Beschädigung des Analysegeräts gemäß §
475
Satz
1 HGB Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe. Darüber hinaus sei sie wegen Verzugs zum Er-satz der Kosten des [X.] und der von der Klägerin beanspruchten [X.] Rechtsverfolgungskosten verpflichtet. Dazu hat das [X.] ausgeführt:

Die Klägerin verlange wegen Beschädigung von [X.]. Sie müsse in einem solchen Fall nur beweisen, dass [X.] an den Lagerhalter unbeschädigt übergeben worden sei. Diesen Beweis habe die Klägerin durch Vorlage
der von einem Mitarbeiter der [X.] unterzeich-neten Einlieferungsquittung geführt. Aus dem Urteil des [X.]s [X.] im Vorprozess ergebe sich, dass der äußere [X.] bei der Über-gabe des Analysegeräts an den Fahrer, der den Transport
vom Lager der [X.] zur [X.] in [X.] durchgeführt habe, beschädigt gewesen sei. Die Beschädigungen am Karton seien mit den am Gerät festgestellten Schäden deckungsgleich gewesen. Das [X.] sei daher im Vorprozess zu dem Ergebnis gelangt, dass die am Analysegerät vorhandenen Schäden vor dessen Auslagerung im Lager der [X.] entstanden seien. An diese Fest-stellungen des [X.]s im Vorprozess sei die Beklagte aufgrund ihrer Ne-benintervention im vorangegangenen Rechtsstreit gebunden.

Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass das Analysegerät vor der Auslagerung in den [X.] der Versicherungsnehmerin verbracht und auf diese Weise ihrer Obhut entzogen worden sei. Ebenso wenig habe die Beklagte konkret dargelegt, dass das Gerät während seiner Verwah-8
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rung in ihrem Lager durch Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin beschädigt worden sei. Die Beklagte habe auch nicht das Vorliegen eines Sorgfaltsversto-ßes ausgeräumt.

Die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzes sei nicht zu beanstanden. Auf Haftungsbegrenzungen könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen, weil sie vertragswesentliche Pflichten
verletzt habe.

I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die vom [X.] getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, dass die Beklagte der Klägerin gemäß §
475 Satz
1 HGB, §
86 Abs.
1 Satz
1 [X.], §
398 BGB wegen Beschädigung des Analysegeräts zum Schadensersatz ver-pflichtet ist.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich ei-ne mögliche Haftung der [X.] für den streitgegenständlichen Schaden grundsätzlich nach §
475 Satz
1 HGB beurteilt, da sie das Analysegerät in Er-füllung des mit der Versicherungsnehmerin im März 2007 geschlossenen Dienstleistungsvertrags zur Einlagerung übernommen hat. Von der Revision wird dagegen auch nichts erinnert.

2. Die Revision wendet sich im Ergebnis mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das Analysegerät habe einen Totalschaden erlitten, als es sich in
der Obhut der [X.] befunden habe. Die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigen eine solche Annahme nicht.

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a) Eine Haftung der [X.] für den streitgegenständlichen Schaden setzt nach §
475 Satz
1 HGB voraus, dass die Beschädigung des Analysege-räts in der [X.] von der Übernahme zur Lagerung bis zur Auslieferung, also in der Obhut des [X.], entstanden ist. [X.] muss somit darle-gen und gegebenenfalls beweisen, dass das
Gut unversehrt in die Verwahrung des [X.] gelangt und beschädigt aus ihr herausgelangt ist. Der [X.] hat dagegen darzutun, wie der Schaden entstanden ist und dass er durch die gebotene
Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte ([X.], Urteil vom 19.
Juni 1986
I
ZR
15/84, [X.] 1986, 459, 461 = [X.], 1019; Urteil vom 26.
September 1991
I
ZR
143/89, [X.] 1992, 38, 39 = [X.], 1432; MünchKomm.HGB/[X.], 2.
Aufl., §
475 Rn.
15
f.).

b) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass das Analysegerät der [X.] in unbeschädigtem Zustand zur Einlagerung über-geben worden ist. Es hat sich dabei auf die von einem Mitarbeiter der [X.] unterzeichnete
Anlieferungsquittung vom 22.
Januar 2008 und die Bekundun-gen der in erster Instanz vernommenen Zeugen W.

und B.

, die seiner-
zeit bei der [X.] beschäftigt waren, gestützt. In der von dem Zeugen W.

unterzeichneten Quittung wird bestätigt, dass die Sendung "vollzählig und in
äußerlich guter Beschaffenheit ordnungsgemäß empfangen" wurde. Der Zeuge B.

hat bei seiner Vernehmung zudem ausgesagt, er habe sich speziell damit
befasst, ob die angelieferte Kiste beschädigt gewesen sei. Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte er die Beschädigungen fotografiert, die Schäden in das System eingegeben und eine Meldung an die Importabteilung sowie an die Ver-sicherungsnehmerin gerichtet. Auf dieser Grundlage konnte das Berufungsge-richt rechtsfehlerfrei annehmen, dass das Analysegerät zum [X.]punkt der Ein-lieferung am 22.
Januar 2008 unbeschädigt war. Die Revision erhebt insoweit auch keine Beanstandungen.

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c) Die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen tragen jedoch nicht seine Annahme, das Analysegerät sei während des [X.] durch die Beklagte oder Dritte, für deren Verhalten die Beklagte ge-mäß §
278 BGB einzustehen habe, beschädigt worden.

aa) Die Revision macht insoweit allerdings vergeblich geltend, die [X.] brauche schon deshalb nicht für eine Beschädigung des Analysegeräts während dessen Aufbewahrung in ihren Lagerräumen zu haften, weil sich das Gerät in dieser [X.] nicht ununterbrochen in ihrer alleinigen Obhut befunden habe. Die Revision meint, aus dem Umstand, dass Mitarbeiter der Versiche-rungsnehmerin jederzeit Zugriff auf das
Gerät gehabt hätten, ergebe sich, dass sie es in den [X.] hätten bringen und dort auch beschä-digen können. Dementsprechend müsse die Klägerin nachweisen, dass das Analysegerät dem Verantwortungsbereich der [X.] nicht entzogen und von Mitarbeitern der [X.] beschädigt worden sei.

(1) Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Der [X.] hat in seinem von der Revision in diesem Zusammenhang herangezogenen Urteil vom 26.
September 1991
I
ZR
143/89 ([X.] 1992, 38, 39) zwar ent-schieden, dass der Einlagerer, der einzelne der eingelagerten Waren wieder entnommen hat, beweisbelastet
dafür ist, dass ein bestimmtes, bei Abholung des restlichen Warensortiments nicht mehr im Lager befindliches Gut während seiner Verwahrung durch den Lagerhalter verlorengegangen ist. Diese [X.]s-entscheidung besagt
jedoch nicht, dass sich
die Beweislast generell ändert, wenn der Einlagerer während der Lagerzeit Zugriff auf die eingelagerten Waren hat (vgl. auch [X.], [X.] 2007, 480, 481). Der [X.] hat die Beweislastverteilung im seinerzeit entschiedenen Fall nur deshalb
abwei-chend von §
475 Satz
1 HGB beurteilt, weil eine Auflistung des [X.] bei seiner Einlagerung auf Wunsch des Einlagerers unterblieben und dieser deshalb dafür 17
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verantwortlich war, dass dem Lagerhalter bereits zum [X.]punkt der Einlage-rung jede Kontrollmöglichkeit hinsichtlich des [X.] genommen war. Eine ver-gleichbare Sachverhaltsgestaltung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil die Beklagte die einzulagernden Neuwaren und Retouren über ein Lagerfüh-rungssystem erfasst.

(2) In den Fällen, die der [X.]sentscheidung vom 26.
September 1991 ([X.] 1992, 38) und dem von der Revision ebenfalls herangezogenen Urteil des [X.] vom 18.
Oktober 2006
15
U
48/06 ([X.], 2007, 480) zugrunde lagen, war zudem unstreitig, dass der [X.] einzelne der eingelagerten Waren später wieder an sich genommen hatte. Im Streitfall hat das Berufungsgericht dagegen nicht festgestellt, dass die Mitar-beiter der Versicherungsnehmerin das eingelagerte Analysegerät
wenn auch nur vorübergehend

in ihre Obhut genommen haben. Dagegen erinnert die [X.] ebenfalls nichts.

bb) Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass sich die Beklagte ihrer lagervertraglichen Verantwortlichkeit für das Analysegerät nicht dadurch entledigt hat, dass sie das Gerät in den ihrer Einflussnahme ent-zogenen Bereich der Gerätevorbereitung der Versicherungsnehmerin gegeben hat.

Das Berufungsgericht hat die Beklagte für diesen
Vortrag mit Recht
als
beweisbelastet angesehen
(vgl. [X.], Urteil vom 2.
Februar 1973
I
ZR
8/72, [X.], 342, 343; Urteil vom 17.
Dezember 1992
III
ZR
133/91, NJW 1993, 1704, 1706; [X.], [X.], 480; [X.]Thume, Transportrecht, §
475 HGB Rn.
20) und angenommen, die Beklagte habe den Nachweis einer vorzeitigen Obhutsaufgabe nicht geführt. Auch das begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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Die Revision rügt vergeblich, das Berufungsgericht hätte das [X.] der [X.] nicht ohne vorherige Vernehmung des Zeugen G.

zurück-
weisen dürfen. Das Berufungsgericht hat den Beweisantritt der [X.] be-achtet. Es hat eine Vernehmung des von der [X.] benannten Zeugen für nicht geboten erachtet, weil er lediglich für die vereinbarte allgemeine [X.] von [X.] benannt worden sei. Darauf kommt es für eine mögliche Haftungsbefreiung der [X.] jedoch nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob das Analysegerät nach seiner Einlieferung im Lager der [X.] tatsächlich in den von der Versicherungsnehmerin dort unterhaltenen Geräte-vorbereitungsbereich verbracht wurde, weil die vereinbarte allgemeine [X.] von [X.] nicht ohne weiteres den Schluss darauf zulässt, dass auch mit dem streitgegenständlichen Gerät so verfahren wurde. Das [X.] hat mit Recht angenommen, die Beklagte habe nicht dargelegt, der als Zeuge benannte Mitarbeiter G.

könne aus eigener Wahrnehmung Anga-
ben zum konkreten Verbleib des Analysegeräts nach der Übernahme durch die Mitarbeiter W.

und B.

der [X.] machen. Unter den gegebenen
Umständen brauchte eine Vernehmung des Zeugen G.

nicht zu erfolgen.

cc) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beschädigung des Analyse-geräts sei im
Verantwortungsbereich der [X.] entstanden, hält der rechtli-chen Nachprüfung jedoch deshalb nicht stand, weil auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden
kann, dass das unversehrt eingelagerte Analysegerät bei seiner Auslie-ferung an das von der Versicherungsnehmerin beauftragte [X.] am 12.
August 2008 beschädigt war.

An den [X.]raum, in dem die Beklagte das Analysegerät in Verwahrung hatte, hat sich eine Phase angeschlossen, in der sich das Gerät in der Obhut 23
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des mit dem Transport zur [X.] in [X.] beauftragten [X.] befunden hat. Die Beschädigung des Geräts ist erst nach der Ablieferung am Bestimmungsort bemerkt worden. Im Hinblick darauf rechtferti-gen die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht die An-nahme, dass die Schäden bereits im Verantwortungsbereich der [X.] ent-standen sind.

(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, für eine Haftung der Beklag-ten aus §
475
Satz
1 HGB brauche die Klägerin nicht nachzuweisen, dass das Analysegerät in beschädigtem Zustand ausgelagert worden sei. Die Beklagte habe für die Schäden am Gerät schon deshalb einzustehen, weil diese
nach den Feststellungen in dem im Vorprozess ergangenen Urteil des [X.]s [X.] vor
der Übergabe an das Transportunternehmen eingetreten seien. Davon sei aufgrund der [X.] des vorausgegangenen Urteils auch im vorliegenden Rechtsstreit auszugehen. Diese Beurteilung des [X.]s hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

(2) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht aufgrund der Inter-ventionswirkung des im Vorprozess ergangenen Urteils des [X.]s Ham-burg nicht fest, dass das Analysegerät in beschädigtem Zustand an das von der Versicherungsnehmerin beauftragte Transportunternehmen übergeben worden ist.

Die Revision hat zwar nicht gerügt, dass das Berufungsgericht die Inter-ventionswirkung
des im Vorprozess ergangenen Urteils, in dem die Beklagte als Streithelferin der Klägerin beteiligt war, rechtsfehlerhaft beurteilt hat. Die Frage, ob und inwieweit das Gericht durch das Urteil im Vorprozess gebunden ist, [X.] sich jedoch auf die Urteilsfindung selbst und ist daher auch ohne Revisi-onsrüge von Amts wegen zu prüfen ([X.], Urteil vom 4.
Februar 1955 26
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I
ZR
105/53, [X.]Z 16, 217, 228; Urteil vom 26.
September 1985

III
ZR
61/84, [X.]Z 96, 50, 54; Urteil vom 26.
März 1987
VII
ZR
122/86, [X.]Z 100, 257, 263; [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
68 Rn.
25; Münch-Komm.ZPO/[X.], 4.
Aufl., §
68 Rn.
23; Musielak/[X.], ZPO, 10.
Aufl., §
68 Rn.
1; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3.
Aufl., §
68 Rn.
163
f.).

Die [X.] gemäß §
68 ZPO beschränkt sich auf die die Entscheidung tragenden Feststellungen des [X.] ([X.], Urteil vom 9.
No-vember 1982
VI
ZR
293/79, [X.]Z 85, 252, 255; [X.]/Vollkommer, ZPO, 30.
Aufl., §
68 Rn.
9). Die Schadensersatzklage der Klägerin gegen das von der Versicherungsnehmerin beauftragte Transportunternehmen ist mit der [X.] abgewiesen worden, die Klägerin habe die Unversehrtheit des Analysege-räts bei seiner Übergabe an den Fahrer nicht bewiesen. Ist der Kläger im vo-rausgegangenen Rechtsstreit aus Gründen der Beweislast unterlegen, steht für den Folgeprozess nur die
Unaufklärbarkeit der zu [X.] Tatsache
im vorliegenden Fall die Unversehrtheit des Analysegeräts bei dessen [X.]
fest. Nur dies muss sich der Streitverkündete im Folgeprozess entgegen-halten lassen. Ist der vormalige
Streitverkündete im Folgeprozess nicht beweis-belastet, dann geht es nicht zu seinen Lasten, dass die streitige Tatsache im Vorprozess nicht bewiesen
worden ist
([X.]Z 85, 252, 257
f.; [X.], [X.], 629, 630).
Das "non liquet" im Ausgangsprozess
beschwert die im vorliegenden Rechtsstreit für den Zustand des Analysegeräts bei der [X.] nicht beweispflichtige Beklagte daher nicht.
Dementsprechend konnte das Berufungsgericht nicht ohne eigene Sachverhaltsfeststellungen davon ausge-hen, dass das
Analysegerät in beschädigtem Zustand an das von der Versiche-rungsnehmerin beauftragte Transportunternehmen übergeben worden ist.
Denn der Einlagerer muss grundsätzlich darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihm das in unbeschädigtem Zustand eingelagerte Gut nach Beendigung der Lagerzeit vom Lagerhalter beschädigt übergeben worden ist (vgl. Münch-29
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Komm.HGB/[X.] aaO §
475 Rn.
15
f.; [X.], Transportrecht, 8.
Aufl.,
§
475 HGB Rn.
5).

II[X.] Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Da die Sache nicht gemäß §
563 Abs.
3 ZPO zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 ZPO).

Büscher
Pokrant
Schaffert

Kirchhoff
Koch
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 20.10.2011 -
413 [X.] 154/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 08.10.2012 -
6 [X.] -

30

Meta

I ZR 209/12

19.03.2014

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2014, Az. I ZR 209/12 (REWIS RS 2014, 6966)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6966

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZR 209/12

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