Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.05.2017, Az. 29 W (pat) 525/15

29. Senat | REWIS RS 2017, 10490

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "GRAND" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltebedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 025 983.4

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] am 23. Mai 2017 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und die Richterin Seyfarth

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des [X.] vom 2. Februar 2015 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]

3

ist am 3. März 2014 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für Waren und Dienstleistungen der

4

Klasse 9: [X.], insbesondere Magazine und Zeitschriften

5

Klasse 38: Bereitstellung von Informationen unter Benutzung elektronischer Medien, unter Benutzung des [X.]s

6

Klasse 41: Veröffentlichung und Herausgabe von Verlags- und [X.]n, insbesondere Zeitschriften in elektronischer Form, auch im [X.]; Telekommunikation mittels einer Plattform im [X.]; Bereit-stellung und Betreiben eines [X.]portals;

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angemeldet worden.

8

Mit Beschluss vom 2. Februar 2015 hat die Markenstelle für [X.] des [X.] die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Das [X.] Wort „grand“ habe die [X.] Bedeutung „grandios, prächtig, prachtvoll“. Der angesprochene Verkehr, der durchaus über hinreichende Fremdsprachenkenntnisse verfüge, werde diese Bedeutung ohne weiteres erfassen und den Begriff „[X.]“ lediglich als werbeüblichen, beschreibenden und anpreisenden Hinweis auf „grandiose“ bzw. „prächtige“ Qualität der angebotenen Waren und der erbrachten Dienstleistungen verstehen. Der Verkehr werde die Bezeichnung jedenfalls nur in diesem beschreibenden Sinn auffassen und darin keinen Herkunftshinweis sehen. Das angemeldete Zeichen weise keine über die beschreibende Aussage hinausgehende ungewöhnliche Eigenart auf, die ihr die zu fordernde Kennzeichnungskraft verleihen könne. Eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit sei nicht ersichtlich. Selbst wenn der Begriff einen Bedeutungsspielraum in sich trage, müsse berücksichtigt werden, dass eine begriffliche Unbestimmtheit erforderlich und gewollt sein könne, um einen möglichst breiten Bereich waren- und dienstleistungsbezogener Eigenschaften abzudecken.

9

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt

den Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.]es vom 2. Februar 2015 aufzuheben.

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, der angemeldeten Marke könne die Schutzfähigkeit nicht abgesprochen werden. Die Bezeichnung „[X.]“ sei mehrdeutig und interpretationsbedürftig. Der Sinngehalt „grandios, prächtig, prachtvoll“ sei nicht im durchschnittlichen Sprachgebrauch verankert, was Auszüge aus [X.] und dem Online-Übersetzungsdienst „Leo“ belegten. Den Unterlagen seien eine Vielzahl von Bedeutungen für das Wort „[X.]“ zu entnehmen. So zeige der [X.]-Auszug verschiedene geografische und namentliche Bedeutungsinhalte, während die Auszüge aus dem Online-Übersetzungsdienst „Leo“ unterschiedliche Bedeutungsinhalte des Wortes „[X.]“ als Substantiv und Adjektiv in der [X.]n, [X.]n und insbesondere in der [X.] (z. B. „frisch“, „gesund“, „bester“, „dicker“

Die Bezeichnung sei daher ebenso wie vergleichbare eingetragene Wortmarken (z. [X.], [X.], [X.], [X.], [X.]) als Herkunftshinweis geeignet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 [X.] zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

[X.]“ als Marke stehen hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine absoluten Schutzhindernisse entgegen.

1. Dem angemeldeten Zeichen fehlt nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.], 228 Rn.  33 – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 608 Rn. 66 f. – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; [X.], 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] a. a. [X.] – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.], 428 Rn. 53 – [X.]; [X.] a. a. [X.] Rn. 10 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – for you; [X.] GRUR 2001, 1151 – marktfrisch; [X.] 2000, 420 – RATIONAL SOFTWARE COPORATION).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943 Rn. 24 – SAT 2; [X.] WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.], 674, Rn. 86 – Postkantoor; [X.] [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; [X.], 270 Rn. 11 – Link economy) oder die Zeichen sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] GRUR 2014, 1204 Rn. 16 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 23 – TOOOR!).

Ferner kommt die Eignung, Waren oder Dienstleistungen ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, solchen Angaben nicht zu, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.]n oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.], 934 Rn. 12 - [X.]; GRUR 2014, 872 Rn. 21 - [X.]; GRUR 2014, 569 Rn. 26 - [X.]; [X.], 1143 Rn. 9 - [X.]; [X.], 270 Rn. 11 - Link economy; [X.], 640 Rn. 13 - hey!; [X.], 952 Rn. 10 - DeutschlandCard).

Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung „[X.]“ in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen noch über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

a) Das angemeldete Wortzeichen „[X.]“ ist sowohl ein Wort der [X.]n als auch der [X.]. Im [X.] bedeutet „grand“ „groß, grandios, eindrucksvoll, glanzvoll, großartig“ ([X.] Großwörterbuch [X.], 3. Auflage, 2005). Als Substantiv wird „grand“ als Bezeichnung für einen (Musik-)Flügel oder im Plural für „Riesen“ (im Sinne von „ten grands/zehn Riesen“ als Bezeichnung für Geld) verwendet ([X.] a. a. [X.]). Als Anglizismus ist das Wort „grand“ im Sinne von „groß“ in die [X.] Sprache eingegangen. Daneben wird der Begriff in einem Kompositum im Sinne von „höchst-„ oder „Spitzen-“ verwendet, wie zum Beispiel „grand design“ oder „grand slam“ (vgl. [X.], Ausgabe 2016, Stichwort : grand).

In der [X.] heißt „grand“ „groß“, „hoch“, „lang“, aber auch „groß“ i. S. v. „extrem“, „tüchtig“ „intensiv“ oder „nobel“ ([X.], 1. Auflage 2008, [X.]). Als Substantiv bedeutet es „Großer“, „Bedeutender“ (z. B. „les sept grands“ für „die sieben großen Industrienationen“ - vgl. [X.] a. a. [X.]).

In dem Kartenspiel „[X.]“ bezeichnet „Grand“ das höchste Spiel (Großspiel), zurückgehend auf den [X.] Begriff „grand jeu“ (vgl. [X.] online; [X.], [X.], Bd. 11, 21. Auflage, S. 269).

b) Eine ausschließlich anpreisende Bedeutung folgt allerdings nicht bereits daraus, dass dem Wort „[X.]“ in seinen unterschiedlichen Bedeutungen bei einer Verwendung für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen für sich genommen der Hinweis auf eine Spitzenposition zukommt. Der anpreisende Sinn einer Bezeichnung schließt deren Eignung, als Herkunftshinweis zu wirken, nicht aus (vgl. [X.] GRUR 2014, 872 Rn. 23 - [X.]). Erforderlich ist vielmehr die Feststellung, dass der Verkehr die Bezeichnung ausschließlich als werbliche Anpreisung versteht ([X.] [X.], 173 Rn. 28 - for you). Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise an eine beschreibende oder werbemäßig anpreisende Verwendung des Wortes „[X.]“ gewöhnt sind.

Nach den Recherchen des Senats kommt „grand“ in der [X.] Werbung kaum vor, allenfalls in Verbindung mit einem anderen Begriff, wie z. B. [X.] „Petits moments. [X.]“; [X.] „[X.] auf See“; [X.] „[X.], [X.] Auszeit“ (www.slogans.de).

Der inländische Verkehr kennt den Begriff „[X.]“ nämlich – mit Ausnahme der Verwendung beim [X.] – insbesondere nicht in Alleinstellung. Bekannt sind ihm Wortverbindungen, bei denen „grand“ einen Hinweis auf eine besondere Position/Bedeutsamkeit darstellt, wie z. B. Grand Prix; [X.]; [X.]; Grand Dame, [X.]; Grand Cru; Grand Jury etc. (vgl. [X.] a. a. [X.]; [X.] a. a. [X.]).

Der Umstand, dass einzelnen Zusammensetzungen des angemeldeten Zeichens mit bestimmten anderen Bestandteilen für bestimmte Waren und Dienstleistungen die Unterscheidungskraft i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehlt, sagt aber nichts darüber aus, dass diese Schutzhindernisse auch vorliegen, wenn das angemeldete Zeichen in Alleinstellung oder in anderem Zusammenhang verwendet wird. Das Fehlen der Unterscheidungskraft oder die beschreibende Bedeutung kann vielmehr gerade auf dem durch die jeweilige Zusammensetzung hervorgerufenen Gesamteindruck beruhen und schließt daher nicht aus, dass bei anderen Verwendungen des angemeldeten Zeichens diese Eintragungshindernisse nicht bestehen ([X.] GRUR 2011, 65 Rn. 18 – Buchstabe T mit Strich). So verhält es sich vorliegend. Den vorgenannten [X.] ist gemein, dass „grand“ mit einem Bestimmungswort kombiniert ist, aus dem sich die nähere Bedeutung der Wortfolge im Einzelfall ergibt. Eine beschreibende, rein werbemäßige Verwendung des Wortes „grand“ in Alleinstellung konnte jedoch für keine der beanspruchten Waren und Dienstleistungen ermittelt werden.

c) Das angemeldete Zeichenwort „[X.]“ beschreibt weder das Format oder die Größe noch den Inhalt der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

[X.]

Auch Spielkarten werden nicht mit „grand“ in Alleinstellung bezeichnet, sondern in Kombination z. B. mit „jeu“ (vgl.; [X.]), „ouvert“ (vgl.http://www.spielkartenwelt.de/product_info.php?info=p102_[X.]-Grand-Ouvert.html) oder „Tarot“ (vgl. http://www.spielkartenonline-shop.de/de/tarot-a-r/1789-grand-tarot-belline-wk-14157.html).

Klasse 38 beanspruchten Dienstleistungen

Klasse 41 werden durch „[X.]“ nicht beschrieben. Ebenso wie bei den Waren der [X.] ist der Aussagegehalt unspezifisch und unklar. Weder wird die Größe der Zeitschriften noch die der Datenbanken oder [X.]portale, deren Reichweite oder der übermittelte Inhalt durch die Bezeichnung „groß, grandios, Spitzen-„ beschrieben. Die angesprochenen Verkehrskreise müssten eine erhöhte Interpretationstätigkeit aufwenden, um einen im Vordergrund stehenden Begriffsinhalt zu erkennen. Diese Vorgehensweise darf der markenrechtlichen Schutzfähigkeitsprüfung jedoch nicht zugrunde gelegt werden.

Somit fehlt „[X.]“ für die mit der Anmeldung konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

2. Ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ist wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen ebenfalls nicht gegeben. Ausreichende Anhaltspunkte für eine im Anmeldezeitpunkt vernünftigerweise zu erwartende zukünftige beschreibende Verwendung sind nicht erkennbar.

Meta

29 W (pat) 525/15

23.05.2017

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.05.2017, Az. 29 W (pat) 525/15 (REWIS RS 2017, 10490)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10490

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