Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.02.2018, Az. X B 8/18

10. Senat | REWIS RS 2018, 14101

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Gegenstand

Aktenkopien - Antrag auf Überlassung der Kopien des vollständigen Akteninhalts


Leitsatz

1. NV: Wer die Fertigung und Überlassung der Kopien des vollständigen Akteninhalts begehrt, hat grundsätzlich darzulegen, weshalb dies die Prozessführung erleichtert .

2. NV: Um eine vollständige Akte in diesem Sinne handelt es sich auch dann, wenn ihr Gegenstand ein selbständiger Streitgegenstand innerhalb einer umfassenderen Klage ist .

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des [X.] vom 4. Dezember 2017  4 K 1588/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die als Eheleute zusammen veranlagten Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), vertreten durch ihre [X.]rozessbevollmächtigte ([X.]), erhoben Klage wegen Einkommensteuer, Gewerbesteuermessbetrag und Umsatzsteuer 2005 und 2006 sowie der [X.] 2007 bis 2009, 2011 bis 2013 und [X.]/2015 und beantragten gleichzeitig Akteneinsicht in die Akten des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --[X.]--) durch Übersendung an das Amtsgericht ... ([X.]). Auf Aufforderung durch das Finanzgericht ([X.]) übermittelte das [X.] diesem die Akten. Das [X.] übersandte die Akten dem [X.], wo anscheinend ein Mitarbeiter der [X.] am 2. November 2017 Akteneinsicht nahm und unter anwaltlicher Versicherung der Kostenübernahme die Übersendung folgender Kopien beantragte: "Band [X.] 2007-2013, [X.]. 2015, komplett, inklusive bedruckter Rückseiten / gesamt: 124 Seiten".

2

Das [X.] fertigte aus arbeitswirtschaftlichen Gründen keine Kopien und sandte die Akte dem [X.] zurück. Das [X.] teilte [X.] mit Schreiben vom 15. November 2017 mit, dass die Überlassung von Fotokopien der gesamten Akten nur ausnahmsweise begehrt werden könne, wenn substantiiert und nachvollziehbar dargelegt werde, weshalb die Überlassung erforderlich sei, um die [X.]rozessführung zu erleichtern. Es bat um entsprechende Darlegung, zumal die Akte vielfach Schreiben der [X.] und Bescheide des [X.] enthalte, die der [X.] vorliegen dürften.

3

[X.] erklärte, der Antrag diene der Verwirklichung des klägerischen Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs und werde aufrechterhalten. Das Kopieren des gesamten Aktenbestandes durch die Geschäftsstelle unter Kostenübernahme durch den Kläger sei auch nach dem Beschluss des [X.] ([X.]) vom 18. Februar 2008 VII S 1/08 ([X.]KH) ([X.]/NV 2008, 1169) möglich und hier geboten. Die [X.]rozessführung erleichtere dies insoweit, als es gelte, die Bearbeitung der steuerlichen Angelegenheiten durch das [X.], insbesondere die tatsächliche Bearbeitung der durch [X.] eingereichten Schriftsätze zu ermöglichen. Nur so sei sicherzustellen, dass nach Rücksprache mit den Klägern das [X.] effektiv formuliert werden könne.

4

Mit Beschluss vom 4. Dezember 2017 lehnte das [X.] den Antrag ab. [X.] habe nicht substantiiert und nachvollziehbar dargelegt, warum es für die Führung des [X.]rozesses erforderlich sei, die gesamte Akte [X.] in Kopie zu erhalten. Diese Frage dränge sich insbesondere deshalb auf, weil die Akte hauptsächlich Schriftsätze enthalte, die von [X.] stammten oder an diese gerichtet seien. Ein allgemeines Recht, eine Zweitakte durch Anfertigung von Kopien zu erstellen, gebe es gerade nicht.

5

[X.] legte für die Kläger Beschwerde ein, die am 15. Dezember 2017 beim [X.] einging, wiederholte ihr bisheriges Vorbringen und führte ergänzend aus, es sei nicht überzeugend, wenn das [X.] die Fertigung der Kopien deshalb ablehne, weil die Akte im Wesentlichen aus Schriftstücken an sie oder von ihr bestehe. Es gehe darum zu dokumentieren, wie die Schriftsätze der [X.] bearbeitet worden seien, etwa in Form von Kommentaren, internen Vermerken, Glossen, Markierungen bzw. das Fehlen solcher. Das [X.] half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem [X.] vor.

Entscheidungsgründe

II.

6

1. Die Beschwerde ist nach § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O), § 129 Abs. 1 [X.]O statthaft und zulässig. Es handelt sich insbesondere nicht um eine prozessleitende Verfügung i.S. des § 128 Abs. 2 [X.]O, für die die Beschwerde ausgeschlossen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Mai 2017 X B 36/17, [X.], 1183, unter II.1.).

7

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Beschluss vom 4. Dezember 2017 verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

8

a) Der Beschluss ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Jedenfalls ist auch der Senat zuständig für die Ablehnung derartiger Anträge (vgl. Senatsbeschluss in [X.], 1183, unter II.2.a).

9

b) Der Beschluss ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Es besteht kein Anspruch auf Überlassung der begehrten Kopien der vollständigen Akten.

aa) Nach § 78 Abs. 1 [X.]O können die Beteiligten die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen und sich nach § 78 Abs. 2 Satz 1 [X.]O auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen. Ein Anspruch auf Überlassung von Fotokopien der gesamten Akten besteht grundsätzlich nicht, es sei denn, diese ermöglichten überhaupt erst eine sachgerechte [X.]rozessführung. Dies ist substantiiert und nachvollziehbar darzulegen (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Senatsbeschluss in [X.], 1183, unter [X.]). Der [X.] in [X.], 1169 geht von denselben Rechtsgrundsätzen aus.

bb) [X.] ist eine vollständige Akte im Sinne dieser Rechtsprechung. Dem steht nicht entgegen, dass die [X.] nur einen Teil der vorliegend umfänglicheren Klage betreffen. Es handelt sich um einen selbständigen Streitgegenstand, der auch allein Gegenstand einer Klage sein könnte. Die Frage, welchen Umfang der Anspruch auf Akteneinsicht und Fertigung von Aktenkopien hat, kann aber nicht davon abhängen, wie viele Streitgegenstände in einer Klage zusammengefasst sind.

cc) [X.] hat sich darauf berufen, dass erst die Kopie der vollständigen Akte dokumentiere, inwieweit das [X.] die Sache, insbesondere ihre Schriftsätze bearbeitet oder nicht bearbeitet habe. Dieser Vortrag ist jedoch nicht schlüssig. [X.] bzw. ihr Mitarbeiter hat Akteneinsicht genommen und dabei gesehen, ob das [X.] Kommentare, interne Vermerke, Glossen oder Markierungen angebracht hat. Um diese für die weitere [X.]rozessführung in die anwaltlichen Handakten zu überführen, reicht die Fertigung von Kopien derjenigen Aktenbestandteile, auf denen sich verwaltungsinterne [X.] befinden. Fehlen sie, bedarf es auch keiner Kopien. Inwieweit derartige Anmerkungen überhaupt rechtserheblich sein können, sei in diesem Zusammenhang dahingestellt, da Gegenstand des Finanzprozesses grundsätzlich nicht die Bearbeitungsweise durch das [X.], sondern die Rechtmäßigkeit der betreffenden Bescheide ist.

Ein Anspruch auf eine Kopie der vollständigen Akten könnte ausnahmsweise allenfalls dann bestehen, wenn diese derart viele interne Anmerkungen oder Verfügungen der beschriebenen Art enthielten, dass umgekehrt das Aussortieren der wenigen nicht relevanten Aktenbestandteile einen für alle Beteiligten (im Übrigen auch das [X.], das die Kopien fertigen müsste) unverhältnismäßigen Aufwand bedeutete. Dies ist allerdings im Streitfall nicht vorgetragen und auch für den Senat nach Durchsicht der Akte [X.] nicht erkennbar.

dd) Im Rahmen des Antrags auf Überlassung der Kopien des vollständigen Akteninhalts haben weder das [X.] noch der [X.] zu prüfen, ob ein Anspruch auf Überlassung von Kopien bestimmter Aktenteile bestehen könnte. Dies wäre nicht ein in dem umfassenden Begehren enthaltener Teilanspruch (ein "minus"), sondern ein anderer Anspruch --ein "[X.] (vgl. dazu Senatsbeschluss in [X.], 1183, unter [X.] dd).

3. [X.] folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 1 [X.]O. Nach Nr. 6502 des [X.] zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes fällt eine Festgebühr von 60 € an (zur Kostenentscheidung im unselbständigen Nebenverfahren Senatsbeschluss in [X.], 1183, unter II.3.).

Meta

X B 8/18

12.02.2018

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 4. Dezember 2017, Az: 4 K 1588/17, Beschluss

§ 78 Abs 1 FGO, § 78 Abs 2 S 1 FGO, § 128 Abs 1 FGO, § 128 Abs 2 FGO, § 129 Abs 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.02.2018, Az. X B 8/18 (REWIS RS 2018, 14101)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14101

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