Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.08.2021, Az. VIII B 70/21

8. Senat | REWIS RS 2021, 3441

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Gegenstand

Zum Anspruch auf Scannen der gesamten Akten


Leitsatz

NV: Aus § 78 Abs. 1 FGO lässt sich grundsätzlich weder ein Anspruch auf Überlassung von Fotokopien der gesamten Akten noch ein Anspruch darauf, den gesamten Akteninhalt selbst --ggf. unter Nutzung eines eigenen Kopiergerätes-- zu kopieren, herleiten. Dies gilt nicht, wenn der Beteiligte substantiiert und nachvollziehbar darlegt, dass ihm hierdurch erst eine sachgerechte Prozessführung ermöglicht wird. Diese Grundsätze gelten entsprechend für den Fall, dass ein Beteiligter den Akteninhalt mit Hilfe eines eigenen Gerätes scannen will.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des [X.] vom 27.04.2021 - 2 K 1685/20 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) beantragte in dem unter dem Aktenzeichen 2 K 1685/20 [X.] beim [X.] ([X.]) geführten Verfahren, in dem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) mit Schreiben vom 31.08.2020 acht Bände Steuerakten in Papierform an das [X.] übermittelt hat, zunächst Akteneinsicht durch Zusendung der Akten an seine Privatanschrift. Nach einem Hinweis des [X.] über die Möglichkeiten einer Akteneinsicht teilte der Kläger mit, er wünsche unverändert Akteneinsicht, allerdings nicht im [X.]. [X.]r wünsche eine Akteneinsicht im [X.], jedoch zwingend mit der Zusage des [X.], dass er [X.] bei der Akteneinsicht die gesamte Akte scannen dürfe.

2

Das [X.] lehnte es mit Beschluss vom 27.04.2021 ab, dem Kläger Akteneinsicht verbunden mit der [X.]rlaubnis zum Scannen der gesamten Akte zu gewähren. Zwar lägen die Voraussetzungen für die Gewährung einer [X.]insicht in die (überwiegend) in Papierform geführten Akten vor. Der Antrag, die Akteneinsicht mit der [X.]rlaubnis zum Scannen der gesamten Akte zu erteilen, sei jedoch unbegründet. Der Kläger habe weder einen Anspruch darauf, die Akten unter Nutzung gerichtseigener Kopiergeräte zu kopieren, noch habe er Anspruch auf die Verwendung eines eigenen Kopiergerätes bzw. eines eigenen Gerätes mit Scanfunktion. [X.]in Sonderfall, in dem ausnahmsweise die Verwendung eines eigenen Kopiergerätes bzw. Gerätes mit Scanfunktion gestattet sei, liege nicht vor. Auch bestehe kein Anspruch auf die Anfertigung von Fotokopien der gesamten Akte bzw. auf Scannen der gesamten Akte durch das Gericht. Weder aus dem Akteninhalt noch dem Vorbringen des [X.] sei zu entnehmen, dass die Vervielfältigung bzw. das Scannen des gesamten Akteninhalts mit einem Umfang von acht Akten zur [X.]rleichterung einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich sei. Das Verlangen nach Ablichtungen einer gesamten, umfänglichen Akte "ins Blaue" oder "auf Verdacht" sei von § 78 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) nicht vorgesehen.

3

Gegen den Beschluss hat zunächst der Kläger selbst mit Schriftsatz vom 08.05.2021 Beschwerde eingelegt. [X.]r hat angekündigt, die Begründung werde im Rahmen eines gesonderten Schreibens erfolgen. Mit Schriftsatz vom 12.05.2021 hat sodann der Prozessbevollmächtigte des [X.] Beschwerde erhoben. [X.]r führte aus, er mache sich den Vortrag des [X.] im Schriftsatz vom 08.05.2021 zu eigen. Das [X.] hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Entscheidungsgründe

II.

4

Die Beschwerde ist zwar statthaft und zulässig (vgl. Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 12.02.2018 - X B 8/18, [X.], 635, und vom 18.02.2008 - VII S 1/08 (PKH), [X.], 1169, m.w.N.), sie ist jedoch unbegründet.

5

1. Der angefochtene Beschluss des [X.] verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

6

a) Der Beschluss ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen, denn jedenfalls auch der [X.] ist für die Ablehnung eines entsprechenden Antrags zuständig (vgl. z.B. [X.] in [X.], 635, und vom 05.05.2017 - X B 36/17, [X.], 1183, Rz 12).

7

b) Der Beschluss ist auch im Übrigen rechtmäßig, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf das Scannen der gesamten Akten während der Akteneinsicht.

8

aa) Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 [X.]O können die Beteiligten die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Sie können sich gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 [X.]O auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen. Das Recht auf Abschriften besteht nur insoweit, als diese erforderlich sind, die Prozessführung zu erleichtern ([X.] in [X.], 1169). Ein Anspruch auf Überlassung von Fotokopien der gesamten Akten (d.h. der Gerichtsakte und der dem Gericht vorgelegten Akten) besteht grundsätzlich nicht, es sei denn, diese ermöglichten überhaupt erst eine sachgerechte Prozessführung. Dies ist substantiiert und nachvollziehbar darzulegen (vgl. [X.] in [X.], 635; in [X.], 1169, und in [X.], 1183). Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass ein Beteiligter mit einem eigenen Kopiergerät den gesamten Akteninhalt erfassen möchte (vgl. [X.] in [X.], 1169) und ebenso, wenn der Beteiligte --wie im Streitfall der [X.] den Akteninhalt mit Hilfe eines eigenen Gerätes scannen will.

9

bb) An entsprechenden Darlegungen zur Erforderlichkeit des Scannens des gesamten Akteninhalts fehlt es im Streitfall. Weder aus dem Vorbringen des [X.] noch aus dem Akteninhalt ergeben sich Gründe, die ein Recht des [X.] auf ein Scannen der gesamten Akten begründen könnten. Der Kläger hat derlei Gründe weder im [X.]-Verfahren dargetan, noch hat er dies --entgegen seiner Ankündigung-- im Beschwerdeverfahren nachgeholt.

2. Im Rahmen des auf das Scannen des gesamten Akteninhalts gerichteten Antrags des [X.] war weder vom [X.] noch vom [X.] zu prüfen, ob ein Anspruch auf das Scannen bestimmter Aktenteile bestehen könnte. Denn hierbei handelte es sich nicht um einen in dem umfassenden Begehren des [X.] enthaltenen Teilanspruch, sondern um einen anderen Anspruch, ein "aliud" (z.B. [X.] in [X.], 635, m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 [X.]O. Nach Nr. 6502 des [X.] zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in der im Streitfall anzuwendenden Fassung fällt eine Festgebühr von 66 € an (vgl. auch [X.] in [X.], 635).

Meta

VIII B 70/21

09.08.2021

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 27. April 2021, Az: 2 K 1685/20 E, Beschluss

§ 78 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.08.2021, Az. VIII B 70/21 (REWIS RS 2021, 3441)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3441

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