Bundessozialgericht, Urteil vom 25.02.2015, Az. B 3 P 6/13 R

3. Senat | REWIS RS 2015, 15000

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Soziale Pflegeversicherung - Ruhen des Pflegegeldanspruchs bei einem länger als sechs Wochen dauernden Aufenthalt in der Türkei - Vereinbarkeit mit Unionsrecht, dem Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei sowie mit Verfassungsrecht


Leitsatz

1. Das Ruhen des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB XI bei einem länger als sechs Wochen dauernden Aufenthalt des Versicherten in der Türkei steht sowohl mit Unionsrecht im Einklang als auch mit dem zwischen der Republik Türkei und der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Sozialversicherungsabkommen sowie mit Verfassungsrecht.

2. Das zwischen der Republik Türkei und der Bundesrepublik Deutschland geschlossene Sozialversicherungsabkommen erfasst mit den "Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung" nicht zugleich auch die Regelungen nach dem SGB XI.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 15. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] steht die Feststellung, ob der Klägerin das zuerkannte Pflegegeld weiter zu gewähren ist, wenn sie sich für länger als sechs Wochen in der [X.] aufhält.

2

Die Klägerin ist [X.] Staatsangehörige und bei der beklagten Pflegekasse über ihren Ehemann familienversichert. Sie bezieht Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Ihren Antrag, dieses für die Dauer eines für vier Monate geplanten Aufenthaltes in ihrem Heimatland weiter zu gewähren, lehnte die Beklagte ab. Sie wies den Widerspruch als unzulässig zurück (Widerspruchsbescheid vom [X.]), weil kein Verwaltungsakt, sondern lediglich eine Auskunft und - wegen des Bezugs von Pflegegeld - derzeit auch keine Beschwer vorliege. Der Widerspruch sei außerdem unbegründet, weil das Pflegegeld nach § 34 Abs 1 [X.] bei einem Auslandsaufenthalt nur bis zu sechs Wochen im Kalenderjahr weiter zu gewähren sei.

3

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile vom 15.12.2011 und vom [X.]). Nach Auffassung des [X.] ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig, weil in der Ablehnung des Antrags der Klägerin ein Verwaltungsakt liege. Die Klägerin habe ihre Absicht, sich mit ihrem Ehemann als Pflegeperson länger als sechs Wochen in der [X.] aufzuhalten, hinreichend konkret dargelegt, und die Reise könne ihr ohne vorherige Klärung dieser Rechtsfrage nicht zugemutet werden. Die Klage sei jedoch unbegründet, weil bei einem länger als sechs Wochen dauernden Auslandsaufenthalt ein Anspruch auf Pflegegeld gemäß § 34 Abs 1 [X.], Abs 1a [X.] nur in Betracht komme, wenn sich der Versicherte in einem Mitgliedstaat der [X.] ([X.]), einem Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] ([X.]) oder der [X.] aufhalte. Für einen länger als sechs Wochen dauernden Aufenthalt in der [X.] ergebe sich ein Anspruch auf Pflegegeld weder aus einer Überlagerung dieser Regelung durch Europarecht noch durch das zwischen der [X.] und der Republik [X.] geschlossene Sozialversicherungsabkommen. Dieses erfasse nur die Kranken-, nicht die Pflegeversicherung.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin insbesondere geltend, von dem im Sozialversicherungsabkommen verwendeten Begriff "Krankenversicherung" werde entsprechend der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) auch das Pflegegeld erfasst. Dieses müsse als Teil der Krankenversicherung angesehen werden, da die Pflegeleistungen bis zur Einführung der [X.] durch die Krankenversicherung abgedeckt worden seien.

5

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des [X.] vom 15. Mai 2013 und des [X.] vom 15. Dezember 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2011 zu ändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bei einem Aufenthalt in der [X.] über einen Zeitraum von sechs Wochen hinaus Pflegegeld zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidungen des [X.] und des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die Klägerin bei einem länger als sechs Wochen dauernden Aufenthalt in der [X.] keinen Anspruch auf Pflegegeld hat.

9

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist nach § 54 Abs 1 Satz 1 iVm § 55 [X.] zulässig. Die berufungsgerichtliche Auslegung, dass die ablehnende Ausgangsentscheidung der Beklagten einen Verwaltungsakt iS von § 31 [X.] darstellt, ist rechtsfehlerfrei und zutreffend. Die mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Ablehnungsentscheidung auf einen konkreten Antrag der Klägerin war schon der äußeren Form nach ein Verwaltungsakt (vgl hierzu [X.] in von [X.]/Schütze, [X.], 8. Aufl 2014, § 31 Rd[X.] 25), und sie war von der Empfängerin als Maßnahme zur Regelung des Einzelfalls und nicht als bloßer Hinweis zu verstehen. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass ihr der Anspruch auf Pflegegeld nach § 37 [X.]I weiterhin zusteht, wenn sie sich für länger als sechs Wochen in die [X.] begibt. Zwar ist der Antritt eines so lange dauernden Aufenthaltes der Klägerin in der [X.] bisher - auch wenn sie sich zwischenzeitlich bereits dort aufgehalten haben sollte - noch nicht ersichtlich. Eine Klage auf Feststellung eines zukünftigen Rechtsverhältnisses ist aber zulässig, wenn dieses hinreichend bestimmt und überschaubar ist, und alle für die streitige Rechtsbeziehung erheblichen Tatsachen bis auf den Eintritt einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung vorliegen ([X.], 113, 116 f = [X.] 4-2600 § 46 [X.] Rd[X.]8; vgl hierzu auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 55 Rd[X.] 8b mwN). Das ist der Fall, weil die Klägerin, die derzeit Pflegegeld erhält, hinreichend konkret dargelegt hat, dass sie sich für vier Monate in ihr Heimatland begeben möchte. Die weitere Gewährung des Pflegegeldes hängt daher nur davon ab, ob der Anspruch auch bei einem entsprechenden Aufenthalt in der [X.] besteht. An dieser Feststellung hat sie ein berechtigtes Interesse, weil es ihr nicht zuzumuten ist, die streitige Frage zu dieser ihren Pflegebedarf absichernden Leistung erst nach Antritt eines solchen Aufenthaltes zu klären.

2. Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch weder aus innerstaatlichem Recht (hierzu a.) noch aus [X.]srecht (hierzu b.) oder aus dem zwischen der [X.] und der [X.] geschlossenen Sozialversicherungsabkommen (hierzu c.) ableiten. Das innerstaatliche Recht verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht (hierzu d.).

a. Der Anspruch ergibt sich nicht aus [X.] Rechtsvorschriften. Für die in [X.] wohnhafte und hier pflegeversicherte Klägerin gelten die Vorschriften des [X.]I (§§ 30 Abs 1, 37 Satz 1 SGB I). Danach hat die Klägerin grundsätzlich Anspruch auf Pflegegeld iS des § 37 Abs 1 [X.]I nach der Pflegestufe II. Der Anspruch auf Leistungen ruht jedoch gemäß § 34 Abs 1 [X.] Satz 1 [X.]I, solange sich der Versicherte im Ausland aufhält. Bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt von bis zu sechs Wochen im Kalenderjahr ist das Pflegegeld nach § 37 [X.]I weiter zu gewähren (§ 34 Abs 1 [X.] Satz 2 [X.]I). Außerdem ruht der Anspruch auf Pflegegeld nach § 37 [X.]I nicht, wenn sich der Versicherte in einem Mitgliedstaat der [X.], einem Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] oder der [X.] aufhält (§ 34 Abs 1a [X.]I). Da die [X.] nicht zu den genannten [X.] gehört, ruht der Anspruch der Klägerin auf Pflegegeld, wenn sie sich länger als sechs Wochen in der [X.] aufhält.

b. Die nationale Rechtsordnung kann zwar durch vorrangige Regelungen des supranationalen Rechts überlagert oder ergänzt werden (vgl § 30 Abs 2 SGB I, § 6 SGB IV); das dargestellte nationale Recht verstößt aber nicht gegen europäisches Primärrecht, also die zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Verträge, und wird auch nicht durch europäisches Sekundärrecht überlagert, das auf der Grundlage des Primärrechts von den Organen der [X.] erlassen wird.

aa. Für die Klägerin, die ausschließlich die [X.] Staatsangehörigkeit besitzt, gilt weder das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Art 18 Abs 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der [X.] (A[X.]V) noch die innerhalb der [X.] gewährleistete Freizügigkeit für Arbeitnehmer gemäß Art 45 A[X.]V. Beide Vorschriften gelten grundsätzlich nur für [X.]sbürger (bzgl Art 18 Abs 1 A[X.]V vgl [X.] Urteil vom 11.11.2014 - [X.]/13, [X.] 2015, 20, 21 - Rd[X.] 59 ˂Dano[X.]; zu Art 45 A[X.]V vgl [X.] in [X.], Europäisches Sozialrecht, 6. Aufl 2013, Art 45 Rd[X.] 5) dh für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Art 20 Abs 1 Satz 2 A[X.]V).

bb. Auf die auf der Grundlage des Primärrechts erlassene Verordnung - [X.] - ([X.]) [X.] kann sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen. Denn nach Art 2 Abs 1der [X.] ([X.]) [X.] gilt diese Verordnung nur für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, [X.]lose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin nicht. Darüber hinaus gilt die Verordnung (sowie die [X.] <[X.]> [X.] 987/2009) auch für Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter den Anwendungsbereich dieser Verordnungen fallen, sowie für ihre Familienangehörigen und ihre Hinterbliebenen, wenn sie ihren rechtmäßigen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben und sich in einer Lage befinden, die nicht ausschließlich einen einzigen Mitgliedstaat betrifft. Dies ergibt sich aus Art 1 der [X.] ([X.]) [X.]231/2010. Danach finden die dort genannten Verordnungen keine Anwendung auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich Verbindungen zu einem Drittstaat und einem einzigen Mitgliedstaat haben (vgl Erwägungsgründe [X.]2 der [X.] ([X.]) [X.]231/2010). So liegt es bei der Klägerin, die neben der [X.] als Drittstaat ausschließlich Verbindungen zu einem einzigen Mitgliedstaat, der [X.], hat. Durch die Beschränkung des Anwendungsbereichs im Wesentlichen auf die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten und Drittstaatsangehörige mit Bezug zu wenigstens zwei verschiedenen Mitgliedstaaten werden die davon ausgeschlossenen Personen nicht unionsrechtswidrig diskriminiert, weil diese Abgrenzung dem [X.]srecht immanent ist.

cc. Die Klägerin kann auch aus dem von der Republik [X.] und der [X.] sowie deren Mitgliedstaaten am 12.9.1963 in [X.] unterzeichneten Assoziierungsabkommen (im Namen der [X.] geschlossen, gebilligt und bestätigt durch Beschluss 64/732/[X.] des Rates vom 23.12.1963 auf der Grundlage von Art 238 des [X.] Art 217 A[X.]V>) einschließlich des Zusatzprotokolls vom 23.11.1970 (im Namen der [X.] geschlossenen, gebilligt und bestätigt durch die Verordnung <[X.]> [X.] 2760/72 des [X.] ) keine Rechte oder Rechtswirkungen ableiten, die einem Ruhen ihres Anspruchs entgegenstehen. Nach Art 39 Abs 1 des Zusatzprotokolls erlässt der [X.] auf dem Gebiet der [X.] Sicherheit Bestimmungen für Arbeitnehmer [X.]r Staatsangehörigkeit, die von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu- oder abwandern, sowie für deren in [X.] wohnende Familien. Dabei muss nach Art 39 Abs 4 des Zusatzprotokolls für Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsrenten die Möglichkeit einer Ausfuhr in die [X.] bestehen. Diese Bestimmung entfaltet keine unmittelbaren Rechtswirkungen; ihr kommt lediglich Programmcharakter zu. Bei dem Abkommen einschließlich des Zusatzprotokolls handelt es sich um eine völkerrechtliche Verpflichtung als Bestandteil der [X.]srechtsordnung ([X.] Urteil vom [X.], [X.] Rd[X.] 7 ˂Demirel[X.]). Bestimmungen eines solchen - aufgrund der Beteiligung von [X.] und Mitgliedstaaten gemischten ([X.] Urteil vom [X.], [X.] Rd[X.] 9 ˂Demirel[X.]) - Abkommens der [X.] mit Drittländern sind als unmittelbar anwendbar anzusehen, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthalten, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht von dem Erlass eines weiteren Aktes abhängen ([X.] Urteil vom [X.], [X.] Rd[X.]4 ˂Demirel[X.]). Durch Art 39 Abs 1 des Zusatzprotokolls wird aber ausdrücklich dem [X.] die weitere Umsetzung dieser Aufgabe übertragen; ohne diesen Umsetzungsakt können aus dem Abkommen und dem Zusatzprotokoll unmittelbar keine Rechte abgeleitet werden.

Unmittelbare Rechtswirkungen können sich daher erst aus den auf der Grundlage von Art 39 des genannten Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen erlassenen [X.], insbesondere aus Art 3 Abs 1 und Art 6 Abs 1 des Beschlusses des [X.]es [X.] 3/80 vom [X.] ergeben ([X.], [X.], [X.]; zur unmittelbaren Wirkung vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.]/96 - Slg 1999, [X.] Rd[X.] 74 = [X.] 3-6935 Allg [X.] 4 S 45 - bezüglich Art 3 Abs 1 des Beschlusses des [X.]es [X.] 3/80 vom [X.] und [X.] Urteil vom 26.5.2011 - [X.]/07 - Slg 2011, [X.] Rd[X.] 67 ff - bezüglich Art 6 Abs 1). Durch den Beschluss sollen die Systeme der [X.] Sicherheit der Mitgliedstaaten koordiniert werden, damit [X.] Arbeitnehmer, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der [X.] beschäftigt sind oder waren, sowie ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen Leistungen in den herkömmlichen Zweigen der [X.] Sicherheit beziehen können. Zu diesem Zweck wurden die Bestimmungen dieses Beschlusses im Wesentlichen aus einigen Bestimmungen der Verordnung ([X.]) [X.]408/71 übernommen ([X.] Urteil vom 26.5.2011 - [X.]/07 - Slg 2011, [X.] Rd[X.]5). Soweit die Normen des Beschlusses [X.] 3/80 unmittelbare Geltung entfalten, finden zwar dem entgegenstehende nationale Rechtsvorschriften keine Anwendung ([X.] Urteil vom 26.5.2011 - [X.]/07 - Slg 2011, [X.] Rd[X.] 74 ff), indes widerspricht die hier maßgebliche [X.] des nationalen Gesetzgebers den Regelungen dieses Beschlusses nicht.

Art 3 Abs 1 des Beschlusses [X.] 3/80 entspricht nach seinem Wortlaut weitgehend dem des Art 4 der [X.] ([X.]) [X.] und setzt das in Art 9 des Assoziierungsabkommens verankerte allgemeine Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit für den besonderen Bereich der [X.] Sicherheit um (vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.]/96 - Slg 1999, [X.] Rd[X.] 64 = [X.] 3-6935 Allg [X.] 4 S 43 ˂Sürül[X.]; [X.] Urteil vom [X.] - [X.]/98, [X.]/98 - Slg 2000, [X.] Rd[X.] 36 = [X.] 3-6940 Art 3 [X.] S 9 ˂Kocak und Örs[X.]; [X.] Urteil vom 28.4.2004 - [X.]/02 - Slg 2004, [X.] = [X.] 4-6940 Art 3 [X.] 2 Rd[X.] 49 ˂Öztürk[X.]; [X.] Urteil vom 26.5.2011 - [X.]/07 - Slg 2011, [X.] Rd[X.] 98). Art 9 des Assoziierungsabkommens geht daher insoweit vor (vgl nur [X.], Urteil vom [X.] - [X.]/98, [X.]/98 - Slg 2000, [X.] Rd[X.] 37 = [X.] 3-6940 Art 3 [X.] S 9 ˂Kocak und Örs[X.]). Art 3 Abs 1 des Beschlusses [X.] 3/80 gibt den Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und für die dieser Beschluss gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates, wie Staatsangehörigen dieses Staates. Die hier maßgeblichen nationalen Regelungen des § 34 [X.]I knüpfen die [X.] bei einem länger als sechs Wochen dauernden Auslandsaufenthalt jedoch nicht an die Staatsangehörigkeit. Die [X.] trifft jeden Leistungsempfänger in gleicher Weise, entscheidend ist nur ein Auslandsaufenthalt für mehr als sechs Wochen außerhalb der [X.] und der anderen in § 34 Abs 1a [X.]I genannten [X.]. Eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit iS von Art 3 Abs 1 des Beschlusses [X.] 3/80 liegt damit nicht vor.

Durch die [X.] in § 34 Abs 1 [X.] [X.]I bei einem länger als sechs Wochen dauernden Auslandsaufenthalt kommt es nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung, auch wenn Personen anderer Staatsangehörigkeit möglicherweise häufiger umziehen bzw in ihr Heimatland zurückziehen, als solche, die im Land ihrer Staatsangehörigkeit wohnen. Der Beschluss [X.] 3/80 bezweckt nicht, die Vorschriften der [X.]-Verordnung über den territorialen Bereich der Mitgliedstaaten hinaus auch auf die [X.] anzuwenden. Der Beschluss ist schon dem Namen nach auf "die Anwendung der Systeme der [X.] Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen [X.]en auf die [X.]n Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige" bezogen und nicht auf die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Systeme der [X.] Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen [X.]en auf die [X.]. Es geht in diesem Beschluss daher nicht darum, die [X.] der [X.]-Verordnung in territorialer Hinsicht auf die [X.] zu übertragen, sondern nur darum, den [X.]n Arbeitnehmern und deren Familienangehörige dieselben Rechte einzuräumen, die auch die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten haben. [X.] Arbeitnehmer und deren Familienangehörige können das Pflegegeld ebenso wie die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates in andere Mitliedstaaten exportieren, aber nicht in die [X.]. Im territorialen Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Vorschriften sind die [X.]n Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten gleichgestellt.

Art 6 Abs 1 des Beschlusses [X.] 3/80 entspricht Art 10 der [X.] ([X.]) [X.]408/71 und verbietet grundsätzlich [X.] in Bezug auf die dort aufgeführten Leistungen der [X.] Sicherheit, namentlich für Geldleistungen bei Invalidität, Alter oder für Hinterbliebene, für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten sowie für Kapitalabfindungen, die im Falle der Wiederverheiratung an den überlebenden Ehegatten gewährt werden, der Anspruch auf Hinterbliebenenrente hatte. Leistungen der Pflegeversicherung sind weder ausdrücklich von Art 6 Abs 1 des Beschlusses [X.] 3/80 erfasst noch handelt es sich um Leistungen, die den im [X.] genannten Leistungen gleichzustellen wären. Insbesondere kann das Pflegegeld nicht mit Geldleistungen bei Invalidität gleichgestellt werden (eine Gleichstellung hat der [X.] etwa für einen Zuschlag zur Invalidenrente bejaht: [X.] Urteil vom 26.5.2011 - [X.]/07 - Slg 2011, [X.] Rd[X.] 77). Der Begriff der Invalidität ist weder in der [X.] ([X.]) [X.]408/71 noch in der [X.] ([X.]) [X.] definiert und wurde seitens des [X.] nur dahingehend konkretisiert, dass ein Bezug zur Erwerbsfähigkeit vorliegen muss ([X.] Urteil vom 16.11.1972 - [X.]/72 - Slg 1972, 1105 Rd[X.] 8 ˂Heinze[X.]; [X.] Urteil vom 16.11.1972 - [X.]/72 - Slg 1972, 1127 Rd[X.] 8 [X.] Niedersachsen [X.]; [X.] Urteil vom 16.11.1972 - [X.]/72 - Slg 1972, 1141 Rd[X.] 8 [X.] [X.]). Invalidität iS von Art 4 Abs 1 Buchst b [X.] ([X.]) [X.]408/71 und Art 3 Abs 1 Buchst c [X.] ([X.]) [X.] wird daher in Anlehnung an das [X.] Rentenversicherungsrecht als Risiko der Minderung oder Aufhebung der Erwerbsfähigkeit definiert, die in der Regel zu [X.] führt ([X.], Europäisches Sozialrecht, 6. Aufl 2013, Art 3 [X.] <[X.]> [X.] Rd[X.]2). Die koordinationsrechtliche Zuordnung der Pflegebedürftigkeit war lange [X.] streitig, ein spezifischer Zusammenhang zu der Erwerbsfähigkeit im vorgenannten Sinne wurde indes überwiegend verneint ([X.], Pflegeversicherung als neuer Gegenstand sozialrechtlicher Regulierung in [X.] , Soziale Sicherung bei Pflegebedürftigkeit in der [X.], 1998, [X.], 32 f; [X.], Künftige rechtliche Koordinierung der Pflegeversicherung in [X.] in [X.], aaO, [X.], 255, die den Zusammenhang als "fraglich" ansieht; [X.], Die Einwirkung des europäischen [X.]srechts auf die [X.] Pflegeversicherung in [X.], aaO, 159, 169 f, der die Pflegebedürftigkeit dem Risiko der Invalidität und der Krankheit zuordnete). Mit Urteil vom [X.] ([X.]0/96 - Slg 1998, [X.] Rd[X.] 28 ff = [X.] 3-3300 § 34 [X.] 2 S 16 ff ˂Molenaar[X.]) hat der [X.] koordinationsrechtlich eine Zuordnung des Risikos der Pflegebedürftigkeit zu dem Risikobereich der Krankheit iS von Art 4 Abs 1 Buchst a [X.] ([X.]) [X.]408/71 (jetzt Art 3 Abs 1 Buchst a [X.] <[X.]> [X.]) vorgenommen (seither stRspr, vgl mit Blick auf die [X.] Pflegeversicherung: [X.] Urteil vom 8.7.2004 - [X.]/02, [X.]/01 - Slg 2004, [X.] Rd[X.]9 ff = [X.] 4-3300 § 44 [X.] 2 Rd[X.]9 ff ˂Gaumain-Cerri und [X.]; [X.] Urteil vom 16.7.2009 - [X.]/07 - Slg 2009, [X.] Rd[X.] 40 = [X.] 4-6050 Art 19 [X.] 3 Rd[X.] 40 ˂Chamier-Glisczinski[X.]). Desgleichen hat der [X.] in Bezug auf Leistungen der [X.] Sicherheit anderer nationaler Systeme entschieden, dass Leistungen, die objektiv aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt werden und die darauf abzielen, den Gesundheitszustand und die Lebensbedingungen der Pflegebedürftigen zu verbessern, als "Leistungen bei Krankheit" iS von Art 4 Abs 1 Buchst a der [X.] ([X.]) [X.]408/71 zu betrachten sind (vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.]/99 - Slg 2001 [X.] Rd[X.] 28 = [X.] 3-6050 Art 10a [X.] S 7 ˂Jauch[X.]; [X.] Urteil vom [X.] - [X.]/03 - Slg 2006 [X.] Rd[X.] 38 ˂Hosse[X.]; [X.] Urteil vom 18.10.2007 - [X.]/05, [X.], [X.] Rd[X.] 61 ˂ Kommission/Parlament und Rat [X.]). Der [X.] hat den Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit insbesondere wegen ihrer regelmäßig dauerhaften oder zumindest lange [X.]räume betreffenden Gewährung einen "Sondercharakter" zugeschrieben, der eine Nähe zu den Leistungen wegen Invalidität und Alter aufweise, koordinationsrechtlich das von der Pflegeversicherung abgedeckte Risiko jedoch ausschließlich dem Risiko der Krankheit zugeordnet ([X.] Urteil vom [X.]/09 - Slg 2011, [X.] Rd[X.] 48 = [X.] 4-6050 Art 15 [X.] 2 Rd[X.] 48 ˂ da Silva Martins [X.]). Das hier in Rede stehende Pflegegeld ist daher keine Leistung bei Invalidität, und die [X.] des nationalen Gesetzgebers steht nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 des Beschlusses [X.] 3/80.

Art 11 des Beschlusses [X.] 3/80, der möglicherweise ebenfalls unmittelbare Rechtswirkungen entfaltet, verweist für die Gewährung von Leistungen auf die Art 19 bis 24, Art 25 Abs 3 und Art 26 bis 36 der [X.] ([X.]) [X.]408/71. Diese Vorschriften gewährleisten den Export von Leistungen der [X.] Sicherheit innerhalb der [X.]. Wie bereits zu Art 3 des Beschlusses [X.] 3/80 dargelegt, wird aber der territoriale Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Vorschriften nicht erweitert.

c. Ein Anspruch der Klägerin auf den Export des Pflegegeldes in die [X.] lässt sich schließlich nicht aus dem zwischen der [X.] und der [X.] geschlossenen Sozialversicherungsabkommen ableiten.

aa. Die Rechtsvorschriften über die Pflegeversicherung sind von dem Sozialversicherungsabkommen vom [X.] (Zustimmung des [X.] durch Gesetz zu dem Abkommen vom [X.] zwischen der [X.] und der Republik [X.] über Soziale Sicherheit vom [X.] - [X.] S 1169, 1170, im Folgenden: [X.]), in der Fassung des [X.] (Zustimmung des [X.] durch Gesetz zu dem Zusatzabkommen vom 2.11.1984 zum Abkommen vom [X.] zwischen der [X.] und der Republik [X.] über Soziale Sicherheit und zu der Vereinbarung vom 2.11.1984 zur Durchführung des Abkommens vom 11.12.1986 - [X.] S 1038, 1140; im Folgenden: [X.] idF des [X.]) nicht erfasst. Gemäß Art 2 Abs 1 [X.] [X.] idF des [X.] bezieht es sich, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf die [X.] Rechtsvorschriften über a) die Krankenversicherung sowie den Schutz der erwerbstätigen Mutter, soweit sie die Gewährung von Geld- und Sachleistungen durch die Träger der Krankenversicherung zum Gegenstand haben, b) die Unfallversicherung, c) die Rentenversicherung und die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung, d) die [X.], e) das Kindergeld für Arbeitnehmer. Die Vorschrift ist nicht dahingehend auszulegen, dass mit "Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung" auch die Vorschriften über die Pflegeversicherung gemeint sind.

bb. Ein sozialversicherungsrechtliches Abkommen ist als völkerrechtlicher Vertrag grundsätzlich nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen (vgl Art 31 Abs 1 Wiener Vertragsrechtskonvention - WVK vom [X.] - [X.] S 927). Denn bei dieser in Art 31 WKV verschriftlichten [X.] handelt es sich um eine völkergewohnheitsrechtlich geltende Bestimmung (Graf [X.] in ders/Proelß, Völkerrecht, 6. Aufl 2013, 1. Abschnitt Rd[X.]23 mwN aus der Rechtsprechung des [X.]). Der völkerrechtliche Vertrag ist - anders als [X.]srecht, dessen Auslegung sich an den Zielen und der Tätigkeit der [X.] ([X.] Urteil vom 9.2.1982 - C-270/80 - Slg 1982, 329 Rd[X.]6 ˂Polydor/Harlequin[X.]) orientiert - folglich zunächst aus sich heraus und vorrangig ausgehend von dem Wortlaut auszulegen, dem die "gewöhnliche" Bedeutung der gebrauchten Worte (sog ordinary meaning-rule) beizumessen ist. Die Bestimmungen sind ferner in ihrem "Zusammenhang" zu sehen. Das bedeutet, sie sind insbesondere unter Berücksichtigung von anlässlich des [X.] Urkunden, Übereinkünfte und Übungen zwischen den Parteien auszulegen (vgl Art 31 Abs 2, 3 WVK), so dass im Ergebnis der jeweils aktuelle Parteienkonsens ermittelt werden soll (vgl Graf [X.] in ders/Proelß, aaO, 1. Abschnitt Rd[X.]23). Zielt ein internationales Abkommen zudem auf die langfristige Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten auf einem bestimmten Sektor - wie vorliegend dem Sektor der [X.] Sicherheit -, und ist es damit auf Dauer angelegt, hat dies zur Folge, dass die Auslegung im Lichte des [X.] und dessen dauernder Förderung, also "dynamisch" vorzunehmen ist (BSG [X.] 3-6960 Teil II Art 8 [X.] S 5 mwN).

cc. Nach dem Willen der Parteien des [X.] idF des [X.] konnte mit dem Begriff "Krankenversicherung" weder zum [X.]punkt der Vereinbarung des [X.] im Jahre 1964 noch zur [X.] der Vereinbarung des [X.] im Jahre 1984 bereits die Pflegeversicherung gemeint gewesen sein, denn diese wurde in der [X.] erst durch das Gesetz zur [X.] Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit ([X.] - [X.]) vom [X.] ([X.] 1014) in das Sozialgesetzbuch eingefügt, und in der Republik [X.] hat sich, soweit ersichtlich, bis heute weder eine vergleichbare Pflegeversicherung als eigenständiger Zweig der Sozialversicherung noch als Bestandteil eines anderen Zweiges etabliert (vgl insoweit die Erklärungen der [X.] Republik [X.] zu dem [X.]n [X.] Sicherheitssystem, abrufbar unter [X.], letzter Abruf am 28.1.2015). Auch die Vorschriften der §§ 53 ff [X.], die bis zur Einführung der Pflegeversicherung [X.] unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf häusliche Pflegehilfe gewährten, sind erst nach der Vereinbarung des [X.] einschließlich des [X.] in das Sozialgesetzbuch eingefügt worden (mit Wirkung vom 1.1.1989 durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen - [X.] - [X.] - vom 20.12.1988, [X.] 2477). Vor Inkrafttreten der §§ 53 ff [X.] erhielten Versicherte gemäß § 185 Abs 1 Satz 1 R[X.] in ihrem Haushalt oder ihrer Familie neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch Krankenpflegepersonen mit einer staatlichen Erlaubnis oder durch andere zur Krankenpflege geeignete Personen, wenn [X.] geboten, aber nicht ausführbar war, oder [X.] dadurch nicht erforderlich wurde. Die sog "Hauspflege" wurde als besonders ausgestaltete Krankenpflege (§ 182 R[X.]) angesehen, die - entsprechend dem Wortlaut des § 185 Abs 1 Satz 1 R[X.] - nur als Ersatz für eine an sich gebotene [X.] in Betracht kam ([X.], 144, 146 = [X.] [X.] zu § 185 R[X.] Aa 1; im [X.] daran [X.], 139, 140 = [X.] 2200 § 185 [X.] S 1 f; BSGE 50, 73, 76 f = [X.] 2200 § 185 [X.] 4 S 10). § 185 R[X.] enthielt daher nicht eine den §§ 53 ff [X.] oder den heutigen Leistungen der Pflegeversicherung vergleichbare Leistung und knüpfte auch nicht an das Risiko der Pflegebedürftigkeit an. Vielmehr gewährte diese Vorschrift eine Leistung der Krankenversicherung vergleichbar der heute nach § 37 Abs 1 [X.] zu gewährenden häuslichen Krankenpflege als Krankenhausersatzpflege.

Die [X.] Pflegeversicherung wurde als neuer und eigenständiger Zweig der Sozialversicherung etabliert (vgl auch § 1 Abs 1 [X.]I und in diesem Zusammenhang BT-Drucks 12/5262 [X.]), weil die [X.] Absicherung der Pflegebedürftigkeit als unbefriedigend angesehen wurde (BT-Drucks 12/5262 [X.]). Die Träger der Pflegeversicherung wurden zwar organisatorisch unter dem Dach der Krankenkassen angesiedelt, die [X.] waren jedoch immer selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 46 [X.]I). Die Schaffung eines neuen [X.], um ein bis Ende 1994 nur in Ansätzen abgedecktes Risiko zu erfassen, und die hierfür neu geschaffenen organisatorischen Strukturen zeigen, dass es bei der Einführung der Pflegeversicherung nicht nur um die Umorganisation eines dem Grunde nach bereits etablierten [X.] ging. Im Ergebnis kann daher nicht unterstellt werden, dass die Vertragsparteien des [X.] idF des [X.] den Begriff Krankenversicherung in einem weiten, die Pflegeversicherung umfassenden, Sinne verstanden hätten.

dd. Zwar zielt das [X.] idF des [X.] auf eine langfristige Zusammenarbeit der Vertragsstaaten im Bereich der [X.] Sicherheit und ist daher dynamisch im Lichte des Vertragsziels auszulegen. Dabei muss es aber immer darum gehen, im Ergebnis den jeweils aktuellen Parteienkonsens zu ermitteln. Daher kann das Abkommen nicht so ausgelegt werden, dass die Pflegeversicherung seit ihrer Einführung in der [X.] davon umfasst wäre. Für einen solchen Konsens der Vertragsparteien gibt es keine Anhaltspunkte.

(1) Bei der Einführung eines völlig neuen Sozialversicherungszweigs hätte es nahegelegen, das [X.] idF des [X.] entsprechend anzupassen und auf diesen Sozialversicherungszweig auszudehnen, wenn Konsens über eine Einbeziehung zwischen den Vertragsparteien bestanden hätte. Das [X.] zeigt, dass nachträgliche Ergänzungen durchaus vorgenommen werden. So wurde der Anwendungsbereich des [X.] durch das [X.] bezüglich der Rechtsvorschriften in der [X.] erweitert. Seitdem werden nach Art 2 Abs 1 [X.] 2 Buchst e [X.] idF des [X.] [X.] Rechtsvorschriften über "andere Sozialversicherungsträger" ausdrücklich vom Anwendungsbereich erfasst, wenn sie durch die Sozialversicherungsgesetzgebung errichtet und in das Sozialversicherungssystem einbezogen werden. Da sich eine vergleichbare Regelung bezüglich der [X.] Rechtsvorschriften im [X.] idF des [X.] nicht findet, wäre bei einem entsprechenden Konsens der Vertragsparteien eine Anpassung des Abkommens notwendig gewesen.

(2) Aufgrund der konkreten Aufzählung der im Einzelnen erfassten Bereiche der [X.] Sicherheit in Art 2 Abs 1 [X.] [X.] idF des [X.], zu denen die Pflegeversicherung nicht gehört, können sich allein aus der Präambel des [X.] idF des [X.] keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Einbeziehung der Pflegeversicherung ergeben. Dabei handelt es sich lediglich um eine geläufige Eingangsformulierung ("In dem Wunsche, die Beziehungen zwischen den beiden [X.] im Bereich der Sozialen Sicherheit zu regeln, und in Anerkennung des Grundsatzes, dass die Staatsangehörigen der beiden [X.] bei Anwendung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften einander gleichstehen"), die sich in ähnlicher Form auch in anderen Sozialversicherungsabkommen (zB in denen mit [X.] und [X.]) findet, aus der sich aber eine vom Wortlaut nicht gedeckte Erweiterung des Abkommens auf einen neuen Sozialversicherungszweig ohne weitere Anhaltspunkte für einen entsprechenden Parteienkonsens nicht ableiten lässt.

(3) Ein solcher Parteienkonsens kann auch deshalb nicht ohne Weiteres ausgemacht werden, weil es in der [X.] bis heute kein Pendant zu der in [X.] bestehenden Pflegeversicherung gibt. Das [X.] idF des [X.] setzt zwar nicht zwingend einen Gleichklang der Leistungen voraus, in Art 2 Abs 1 [X.] und 2 [X.] idF des [X.] werden jedoch im Wesentlichen die [X.] und die [X.]n Rechtsvorschriften betreffend die Kranken- und Mutterschaftsversicherung, die Unfallversicherung und die Rentenversicherung erfasst, bei denen ein gegenseitiger Export von Leistungen möglich ist. Leistungen der Pflegeversicherung könnten dagegen nur einseitig von [X.] in die [X.] mitgenommen werden. Daher würde die Umsetzung erhebliche Probleme aufwerfen, insbesondere wenn nicht nur Pflegegeld, sondern auch Pflegesachleistungen exportiert würden. Bei Anwendung der Vorschriften betreffend die "Versicherungen für den Fall der Krankheit und der Mutterschaft" nach Abschnitt II - Art 11 ff - [X.] idF des [X.] wären die Sachleistungen in der [X.] von der Arbeiterversicherungsanstalt nach den für den Träger des Aufenthaltsortes geltenden Rechtsvorschriften zu gewähren und zwar so, als wäre die Person bei dem Träger des Aufenthaltsortes versichert (Art 15 Abs 1 und 3 [X.] idF des [X.]). Mangels entsprechender Rechtsvorschriften in der [X.] kann diese Regelung nicht umgesetzt werden. Es ist auch nicht ersichtlich, auf welche Weise Sachleistungen der Pflegeversicherung ohne Anwendung dieser Vorschrift gewährt werden könnten, weil mangels Versicherung in der [X.] keine entsprechenden Versorgungsstrukturen vorhanden sind. Ein Konsens der Vertragsparteien, das Abkommen erfasse nur die Geldleistungen der Pflegeversicherung, kann nicht unterstellt werden.

(4) Schließlich ist Art 2 Abs 1 [X.] Buchst a [X.] idF des [X.] auch nicht aufgrund der Rechtsprechung des [X.] zu Art 4 Abs 1 Buchst a [X.] ([X.]) [X.]408/71 (jetzt Art 3 Abs 1 Buchst a [X.] <[X.]> [X.]) so auszulegen, dass unter den Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung auch die Vorschriften über die Pflegeversicherung zu verstehen sind. Zwar hat der [X.] koordinationsrechtlich das Risiko der Pflegebedürftigkeit dem Risikobereich der Krankheit zugeordnet mit der Folge, dass die Begrifflichkeit "Leistungen bei Krankheit" iS von Art 4 Abs 1 Buchst a [X.] ([X.]) [X.]408/71 (jetzt Art 3 Abs 1 Buchst a [X.] <[X.]> [X.]) auch "Leistungen bei Pflegebedürftigkeit" erfasst ([X.] Urteil vom [X.] - [X.]0/96 - Slg 1998, [X.] = [X.] 3-3300 § 34 [X.] 2 ˂Molenaar[X.]). Dabei ist aber der unterschiedliche Wortlaut des [X.] idF des [X.] und der [X.]-Verordnung/[X.]-Verordnung zu berücksichtigen. Letztere gilt nach deren Art 4 "für alle Rechtsvorschriften über Zweige der [X.] Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen: a) Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft". Bei diesem Wortlaut stellt sich die Frage, ob die Leistungen der Pflegeversicherung ihrer Art nach auch Leistungen bei Krankheit sein können. Daher betont der [X.], dass sich die Auslegung in erster Linie nach den Wesensmerkmalen der jeweiligen Leistung richtet ([X.] Urteil vom 16.7.1992 - [X.]/91 - Slg 1992, [X.] Rd[X.]4 = [X.] 3-6050 Art 4 [X.] 5 S 12 ˂Hughes[X.]; [X.] Urteil vom [X.] - [X.]0/96 - Slg 1998, [X.] Rd[X.]9 = [X.] 3-3300 § 34 [X.] 2 S 14 ˂Molenaar[X.]). Diese Frage wirft der Wortlaut des [X.] idF des [X.] indes nicht auf. Denn das [X.] idF des [X.] bezieht sich nach dessen Art 2 Abs 1 [X.] "auf die [X.] Rechtsvorschriften über a) die Krankenversicherung". Dieser Wortlaut lässt insoweit keinen Auslegungsspielraum, denn die Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung enthalten keine Leistungen der Pflegeversicherung. Dies muss insbesondere vor dem Hintergrund gelten, dass in dem [X.] zwischen [X.] und der [X.] die Vorschriften und Leistungen, die vom sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens erfasst sein sollen, einer einfachen Aufzählung zugänglich sind, während bei unionsrechtlichen Regelungen die Rechtsvorschriften aller Mitgliedstaaten regelmäßig nicht durch umfangreiche Auflistungen, sondern abstrakte Beschreibungen der Inhalte erfasst werden.

d. Die [X.] nach § 34 Abs 1 [X.] Satz 1, Abs 1a [X.]I verstößt schließlich auch nicht gegen Verfassungsrecht. Selbst wenn der [X.] als eigentumsähnliches Recht dem Schutzbereich des Eigentums des Art 14 GG unterfallen sollte - was der [X.] ausdrücklich offenlässt - enthält die Reglung, dass dieser Anspruch bei einem länger als sechs Wochen dauernden Aufenthalt im Ausland (abgesehen von den in Abs 1a aufgeführten [X.]) ruht, lediglich eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhalts- und Schrankenbestimmung iS des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG. Solche einschränkenden Bestimmungen zum Eigentum sind zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind (statt Vieler [X.] 70, 101, 111 = [X.] 2200 § 1260c [X.]7 S 64; jüngst [X.], NJW 2014, 3634, 3635). So ist das Ruhen der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung während eines Auslandsaufenthaltes (§ 16 [X.]) nach der Rechtsprechung des [X.] verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ([X.]K 13, 406, 407 = [X.] 4-2500 § 17 [X.] 2 Rd[X.] 4). Der Gesetzgeber darf sozial relevante Tatbestände im eigenen Staatsgebiet regeln. Die Dienst- und Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung können aber nur im Inland erbracht werden. Daher ist es sachlich gerechtfertigt die Leistungen der Krankenversicherung im Ausland von besonderen Voraussetzungen abhängig zu machen ([X.]K 13, 406, 407 = [X.] 4-2500 § 17 [X.] 2 Rd[X.] 4). Dies gilt auch für die Leistungen der Pflegeversicherung (vgl hierzu die Gesetzesbegründung BT-Drucks 12/5262 [X.] - zu § 30), denn unter Berücksichtigung einer gewissen Qualitätskontrolle liegen Gründe des Allgemeinwohls vor, zu deren Erreichung die grundsätzliche Beschränkung der Leistungen auf das Inland und die von § 34 Abs 1a [X.]I erfassten [X.] geeignet, erforderlich und angemessen ist. Dies gilt nicht nur für die Pflegesachleistungen, sondern auch für das Pflegegeld, das nur zweckgebunden zur Sicherstellung der Pflege eingesetzt werden darf. Insoweit enthält auch der Anspruch auf Pflegegeld Qualitätsvorgaben, die nur im Inland laufend kontrolliert werden können.

3. Eine Vorlage an den [X.] kommt nicht in Betracht. Es geht nicht um die Auslegung der Verträge oder um Fragen im Zusammenhang mit Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der [X.] (vgl Art 267 Abs 1 A[X.]V), weil weder [X.]sverträge noch sekundäres [X.]srecht anwendbar sind. Auslegungsfragen betreffend das zwischen der [X.] und der Republik [X.] geschlossene [X.] idF des [X.] sind dem [X.] nicht vorzulegen, da es sich um ein rein bilaterales Abkommen und damit weder um ein allein durch die [X.] abgeschlossenes noch um ein gemischtes Abkommen handelt.

4. [X.] beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 3 P 6/13 R

25.02.2015

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: P

vorgehend SG Augsburg, 15. Dezember 2011, Az: S 10 P 39/11, Urteil

§ 34 Abs 1 Nr 1 S 1 SGB 11, § 34 Abs 1 Nr 1 S 2 SGB 11, § 34 Abs 1a SGB 11, § 37 SGB 11, Art 18 Abs 1 AEUV, Art 45 AEUV, Art 4 Abs 1 Buchst a EWGV 1408/71, Art 10 EWGV 1408/71, Art 2 Abs 1 EGV 883/2004, Art 3 Abs 1 Buchst a EGV 883/2004, Art 4 EGV 883/2004, Art 1 EUV 1231/2010, EWGAbk TUR, Art 39 Abs 1 EWGAbkTURZProt, Art 39 Abs 4 EWGAbkTURZProt, Art 3 Abs 1 EWGAssRBes 3/80, Art 6 Abs 1 EWGAssRBes 3/80, Art 11 EWGAssRBes 3/80, Art 2 Abs 1 Nr 1 SozSichAbk TUR, Art 11 SozSichAbk TUR, Art 11ff SozSichAbk TUR, SozSichAbkÄndAbk2ZAbk TUR, Art 31 VtrRKonv, Art 14 GG, SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 25.02.2015, Az. B 3 P 6/13 R (REWIS RS 2015, 15000)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15000

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