Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.06.2023, Az. VIII R 15/21

8. Senat | REWIS RS 2023, 5054

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Gegenstand

Ausschluss des Abgeltungsteuertarifs bei Gesellschafterfremdfinanzierung einer im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaft


Leitsatz

Zinsen aus Darlehen eines Steuerpflichtigen an eine ausländische Kapitalgesellschaft, an der er mittelbar zu mindestens 10 % beteiligt ist, sind gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der bis zur Änderung durch das Jahressteuergesetz 2020 geltenden Fassung aus dem Anwendungsbereich des gesonderten Tarifs für Kapitaleinkünfte nach § 32d Abs. 1 EStG ausgeschlossen.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 18.05.2021 - 10 K 1362/18 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob Zinsen aus einem Darlehen des [X.] und Revisionsklägers (Kläger) an eine ausländische Kapitalgesellschaft, an der er im Jahr 2011 (Streitjahr) mittelbar zu mehr als 10 % beteiligt war, dem gesonderten Steuersatz des § 32d Abs. 1 des [X.]inkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung ([X.]StG) oder dem regulären Steuersatz des § 32a Abs. 1 [X.]StG unterliegen.

2

Die Kläger sind [X.]hegatten und werden für das Streitjahr zusammen zur [X.]inkommensteuer veranlagt. Der Kläger war Alleingesellschafter der [X.], die ihrerseits als Alleingesellschafterin an der [X.] beteiligt war. Die [X.] und die [X.] sind Kapitalgesellschaften [X.] Rechts, die im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung haben. Der Kläger war bei der [X.] als Geschäftsführer angestellt. Aus der Gewährung mehrerer Darlehen an die [X.] flossen ihm im Streitjahr Zinsen in Höhe von insgesamt 410.000 € zu.

3

In ihrer [X.]inkommensteuererklärung erklärten die Kläger diese Zinsen als [X.]innahmen bei den [X.]inkünften aus Kapitalvermögen des [X.], die unter den gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 [X.]StG fallen und nicht dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben. Mit [X.]inkommensteuerbescheid vom 04.04.2014 veranlagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) die Kläger erklärungsgemäß.

4

Am 28.12.2016 erließ das [X.] einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten [X.]inkommensteuerbescheid, mit dem es die Darlehenszinsen unter Hinweis auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b [X.]StG nunmehr als der tariflichen [X.]inkommensteuer unterliegende Kapitalerträge erfasste. Den gegen den Änderungsbescheid eingelegten [X.]inspruch der Kläger wies das [X.] mit [X.]inspruchsentscheidung vom 16.04.2018 als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) Düsseldorf mit Urteil vom 18.05.2021 - 10 K 1362/18 [X.] aus in [X.]ntscheidungen der [X.]e 2021, 1477 mitgeteilten Gründen ab.

5

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

6

Sie machen geltend, das [X.] habe § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b [X.]StG unzutreffend ausgelegt. Die Vorschrift sei im Wege teleologischer Reduktion auf [X.] einzugrenzen. Der Gesetzgeber habe mit der Schaffung der Norm das Ziel verfolgt, Gestaltungen zu verhindern, bei denen aufgrund einer Steuersatzspreizung betriebliche Gewinne zum Beispiel in Form von Darlehenszinsen abgesaugt und so die Steuerbelastung auf den gesonderten Tarif reduziert werde. Diese Gefahr bestehe im Falle der Darlehensgewährung an eine ausländische Kapitalgesellschaft nicht, da auf inländischer Seite nur ein Kapitalertrag in Gestalt der Zinseinnahmen vorliege, denen keine steuermindernden Betriebsausgaben bei der [X.]. Die Auslegung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b [X.]StG durch das [X.] verstoße zudem gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), da der Kläger gegenüber einem Anleger, der ein Darlehen an eine inländische natürliche Person gewähre, der kein Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug zustehe, oder gegenüber einem Anleger, der ein Darlehen an eine ausländische natürliche Person gewähre, schlechter gestellt werde.

7

Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil des [X.] Düsseldorf vom 18.05.2021 - 10 K 1362/18 [X.] aufzuheben und den [X.]inkommensteuerbescheid vom 28.12.2016 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 16.04.2018 mit der Maßgabe abzuändern, dass die dem Regelsteuersatz unterliegenden Kapitaleinkünfte um … € gemindert und diese mit dem besonderen Steuersatz des § 32d Abs. 1 [X.]StG in Höhe von 25 % besteuert werden.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

II.

9

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) durch Beschluss. Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass die von dem Kläger erzielten Kapitalerträge der tariflichen Einkommensteuer nach § 32a EStG unterliegen, weil die Anwendung des gesonderten Tarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG für sie gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG ausgeschlossen ist.

1. Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b Satz 1 EStG gilt der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG unter anderem nicht, wenn Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der [X.] beteiligt ist. Dies gilt nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b Satz 2 EStG auch, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist.

2. Ausgehend hiervon ist das [X.] zu Recht davon ausgegangen, dass die streitigen Kapitalerträge des [X.] aus dem Anwendungsbereich des gesonderten Steuertarifs nach § 32d Abs. 1 EStG ausgenommen sind.

a) Dies folgt zwar nicht bereits aus § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b Satz 1 EStG, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift aufgrund der lediglich mittelbaren Beteiligung des [X.] an der [X.] im Streitjahr nicht erfüllt sind. Im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b Satz 1 EStG besteht keine Veranlassung für eine Gleichstellung unmittelbarer und mittelbarer Anteilseigner (Urteile des [X.] --BFH-- vom 20.10.2016 - VIII R 27/15, [X.], 248, [X.], 441 und vom 09.07.2019 - X R 9/17, [X.], 354, [X.] 2021, 418). Im Streitfall sind jedoch, wie das [X.] zutreffend entschieden hat, die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b Satz 2 EStG erfüllt. Denn der Kläger ist als eine der [X.] nahestehende Person im Sinne der Vorschrift anzusehen. Bei dem Begriff der nahestehenden Person in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b Satz 2 EStG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der normspezifisch für Zwecke des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG auszulegen ist (vgl. BFH-Urteile vom 29.04.2014 - VIII R 9/13, [X.], 343, [X.], 986 und vom 14.05.2014 - VIII R 31/11, [X.], 531, [X.], 995). Ein Näheverhältnis des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer [X.], die zu mindestens 10 % an der [X.] beteiligt ist, liegt danach vor, wenn der Gläubiger aufgrund seiner Beteiligung über die Mehrheit der Stimmrechte in der [X.]erversammlung der [X.] verfügt. Er beherrscht dadurch die Einflussmöglichkeiten, die auf [X.] der [X.] aufgrund deren zumindest 10%iger Beteiligung an der [X.] bestehen (BFH-Urteile vom 20.10.2016 - VIII R 27/15, [X.], 248, [X.], 441 und vom 09.07.2019 - X R 9/17, [X.], 354, [X.] 2021, 418; vgl. auch Schreiben des [X.] vom 19.05.2022, [X.], 742, Rz 137). Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Kläger war im Streitjahr Alleingesellschafter der [X.]. Die [X.] war ihrerseits Alleingesellschafterin der [X.], der der Kläger Darlehen gewährt hatte. Als Gläubiger der Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG beherrschte er damit die Einflussmöglichkeiten, die auf [X.] der [X.] als [X.] aufgrund deren 100%iger Beteiligung an der [X.] als [X.] gegeben waren.

b) Der Umstand, dass die [X.] als darlehensnehmende [X.] weder über Sitz noch über Geschäftsleitung im Inland verfügte, steht der Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG nach seinem Wortlaut nicht entgegen. Das Tatbestandsmerkmal "Kapitalgesellschaft" lässt nicht auf ein rein nationales Verständnis der Norm schließen. Vielmehr dient die Verwendung des Begriffs der Kapitalgesellschaft sowie die Bezugnahme unter anderem auf Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG allein dazu, den Anwendungsbereich der Norm auf [X.]erdarlehen und vergleichbare Darlehen nahestehender Personen einzugrenzen. Auch auf der Grundlage des erforderlichen Rechtstypenvergleichs steht die [X.] als Kapitalgesellschaft [X.] Rechts im Rahmen der Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG einer [X.] Kapitalgesellschaft gleich (vgl. BFH-Urteile vom 22.08.2006 - I R 6/06, [X.], 103, [X.], 163, unter [X.] und vom 26.10.2021 - IX R 13/20, [X.], 28, [X.] 2022, 172, Rz 17).

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 23.06.2023 ergänzend darauf verweist, er hätte auch bei einem [X.] Kreditinstitut Kapital anlegen können, mit der Folge, dass die daraus resultierenden Zinsen mangels eines Ausschlusses gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG dem gesonderten Tarif unterlegen hätten. Die vom Kläger gewählte Verwendung seiner finanziellen Mittel für ein Darlehen an die [X.] erfüllt den Tatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG. Der Kläger übersieht, dass die Besteuerung nur an verwirklichte Sachverhalte anknüpft und rein hypothetische, zwar realisierbare, aber tatsächlich nicht umgesetzte Sachverhalte und Gestaltungen für die Besteuerungsfolgen aus dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt keine Bedeutung haben (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 07.07.1998 - VIII R 57/96, [X.] 1999, 594, unter [X.]b, m.w.N.).

3. Entgegen der Auffassung der Kläger ist § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG nicht in der Weise einschränkend auszulegen, dass der Ausschluss aus dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG nur für die Fälle gelten soll, in denen die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen zu inländischen Betriebsausgaben bei der [X.] führen.

a) Der Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG sieht eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift nach der im Streitjahr geltenden Rechtslage nicht vor. Ebenso wenig ergeben sich aus der historischen und der systematischen Auslegung Anhaltspunkte dafür, dass die ihrem Wortlaut nach erfüllte Vorschrift im Streitfall nicht zur Anwendung zu bringen wäre. Denn während der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz ([X.]) 2010 vom [X.] ([X.], 1768) die Vorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. a EStG dahingehend ergänzt hat, dass die Ausnahme von dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG erst dann Anwendung finden soll, wenn die Kapitalerträge zusätzlich auf [X.] des Schuldners zu Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften führen, die der inländischen Besteuerung unterliegen, und § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG keine Anwendung findet, hat er die Notwendigkeit einer derartigen Einschränkung für Fälle der [X.]erfremdfinanzierung im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b Satz 1 und 2 EStG nicht gesehen und eine entsprechende Änderung erst mit dem [X.] 2020 vom [X.] ([X.], 3096) vorgenommen ([X.] 503/20, S. 87). Der [X.] des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG galt im Streitjahr vielmehr noch in seiner Ursprungsfassung, die --anders als die geänderte Fassung des [X.]. [X.] gerade keine Einschränkung dahingehend enthält, dass der Ausschluss des [X.] nur solche Kapitalerträge aus [X.]erforderungen gegenüber der [X.] erfassen soll, die auf Seiten der [X.] zu entsprechenden inländischen Betriebsausgaben führen (vgl. BFH-Urteil vom 30.11.2022 - VIII R 27/19, [X.], 570, [X.] 2023, 330, Rz 28). Der Umstand, dass lediglich § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. a, nicht aber § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG geändert wurde, schließt, wie das [X.] zu Recht annimmt, sowohl in historischer als auch in systematischer Hinsicht eine Auslegung der Vorschrift in dem von den Klägern begehrten Sinne aus.

b) Etwas anderes ergibt sich für die im Streitjahr geltende Rechtslage nicht daraus, dass § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG durch das [X.] 2020 den gleichen Zusatz wie [X.]. a erhalten hat, denn die Gesetzesänderung entfaltet keine Rückwirkung. Vielmehr ist § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG i.d.F. des [X.] 2020 (EStG n.F.) auf Kapitalerträge aus Darlehen an die Kapitalgesellschaft, deren rechtliche Grundlage --wie hier-- vor dem [X.] begründet wurde, erst ab dem Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden (§ 52 Abs. 33b Satz 2 EStG n.F.). Entgegen der Auffassung der Kläger kommt der Neuregelung keine rein deklaratorische Wirkung in dem Sinne zu, dass es schon immer der gesetzgeberischen Regelungsintention entsprach, im Ausland ansässige [X.]en vom Anwendungsbereich des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG auszuschließen. Mit der Einschränkung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG durch das [X.] 2020 verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, in der Praxis bekannt gewordenen Gestaltungen zu begegnen, bei denen die Vorschrift dazu genutzt wurde, künstlich erzeugte Verluste im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG aus der Veräußerung von [X.] eines [X.]ers gegenüber seiner Kapitalgesellschaft in voller Höhe mit tariflich zu besteuernden Einkünften zu verrechnen. Den Ausschluss des [X.] hielt der Gesetzgeber insoweit nicht für gerechtfertigt, als den Verlusten korrespondierende positive Kapitalerträge zugrunde liegen, die nicht unter die Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 EStG fallen, sondern dem günstigeren Abgeltungsteuertarif unterliegen ([X.] 503/20, S. 87 f.; BTDrucks 19/22850, S. 84). Dieser Begründung lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber [X.]erdarlehen an ausländische [X.]en schon immer aus dem Anwendungsbereich des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG ausschließen wollte.

c) § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG ist auch nicht im Wege teleologischer Auslegung in dem von den Klägern begehrten Sinne einschränkend auszulegen.

aa) Eine teleologische Reduktion zielt darauf, den Geltungsbereich einer Norm mit Rücksicht auf ihren Gesetzeszweck gegenüber dem zu weit gefassten Wortlaut einzuschränken. Sie ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung rechtspolitisch fehlerhaft erscheint. Ihre Aufgabe ist es daher nicht, das Gesetz zu verbessern, obwohl es sich [X.] an seinem [X.] noch nicht als planwidrig unvollständig oder zu weitgehend erweist. Vielmehr muss die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen (vgl. BFH-Urteil vom [X.] - VIII R 20/16, [X.], 459, [X.] 2019, 586, m.w.N.).

bb) Im Streitfall führt eine wortgetreue Auslegung der Vorschrift indes nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann, vielmehr entspricht diese gerade den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zielen (so auch die ganz herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. z.B. [X.]/[X.]/[X.], § 32d EStG Rz 76; [X.]/[X.], EStG, 42. Aufl., § 32d Rz 10; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 32d EStG Rz 35; [X.] EStG/[X.], [X.]. [01.03.2023], EStG § 32d Rz 150; anderer Ansicht Oellerich in [X.]/[X.]/[X.], § 32d EStG Rz 63). Denn das mit der Einführung eines abgeltenden Steuersatzes für Kapitalerträge vom Gesetzgeber verfolgte Ziel bestand vornehmlich darin, die Standortattraktivität des [X.] Finanzplatzes im internationalen Wettbewerb für private Anleger, die ihr Kapital ohne größere Schwierigkeiten auch im Ausland anlegen könnten, durch eine leicht erkennbare Belastungsminderung zu erhöhen (BTDrucks 16/4841, S. 1). Dieses wirtschaftspolitische Lenkungsziel des Gesetzgebers würde jedoch verfehlt, wenn Kapitalerträge aus der Fremdfinanzierung von im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaften durch einen Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person nicht vom Ausschluss des [X.] nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG betroffen wären, weil dies zu einer Privilegierung der Kapitalanlage im Ausland führen würde. Die Standortattraktivität der [X.] im internationalen Wettbewerb für private Anleger, die ihr Kapital auch im Ausland anlegen könnten, würde nicht gesteigert, sondern entgegen dem Gesetzeszweck gemindert, da keine Anreize zur Rückführung von Auslandsvermögen bestünden.

4. Entgegen der Auffassung der Kläger bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. grundlegend hierzu BFH-Urteil vom 29.04.2014 - VIII R 23/13, [X.], 352, [X.], 884). Die vom [X.] und dem [X.] für zutreffend gehaltene Auslegung von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG führt nicht zu einer verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung des [X.], weil Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die von einer inländischen Kapitalgesellschaft an einen unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner oder an eine diesem nahestehende Person gezahlt werden, ebenfalls nach Maßgabe des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]. b EStG und damit unter denselben Voraussetzungen wie beim Kläger tariflich besteuert werden. Soweit die Kläger eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG darin sehen, dass die streitigen Kapitalerträge anders behandelt werden als Kapitalerträge aus [X.] gegenüber einer "ausländischen natürlichen Person" oder einer "inländischen natürlichen Person, der kein Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug" zusteht, fehlt es, wie das [X.] zu Recht ausführt, am Vorliegen wesentlich gleicher Lebenssachverhalte. Beide Fallgestaltungen unterscheiden sich nämlich wesentlich dadurch, dass Darlehen, die ein zu mindestens 10 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligter Anteilseigner "seiner" Kapitalgesellschaft gewährt, typischerweise der Finanzierung der [X.] und nicht der renditeorientierten Kapitalanlage dienen, während bei Darlehen an eine natürliche Person dieser Finanzierungszweck im Verhältnis zum Darlehensnehmer regelmäßig in den Hintergrund tritt. Jedenfalls findet eine etwaige Ungleichbehandlung eines [X.]er-Fremdkapitalgebers im Verhältnis zu einem durch den [X.] begünstigten Dritten, der eine (ausländische) natürliche Person als Fremdkapitalgeber finanziert, ihre Rechtfertigung in dem Zweck des Gesetzes, unerwünschten Gestaltungen entgegenzuwirken, bei denen Eigenkapital in die privilegiert besteuerte private Anlageebene verlagert und durch Fremdkapital ersetzt wird, um vom [X.] zu profitieren (BTDrucks 16/4841, S. 60; vgl. auch BFH-Urteil vom 29.04.2014 - VIII R 23/13, [X.], 352, [X.], 884, Rz 19). Denn das Ziel des Gesetzes, einen Beitrag zur Finanzierungsneutralität zu leisten, indem unternehmerische Entscheidungen über die Finanzierungsstruktur eines Unternehmens steuerlich unverzerrt bleiben (vgl. [X.] 220/07, S. 97), kann in Fällen der Darlehensgewährung an eine natürliche Person, bei denen sich die Frage einer Umschichtung von Eigen- in Fremdkapital von vornherein nicht stellt, nicht zum Tragen kommen.

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 15/21

27.06.2023

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 18. Mai 2021, Az: 10 K 1362/18 E, Urteil

§ 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2009, § 32d Abs 2 Nr 1 S 1 Buchst b S 2 EStG 2009 vom 08.12.2010, § 32d Abs 1 EStG 2009, § 32d Abs 2 Nr 1 S 1 Buchst b EStG 2009 vom 21.12.2020, Art 3 Abs 1 GG, EStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.06.2023, Az. VIII R 15/21 (REWIS RS 2023, 5054)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5054

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