Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.10.2020, Az. 1 StR 336/20

1. Strafsenat | REWIS RS 2020, 2131

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Amtswegige Prüfung des Übereinstimmens von verkündeter und im schriftlichen Urteil niedergelegter Urteilsformel


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21. Februar 2020 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO); jedoch wird der ihn betreffende Schuldspruch im zweiten Absatz der Urteilsformel (Ziff. III. 2. b) (1), (2), (3), (6) und (8) der Urteilsgründe) dahin berichtigt, dass der Angeklagte insoweit des gewerbsmäßigen vorsätzlichen unerlaubten Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken in fünf tatmehrheitlichen Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel schuldig ist (Ziff. III. 2. b) (1) und (3) der Urteilsgründe).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

1. [X.] aus den zutreffenden Erwägungen der Antragsschrift des [X.] der aus der [X.] ersichtlichen Berichtigung.

2

2. Im Übrigen berührt es den Bestand des Urteils nicht, dass die Urteilsformel des schriftlichen Urteils die dem Angeklagten zur Last gelegten 23 Fälle in [X.] mit anderen Gliederungsziffern kennzeichnet als die dem [X.] zu entnehmende Urteilsformel. Denn nach Abgleich der Urteilsgründe mit der Anklage und dem Eröffnungsbeschluss steht trotz dieser Abweichung die Identität (§ 264 StPO) der 23 verfahrensgegenständlichen Taten nicht in Frage.

3

Der Senat hält - entgegen der vom 5. Strafsenat geäußerten Ansicht (Beschluss vom 23. Juni 2020 - 5 [X.] Rn. 5) - an seiner Auffassung fest (Urteil vom 10. Oktober 2019 - 1 StR 632/18 Rn. 11-16), dass das Übereinstimmen von verkündeter und im schriftlichen Urteil niedergelegter Urteilsformel von Amts wegen zu prüfen ist. Es ist weiterhin nicht zu erkennen und wird vom 5. Strafsenat auch nicht erläutert, worin bei fehlender Übereinstimmung ein Verfahrensfehler liegen soll, der dann nur unter den strengen Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gerügt werden kann.

4

a) Neben den im Urteil vom 10. Oktober 2019 genannten Gründen sind hierfür die Vorschriften der § 358 Abs. 2 Satz 1, § 331 Abs. 1 StPO anzuführen: Hat nur der Angeklagte (oder zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft) Rechtsmittel eingelegt und hebt das Rechtsmittelgericht daraufhin die Strafe auf, darf die neu zu verhängende Strafe die vorherige nicht übersteigen. Dieses Verbot der Schlechterstellung bewirkt zugunsten des Angeklagten eine Teilrechtskraft der Bestrafungsgrenze; als (partielles) Verfahrenshindernis ist es von Amts wegen zu beachten ([X.], Beschlüsse vom 27. Juli 2017 - 1 [X.] Rn. 73; vom 3. April 2013 - 3 StR 60/13 Rn. 3 und vom 23. August 2000 - 2 StR 171/00 Rn. 7; Urteil vom 14. Oktober 1959 - 2 StR 291/59, [X.]St 14, 5, 7). Diese Teilrechtskraft tritt, falls weder die Staatsanwaltschaft zu Lasten des Angeklagten noch Nebenkläger das Urteil anfechten, binnen einer Woche ab Urteilsverkündung ein; für die Bestrafungsgrenze ist mithin die verkündete Urteilsformel maßgeblich. Um die Auswirkung der Rechtskraft bestimmen zu können, haben nach alledem das Revisions- und Berufungsgericht auch den Verkündungsinhalt von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen. Bei Divergenz zwischen verkündeter Urteilsformel und dem - regelmäßig erst nach über einer Woche nach Verkündung - zu den Akten gebrachten schriftlichen Urteil ist erstere ausschlaggebend ([X.], Urteil vom 10. Oktober 2019 - 1 StR 632/18 Rn. 15 mwN).

5

Auch nach der Gegenansicht müsste man jedenfalls im neuen Revisionsverfahren nach zweiter Tatsachenentscheidung wegen des [X.] die verkündete und vorrangige Urteilsformel von Amts wegen beachten ([X.] aaO; vgl. auch [X.], [X.], 372, 373). Indes ist im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit für die Revisionsverfahren in beiden Rechtsgängen eine einheitliche Handhabung geboten. Zudem darf für die Revisionsinstanz insoweit nichts anderes als für die Berufungsinstanz gelten; dem [X.] sind Verfahrensrügen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) fremd (§§ 314, 317 StPO).

6

b) Schließlich ist die Urteilsformel aus dem [X.] geeignete Grundlage der Strafvollstreckung (vgl. § 13 Abs. 2, 3 Satz 1 der Strafvollstreckungsordnungen der Bundesländer). Auch dies spricht für das Erfordernis einer amtswegigen Prüfung.

Raum     

        

Fischer     

        

Bär     

        

Hohoff     

        

Leplow     

        

Meta

1 StR 336/20

15.10.2020

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München I, 21. Februar 2020, Az: 384 Js 165441/18 - 9 KLs

§ 331 Abs 1 StPO, § 358 Abs 2 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.10.2020, Az. 1 StR 336/20 (REWIS RS 2020, 2131)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2131

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