Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.07.2020, Az. 28 W (pat) 527/20

28. Senat | REWIS RS 2020, 3208

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Relaxschlaufe" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 114 620.1

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 22. Juli 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein, des [X.] [X.] und des [X.] [X.] beschlossen:

Der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 41, vom 11. Dezember 2019 wird aufgehoben, soweit die Eintragung des [X.] für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:

Klasse 18: Maulkörbe;

Klasse 41: Alle Formen der Erziehung und Dressur von Tieren, insbesondere Hunden und damit im Zusammenhang stehende Fortbildungsmaßnahmen und Schulungen von Menschen, insbesondere Hundeführern/innen; Organisation und Durchführung von Seminaren;

Klasse 44: Gesundheits- und Schönheitspflege für Tiere, insbesondere Hunde.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

Relaxschlaufe

3

ist am 21. Dezember 2018 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] geführte Register für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 18: Halsbänder für Tiere; Futtersäcke für Tiere; Tragevorrichtungen für Tiere (Taschen), insbesondere Transporttaschen für Tiere; Ledergurte, insbesondere Tragegurte für Tiere; Lederriemen; Maulkörbe; Leinen für Tiere; Bekleidung für Tiere;

5

[X.]: Alle Formen der Erziehung und Dressur von Tieren, insbesondere Hunden und damit im Zusammenhang stehende Fortbildungsmaßnahmen und Schulungen von Menschen, insbesondere Hundeführern/innen; Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen; Organisation und Durchführung von Seminaren;

6

[X.]: Gesundheits- und Schönheitspflege für Tiere, insbesondere Hunde; Aufzucht von Hunden; Tierpflege.

7

Das [X.], Markenstelle für [X.], hat die Anmeldung – nach vorangegangener Beanstandung vom 29. März 2019 – mit Beschluss vom 11. Dezember 2019 für die oben in Fettdruck wiedergegebenen Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen, da es dem Anmeldezeichen insoweit an der für eine Eintragung erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehle.

8

Die Bezeichnung „Relaxschlaufe“ setze sich aus den Begriffen „[X.]“ ([X.], auch im [X.] bekanntes Wort für „entspannen“ bzw. „[X.]en“) und „Schlaufe“ (an etwas befestigtes ringförmiges o. ä. Band aus Leder, Kunststoff o. Ä. als Griff zum Festhalten oder Tragen) sprachüblich und grammatikalisch korrekt zusammen. Es könne damit die Gesamtbedeutung „Schlaufe zum Entspannen/Relaxen“ haben. In Verbindung mit den zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen werde das Anmeldezeichen vom angesprochenen Verkehr lediglich als Hinweis auf die Art und Funktion der entsprechenden Waren sowie als Hinweis auf den Inhalt bzw. Gegenstand und die Umstände der Erbringung der in Rede stehenden Dienstleistungen verstanden. Bei den gegenständlichen Waren könne es sich um spezielle Produkte in Form von oder mit Trage- und Halte-Schlaufen mit „[X.]“ (zum Entspannen von Tierführer oder Tier) oder um eine besonders leicht „funktionierende“ Schlaufe handeln (die ein Relaxen/Entspannen ermögliche).

9

Die Begriffe „Relax“ und „Schlaufe“ seien dem Verkehr bekannt und ergäben eine sinnvolle Einheit in Verbindung mit den tenorierten Waren. So könnten die zurückgewiesenen Waren der Klasse 18 zum Tragen oder Führen von Tieren bestimmt sein und folglich eine solche „Trage-/Halte-Schlaufe“ aufweisen bzw. damit ausgestattet sein. In diesem Warenbereich seien ausweislich der Recherchen bereits Produkte in Schlaufenform oder ausgestattet mit Schlaufen bekannt. Diese speziellen „Halsbänder“ würden als Schlaufenhalsband bezeichnet. Demnach erhalte der Verkehr insoweit einen Hinweis auf die Art der Waren bzw. deren Ausstattung mit einer Schlaufe und werde in dem weiteren Begriff „Relax“ nur einen Hinweis auf die Bestimmung oder Handhabung der Schlaufe sehen, auch wenn die konkrete Bedeutung unklar und verschwommen bleibe. Demzufolge werde das Anmeldezeichen als Bezeichnung einer Schlaufe mit irgendeinem Bezug zum „Relaxen“ verstanden.

Die zurückgewiesenen Dienstleistungen der Klassen 41 und 44 könnten unter Zuhilfenahme einer solch speziellen Schlaufe mit [X.] oder besonders leicht handhabbarer Funktion angeboten und erbracht werden oder sich mit der Anwendung einer solchen befassen. Auch dies sei für den Verkehr sofort erfassbar, denn im Rahmen der Erziehung und Dressur von Tieren bzw. der Ausbildung von Tierführern (bzw. Hundeführern) gebe es zahlreiche Seminar- und Bildungsangebote, die den Gebrauch der Produkte anschaulich vermittelten. Auch hier werde der Verkehr daher nur einen beschreibenden Bezug zum Gegenstand zumindest der unter die in Anspruch genommenen Oberbegriffe fallenden Dienstleistungen sehen, die für Tiere bzw. Hunde bestimmt seien oder deren Führern bzw. Führerinnen angeboten würden.

Soweit die Anmelderin auf nach ihrer Ansicht vergleichbare Voreintragungen verwiesen habe, unterschieden sich diese deutlich von dem in Rede stehenden Fall und könnten daher nicht als Indiz für die Beurteilung vorliegenden Sachverhalts herangezogen werden. In Verbindung mit den nicht von der Zurückweisung umfassten Waren und Dienstleistungen lägen hingegen keinerlei Schutzhindernisse vor, so dass das Anmeldverfahren nach Rechtskraft der Entscheidung fortgesetzt werde.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde vom 16. Januar 2020, mit der sie sinngemäß beantragt,

den Beschluss des [X.]es, Markenstelle für [X.], vom 11. Dezember 2019 insoweit aufzuheben, als die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

Zur Begründung führt sie aus, bei dem Anmeldezeichen handele es sich um die Neubildung eines Wortes, die phantasievoll sei, da unklar bleibe, was eine Schlaufe zum Relaxen sein solle. Der Verkehr sehe in dem Begriff „Relax“ keinen Hinweis auf die Bestimmung oder Handhabung einer Schlaufe. Selbst wenn jedoch die dem Anmeldezeichen seitens des [X.]es beigemessene Bedeutung unterstellt werde, so bleibe unklar, was die Bezeichnung „Relaxschlaufe“ mit den verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen (insbesondere Maulkörbe, Fortbildungsmaßnahmen, Seminare) zu tun habe. Es sei ungewöhnlich, Waren und Dienstleistungen mit „Relaxschlaufe“ zu bezeichnen. Schließlich verweist die Beschwerdeführerin auf zahlreiche ihrer Auffassung nach vergleichbare Voreintragungen, welche die Schutzfähigkeit des [X.] zu stützen geeignet seien.

Auf den Hinweis des Senats vom 16. Juni 2020 hin hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 22. Juni 2020 ihre Beschwerde auf die aus dem Tenor ersichtlichen Waren und Dienstleistungen beschränkt und im Übrigen zurückgenommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat – soweit über sie noch zu entscheiden war – in der Sache Erfolg. [X.] hat das [X.] die Anmeldung für die aus dem Tenor ersichtlichen Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen. Insoweit fehlt dem Anmeldezeichen weder die notwendige Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], noch besteht an ihm ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

1. Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden Bestandteilen „Relax“ und „Schlaufe“ zusammen. Der englischsprachige Begriff „Relax“ bedeutet im [X.] „sich entspannen“ (vgl. unter „[X.]“, Suchbegriff: „[X.]“) und ist in Form des Ausdrucks „[X.]en“ bereits in den [X.] Sprachgebrauch eingegangen (vgl. unter „www.duden.de“, Suchbegriff: „[X.]en“). Bei einer „Schlaufe“ handelt es sich um „an etwas befestigtes ringförmiges o. ä. Band aus Leder, Kunststoff o. Ä. als Griff zum Festhalten oder Tragen“ (vgl. unter „www.duden.de“, Suchbegriff: „Schlaufe“). In seiner Gesamtheit werden die angesprochenen Verkehrskreise der tieraffinen Durchschnittsverbraucher wie auch der Fachleute das Anmeldezeichen unschwer und ohne analysierende Betrachtungsweise im Sinne von „Schlaufe zum Entspannen/Relaxen“ auffassen.

2. Entgegen der Auffassung des [X.]s wird der Verkehr das Anmeldezeichen in Verbindung mit den nunmehr allein noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen weder als Hinweis auf die Art und Funktion der entsprechenden Waren noch als Hinweis auf den Inhalt bzw. Gegenstand oder die Umstände der Erbringung der in Rede stehenden Dienstleistungen verstehen.

Die gilt zunächst für die Ware „Maulkörbe“, die nicht der Entspannung eines Tieres, sondern vielmehr dem Schutz von Menschen, Tieren oder Gegenständen einschließlich dem Selbstschutz dienen, was der Annahme eines beschreibenden Charakters des [X.] insoweit entgegensteht. Es existieren zwar auch sogenannte „Schlaufenmaulkörbe“, diese ermöglichen aber gerade keine Entspannung des Tieres. Diese trichterförmigen Maulkörbe aus Nylon sind nämlich nur für den kurzen Einsatz in der Tierarztpraxis gedacht. Sie umschließen das Maul sehr eng und sollen den Hund während der Behandlung am Beißen hindern. Und genau das stellt bei längerer [X.] ein gesundheitliches Risiko dar: Der Hund kann sein Maul nicht öffnen und damit nicht Hecheln, was zur Überhitzung des Tieres führt (vgl. „Gefahr durch falschen Maulkorb – Die [X.] warnt vor der Verwendung von engen Maulschlaufen im Alltag“ unter „https://www.bundestieraerztekammer.de/presse/pressemeldung.php?X=20160704162245“).

Die vom Anmeldezeichen in [X.] beanspruchten Erziehungs- und Dressurformen dienen der Ausbildung von Tieren, während sich die Fortbildungsmaßnahmen und Schulungen sowie die Seminare an die Tierhalter bzw. -aufseher richten. Im Rahmen all dieser der Vermittlung von Fähigkeiten bzw. Kenntnissen dienenden Veranstaltungen können zwar auch „Relaxschlaufen“ angesprochen werden. Es erscheint jedoch fernliegend, dass es sich hierbei um das alleinige Thema handelt, zumal die in Rede stehenden Schlaufen lediglich Tierzubehör darstellen. Die Dienstleistungen der [X.] sind regelmäßig ganzheitlich ausgerichtet, um bestimmte Ziele wie Gehorsam des Hundes, Bestehen einer Prüfung oder eine bessere Beziehung zum Tier zu erreichen (vgl. zu Letzterem exemplarisch „Hundeerziehung – Für ein entspanntes Zusammenleben“ unter „www.candog.de“). Demgegenüber beziehen sich die [X.] der [X.] normalerweise nicht auf ein einzelnes Zubehörteil. Ansonsten würde der Anbieter lediglich einen kleinen Kreis von Interessenten ansprechen, was seiner Absicht, möglichst viele Teilnehmer für die Veranstaltungen zu gewinnen, zuwiderläuft. Hiervon ausgehend vermag das Anmeldezeichen den (wesentlichen) Gegenstand der Dienstleistungen der [X.] inhaltlich nicht zu beschreiben.

Die Dienstleistung „Gesundheits- und Schönheitspflege für Tiere, insbesondere Hunde“ ist vornehmlich darauf ausgerichtet, das Befinden sowie das Aussehen eines Tieres positiv zu beeinflussen. Zwar ist es auch in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen solcher Pflegemaßnahmen eine „Relaxschlaufe“ zum Einsatz kommt. Dieser Umstand alleine reicht jedoch nicht aus, dem Anmeldezeichen die Funktion einer beschreibenden Angabe zukommen zu lassen. Die Verwendung einer „Relaxschlaufe“ ist nicht charakteristisch für Maßnahmen im Rahmen der Gesundheits- und Schönheitspflege für Tiere. Sie werden vielmehr nach übergreifenden Tätigkeitsfeldern wie Ernährungsberatung oder Fellpflege benannt. Somit ist die beschreibende Bedeutung des [X.] hinsichtlich eines Gegenstands, der im Rahmen der von der Zurückweisung umfassten Dienstleistungen der [X.] eingesetzt wird, nicht auf letztgenannte in ihrer Gesamtheit übertragbar.

Der Beschwerde war daher stattzugeben.

Meta

28 W (pat) 527/20

22.07.2020

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.07.2020, Az. 28 W (pat) 527/20 (REWIS RS 2020, 3208)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3208

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