Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 2 StR 128/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3496

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Gegenstand

Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen: Konkretisierung der durch Verfahrenseinstellung ausgeschiedenen Serienstraftaten


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 3. Dezember 2013 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in 20 Fällen unter Auflösung einer Gesamtfreiheitsstrafe und Einbeziehung mehrerer Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 [X.]).

2

Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

3

1. Nach der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift vom 13. Mai 2013 wurde dem Angeklagten u.a. zur Last gelegt, im Zeitraum vom 29. Juni 2011 bis zum 11. September 2011 täglich - in 75 Fällen - mit der minderjährigen Geschädigten gegen deren Willen den vaginalen Geschlechtsverkehr durchgeführt zu haben.

4

Das [X.] hat festgestellt, dass es "in mindestens 20 Fällen" zum vaginalen Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Geschädigten kam. Dabei ist es davon ausgegangen, dass es innerhalb des angeklagten [X.] dreimal wöchentlich, jedenfalls aber in mindestens 20 Fällen zu den abgeurteilten Straftaten kam.

5

Hinsichtlich der weiteren angeklagten 55 Fälle hat die [X.] das Verfahren mit in der Hauptverhandlung verkündetem Beschluss gemäß § 154 Abs. 2 [X.] eingestellt, "um auch jedem Restzweifel im Hinblick auf die Anzahl der Übergriffe Rechnung zu tragen".

6

2. Diese Verfahrensweise ist rechtlich nicht zu beanstanden; Entscheidungen des 4. Strafsenats stehen - anders als der [X.] meint - nicht entgegen.

7

Ausweislich des Beschlusses des 4. Strafsenats vom 29. Juli 2008 (4 [X.]) hatte das landgerichtliche Urteil keinen Bestand, weil sich die ursprünglich angeklagten sechs Betäubungsmitteltaten bereits hinsichtlich der Art und Menge der unerlaubt eingeführten Betäubungsmittel unterschieden und der landgerichtliche Beschluss gemäß § 154 Abs. 2 [X.] - nicht näher konkretisierte - vier Taten umfasste. Danach war schon zweifelhaft, welche der angeklagten (unterschiedlichen) Taten eingestellt und welche abgeurteilt waren.

8

Im Beschluss des 4. Strafsenats vom 13. April 2011 (4 [X.]) ist entscheidend gewesen, dass das [X.] der Verurteilung einen Tatzeitraum zu Grunde gelegt hat, dem es schon an einem hinreichend bestimmten Endzeitpunkt - und für einen Teil der abgeurteilten Straftaten zudem an einem Anfangszeitpunkt - fehlte, und der zudem gegenüber dem der Anklage zu Grunde liegenden Tatzeitraum verkürzt war, ohne dass die Gründe für die Verkürzung des [X.] dem Urteil zu entnehmen waren.

9

Entsprechendes gilt für den Beschluss des 4. Strafsenats vom 3. Dezember 2013 (4 [X.]); nach [X.] gemäß § 154 Abs. 2 [X.] bezog sich auch dort die Verurteilung hinsichtlich der übrigen Fälle auf einen gegenüber der Anklage nicht nachvollziehbar verkürzten Tatzeitraum.

Anders liegt der Fall hier: Das [X.] hat hinsichtlich sämtlicher - gleichförmiger - nicht weiter [X.] Taten den gesamten angeklagten Tatzeitraum zu Grunde gelegt und diesen mit Verurteilung und Beschluss gemäß § 154 Abs. 2 [X.] vollständig ausgeschöpft. Somit bleiben keinerlei Zweifel über den Umfang sowohl der abgeurteilten als auch der eingestellten Taten.

Wie auch der [X.] zutreffend ausgeführt hat, ist es nicht nachvollziehbar, an die Unterscheidbarkeit von gleichförmigen Serientaten bei Einstellungsentscheidungen gemäß § 154 Abs. 2 [X.] höhere Anforderungen zu stellen (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 7. Oktober 2011 - 1 StR 321/11, [X.], 50, 51; Urteil vom 26. Oktober 2006 - 5 [X.], [X.]R [X.] § 154 Abs. 5 Wiederaufnahme 3) als bei [X.] in Anklageschriften (vgl. dazu [X.], Urteil vom 11. Januar 1994 - 5 [X.], [X.]St 40, 44, 46; [X.] in [X.], 7. Aufl., § 200 Rn. 5; [X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., § 200 Rn. 9, jeweils mwN), im [X.] in den Urteilsgründen (vgl. [X.] in [X.], aaO, § 267 Rn. 9a; [X.]/[X.], aaO, § 267 Rn. 6a, jeweils mwN) oder bei Verurteilungen nebst Teilfreisprüchen, falls die Anzahl der festgestellten Taten die Anzahl der angeklagten Taten unterschreitet (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. Mai 1994 - 5 StR 239/94, [X.]R [X.] § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 10 und vom 13. Dezember 2000 - 5 StR 540/00, [X.]R [X.] § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 13).

Eine bei gleichförmigen Serientaten vorzunehmende genaue zeitliche Eingrenzung aller Einzelfälle und deren Individualisierung und Differenzierung ist schon regelmäßig weder in der Anklage noch in den Urteilsfeststellungen möglich (vgl. [X.], aaO mwN). Die Anzahl der - gegebenenfalls nach tatrichterlicher Schätzung - festgestellten Taten kann demnach nur der Gesamtzahl der angeklagten Taten gegenüber gestellt und eine Differenz - wie hier - ermittelt werden, die dann in der Einstellungsentscheidung gemäß § 154 Abs. 2 [X.] zum Ausdruck kommt. Eine solche Verfahrensweise lässt auch keinen Zweifel darüber, in welchem Umfang Gesetzesverletzungen nicht weiterverfolgt werden sollen (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl. § 154a Rn. 8).

Appl                 [X.]                     Eschelbach

            Ott                        Zeng

Meta

2 StR 128/14

13.08.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bonn, 3. Dezember 2013, Az: 28 KLs 3/13

§ 154 Abs 2 StPO, § 200 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 2 StR 128/14 (REWIS RS 2014, 3496)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3496

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 69/14

2 StR 128/14

Zitiert

1 StR 321/11

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