Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2011, Az. VIII ZR 120/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1184

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
VIII ZR 120/11
Verkündet am:

23. November 2011

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§ 557a Abs. 3, 573c
Zur Auslegung eines befristeten Kündigungsverzichts in einem Wohnraummietver-trag.
[X.], Versäumnisurteil vom 23. November 2011 -
VIII ZR 120/11 -
LG [X.]

AG [X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2011 durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die Richterin [X.] und die Richter Dr.
[X.] und Dr.
Schneider
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil der 1.
Zivil-kammer des [X.] vom 17.
März 2011 aufgehoben und das Urteil des [X.] vom 11.
August 2009 unter teilweiser Abänderung wie folgt neu gefasst:
Die [X.] wird verurteilt, an die Klägerin 4.956 Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Juni 2009
zu zahlen.
Die [X.] hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die [X.] mietete für
die Tochter des Geschäftsführers ihrer persön-lich haftenden Gesellschafterin eine Wohnung der Klägerin in [X.].
Ziffer
3 des Vertrages vom 26.
Oktober 2007 lautet:
"3.
Mietzeit: Ab dem 01.11.2007 Unbefristet:
Die Parteien verzichten wechselseitig für die Dauer von drei Jahren auf ihr Recht zur [X.] Eine Kündigung ist erstmalig nach Ablauf eines [X.]raumes 1
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3
-
von drei Jahren mit der gesetzlichen Frist zulässig, also ab dem [X.] zum 01.01.2011 möglich!"
Ziffer
4 des [X.] enthält zur Höhe der Miete eine Staffel-mietvereinbarung. Die [X.] kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 11.
Dezember 2008 zum 31.
Dezember 2008. Die Klägerin widersprach der Kündigung unter Hinweis auf die Vereinbarung in Ziffer 3 des Mietvertrags. Sie erhielt die Schlüssel am 18.
Mai 2009 von der [X.] zurück und vermietete die Wohnung zum 1.
Oktober 2009 anderweitig.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Zahlung der Miete für die Monate Januar bis einschließlich Juni 2009 in Höhe von insgesamt 4.956

n-sen. Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 3.763,62

t-gegeben
und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es
hat die Regelung in Ziffer
3 des [X.] für unwirksam gehalten und der Klägerin Miete (2.478

für die [X.] bis einschließlich März
2009 sowie Nutzungsentschädigung gemäß §
546a BGB
(1.305,62

für den [X.]raum von April 2009 bis zur [X.] zugesprochen. Das [X.] hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsge-richt zugelassenen Revision, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die [X.] in der mündlichen Revisions-verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. In-haltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der [X.], son-dern auf
einer Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4.
April 1962 -
V
ZR 110/60, [X.]Z 37, 79, 81
f.).
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4
-
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Mit dem Amtsgericht sei davon auszugehen, dass die Kündigung der [X.] zur Beendigung des Mietverhältnisses zum Ende des Monats März 2009 geführt
habe.
Das Amtsgericht habe Ziffer
3 des [X.] zu Recht wegen Verstoßes gegen §
307 BGB für unwirksam gehalten. Eine Klausel, die neben einem zulässigen Ausschluss des Rechts auf ordentliche Kündigung auch das Recht zur
außerordentlichen
Kündigung ausschließe, sei unwirksam. Ob dies der Fall sei, sei durch Auslegung zu ermitteln. Eine Auslegung von Zif-fer
3 des [X.] führe zu dem Ergebnis, dass von dem [X.] beide Kündigungsarten erfasst
seien. Denn die Klausel unterscheide nicht zwischen einer ordentlichen und einer fristlosen Kündigung, sondern halte undifferenziert fest, dass die Parteien für die Dauer von drei Jahren "auf ihr Recht zur Kündigung"
verzichteten. Auch aus dem zweiten Satz sei nicht [X.] zu entnehmen, ob sich die Klausel nur auf eine bestimmte Kündigungsart beziehe. Zwar könne dieser Satz aufgrund der Angabe der Kündigungsfrist so verstanden werden, dass von der gesamten Klausel nur die ordentliche Kündi-gung erfasst
werden solle. Er könne jedoch auch so verstanden
werden, dass auch nach Ablauf von drei Jahren nur eine ordentliche Kündigung möglich sein solle. Eine Mehrdeutigkeit bei der Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbe-dingung gehe jedoch gemäß §
305c Abs.
2 BGB zu Lasten des Verwenders. Hinzu komme, dass im vorliegenden Rechtsstreit auch aus den übrigen [X.] nicht abgeleitet werden könne, auf welche Kündigungsarten sich Ziffer
3 des [X.] beziehe.
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II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist Ziffer
3 des [X.] nicht gemäß
§
307 BGB unwirksam. Die Kündigung der [X.] hat das Mietverhältnis daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht vorzeitig zum 31.
März 2009 beendet.
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei der Regelung in Ziffer 3 des [X.] um eine Formularklausel handelt. Das wird von den Parteien nicht angegriffen.
2. Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist ein beiderseitiger, zeitlich begrenzter Kündigungsausschluss in einem Formularmietvertrag über Wohn-raum grundsätzlich zulässig; in der Regel unwirksam ist er nur dann, wenn sei-ne Dauer mehr als vier Jahre beträgt
([X.]surteile
vom
6. April 2005

[X.], NJW 2005, 1574
unter II 1; vom 8.
Dezember 2010

VIII
ZR 86/10, NJW
2011, 597
Rn. 11 f.). Diese zeitliche
Obergrenze besteht auch
für einen
Ausschluss des Kündigungsrechts des Mieters in einem Staffelmietvertrag (§
557a Abs.
3 Satz
1 BGB).
Ein solcher
Kündigungsausschluss zu Lasten des Mieters kann auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Staffelmietver-trages vereinbart werden
(st. Rspr.; [X.]surteile vom 23. November 2005 -
VIII
ZR 154/04, [X.], 1056 Rn. 13; vom 25.
Januar 2006 -
VIII
ZR 3/05, NJW
2006, 1059 Rn.
19 mwN; vom 3. Mai 2006 -
VIII
ZR 243/05, [X.], 385 Rn.
11). Die
zeitliche Obergrenze von vier Jahren für einen Kündigungs-ausschluss wird in Ziffer
3 des [X.] nicht überschritten.
3. Der formularmäßige Kündigungsausschluss
in Ziffer
3 des Mietver-trags ist
auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Klausel
benachteilige den Mieter unangemessen, weil sie auch 8
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dessen
Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags ausschließe. Das trifft nicht zu.
Die Auslegung der Klausel durch das Berufungsgericht, die der unein-geschränkten revisionsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt
(vgl. [X.]surteil vom 9. Juni 2010 -
VIII
ZR 294/09, NJW
2010, 2877 Rn. 11), überzeugt nicht. Aus der Sicht eines verständigen, juristisch nicht vorgebildeten Mieters ist Zif-fer
3 des [X.] nicht mehrdeutig. Die Klausel schließt lediglich das Recht beider Parteien zur ordentlichen Kündigung für die Dauer von drei Jahren aus.
a) Hierfür spricht bereits, dass in Satz
2 der Klausel für die [X.] nach [X.] von drei Jahren ausdrücklich die
Kündigung "mit gesetzlicher Frist"
-
also die ordentliche Kündigung
-
geregelt ist. Schon daraus ist herzuleiten, dass die Regelung in Ziffer
3 des [X.]
insgesamt nur den vorübergehenden Ausschluss des Rechts zur
ordentlichen Kündigung zum Gegenstand hat. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Regelung in Satz 2 der Klausel könne auch dahin verstanden werden, dass nach Ablauf von drei Jahren "nur"
eine ordentliche Kündigung möglich sein solle,
eine außerordentliche Kündigung dagegen auch nach Ablauf von drei Jahren
unzulässig sei, ist fernliegend.
b) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, nicht beachtet, dass Ziffer
3 des [X.] im Zusammenhang mit der zulässigen [X.] in Ziffer
4 des [X.] zu würdigen ist. Auch die gesetzliche Regelung in §
557a Abs.
3 BGB, nach der bei einer [X.] "das Kündigungsrecht"
des Mieters für höchstens vier Jahre ausgeschlossen werden kann, bezieht sich -
trotz ihrer weiten sprachli-chen Formulierung
-
unzweifelhaft nur auf die ordentliche Kündigung. Der [X.] hat bereits entschieden, dass [X.] in Staffelmietver-12
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trägen, die ebenso wie
§
557a Abs.
3 BGB nur allgemein vom Kündigungsrecht sprechen, im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung
auszulegen sind
([X.]s-urteile vom 23.
November 2005

VIII
ZR 154/04, aaO
Rn.
8
ff.; vom 25.
Januar 2006, aaO Rn.
13
ff.). Für die vorliegende Klausel
gilt nichts Anderes.
Ziffer
3 des Mietvertrags hat daher nur den auf drei Jahre
(zuzüglich der dreimonatigen Kündigungsfrist) beschränkten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündi-gung
zum Gegenstand
und ist deshalb wirksam.

III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, es ist daher aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§
563 Abs.
1 und
3 ZPO). Da die Kündigung der [X.] das Mietverhältnis nicht vorzeitig been-det hat, steht der
Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der [X.] über den Monat März hinaus bis einschließlich Juni 2009 zu. Auf die Beru-

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-
8
-
fung der Klägerin ist das erstinstanzliche Urteil daher entsprechend abzuän-dern.
Ball
Dr. Frellesen
[X.]

Dr. [X.]
Dr. Schneider

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 11.08.2009 -
217 [X.]/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 17.03.2011 -
1 [X.]/09 -

Meta

VIII ZR 120/11

23.11.2011

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2011, Az. VIII ZR 120/11 (REWIS RS 2011, 1184)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1184

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