Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.08.2012, Az. 4 StR 205/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 3601

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 205/12

vom
29.
August
2012
in der Strafsache
gegen

wegen schwerer Brandstiftung u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 29.
August 2012 gemäß §
349 Abs.
2 und 4
StPO
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 8.
Dezember 2011 mit den [X.] aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklag-ten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet [X.] ist.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung in drei Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb, und wegen Sachbe-schädigung in weiteren drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Kranken-haus angeordnet. Die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten hat hinsichtlich der [X.] Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 StPO.
1
-
3
-
1.
Nach den Feststellungen beging der nicht vorbestrafte Angeklagte in der [X.] von Juli 2010 bis zum 12.
Februar 2011 folgende Straftaten: Am 28.
Juli 2010 legte er in seiner Wohnung Feuer, das sich auf die gesamte [X.] und den Dachboden des Mehrfamilienhauses ausbreitete. Am 7.
Novem-ber 2010 und am 17.
Dezember 2010 entfachte er jeweils im [X.] des von ihm neu bezogenen Wohnhauses ein Feuer, das auf angrenzende [X.]räume übergriff und im gesamten Haus zu erheblicher Rauchentwicklung führte.
Außerdem zündete er in drei weiteren Fällen
den Inhalt von Papier-
bzw. Müll-containern an.
Das [X.] hat angenommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auf Grund einer dissozialen Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit einer Lernbehinderung

und damit einer schweren anderen seelischen Ab-artigkeit im Sinne der §§
20, 21 StGB

erheblich vermindert gewesen sei. Der Angeklagte sei infolge seines Zustands für die Allgemeinheit gefährlich (§
63 StGB). Aufgrund der bestehenden Störung habe er Pseudohalluzinationen [X.], bei denen er geglaubt habe, seinen leiblichen Vater zu sehen. Er habe sich von ihm bedroht gefühlt. Diese Bilder hätten erhebliche Wutgefühle verur-sacht, die der Angeklagte nicht adäquat habe steuern können. Als Ventil habe er dann zu den Brandstiftungen gegriffen. Der psychische Zustand des Ange-klagten sei medikamentös nicht zu behandeln, da es sich um keinen psycho-tischen Zustand handele, auch wenn die Auswirkungen mit Verfolgungsgefüh-len ähnlich hervortreten würden. Besonders problematisch sei, dass es sich um einen Dauerzustand handeln könne.
2.
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Kranken-haus (§
63 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie setzt zunächst die positive Feststellung eines Defektes voraus, der zumindest eine erhebliche 2
3
4
-
4
-
Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des §
21 StGB sicher begründet ([X.], Beschluss vom 11.
November 2003

4
StR
424/03, [X.], 197 mwN). Dieser Zustand muss, da er anders als die Schuldfähigkeit nicht an den Tatzeitpunkt, sondern an die Prognose anknüpft, ein länger andauernder, nicht nur vorübergehender sein (st. Rspr.; vgl. [X.]St 34, 22, 27; [X.], StGB, 59.
Aufl., §
63 Rn.
6 mwN). Die [X.] bedarf einer sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwer wiegende
und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Angeklagten eingreifende Maßnahme darstellt.
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Land-gericht hat nicht ausreichend dargelegt, dass die dissoziale Persönlichkeitsstö-rung bei dem Angeklagten in Verbindung mit der Lernbehinderung einen dauer-haften Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begründet. Dies folgt bereits daraus, dass sich die [X.] zur Begründung der Maßregelanord-nung auf das Gutachten der Sachverständigen bezieht, die hierzu lediglich [X.] hat, "dass es sich um einen Dauerzustand handeln könne" (UA
38). Dass es sich um eine länger bestehende und nicht vorübergehende Störung handelt, ergibt sich auch nicht sonst aus den Gründen des Urteils. Dies gilt ins-besondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte nach den Feststellungen bis zu Beginn der [X.] sozial unauffällig gelebt hatte und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war.
Darüber hinaus fehlt es bislang an ausreichenden Darlegungen zu der von der Sachverständigen diagnostizierten Störung. Schließt sich wie hier das [X.] dem Gutachten ohne weitere eigene Erwägungen an, muss es die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und die Ausführungen der [X.] im Urteil so wiedergeben, wie
dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. [X.], Beschluss vom 5
6
-
5
-
21.
September 2004

3
StR
333/04, [X.], 326). Hierzu reichen die sehr knappen tatsächlichen Angaben in den Urteilsgründen nicht aus. So wird nicht deutlich, aus welchen Umständen die [X.] folgert, dass der die Schuld-fähigkeit überdauernd beeinträchtigende Zustand das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen

auch sozialen

Folgen stört, belastet oder einengt wie bei einer krankhaften seelischen Störung (siehe dazu [X.], Beschluss vom 21.
September 2006

4
StR
309/06, [X.], 6;
Beschluss vom 30.
Januar 2007

1
StR
603/06).
Dem Revisionsgericht ist es damit nicht möglich, nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen des §
63 StGB rechtsfehlerfrei angenommen wurden.
3.
Die Sache bedarf daher im Hinblick auf die [X.] er-neuter Verhandlung und Entscheidung.
Mutzbauer
Roggenbuck
Franke

Schmitt
Quentin
7

Meta

4 StR 205/12

29.08.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.08.2012, Az. 4 StR 205/12 (REWIS RS 2012, 3601)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3601

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 205/12 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Voraussetzungen der Anordnung


4 StR 257/12 (Bundesgerichtshof)


5 StR 149/09 (Bundesgerichtshof)


3 StR 154/20 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Voraussetzungen der Anordnung; Beurteilung der Schuldfähigkeit


4 StR 65/17 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

4 StR 205/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.