Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2007, Az. 4 StR 598/06

4. Strafsenat | REWIS RS 2007, 5764

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[X.] 4 StR 598/06 vom 16. Januar 2007 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 16. Januar 2007 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. September 2006 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Fest-stellungen zum äußeren Tatgeschehen, mit Ausnahme derjenigen zu den Tatzeitblutalkoholkonzentrationen und zum Unfallhergang, bestehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zustän-dige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in [X.], vorsätzlicher Gefährdung des [X.] und mit vorsätzlichem Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Maßregelanordnung nach §§ 69, 69 a StGB getroffen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat weitgehend Erfolg. 1 - 3 - 1. Nach den Feststellungen befuhr der Angeklagte nach vorangegange-nem erheblichen Alkoholgenuss ([X.] zur Tatzeit max. 3,44 › und mind. 2,97 ›) im Beisein seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau, die auf dem [X.] saß, mit seinem Pkw [X.] die [X.] zwischen [X.] und [X.]. Während der Fahrt gerieten der Angeklagte und seine Ehefrau, die Nebenklägerin, über die Fortführung ihrer Ehe in Streit. Die [X.] lehnte die Bitte des Angeklagten, zu ihm zurückzukehren, endgültig ab. Daraufhin beschloss der Angeklagte, seinem Leben ein Ende zu setzen und seine Ehefrau mit in den Tod zu nehmen. In Umsetzung dieses Entschlusses lenkte er auf der rechten Fahrspur fahrend bei einer Geschwindigkeit von 120 km/h seinen Pkw ruckartig nach rechts, so dass er nach rechts von der Fahrbahn abkam. Der Fahrbahnverlauf ist in diesem Streckenabschnitt gerade und leicht abschüssig. Einen Seitenstreifen weist die Straße hier nicht auf, viel-mehr sind neben der Fahrbahnrandmarkierung lediglich noch 1,2 Meter asphal-tiert. Hieran schließt sich eine Grünfläche an. Auf dieser Grünfläche überschlug sich der Pkw des Angeklagten mehrfach und kam nach etwa 108 Metern in ei-ner Entfernung von 43 Metern rechts zur Fahrbahn zum Stehen. Der Angeklag-te und die Nebenklägerin erlitten bei dem Unfall schwere Verletzungen. Andere Verkehrsteilnehmer wurden von dem Unfallgeschehen nicht betroffen. 2 Diese Feststellungen belegen das der Verurteilung wegen versuchten Mordes zu Grunde liegende Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln nicht. 3 Zwar geht das [X.] zu Recht davon aus, dass dieses Mordmerk-mal auch dann erfüllt sein kann, wenn ein Tötungsmittel eingesetzt wird, das seiner Natur nach, wie hier der Pkw, nicht gemeingefährlich ist. Maßgeblich ist dann jedoch die Eignung des Mittels zur Gefährdung Dritter in der konkreten 4 - 4 - Situation (vgl. [X.]St 38, 353, 354; [X.]R StGB § 211 Abs. 2, gemeingefährli-ches Mittel 2). Letzteres ergeben die Urteilsgründe weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht. Das [X.] ist, insoweit dem technischen Sachverständigen fol-gend, davon ausgegangen, dass durch die rasche Rechtsbewegung des [X.] auf Grund eines deutlichen Lenkimpulses ein sofortiger Verlust der Fahr-stabilität eingeleitet worden sei. Infolgedessen sei das weitere Geschehen vom Angeklagten nicht mehr beherrschbar gewesen, so dass "bei einem anderen Verlauf" des Unfalls insbesondere für die dem Pkw des Angeklagten [X.] Fahrzeuge die für den Angeklagten unberechenbare Gefahr bestanden habe, vom Unfallgeschehen in Mitleidenschaft gezogen zu werden. 5 Diese Begründung lässt Ausführungen dazu vermissen, ob und gegebe-nenfalls welcher andere Verlauf des [X.] denkbar gewesen wäre, also ob das vom Angeklagten zur Tötung seiner Ehefrau eingesetzte Mittel in der konkreten Situation überhaupt abstrakt geeignet war, eine Mehrzahl von Menschen zu gefährden und dies der Angeklagte auch in seinen Vorsatz auf-genommen hatte. Dies versteht sich hier nicht von selbst. Vielmehr kam nach den Feststellungen der die rechte Fahrspur befahrende Angeklagte in Folge der ruckartigen Lenkbewegung nach Überfahren der 1,2 Meter breiten asphaltierten Randbefestigung sogleich von der Fahrbahn ab und sein Fahrzeug letztlich in einer erheblichen Entfernung (43 Meter) von der Fahrbahn entfernt auf einer Grünfläche zum Stehen. Dieser [X.] lässt es jedenfalls möglich [X.], dass trotz des eingetretenen Kontrollverlustes über das Fahrzeug eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer von vornherein ausge-schlossen war, weil sich das Unfallereignis nur außerhalb des [X.] - 5 - reichs Dritter zutragen konnte. Hiermit hat sich das [X.] nicht auseinan-dergesetzt. 2. Bereits dieser Rechtsfehler, der sich nur auf die Verurteilung wegen versuchten Mordes bezieht, zwingt zur Aufhebung des Schuldspruchs insge-samt, mithin auch wegen der weiteren tateinheitlich begangenen Taten (vgl. [X.]R StPO § 353, Aufhebung 1). 7 Darüber hinaus begegnet, worauf der [X.] zu Recht hinweist, auch die Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des [X.] durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die Urteilsfeststellungen nicht belegen, dass die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Angeklagten für die Gefährdung des [X.] ursächlich im Sinne des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB war. Vielmehr hat der Angeklagte sein Fahrzeug gezielt eingesetzt, um sich und seine Ehefrau zu töten. Eine vorsätzliche Gefährdung des [X.] kommt deshalb neben dem vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315 b StGB nicht in Betracht (vgl. [X.], 108, 109). Der Angeklagte hat sich insoweit nur der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Dass die für die Trunkenheitsfahrt auf der Grundlage der entnommenen Blutprobe ermittelte Tatzeitblutalkoholkonzentra-tion (2,97 ›) auf einer fehlerhaften Berechnung beruht, da das [X.] er-sichtlich übersehen hat, dass insoweit die ersten zwei Stunden nach [X.] (Fahrtantritt) grundsätzlich von der Rückrechnung auszunehmen sind (vgl. [X.]St 25, 246; [X.], Beschluss vom 25. September 2006- 4 StR 322/06 m.w.[X.]), beschwert den Angeklagten im Ergebnis nicht. 8 3. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können, soweit sie von den dargelegten [X.] nicht betroffen sind, aufrechterhalten [X.] - 6 - den. Ergänzende, hiermit nicht in Widerspruch stehende Feststellungen - etwa zu den Tatörtlichkeiten - sind möglich. Neu festzustellen sind deshalb in objekti-ver Hinsicht nur die Umstände des Unfallgeschehens und die für die Beurteilung der Schuldfähigkeit und der Trunkenheitsfahrt erforderlichen Blutalkoholkon-zentrationen. Tepperwien Maatz Kuckein [X.] Sost-Scheible

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4 StR 598/06

16.01.2007

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2007, Az. 4 StR 598/06 (REWIS RS 2007, 5764)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5764

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