Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.12.2021, Az. 18 W (pat) 28/20

18. Senat | REWIS RS 2021, 10546

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2019 129 136.4

(hier: [X.])

hat der 18. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] am 21. Dezember 2021 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.] und Dipl.-Phys. [X.] sowie die Richterin Dipl.-Phys. Zimmerer

beschlossen:

Der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts

wird anheimgegeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer ist Anmelder der Patenanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2019 129 136.4 vom 29. Oktober 2019 mit der Bezeichnung

2

„[X.] AND METHODS FOR [X.] ENHANCED ATTENTION“.

3

Als Erfinder wurde auf dem Formblatt zur Erfinderbenennung eine künstliche Intelligenz mit der Bezeichnung „[X.] – Die Erfindung wurde selbständig durch eine künstliche Intelligenz erzeugt.“ angegeben. Weiter heißt es auf dem Formblatt, das Recht auf das Patent sei auf den Anmelder übergegangen durch Rechtsnachfolge, da der Anmelder Eigentümer der künstlichen Intelligenz sei.

4

Mit Schreiben vom 25. November 2019, eingegangen am 27. November 2019, bat der Anmelder um Korrektur der amtlichen Empfangsbestätigung hinsichtlich der Erfinderbenennung.

5

Im Zuge eines am 10. Dezember 2019 versandten, amtlichen Formmängelbescheids vom 9. Dezember 2019 wurde dem Anmelder mitgeteilt, dass das eigegangene Formblatt nicht als eine rechtwirksame Erfinderbenennung anzuerkennen sei, welche den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 37 [X.], 7 [X.] entsprechen würde. Formal sei daher kein Erfinder im Sinne des [X.]es benannt, weshalb das Vorliegen einer Erfinderbenennung auch nicht bestätigt werden könne. Zur Nachreichung einer rechtwirksamen Erfinderbenennung wurde dem Anmelder die 15-Monatsfrist gemäß § 37 Abs. 1 [X.] ab [X.] der Patentanmeldung (7. November 2018) gewährt.

6

Mit Schreiben vom 7. Februar 2020 trat der Anmelder der Mitteilung entgegen, wonach keine rechtswirksame Erfinderbenennung abgegeben worden sei. Die nochmals eingereichte Erfinderbenennung hat er dahingehend abgeändert, dass er das amtliche Aktenzeichen sowie den Adresszusatz „c/o [X.], S.“ ergänzend angegeben hat. Er beantragte weiterhin die Erteilung eines Patents auf Grundlage der am 29. Oktober 2019 sowie der am 7. Februar 2020 hinsichtlich eines Adresszusatzes korrigierten Erfinderbenennung mit der weiterhin als „[X.]“ bezeichneten künstlichen Intelligenz als Erfinder.

7

Mit am 27. März 2020 zugestellten Beschluss vom 24. März 2020 hat die Prüfungsstelle 57 des [X.] die Patentanmeldung zurückgewiesen, da die eingegangene Erfinderbenennung nicht den gesetzlichen Vorschriften gem. § 42 Abs. 3 [X.] i. V. m. §§ 37 Abs. 1 [X.], 7 [X.] entspreche.

8

Zur Begründung führt die Prüfungsstelle aus, als Erfinder sei von dem Anmelder auf dem Formblatt zur Erfinderbenennung die Bezeichnung einer künstlichen Intelligenz angegeben. Unter einer künstlichen Intelligenz sei ein technisches System, also ein Gegenstand, wie beispielsweise eine Maschine, und im weiteren Sinne eine nicht-menschliche Entität zu verstehen. Die Angabe einer Bezeichnung einer nicht-menschlichen Entität als Erfinder erfülle nicht die Anforderung an der Erfinderbenennung im Sinne des § 37 [X.] i. V. m. § 7 [X.].

9

Mittels § 37 [X.], 7 [X.] beabsichtige der Gesetzgeber, dass als Erfinder nur eine natürliche Person benannt werden könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 27. April 2020 mit Schriftsatz vom 24. April 2020 eingegangene Beschwerde des Anmelders. Erfinder der beanspruchten Erfindung sei [X.], ein System von künstlichen Netzen, das in der Lage sei, neue Konzepte zu entwerfen, zu entwickeln oder zu verwerfen. Ohne menschliche Mitwirkung könne [X.] eine Erfindung hervorbringen und bewerten.

Der Anmelder habe [X.] als Erfinder benannt, da die Erfindung keiner natürlichen Person zugeschrieben werden konnte. Natürlich hätte der Anmelder sich selbst als Erfinder benennen können. Dann hätte das Patentamt die falsche Erfinderbenennung akzeptiert und die Patentanmeldung nicht zurückgewiesen. Die Nennung von [X.] als Erfinder wäre aber mit der Wahrheitspflicht nichtvereinbar.

Folge man der Ansicht der Prüfungsstelle, stecke der Anmelder in einem Dilemma, entweder benenne er den wahren Erfinder [X.] mit der Folge der Zurückweisung der Anmeldung oder er benenne einen falschen Erfinder.

Es gehe in dieser Beschwerde nicht darum, ob [X.] rechtsfähig sei. Eine Software ist eine Sache und damit nicht rechtsfähig.

Es gehe nicht darum, ob [X.] Patentanmelder sein könne. Mangels Rechtsfähigkeit sei das ausgeschlossen und davon abgesehen auch nicht wünschenswert.

Es gehe in dieser Sache auch nicht darum, ob künstliche Intelligenz dazu in der Lage sei, Erfindungen hervorzubringen, die keinem menschlichen Erfinder zugeordnet werden könne. Unbestritten seien die meisten Anwendungen künstlicher Intelligenz dazu nicht in der Lage, eigenständig Erfindungen hervorzubringen, da sie lediglich als Tools zur Lösung vorbestimmter Aufgaben eingesetzt würden.

Es gebe aber bereits heute einige Anwendungen künstlicher Intelligenz – und [X.] sei eine davon –, die eigenständig Erfindungen hervorbringen könnten. Die vorliegende Patentanmeldung sei bereits der Beweis, dass dies möglich sei.

[X.] sei eine Software, die auf Hardware ausgeführt werde. Damit sei sie eine Sache, die selbst nicht Eigentümerin des Rechts an der Erfindung sein könne. Der Eigentumserwerb an Produkten einer Sache (= Fruchterwerb bzw. im [X.]“) sei rechtlich unproblematisch, sodass das Recht an der Erfindung ohne weiteres im Moment seiner Entstehung auf den Eigentümer der Sache übergegangen sei. Der Eigentümer der künstlichen Intelligenz [X.] sei L. [X.], der Anmelder.

Auch wenn der Erwerb des Rechts patentrechtlich anders zu beurteilen wäre, so komme als Eigentümer doch nur der Anmelder in Frage, denn [X.] sei zugleich Eigentümer, Besitzer, Hersteller/Programmierer und Betreiber von [X.]. Es gebe keinen Anknüpfungspunkt für eine andere Zuordnung des Rechts an der Erfindung.

Die Zuordnung des Rechts zum Anmelder sei hier also nicht problematisch und dürfe ohnehin nicht in Frage gestellt werden. Das [X.] habe sich so zu verhalten und seine Entscheidung so zu treffen, als läge das Recht bei dem Anmelder, selbst wenn die Prüfungsstelle Zweifel daran habe, ja selbst wenn sie Kenntnis eines abweichenden Sachverhalts hätte.

Der Anmelder sei somit Inhaber des Rechts an der Erfindung und auf das Patent. Eine Zurückweisung der Anmeldung wegen mangelnden Rechtsübergangs sei dem [X.] verwehrt.

Das Recht auf das Patent sei als Eigentumsrecht verfassungsrechtlich geschützt. Es einzuschränken bedürfe gesetzlicher Regelungen. Es gebe keine gesetzliche Regelung, die die Benennung einer künstlichen Intelligenz als Erfinder ausschließe. Weder der Wortlaut noch der Wille des historischen oder heutigen Gesetzgebers und der Zweck des Gesetzes sprächen dagegen, künstliche Intelligenz als Erfinder zu benennen.

Ferner sei dem Patentamt die Prüfungskompetenz sowohl für die Richtigkeit der Erfinderbenennung als auch für die Berechtigung des Anmelders entzogen. Die Benennung von [X.] als Erfinder sei demnach nicht zu beanstanden.

Zum weiteren Vortrag des Anmelders wird auf den Schriftsatz vom 10. Juli 2020 verwiesen.

II.

Nach vorläufiger Auffassung des Senats dürfte die Beschwerde keinen Erfolg haben, weil die Erfinderbenennung nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht.

Die Erfinderbenennung nach dem [X.] muss die Anforderungen des § 37 [X.] und des § 7 [X.] erfüllen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 37 Rn. 11). Erfinder kann nur eine natürliche Person sein (vgl. [X.]/[X.], a. a. [X.], § 37 Rn. 13).

Eine natürliche Person ist der Mensch in seiner Rolle als Rechtssubjekt, d. h. als Träger von Rechten und Pflichten (vgl. [X.]; [X.], [X.], § 1 [X.]. 1). Hierzu zählt nicht die vom Anmelder als Erfindung genannte künstliche Intelligenz, bei der es sich um eine Sache bzw. Maschine handelt, die nicht Träger von Rechten und Pflichten sein kann.

Entgegen der vom Anmelder im Amts- und Beschwerdeverfahren vertretene Auffassung kann eine künstliche Intelligenz nicht Erfinder eines Patents sein.

Wenn der Anmelder meint, er sei als Eigentümer, Besitzer, Hersteller/Programmierer und Betreiber von [X.] die einzige Person, die einen Anknüpfungspunkt für die Zuordnung des Rechts an der Erfindung biete und es gebe keine anderen Personen, die einen Beitrag zur Erfindung geliefert haben, so spricht nichts dagegen, dass er sich als Erfinder im Sinne des [X.]es bezeichnet, weil er allein sich der Maschine bedient hat. Wenn er Zweifel hat, ob nicht auch oder nur derjenige daran beteiligt ist, der diese Software bedient, so muss der Anmelder sich selbst entscheiden, ob dieser sich allein oder auch der Maschine bedient hat, um zur Erfindung zu gelangen, sodass er als Erfinder (mit)genannt werden muss. Das Amt prüft dies jedenfalls nicht nach. Der Anmelder kann sich aber nicht um die Angabe dadurch drücken, die Personen anzugeben, die für sich die angemeldete Erfindung der künstlichen Intelligenz bedient haben, in dem er eine Maschine als Erfinder benennt.

Soweit der Anmelder meint, die Rechtsfrage, ob eine Maschine mit künstlicher Intelligenz als Erfinder genannt werden kann, sei höchstrichterlich noch nicht entschieden, weshalb die Anmeldung jedenfalls nicht im Rahmen der [X.] zurückgewiesen werden dürfte, kann dem nicht gefolgt werden. § 37 [X.] sagt auch nach der Rechtsprechung eindeutig, dass als Erfinder nur eine Person angegeben werden kann (bzw. mehrere Personen benannt werden müssen, wenn es sich um Miterfinder handelt). Eine Maschine ist eindeutig keine Person und daher nicht in der Erfinderbenennung anzugeben.

Soweit der Anmelder im Hinblick auf die Wahrheitspflicht Bedenken hat, zu verschweigen, dass er eine Maschine mit künstlicher Intelligenz zur Hilfe genommen hat, so könnte er auch in der Beschreibung angeben, dass er sich zur Entwicklung seiner Erfindung dieser Maschine bedient hat. Ähnlich wie jemand schreibt, Versuche in der Firma hätten gezeigt, dass etwas besonders vorteilhaft ist, könnte ein Anmelder auch angeben, dass seine Erkenntnis mit Hilfe einer Maschine mit künstlicher Intelligenz gediehen ist.

Der Präsidentin des [X.] wird Gelegenheit gegeben, dem Beschwerdeverfahren gemäß § 77 [X.] beizutreten oder unabhängig hiervon nach § 76 [X.] zur Frage Stellung zu nehmen, ob als Erfinder in einer Erfinderbenennung gemäß § 37 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 7 [X.] ausschließlich natürliche Personen genannt werden dürfen. Hierzu wird ihr eine Äußerungsfrist von
zwei Monaten
ab Zustellung dieses Beschlusses eingeräumt.

Meta

18 W (pat) 28/20

21.12.2021

Bundespatentgericht 18. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.12.2021, Az. 18 W (pat) 28/20 (REWIS RS 2021, 10546)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 10546

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