Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2012, Az. 4 ARs 5/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 5544

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 [X.]
5/12
vom
19. Juni
2012
in dem Auslieferungsverfahren
gegen

Nachschlagewerk:
ja
[X.]St:
ja
Veröffentlichung:
ja
____________________________

[X.] §
83 Nr.
4

Die ergänzende [X.] des §
83 Nr.
4 [X.], wonach bei zu erwartender lebenslanger Freiheitsstrafe eine Überprüfung der Vollstreckung der verhängten Strafe spätestens nach 20
Jahren erfolgen muss, ist durch die nach Art.
560
ff. der [X.] Strafprozessordnung vorgesehene Möglichkeit einer Begnadigung erfüllt.

[X.], Beschluss vom 19. Juni 2012 -
4 [X.] 5/12 -
OLG [X.]

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.]s hat
nach Anhörung des Generalbun-desanwalts
und des Verfolgten am
19.
Juni 2012
gemäß §
42 [X.] beschlossen:
Die ergänzende [X.] des §
83 Nr.
4 [X.], wonach bei zu erwartender lebenslanger Freiheitsstrafe eine Überprüfung der Vollstreckung der verhängten Strafe spätestens nach 20 Jahren erfolgen muss, ist durch die nach Art. 560 ff. der [X.] Strafprozessordnung vorgesehene Möglichkeit einer Begnadigung erfüllt.

Gründe:
I.
1.
a)
Die Strafverfolgungsbehörden der [X.] haben auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls des Bezirksgerichts in S.

vom
11.
März 2008 um Auslieferung des am 10.
März 2011 in Deutschland festge-nommenen [X.] Staatsangehörigen M.

G.

zur Strafverfol-
gung ersucht. Dem Europäischen Haftbefehl liegt der Beschluss des [X.] in S.

vom 13.
November 2007 über die vorläufige Festnahme
des
Verfolgten zugrunde.
Dem Verfolgten werden ein versuchtes Tötungsdelikt gemäß Art.
13 §
1, Art.
148 §
2 des [X.] Strafgesetzbuchs und unerlaubter
Schusswaffen-besitz gemäß Art.
263 §
2 des [X.] Strafgesetzbuchs zur Last gelegt. 1
2
-
3
-
Ihm wird vorgeworfen, am 24.
Juni 2007
um ca. 22.30
Uhr in einer Bar in
S.

mit einer automatischen Pistole, für deren Führen er nicht die erforder-
liche
Erlaubnis besaß, in Tötungsabsicht mehrere Schüsse auf P.

B.

ab-
gegeben und diesen dadurch verletzt zu haben.
Die [X.]schaft in [X.] hat beantragt, die Ausliefe-rung des Verfolgten für zulässig zu erklären.
Mit einer vereinfachten Ausliefe-rung hat sich der Verfolgte in diesem Verfahren einverstanden erklärt; auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität hat er nicht verzichtet.
Nach der
zur Zeit des Erlasses jenes Haftbefehls geltenden Fassung des Art.
148 §
2 Nr.
4 des [X.] Strafgesetzbuchs wurde die Tötung eines Menschen unter Verwendung einer Schusswaffe mit Freiheitsstrafe nicht unter zwölf Jahren, mit 25
Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Da
in der derzeit geltenden
Fassung von
Art.
148 des [X.] Strafgesetzbuchs die Qualifikationsalternative der Verwendung einer Schusswaffe entfallen ist
(vgl. Schwierskott-Matheson, [X.] Strafgesetzbuch [polnisch-deutsche Ausgabe], 2011, S.
103), würde
die Tat bei Anwendung dieser Fassung des [X.] Strafgesetzbuchs nach Art.
148 §
1 mit
Freiheitsstrafe nicht unter acht Jahren, mit
25 Jahren oder mit lebenslanger
Freiheitsstrafe geahndet.
Die Strafe für den Versuch wird dem Strafrahmen für die vollendete Straftat ent-nommen (Art.
14 §
1 des [X.] Strafgesetzbuchs). Bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe kann
gemäß Art.
78 §
3 2.
Alt. des [X.] Strafgesetzbuchs eine vorläufige Entlassung
frühestens nach Verbüßung von 25
Jahren Freiheitsstrafe erfolgen.
Für das [X.] sieht das [X.] Strafgesetzbuch Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu acht Jahren vor.

3
4
-
4
-
b)
Aufgrund eines weiteren Europäischen Haftbefehls des Bezirksge-richts in S.

vom 16.
September 2008 ist der Verfolgte inzwischen zur Voll-
streckung einer durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts in S.

vom
10.
April 2007 wegen [X.] verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren an die [X.] ausgeliefert worden. Auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität hat er auch in diesem Verfahren nicht verzichtet.
2.
Das [X.] [X.] hat mit Beschluss vom 24.
März 2011 die
Auslieferung des Verfolgten an die [X.] Regierung allein zur Strafvollstreckung, nicht aber zur Strafverfolgung angeordnet. Es beabsichtigt, dem Antrag der [X.]schaft in [X.] insofern -
also hin-sichtlich der Auslieferung auch zur
Strafverfolgung
-
nicht zu entsprechen.
Es ist -
in weiten Teilen seiner schon im Beschluss vom 5.
Oktober 2009 ([X.].:
III
4
AuslA
145/09 -
609/09
III) vertretenen Ansicht folgend
-
der Auffas-sung, dass die [X.] des §
83 Nr.
4 [X.]
nicht erfüllt sei, wonach dann, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem
Recht des ersuchenden Mitgliedstaates mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, eine Überprüfung der Vollstreckung der verhängten Strafe auf Antrag oder von Amts wegen spätestens nach 20
Jahren erfolgen muss. Art.
78 §
3 des polni-schen Strafgesetzbuches sehe eine solche Überprüfung erst nach Ablauf von 25
Jahren vor. Die bereits vorher bestehende Möglichkeit des Verfolgten, ein Gnadengesuch gemäß Art.
560
ff. der [X.] Strafprozessordnung zu [X.], sei nicht ausreichend, weil §
83 Nr.
4 [X.] eine gerichtliche oder jedenfalls der gerichtlichen Kontrolle zugängliche Überprüfung verlange. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm, mit der der Gesetzgeber Art.
5 Abs.
2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13.
Juni 2002 über den Euro-päischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten
5
6
7
-
5
-

2002/[X.] (im Folgenden: [X.]) in nationales Recht umgesetzt habe. Art.
5 Abs.
2 [X.] differenziere zwischen der "Überprüfung"
und "Gnaden-akten"
und stelle es dem ersuchten Mitgliedstaat frei, eine gerichtliche [X.] als Bedingung für die Auslieferung zu fordern
oder die Möglichkeit eines Gnadenaktes ausreichen zu lassen. Der Bundesgesetzgeber habe sich für das Erfordernis einer gerichtlichen Überprüfung entschieden, mit der das [X.] Gnadenverfahren, das keine gerichtliche Überprüfung der
Entscheidung
des Präsidenten der [X.] vorsehe, nicht vergleichbar sei.
3.
An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das [X.] [X.] durch die Entscheidungen des [X.] vom 21.
Juni 2007 (1
Ausl-III-41/05) und des [X.] vom 19.
Oktober 2009 (1
[X.]
40/09 Ausl) gehindert. Diese Gerichte
vertreten die Auffassung, dass das [X.] Gnadenverfahren eine Überprüfung im Sinne des §
83 Nr.
4
[X.] darstelle; ähnlich haben das [X.]
(Beschluss vom 27.
April 2009
-
6
AuslA
25/08) für eine Auslieferung nach
[X.] und das [X.] (Beschluss vom 10.
Oktober 2008 -
1
[X.]
40/08 Ausl) für eine Auslieferung nach [X.] entschieden. Darüber hinaus sieht das [X.] [X.]
in der aufgeworfenen Frage ei-ne solche von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des §
42 Abs.
1 1.
Alt. [X.] und hat deshalb die Sache dem [X.] zur Entscheidung über fol-gende Rechtsfrage vorgelegt:
"Ist die ergänzende [X.] des §
83 Nr.
4 [X.], wo-nach bei lebenslanger Freiheitsstrafe eine Überprüfung der Vollstreckung der verhängten Strafe spätestens nach 20
Jahren erfolgen muss, durch die nach Art.
560
ff. der [X.] Strafprozessordnung vorgesehene 8
-
6
-
Möglichkeit einer

gemäß Art.
139 der [X.] Verfassung dem Prä-sidenten der [X.] vorbehaltenen

Begnadigung erfüllt?"
4.
Der [X.] hat die Vorlegungsfrage geringfügig abge-ändert (Einfügung von "zu erwartender" lebenslanger Freiheitsstrafe und [X.] der [X.] zu entscheiden:
"Die ergänzende [X.] des §
83 Nr.
4 [X.], wo-nach bei zu erwartender lebenslanger Freiheitsstrafe eine Überprüfung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe spätestens nach 20
Jahren erfolgen muss, ist durch die nach Art.
560
ff. der [X.] Strafprozessordnung vorgesehene Möglichkeit einer Begnadigung er-füllt."
5.
Der anwaltliche
Vertreter des Verfolgten hat beantragt, den Antrag des [X.] zurückzuweisen. Zur Begründung hat er auf die Ausfüh-rungen des [X.]s [X.] in dem Vorlagebeschluss vom 10.
August 2011 verwiesen und ergänzend unter anderem ausgeführt, dass Art.
5 Abs.
2 [X.] einen "Gnadenakt" erfordere, also eine Gnade gewäh-rende Entscheidung, ein Anspruch allein auf die Durchführung eines Gnaden-verfahrens mithin nicht ausreiche.
II.
1.
Die Vorlegungsvoraussetzungen des §
42 Abs.
1 [X.] sind erfüllt.
9
10
11
-
7
-
a)
Das [X.] [X.] kann -
wie es zutreffend dargelegt hat
-
nicht wie beabsichtigt entscheiden, ohne von der in den Beschlüssen der [X.]e [X.] und [X.] vertretenen Rechtsansicht abzuweichen (§
42 Abs.
1 2.
Alt. [X.]), zumal sich inzwischen
auch das [X.] der von diesen Gerichten vertretenen Rechtsansicht angeschlossen hat (Beschluss vom 19.
Dezember 2011 -
OLG Ausl
219/11).
Darüber hinaus ist die aufgeworfene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§
42 Abs.
1 1.
Alt. [X.]); denn sie kann sich im deutsch-[X.] Auslieferungsverkehr über den vorgelegten Einzelfall hinaus jederzeit wieder stellen (vgl. Senatsbeschluss vom 15. April 2008

4
[X.]
22/07, [X.]St
52, 191, 199 mwN), was dadurch belegt wird, dass das [X.] eine Entscheidung über einen Auslieferungsantrag
nach [X.], in dem sich die-selbe Problematik wie im vorliegenden Fall stellt, zurückgestellt hat (Beschluss vom 19.
Dezember 2011 -
OLG Ausl
219/11 [juris -
Tz.
10
ff.]).
b)
Die Rechtsfrage ist für die Entscheidung auch erheblich.
Zwar hat sich der Verfolgte im vorliegenden Verfahren mit einer verein-fachten Auslieferung einverstanden erklärt. Dies steht aber einer
entsprechen-den
-
hier von der [X.]schaft allerdings allein auf §
29 Abs.
1 [X.] gestützten
-
Antragstellung nicht entgegen
(vgl. §
29 Abs.
2 [X.])
und ver-pflichtet das Gericht, da sonstige [X.]en
ersichtlich nicht in Frage stehen, über den Antrag in der Sache zu entscheiden. Hinzu kommt, dass
das vorlegende [X.] bereits in seinem Beschluss vom 24.
Mai 2011 darauf hingewiesen hat, dass seiner Ansicht nach bei der richter-lichen
Anhörung des Verfolgten am 11.
März 2011 eine ordnungsgemäße Be-lehrung nach §
79 Abs.
2 Satz
4 [X.] unterblieben ist, was zur Folge hätte, dass 12
13
14
15
-
8
-
sein dort erklärtes Einverständnis mit der vereinfachten Auslieferung nicht
wirksam wäre
(vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] in Strafsachen, 5.
Aufl., §
79 Rn.
18).
Zudem hat
sich das der [X.]schaft in §
29 Abs.
2 [X.] eingeräumte Ermessen im [X.] auf die gegensätzlichen Entscheidungen der [X.]e zur Aus-legung von §
83 Nr.
4 [X.] ohnehin auf Null reduziert (vgl. auch [X.] in
[X.]/[X.]/[X.]/[X.] aaO §
29 Rn.
7; ferner [X.], Beschluss vom 27.
April 2009 -
6
AuslA
25/08 [juris -
Tz.
4, 6]; zum Schutzzweck des §
29 Abs.
2 [X.]: [X.] aaO
§
29 Rn.
5).
Die
Auslieferung ist auch nicht bereits auf Grundlage des [X.] von 1957 (im Folgenden: [X.]), des
2.
Zu-satzprotokolls
von 1978 (im Folgenden: 2.
ZP
[X.]) oder
des Vertrages zwischen der [X.] und der [X.] über die Ergänzung des [X.] von 2003 (im Folgenden: PL-ErgV [X.]) zulässig. Denn diese Regelungen sind nicht mehr anwendbar. Nach §
78 Abs.
2 [X.] ge-hen die Bestimmungen des 8.
Teils des [X.] den in §
1 Abs.
3 [X.] genannten völkerrechtlichen Vereinbarungen vor, soweit dieser

wie
bei dort enthaltenen speziellen Bestimmungen zum Schutz des Verfolgten (Böse in [X.]/
[X.]/[X.], Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, §
78 [X.] Rn.
1), mithin auch im Falle des §
83 Nr.
4 [X.]

abschließende Regelungen enthält. Dies entspricht der Rechtsprechung des [X.], nach der zu den nach Art.
31
Abs.
2 [X.]
weiterhin anwendbaren bilateralen oder multilateralen Abkommen nicht die in Art.
31 Abs.
1 [X.]
aufgeführten Ab-kommen

also auch nicht das in Art.
31 Abs.
1
a) genannte [X.] und das 2.
ZP
[X.]

zählen, die durch den Rahmenbeschluss ersetzt wurden ([X.], Urteil vom 12.
August 2008 [Goicoechea] -
C
296/06,
NJW 2009, 657, 658; dazu auch [X.] aaO §
78 Rn.
7
f.).
16
-
9
-
III.
Der Senat bejaht die (vom [X.] geringfügig abgeänder-te) Vorlegungsfrage.
1.
Nach
§
83 Nr.
4 [X.]
ist eine
Auslieferung nur dann unzulässig, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist und eine [X.] der Vollstreckung der verhängten Strafe auf Antrag oder
von Amts
wegen nicht spätestens nach 20
Jahren erfolgt. Eine Beschränkung auf gerichtliche oder der gerichtlichen Überprüfung unterliegende Entscheidungen lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen; ebenso wenig schließt der Wort-laut [X.] von vorneherein aus.
2.
Nach dem Willen des Gesetzgebers ist
ein Gnadenverfahren jeden-falls dann
als Überprüfung im Sinne des §
83 Nr.
4 [X.] anzusehen, wenn es die Aussetzung der Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ermöglicht und es dem
Verfolgten einen Anspruch auf eine sachliche Kriterien berücksich-tigende Entscheidung über sein Gnadengesuch einräumt.
a)
Zwar benennen sowohl Art.
5 Abs.
2 [X.], der durch den am 2.
August 2006 in [X.] getretenen §
83 Nr.
4 [X.] in nationales Recht umge-setzt wurde, als auch die Gesetzesmaterialien zur ersten, mit Urteil des Bun-desverfassungsgerichts vom 18.
Juli 2005 (2
BvR
2236/04, NJW 2005, 2289) für nichtig erklärten Umsetzung des Rahmenbeschlusses durch das Euro-päische Haftbefehlsgesetz
vom 21.
Juli 2004 ([X.]
I, S.
1748) in §
[X.] Nr.
4 [X.] sowohl einerseits die "Überprüfung" als auch
andererseits
"Gnadenakte" bzw. die "Möglichkeit der Begnadigung".
17
18
19
20
-
10
-
Art.
5 Abs.
2 [X.] lautet:
"Die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls durch die [X.] Justizbehörde kann nach dem Recht dieses Staates an eine der [X.] Bedingungen geknüpft werden:
1.

2.
Ist die Straftat, die dem Europäischen Haftbefehl zugrunde liegt, mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder einer lebenslangen freiheitsentzie-henden Maßregel der Sicherung bedroht, so kann die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls an die Bedingung geknüpft werden, dass die Rechtsordnung des Ausstellungsmitgliedstaates eine Über-prüfung der verhängten
Strafe

auf Antrag oder spätestens nach 20
Jahren

oder Gnadenakte zulässt, die zur Aussetzung der Voll-streckung der Strafe oder der Maßregel führen können und auf die die betreffende Person nach dem innerstaatlichen Recht oder der Rechts-praxis des Ausstellungsmitgliedstaates Anspruch
hat.
3.

In der Gesetzesbegründung zum damals fakultativ ausgestalteten Bewil-ligungshindernis -
im hier relevanten Teil mit der jetzigen Fassung des §
83 Nr.
4 [X.] aber textidentischen
-
§
[X.] Nr.
4 [X.] heißt es:
"Eine Auslieferung kann abgelehnt werden, wenn nicht sichergestellt ist, dass spätestens 20
Jahre nach Beginn der Vollstreckung eine [X.] der weiteren Vollstreckung erfolgt. Ob die Überprüfung auf Antrag des Verfolgten oder von Amts wegen erfolgt, ist unerheblich. [X.] ist, dass ein Rechtsanspruch auf Überprüfung besteht. Die immer bestehende Möglichkeit einer Begnadigung ist jedoch hierfür nicht aus-reichend. Der Rechtsanspruch kann sich aus einer gesetzlichen Vor-schrift des ersuchenden Staates, aus seiner Rechtspraxis oder, im Falle der Zusicherung einer Überprüfung im Auslieferungsverfahren, aus der allgemeinen Pflicht zur Einhaltung
bindender völkerrechtlicher Zusagen ergeben. Zweifel im Einzelfall, ob diese [X.] vor-21
22
-
11
-
liegt, können durch Einholung einer Rechtsauskunft oder einer Zusiche--Drucks. 15/1718, S.
21).
b)
Die Gesetzesbegründung zum zweiten
Entwurf eines Europäischen Haftbefehlsgesetzes benennt dagegen den "[X.]" ausdrücklich als Bei-spiel einer "Überprüfung" im Sinne des gegenüber der Erstfassung unveränder-ten §
[X.] Nr.
4 [X.]. Dort ist ausgeführt:
"Bei lebenslanger Freiheitsstrafe (

[X.] Nr.
4 verweigert werden, wenn eine Überprüfung der Vollstreckung nicht spätestens nach 20
Jahren erfolgt. Ist die Überprüfung nicht schon auf Grund des Rechts des ersuchenden Staates gesichert, so kann von [X.] kein Gebrauch gemacht werden, wenn über eine Bedingung bei der Auslieferung die Einhaltung einer fristgerechten Überprüfung, beispielsweise im [X.], sichergestellt und auf die Einhaltung der [X.]. 16/1024, S.
13; ebenso bereits BT-Drucks. 16/544, S.
10).
Von diesen Erwägungen ist der Gesetzgeber ersichtlich nicht mehr abge-rückt.
Vielmehr wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses
des Deutschen Bundestages
lediglich die Ausgestaltung als
Bewilligungshindernis zugunsten einer
[X.] in
§
83 Nr.
4 [X.] abgeändert
(BT-Drucks. 16/2015, S.
4, 13).
Dies belegt, dass der Gesetzgeber ein Gnadenverfahren, in dem der Verfolgte einen Anspruch auf Entscheidung über die
weitere Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe bereits vor Ablauf von 20
Jahren hat, als [X.] im Sinne des §
83 Nr.
4 [X.] ausreichen lassen wollte.
Nach der Geset-zesbegründung zum ersten Europäischen Haftbefehlsgesetz sollte zwar
die

nicht
genügen, um zur [X.] zu verpflichten. Indes fordern
weder Art.
5 Abs.
2 [X.]
noch die 23
24
25
-
12
-
Gesetzesbegründung zum ersten Europäischen Haftbefehlsgesetz ein gerichtli-ches oder der gerichtlichen Kontrolle unterliegendes Verfahren, sondern stellen maßgeblich
auf einen Rechtsanspruch des Verfolgten auf Überprüfung der [X.] Vollstreckung ab. Dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, Art.
5 Abs.
2 [X.]
ermögliche es ihm, die Auslieferung entweder an die Bedin-gung einer gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit oder an die Bedingung eines möglichen Gnadenaktes zu knüpfen, und dass er der Ansicht war, dass ein ge-setzlich geregeltes Gnadenverfahren generell als Bedingung für die Ausliefe-rung nicht ausreiche, lässt sich den
Materialien nicht
entnehmen. Die
Begrün-dung zum Entwurf des zweiten Europäischen Haftbefehlsgesetzes benennt vielmehr eine "Überprüfung

im
[X.]", auf die der Verfolgte einen An-spruch hat,
als ausreichende Bedingung für die
Auslieferung. Zwar bezieht sich dies -
der Konzeption des Entwurfs des §
[X.] Nr.
4 [X.] als eines Bewilligungs-hindernisses folgend
-
unmittelbar nur auf eine im Einzelfall aufgestellte Bedin-gung.
Gleichwohl ist diesen Ausführungen
-
und der Umsetzung der vom Rechtsauschuss empfohlenen Änderung durch den Gesetzgeber
-
zu entneh-men, dass ein
Gnadenverfahren jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen als ausreichende Überprüfung der weiteren Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe angesehen werden kann.
3.
Jedenfalls zwingt aber eine rahmenbeschlusskonforme Auslegung da-zu, in
einem Gnadenverfahren, das die Aussetzung der Vollstreckung einer le-benslangen Freiheitsstrafe ermöglicht und dem Verfolgten einen Anspruch auf eine sachliche Kriterien berücksichtigende Entscheidung über sein Gnadenge-such einräumt, die von §
83 Nr.
4 [X.] aufgestellte
Voraussetzung einer Über-prüfung
als erfüllt
anzusehen.

26
-
13
-
a)
Dem -
auch
weiterhin geltenden (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.]/
A[X.], 4.
Aufl., Art.
67 A[X.] Rn.
41)
-
Rahmenbeschluss des Rates vom 13.
Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl kommt zwar der Anwendungs-vorrang des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts nicht zu; auch ist seine unmittelbare Anwendbarkeit durch Art.
34 Abs.
2 Buchst.
b Satz
3 [X.] a.F. weiterhin ausgeschlossen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 13.
August 2009 -
2
BvR
471/09, [X.]K 16, 131).
Nach der Rechtsprechung
des Euro-päischen Gerichtshofs besteht jedoch die Pflicht der mitgliedstaatlichen Gerich-te zur rahmenbeschlusskonformen Auslegung des nationalen Rechts, die sich
so weit wie möglich an Wortlaut und Zweck des Rahmenbeschlusses [X.] hat (vgl. Urteil vom 16.
Juni 2005 [[X.]]
-
C
105/03, NJW 2005, 2839, 2841 [Tz.
43]; ferner [X.], Beschluss vom 13.
August 2009 -
2
BvR
471/09; [X.], Urteil vom 3.
Dezember 2009

3
StR
277/09, [X.]St 54, 216 [Tz.
28]; [X.], Europäisches Strafrecht, 3.
Aufl., S.
360
f.; [X.] aaO Vor §
78 Rn.
10; [X.] aaO
Art.
67 A[X.] Rn.
21
ff.).
b)
Art.
5 Abs.
2 [X.]
beinhaltet
-
anders als das vorlegende Ober-landesgericht meint
-
nicht zwei voneinander unabhängige, sondern nur eine
Bedingung, die es
dem ersuchten Mitgliedstaat erlaubt, die Auslieferung
auf-grund eines
Europäischen Haftbefehls bei drohender lebenslanger Freiheits-strafe zu verweigern, wenn
das
Recht des Ausstellungsmitgliedstaates -
jeweils unter den im Rahmenbeschluss näher genannten Voraussetzungen
-
eine Rest-strafenaussetzung weder aufgrund einer "Überprüfung"
noch
aufgrund
eines
"Gnadenaktes"
zulässt
(so auch [X.],
Strafrecht und strafrechtliche Zusam-menarbeit in der [X.], S.
132).
Das ergibt sich bereits aus der sprachlichen Fassung des [X.]. Art.
5 Abs.
2 [X.]

(auch die engli-27
28
29
-
14
-

, dass die Rechtsordnung des Ausstellungsmitgliedstaates eine Überprüfung oder Gnadenakte zulässt. Der daran anknüpfende [X.],

h-ren können und auf die die betroffene Person nach dem innerstaatlichen Recht oder der Rechtspraxis des Ausstellungsmitgliedstaates

,
bezieht sich
dabei

Zwar ist inso-französischen und der [X.] Fassung, wo sich der Femininum Plural

e-hen kann). [X.] sich der Relativsatz aber so, dass er nur auf

k-bezogen wäre, wäre
die in Art.
5 Abs.
2 [X.]

Überprü-an die Voraussetzung geknüpft, dass sie zur Aussetzung der Voll-streckung führen kann und der Verfolgte auf eine
Entscheidung hierüber einen Anspruch hat,
was nach dem Zweck und dem Gesamtzusammenhang der [X.] ersichtlich aber
ebenso wenig gewollt ist, wie der Bezug der Paranthese "auf
Antrag oder spätestens nach 20
Jahren" allein auf die "Überprüfung", nicht aber auf "Gnadenakte" (die Betrachtung der Entstehungsgeschichte des [X.] ist in diesem Zusammenhang unergiebig, weil sich die [X.] zum Entwurf des Rahmenbeschlusses vom 19.
September 2001 -
KOM [2001] 522 endgültig [vgl. dort S.
22, 44]
-
auf einen insofern vom letztlich verabschiedeten Text abweichenden Entwurf
be-zieht).
Gegen das
vom vorlegenden [X.] vorgebrachte [X.] zweier voneinander unabhängiger Bedingungen spricht weiter, dass es der
Intention von Art.
5 Abs.
2 [X.] offensichtlich widersprechen würde,
wenn 30
-
15
-
es dem nationalen Gesetzgeber überlassen
wäre, etwa einzig ein Gnadenver-fahren als Voraussetzung für die Auslieferung als
ausreichend zu erachten, bei nicht vorgesehenem Gnadenverfahren aber trotz eines
gesetzlich
sachgerecht geregelten
gerichtlichen [X.] nicht auszuliefern.
c)
Dabei fordert Art.
5 Abs.
2 [X.] -
entgegen der Ansicht des an-waltlichen Vertreters des
Verfolgten
-
nicht, dass schon im Zeitpunkt der Ent-scheidung über die Auslieferung ein Gnadenakt im Sinne einer
Gnade gewäh-renden Entscheidung vorliegt. Schon nach dem Wortlaut der Regelung ist viel-mehr nur geboten, dass "die Rechtsordnung des Ausstellungsmitgliedstaates

d)
Eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.]
zur Ausle-gung von Art.
5 Abs.
2 [X.]
ist nicht geboten.
Es ist vorrangig Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob sein Recht in einer rahmenbeschlusskonformen Weise ausgelegt werden kann ([X.], Urteil vom 16.
Juni 2005 [[X.]] -
C
105/03, NJW 2005, 2839, 2841 [Tz.
47]; vgl. ferner
[X.], Beschluss vom 13.
August 2009 -
2
BvR
471/09, [X.]K 16, 131). Das nationale Gericht
trägt auch die wesentliche Verantwortung für die Einhaltung der Grenzen einer solchen Auslegung ([X.] aaO Art.
67 A[X.] Rn.
25; [X.] in [X.]/[X.] aaO Art.
267 A[X.] Rn.
21). Kommt es bei der mithin zunächst ihm obliegenden Auslegung
zu dem Ergebnis, die Voraus-setzungen für die Erholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] (hier: nach Art.
267 Buchst.
b A[X.]) seien nicht gegeben, weil die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum ist ("acte claire-Doktrin"; vgl. [X.], Beschluss vom 7.
Juni 2011 -
1
BvR
2109/09; [X.] aaO Art.
267 31
32
33
-
16
-
A[X.] Rn.
32
jeweils mwN), so ist
es -
auch als letztinstanzliches Gericht
-
zur Erholung dieser Vorabentscheidung nicht verpflichtet.
Dies ist vorliegend der Fall. Der Senat ist -
wie sich aus obigen Ausfüh-rungen ergibt
-
auch bei Berücksichtigung insbesondere der verschiedenen Sprachfassungen und der besonderen Begrifflichkeiten des Gemeinschafts-rechts, seiner Ziele und seines Entwicklungsstandes der Überzeugung, dass weder der Gerichtshof der [X.] noch Gerichte anderer Mitglied-staaten Art.
5 Abs.
2 [X.] anders auslegen würden, als der Senat dies oben getan hat.
4.
Die auch -
unter bestimmten Voraussetzungen
-
Gnadenverfahren in die "Überprüfung" im Sinne des §
83 Nr.
4 [X.] einbeziehende Auslegung führt schließlich dazu, dass [X.] zwischen Fällen der
dem [X.] unterfallenden Auslieferung und denen der Auslieferung an einen Drittstaat (vgl. dazu unten 6.) weitgehend
vermieden werden.
5.
Das [X.] Gnadenverfahren erfüllt die Anforderungen des -
in obi-gem
Sinne ausgelegten
-
§
83 Nr.
4 [X.].
a)
Gemäß Art.
560 §
1 der [X.] Strafprozessordnung können -
ab-gesehen von Fällen einer Verurteilung durch den Staatsgerichtshof (Art.
139 der [X.] Verfassung)
-
der Verurteilte und nahe Angehörige ein Gnaden-gesuch stellen, das beim Gericht des ersten [X.] anzubringen ist (Art.
561 §
1 der [X.] Strafprozessordnung). Dieses soll
gemäß Art.
561 §
2 der [X.] Strafprozessordnung innerhalb von zwei Monaten entschei-den, wobei die Entscheidungskriterien

insbesondere das Verhalten des [X.] nach der Entscheidung, das Ausmaß der bereits vollzogenen Strafe, der 34
35
36
37
-
17
-
Gesundheitszustand des Verurteilten und seine Familienverhältnisse, geleiste-ter Schadensersatz für den durch die Straftat verursachten Schaden und vor allem nach der Verurteilung eingetretene Ereignisse

von Art.
563 der polni-schen Strafprozessordnung vorgegeben sind. Hat in der Sache nur das Gericht des ersten [X.] entschieden und befürwortet es das Gnadengesuch, so leitet
es die Akten dem [X.] zu, anderenfalls ist das [X.] beendet. Wenn in der Sache ein Rechtsmittelgericht entschieden hat, leitet das Gericht des ersten [X.] diesem die Akten mit seiner Stel-lungnahme weiter (Art.
564 §
1 und §
2 der [X.] Strafprozessordnung). Ist die
Stellungnahme des Erstgerichts negativ und befürwortet auch das Rechtsmittelgericht das Gnadengesuch nicht, ist das Gnadenverfahren been-det; in allen anderen Fällen leitet das Rechtsmittelgericht die Akten dem Gene-ralstaatsanwalt zu (Art.
564 §
3 der [X.] Strafprozessordnung). Hat [X.] ein Gericht das Gnadengesuch positiv bewertet, legt dieser es gemäß Art.
565 §
1 der [X.] Strafprozessordnung dem Präsidenten der [X.], der nach Art.
139 der [X.] Verfassung das Gnadenrecht
ausübt, mit einer eigenen Stellungnahme vor. Er oder
der [X.] können ein Gnadenverfahren auch
von Amts wegen einleiten (Art.
567 §
1 und §
2 der [X.] Strafprozessordnung). Eine Mindestverbüßungsdauer vor der Einlei-tung
des Gnadenverfahrens sehen die Art.
560
ff. der [X.] Strafprozess-ordnung nicht vor.
Dass der Verurteilte einen gesetzlichen Anspruch auf Verbescheidung seines [X.] und damit auf Überprüfung der Aussetzung der Voll-streckung der Freiheitsstrafe hat, ergibt sich insbesondere aus Art.
566
der pol-nischen Strafprozessordnung. Denn nur wenn vor Ablauf
eines Jahres ab der negativen Verbescheidung eines vorherigen ein neues Gnadengesuch gestellt wird, muss über dieses
nicht entschieden werden. Hieraus folgt, dass
in allen 38
-
18
-
anderen Fällen der Verurteilte einen Anspruch auf Durchführung des Gnaden-verfahrens und auf Verbescheidung seines
Antrags
hat. Dementsprechend
hat
-
ähnlich der Mitteilung des [X.] Justizministeriums an den Generalbun-desanwalt (vgl. Seiten
21/22 der Antragsschrift vom 19.
Januar 2012; ferner
OLG [X.], Beschluss
vom 21.
Juni 2007 -
1
Ausl-III-41/05 [juris -
Tz.
36])
-

die Kreisstaatsanwaltschaft in B.

auf Anfrage des Generalstaatsan-
walts in [X.] in
anderer Sache (dortiges [X.].: 4
AuslA
124/11) mit Schreiben vom 14.
Oktober 2011 ausgeführt:
"Die einzige Grundlage für die Ablehnung des [X.] aus [X.] Gründen ist die Stellung des [X.] vor Ablauf eines Jahres ab der Stellung des vorherigen Gesuchs. In allen sonstigen Fällen muss
jederzeit ein Begnadigungsverfahren eingeleitet und die Sache
meritorisch entschieden werden."
b)
Das [X.] Gnadenverfahren erfüllt die Anforderungen des -
in
obigem Sinne ausgelegten
-
§
83 Nr.
4 [X.], obwohl
für die abschließende Ent-scheidung des Staatspräsidenten keine bindenden (materiellen) Kriterien vor-gegeben sind und seine Entscheidung keiner gerichtlichen Überprüfung zu-gänglich ist
(vgl. auch OLG [X.], Beschluss
vom 21.
Juni 2007
-
1
Ausl-III-41/05 [juris -
Tz.
35]; a.A.
z.B. [X.] aaO §
83 Rn.
16).
Ein insge-samt justizförmiges Verfahren fordern
weder -
wie dargelegt
-
§
83 Nr.
4 [X.] noch europäisches Recht oder [X.] Verfassungsrecht (vgl. [X.], [X.] vom 6.
Juli 2005 -
2
BvR
2259/04 [Tz.
38], [X.]E 113, 154, 167). Vielmehr genügt
jedenfalls, wenn -
wie im [X.] Gnadenrecht
-
für die Gnadenentscheidung keinerlei tatbestandliche Einschränkungen vorgesehen sind
(vgl. [X.], Beschluss vom 6.
Juli 2005 -
2
BvR
2259/04
[Tz.
35
ff.], [X.]E 113, 154, 166
f.), sondern -
sogar durch ein justizförmiges Verfahren
-

gewährleistet ist, dass sachgerechte Kriterien bei der Entscheidung berücksich-tigt werden können, also hierzu erforderlichenfalls Ermittlungen angestellt und 39
-
19
-
Feststellungen getroffen werden, und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der zur Gnadenentscheidung Berufene diese bei seiner Entscheidung außer Betracht lässt
(vgl. dazu auch OLG [X.], Beschluss
vom 21.
Juni 2007
-
1
Ausl-III-41/05 [juris -
Tz.
38]; zum [X.] Gnadenrecht auch Oberlan-desgericht Köln, Beschluss vom 27.
April 2009 -
6
AuslA
25/08 [juris -
Tz.
24
f.]; zum Gnadenrecht der [X.]: [X.], [X.] vom 14.
Januar 2011 -
OLG Ausl
179/10 [juris -
Tz.
33
ff.]; dazu auch VerfG-Sachsen, Beschluss vom 11.
März 2011 -
[X.].
25-IV-11 HS, [X.]. 26-IV-11 e.A. [juris -
Rn.
15
ff.]). Mit der Berücksichtigung des Verhaltens des [X.] nach der Entscheidung, des Ausmaßes der bereits vollzogenen Strafe, des Gesundheitszustandes des Verurteilten und seiner Familienverhältnisse, geleis-teten Schadensersatzes für den durch die Straftat verursachten Schaden und vor allem nach der Verurteilung eingetretener
Ereignisse eröffnet das [X.] Gnadenrecht dem Verurteilten die nicht nur vage Hoffnung
auf ein späteres selbstbestimmtes Leben in Freiheit (vgl. zu diesem Erfordernis auch [X.], Beschluss vom 16.
Januar 2010

2
BvR
2299/09 [Tz.
28
f.], [X.]K 16,
491, 499).
6.
Die Subsumtion des [X.] Gnadenverfahrens unter das [X.] der "Überprüfung" in
§
83 Nr.
4 [X.]
verstößt schließlich nicht gegen allgemeine (vgl. [X.], Urteil vom 3.
Dezember 2009

3
StR
277/09, [X.]St 54, 216 [Tz.
28]), insbesondere nicht gegen verfassungs-
oder völker-rechtliche Rechtsgrundsätze.
Die [X.] Gerichte sind von Verfassungs wegen gehalten, im [X.]sverfahren zu prüfen, ob die Auslieferung mit dem nach Art.
25 GG in der [X.] verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffentlichen Ordnung 40
41
-
20
-
vereinbar ist, zu denen das Gebot der Verhältnismäßigkeit, das insbesondere unerträglich harte und unter jedem Gesichtspunkt unangemessene Strafen ver-bietet, und das aus Art.
1 Abs.
1 und Art.
2 Abs.
1 GG folgende Verbot grausa-men, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafens zählen ([X.], Beschlüs-se
vom 6.
Juli 2005 -
2
BvR
2259/04
[Tz.
22
f.], [X.]E 113, 154, 162; vom 16.
Januar 2010

2
BvR
2299/09 [Tz.
18
f.], [X.]K 16,
491, 495 f.
mwN).
Im Zusammenhang mit der (möglichen) Verhängung einer lebenslangen
Freiheitsstrafe sind diese Mindeststandards im Auslieferungsverfahren in Bezug auf deren Vollstreckung
gewahrt, wenn für den Verfolgten jedenfalls eine prakti-sche Chance auf Wiedererlangung der Freiheit besteht ([X.], Beschluss
vom 6.
Juli 2005 -
2
BvR
2259/04 [Tz.
31], [X.]E 113, 154, 164
f.; vgl. auch [X.], Beschluss
vom 22.
November 2005 -
2
BvR
1090/05, [X.], 149, 150
f.). Eine solche kann auch aufgrund
eines
grundsätzlich erfolgverspre-chenden Gnadenverfahrens
bestehen ([X.], Beschlüsse
vom 6.
Juli 2005
-
2
BvR
2259/04 [Tz.
31]; vom 16.
Januar 2010

2
BvR
2299/09
[Tz.
23],
[X.]K 16,
491, 498).
Diese Mindeststandards sind vorliegend nicht nur durch das mögliche Gnadenverfahren, sondern auch durch die nach Art.
78 §
3 des [X.] Strafgesetzbuches vorgesehene gerichtliche Überprüfung der [X.] nach 25
Jahren gewahrt
(vgl. dazu auch [X.], Beschluss vom 3.
November 2009 -
26958/07 [M. ./. Deutschland], [X.], 283, 284), zumal nach deutschem
Recht in Fällen der versuchten vorsätzlichen Tötung eines Menschen ebenfalls eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden kann.
Eine lebenslange Freiheitsstrafe stellt selbst ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung als solche aber keine unerträglich harte oder unmenschliche Strafe dar, die der Auslieferung von vorneherein entgegensteht 42
43
-
21
-
([X.], Beschlüsse vom 6. Juli 2005 -
2
BvR
2259/04 [Tz.
25], [X.]E 113, 154, 163; vom 16.
Januar 2010

2
BvR
2299/09 [Tz.
20], [X.]K 16,
491, 496).
Ernemann
Roggenbuck
Franke

Mutzbauer
Quentin

Meta

4 ARs 5/12

19.06.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: ARs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2012, Az. 4 ARs 5/12 (REWIS RS 2012, 5544)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5544

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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