Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2013, Az. V ZB 71/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 527

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 71/13
vom

5. Dezember
2013

in der Zurückschiebungshaftsache

-
2
-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am
5. Dezember
2013
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.]
Czub, die Richterinnen Dr.
Brückner und [X.] und
[X.]
Kazele

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des [X.] -
7.
Zivilkammer -
vom 8. Mai 2013 auf-gehoben,
soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Es wird
festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 30. November 2012 die
Betroffene
auch in dem Zeit-raum vom 30. November 2012 bis zum 2. Dezember 2012 in ihren Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden
in allen Instanzen
nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der
Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland
auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000

Gründe:
I.
Die
Betroffene, eine
somalische Staatsangehörige, wurde am 29.
November
2012 aus [X.] kommend
von Beamten der [X.] 1
-
3
-
aufgegriffen. Sie führte
lediglich
eine [X.] Identitätskarte mit sich. In [X.] hatte sie im
Jahr 2012 einen Asylantrag gestellt.
Auf Antrag der beteiligten Behörde
vom 30. November
2012
hat das Amtsgericht nach Anhörung der
Betroffenen mit Beschluss vom gleichen Tag Sicherungshaft bis längstens 29. Januar
2013
angeordnet.

Am 3. Dezember 2012
stellte die Betroffene einen Asylantrag. Auf ein Schreiben des
Bundesamts
für Migration und Flüchtlinge vom 2. Januar 2013 hin wurde die Betroffene noch am gleichen Tag aus der Haft entlassen.
Das [X.] hat festgestellt, dass der amtsgerichtliche Beschluss die Beteiligte für die [X.] ab dem 3.
Dezember 2012 in ihren Rechten verletzt hat. Im Übrigen
hat es die Beschwerde zurück-gewiesen.
Mit der
Rechtsbeschwerde erstrebt die Betroffene die Feststellung, dass der Beschluss des Amtsgerichts sie bereits ab
dem 30. November 2012 in ihren Rechten verletzt hat.

II.
Das Beschwerdegericht meint, es sei nicht zu beanstanden, dass der
Be-troffenen der Haftantrag nicht in schriftlich übersetzter Form bei ihrer Anhörung vorgelegen habe. Ihr rechtliches Gehör sei dadurch gewahrt worden, dass ihr ein Verfahrenspfleger beigeordnet worden sei, der an der Anhörung teilgenom-men habe. Die Anordnung der Haft zur Zurückschiebung sei erst ab dem 3.
Dezember 2012 rechtswidrig gewesen.
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3
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5
-
4
-
III.
Die nach §
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
3, Satz 2 FamFG ohne Zulassung statt-hafte (vgl. zur Erledigung bereits in der Beschwerdeinstanz Senat, Beschluss vom 21.
Oktober 2010 -
V
ZB
96/10, juris Rn.
10
f.) und nach §
71 FamFG auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Die
Betroffene ist durch den die Haft anordnenden Beschluss des Amtsgerichts auch in dem Zeitraum vom 30. November 2012 bis zum 2.
Dezember 2012 in ihren Rechten verletzt worden, weil ihr
der Haftantrag nicht zu Beginn der Anhörung ausgehändigt worden ist. Zwar kann der Antrag einem Betroffenen erst zu Beginn der Anhörung eröffnet werden, wenn er einen einfachen, überschaubaren Sachverhalt betrifft, zu welchem der Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung ohne weiteres [X.] ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass sich der Haftrichter in einem sol-chen Fall darauf beschränken darf, den Inhalt des Haftantrags mündlich vorzu-tragen. Vielmehr muss dem Betroffenen in jedem Fall eine Ablichtung des [X.] ausgehändigt, erforderlichenfalls (mündlich) übersetzt und dies in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle schriftlich dokumentiert werden (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 -
V [X.], [X.] 2012, 369 Rn. 9; Beschluss vom 6. Dezember 2012 -
V [X.], [X.] 2013, 157 Rn. 5). Da es an einer solchen Dokumentation fehlt, ist davon auszugehen, dass der Betroffenen keine
Ablichtung des [X.] ausgehändigt worden
ist.
2. Soweit das Beschwerdegericht darauf verweist, dass der Betroffenen ein Verfahrenspfleger bestellt wurde, führt dies zu keiner anderen Beurteilung.
a) Die Aufgabe eines Verfahrenspflegers -
die Voraussetzungen für seine Bestellung lagen hier allerdings nicht vor (vgl. Senat, Beschluss vom 6
7
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9
-
5
-
26.
September 2013 -
V [X.], juris Rn. 8 ff.) -
besteht zwar darin, die ver-fahrensmäßigen Rechte des Betroffenen zur Geltung zu bringen. Dazu gehört insbesondere der Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs ([X.], Urteil vom 22.
Juli 2009 -
XII ZR 77/06, [X.]Z 182, 116 Rn. 45). Ihm soll eine Person zur Seite gestellt werden, die aus der objektiven Sicht eines Dritten dafür Sorge trägt, dass seine Vorstellungen und Interessen in dem Verfahren sachgerecht zum Ausdruck gebracht werden können (vgl. [X.],
FamFG, 17. Aufl., §
419 Rn.
2). Dies rechtfertigt es, von einer ordnungsgemä-ßen Anhörung des Betroffenen
auszugehen, wenn jedenfalls dem Verfahrens-pfleger der
Haftantrag übermittelt
wird
und er an der persönlichen Anhörung des Betroffenen teilnimmt. Damit ist die sachgerechte Wahrnehmung des [X.] Gehörs durch
den Betroffenen gewährleistet (vgl. Senat, Beschluss vom 26. September 2013 -
V [X.],
juris Rn. 11).
b) Eine Übermittlung des [X.] an den Verfahrenspfleger
vor der Anhörung des Betroffenen
ist aber weder dem Anhörungsprotokoll zu entneh-men noch an anderer Stelle in der Gerichtsakte
dokumentiert. Das Erfordernis der Aushändigung des [X.] in vollständiger Abschrift soll gewährleis-ten, dass der Betroffene in der Lage ist,
zu sämtlichen Angaben der Behörde Stellung zu nehmen. Bei einer fehlenden Aushändigung des Haftbefehls vor der Anhörung kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses Ziel verfehlt wird, was zur Folge hat, dass in dem Rechtsbeschwerdeverfahren von einer Verlet-zung von Art. 103 Abs. 1 GG ausgegangen werden muss ([X.], Beschluss vom 11. Oktober 2012 -
V [X.], [X.] 2013, 40 Rn. 6 mwN). Dies ist im glei-chen Maße der Fall, wenn für den Betroffenen ein Verfahrenspfleger bestellt ist und diesem der Haftbefehl nicht vor der Anhörung ausgehändigt wird.

10
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6
-
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs.
2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog. Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Stresemann
Czub
Brückner

[X.]
Kazele
Vorinstanzen:
AG Oldenburg i. Holstein, Entscheidung vom 30.11.2012 -
20b [X.]/12 B -

LG Lübeck, Entscheidung vom 08.05.2013 -
7 T 787/12 und 7 [X.] -

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Meta

V ZB 71/13

05.12.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2013, Az. V ZB 71/13 (REWIS RS 2013, 527)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 527

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