Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.08.2023, Az. 1 W (pat) 3/23

1. Senat | REWIS RS 2023, 7155

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2014 012 216.6

hier: Erstattung der Vertretergebühren

hat der 1. Senat (Juristischer Beschwerdesenat) des [X.] am 28. August 2023 durch die Präsidentin [X.], [X.] und die Richterin Lachenmayr-Nikolaou beschlossen:

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse 23 des [X.] 13. Dezember 2022 aufgehoben.

2. Dem Beschwerdeführer und Antragsteller ist der mit Kostenerstattungsantrag vom 30. April 2020 geltend gemachte Betrag in Höhe von 580,72 € zu erstatten.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer ist Patentanwalt und beantragt die Erstattung von Gebühren und Auslagen nach dem [X.] (VertrGebErstG) für seine Tätigkeit als beigeordneter Vertreter des - in der Zwischenzeit verstorbenen - Anmelders im Verfahren vor dem [X.] ([X.]).

2

Der zunächst nicht anwaltlich vertretene Anmelder reichte am 18. August 2014 eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim [X.] ein und fügte dieser als Anlage eine Beschreibung der geplanten Anmeldung „[X.]“ mit Zeichnungen und einer kurzen Erläuterung von Aufgabe und technischer Lösung bei.

3

Das [X.] legte daraufhin eine "vorläufige Akte zur Vorbereitung einer Anmeldung" an und teilte dem Antragsteller mit, dass seine Eingabe als Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gewertet werde, allerdings noch weitere Unterlagen zur Prüfung des Antrages benötigt würden. Mit Schreiben vom 12. September 2014 reichte der Anmelder die Erfinderbenennung nach und teilte mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 mit, er beabsichtigte nach der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe eine Anmeldung einzureichen. Mit Beschluss des [X.] vom 8. Dezember 2014 wurde die beantragte Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren bewilligt.

4

Mit Schriftsatz vom 18. April 2016 beantragte der jetzige Beschwerdeführer seine Beiordnung als Patentanwalt und reichte - im Vorgriff auf seine Beiordnung - als "Anmeldeunterlagen" bezeichnete, professionell ausgearbeitete Unterlagen ein, die dem weiteren Verfahren zugrunde gelegt werden sollten. Mit Beschluss des [X.] vom 9. Mai 2016 wurde der Beschwerdeführer als Vertreter "betreffend die Patentanmeldung mit dem amtlichen Aktenzeichen 10 2014 012 216.6" beigeordnet. Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2020 bat der Beschwerdeführer um Übersendung des [X.], der ihn nicht erreicht habe. Mit weiterem Schriftsatz vom 30. April 2020 teilte der Beschwerdeführer mit, dass der Anmelder am 2. Februar 2019 verstorben sei und die Patentanmeldung namens und im Auftrag der Rechtsnachfolgerin zurückgenommen werde. Gleichzeitig beantragte der Beschwerdeführer die Erstattung von Gebühren und Auslagen für das Patentanmeldeverfahren i. H. v. insgesamt 580,72 Euro.

5

Mit Beschluss vom 9. September 2020 hat die Prüfungsstelle für Klasse 13 des [X.] den Antrag auf Kostenerstattung zurückgewiesen, da lediglich eine Voranmeldung erfolgt sei, jedoch keine Patentanmeldung.

6

Auf die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hin, hat der Senat die angefochtene Entscheidung mit Beschluss vom 22. März 2022 ([X.] (pat) 10/22) aufgehoben und die Sache an das Patentamt zurückverwiesen, da die erfolgte Zurückweisung des [X.] rechtsfehlerhaft sei. Ausgeschlossen sei eine Kostenerstattung im vorliegenden Fall nur dann, wenn sich die Tätigkeit des Beschwerdeführers ausschließlich auf das [X.] bezogen habe, wovon auch das [X.] ausweislich der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht ausgegangen sei.

7

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2022 hat das [X.] den Kostenerstattungsantrag des Beschwerdeführers erneut in vollem Umfang zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem vorliegenden Verfahren liege keine Patentanmeldung zugrunde, sondern lediglich eine vorläufige Akte zur Vorbereitung einer Anmeldung. Der Vertreter habe weder an einer Anmeldung mitgewirkt noch beanstandete Mängel der Anmeldung behoben. Eine Tätigkeit des Vertreters könne lediglich im [X.] festgestellt werden, wofür eine Kostenerstattung jedoch nicht vorgesehen sei.

8

Gegen diesen Beschluss richtet sich die erneute Beschwerde des Vertreters, mit der er sinngemäß beantragt,

9

den Beschluss des [X.]s vom 13. Dezember 2022 aufzuheben sowie die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Er führt zur Begründung im Wesentlichen aus, das [X.] habe nicht vom Fehlen einer Patentanmeldung ausgehen dürfen. Nachdem er in mehreren Telefonaten mit der zuständigen Prüferin und der Leiterin der zuständigen Patentabteilung verschiedene Mängel der Anmeldeunterlagen erörtert habe, seien von ihm ordnungsgemäße Anmeldeunterlagen eingereicht worden. Diese Einreichung sei auch im Rahmen seiner Beiordnung erfolgt, da die Beiordnung auf den Zeitpunkt der Antragstellung vom 18. April 2016 zurückwirke.

Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Neben der in seiner Kostenrechnung aufgeführten Mehrwertsteuer und einer Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen macht der Beschwerdeführer insbesondere die Erstattung einer 13/10 Verfahrensgebühr geltend. Diese steht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG [X.] vom 1. Januar 2002 dem Vertreter für die Anmeldung eines Patents oder im Verfahren nach § 42 [X.] zu. Das [X.] hat das Vorliegen einer Anmeldung verneint, wohingegen der Beschwerdeführer geltend macht, alle Mindestanforderungen für eine ordnungsgemäße Anmeldung hätten vorgelegen. Zwar kann der Beschwerdeführer die Frage der Nichtbehandlung der vermeintlichen Anmeldung nicht eigenständig verfolgen, weil er als (ehemals) beigeordneter Vertreter, der eigene Gebühreninteressen verfolgt, hinsichtlich der Bearbeitung der Patentanmeldung durch das [X.] nicht beschwerdebefugt ist (vgl. hierzu den vorausgegangenen Senatsbeschluss in dieser Sache, vom 22. März 2022, [X.] (pat) 10/22). Das Beschwerdebegehren des Rechtsmittelführers richtet sich jedoch auf die Realisierung des von ihm geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs. Hierfür ist zu klären, in welchem Verfahrensabschnitt er tätig geworden ist. Im vorliegenden Fall ist dies die Anmeldung eines Patents (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG [X.] vom 1. Januar 2002).

Ob bzw. wann eine Patentanmeldung vorliegt, hängt von dem Zeitpunkt ab, an dem die [X.] des § 35 (1) [X.] erfüllt waren. Dieser Zeitpunkt ist nach den objektiven Gegebenheiten zu bestimmen (vgl. hierzu Benkard/Schacht, [X.], 12. Aufl. 2023, [X.] § 35 Rn. 8).

Die Patentabteilung hat in dem angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass der damalige Anmelder in seiner Eingabe vom 12. September 2014 erklärt habe, er beabsichtige eine Anmeldung nach Bewilligung der beantragten Verfahrenskostenhilfe einzureichen. Diese Bewilligung erfolgte dann mit Beschluss vom 8. Dezember 2014.

Mit Eingabe vom 18. April 2016 hat der jetzige Beschwerdeführer seine Beiordnung als Vertreter beantragt und in dieser Eingabe ausgeführt, er reiche "im Vorgriff auf seine Beordnung" verschiedene Unterlagen ein (7 Seiten Beschreibung, 3 Seiten Ansprüche mit 15 Ansprüchen, 1 Blatt Zeichnungen, 1 Zusammenfassung und 2 Figuren zur Zusammenfassung). Diese Unterlagen wurden von ihm dabei ausdrücklich als "Anmeldeunterlagen" bezeichnet und waren für das weitere Verfahren nach seiner Beiordnung, also nach dem Abschluss des [X.]s bestimmt. Diese Vorgehensweise steht damit in völligem Einklang mit der früheren Erklärung des Anmelders, nach Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe eine Anmeldung einzureichen.

Weiter bat der Vertreter und jetzige Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 18. April 2016 um eine [X.]eilung des Amtes, wenn aus den bisher beim [X.] eingereichten Unterlagen die [X.] "des Anmelders" nicht ausreichend hervorgehen und daher die Einreichung einer gesonderten Erfinderbenennung erforderlich sein sollte.

Die Beiordnung des Vertreters erfolgte dann ausweislich des Beschlusses vom 9. Mai 2016 "betreffend die Patentanmeldung mit dem amtlichen Aktenzeichen 10 2014 012 216.6" und wirkte auf den Zeitpunkt des entsprechenden Antrags des Vertreters und jetzigen Beschwerdeführers zurück (vgl. hierzu B[X.], [X.]. 2015, 418, 419).

Bei der gebotenen Gesamtwürdigung des dargelegten Sachverhalts ergibt sich, dass die eingereichten, explizit als "Anmeldeunterlagen" bezeichneten Unterlagen als Patentanmeldung dazu bestimmt waren, vom [X.] auf das Vorliegen der Mindestanforderungen für die Zuerkennung eines Anmeldetags gemäß § 35 (1) i. V. m. § 34 (3) Nr. 1, 2 und 4 [X.] geprüft zu werden. Der für jede Patentanmeldung maßgebliche Anmeldetag ist nicht mehr der Tag des Eingangs sämtlicher in § 34 (3) [X.] bezeichneten Anmeldungsunterlagen, es ist also nicht entscheidend, ob die Anmeldung bereits in allen Punkten den dafür aufgestellten Erfordernissen entspricht (vgl. hierzu etwa Benkard/Schacht, [X.], 12. Aufl. 2023, [X.] § 35 Rn. 10 ff, m. w. N.). Vielmehr ist es nach den genannten Vorschriften für die Zuerkennung eines Anmeldetags lediglich notwendig, dass aus den eingereichten Unterlagen

1. der Name des Anmelders hervorgeht,

2. erkennbar wird, dass ein Patent nachgesucht wird,

und

3. dass die Unterlagen Angaben enthalten, die als Beschreibung gewertet werden können.

Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall als erfüllt anzusehen. Dass der Vertreter bei Einreichung der Anmeldeunterlagen nicht das vom [X.] herausgegebene Formblatt "Antrag auf Erteilung eines Patents" verwendet hat (§ 4 [X.]), ist insoweit unschädlich, da dessen Verwendung nicht zu den Mindestanforderungen gemäß § 35 (1) i. V. m. § 34 (3) Nr. 1, 2 und 4 [X.] zählt. Es entspricht deshalb ständiger Praxis des [X.], die wirksame Begründung eines Anmeldetags nicht davon abhängig zu machen, ob das Formblatt im konkreten Einzelfall verwendet wurde. Denn für die Zuerkennung eines Anmeldetags ist ein ausdrücklicher Antrag nicht zwingend erforderlich, sondern es muss lediglich bei der Gesamtwürdigung der eingereichten Unterlagen erkennbar sein, dass ein Patent nachgesucht wird. Es wäre deshalb unbillig, den durch die Einreichung der Anmeldeunterlagen berechtigten Kostenerstattungsanspruch des Vertreters am Fehlen einer ausdrücklichen Anmeldeerklärung scheitern zu lassen. Die Einreichung der Patentanmeldung durch den beigeordneten Vertreter ist daher in kostenrechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen, so dass die Voraussetzungen der Gebühr i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG ([X.] vom 1. Januar 2002) als erfüllt anzusehen sind.

Der angefochtene Beschluss war somit aufzuheben und dem Beschwerdeführer die beantragte 13/10-Gebühr nebst der in der Kostenrechnung geltend gemachten Mehrwertsteuer und der Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 W § 2 Abs. 2 RVG) zuzusprechen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war aus Billigkeitsgründen anzuordnen (§ 80 Abs. 3 [X.]).

Meta

1 W (pat) 3/23

28.08.2023

Bundespatentgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.08.2023, Az. 1 W (pat) 3/23 (REWIS RS 2023, 7155)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7155

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