Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.09.2012, Az. II B 87/12

2. Senat | REWIS RS 2012, 3172

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Gegenstand

Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist für Antrag auf Tatbestandsberichtigung beim FG - Anfechtbarkeit der Verwerfung eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung als unzulässig - Fristbeginn bei Ersatzzustellung eines Urteils - Keine Kostenfreiheit


Leitsatz

1. NV: Ein finanzgerichtlicher Beschluss, durch den ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung oder auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung als unzulässig verworfen wurde, ist mit der Beschwerde anfechtbar .

2. NV: An die Zustellung eines Urteils anknüpfende Fristen beginnen auch bei einer Ersatzzustellung zu laufen .

Gründe

1

Die Beschwerde des [X.], Antragstellers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Beschluss des Finanzgerichts ([X.]) vom 4. Juni 2012  3 K 232/11 ist entgegen der diesem Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrung zwar zulässig, aber unbegründet.

2

1. Der Zulässigkeit der Beschwerde (§ 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) steht § 108 Abs. 2 Satz 2 [X.]O nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist zwar der finanzgerichtliche Beschluss über einen Antrag auf [X.] unanfechtbar. Dies betrifft aber nicht den Fall, dass der Antrag als unzulässig verworfen wurde (Beschlüsse des [X.] --BFH-- vom 5. September 2001 XI B 42/01, [X.] 2002, 207, und vom 15. Dezember 2010 V B 149/09, [X.] 2011, 621). Der Beschluss, mit dem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 [X.]O wegen Versäumung der in § 108 Abs. 1 [X.]O für den Antrag auf Berichtigung des Tatbestands eines finanzgerichtlichen Urteils bestimmten Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils als unzulässig abgelehnt wurde, kann ebenfalls mit der Beschwerde angefochten werden. Gegen die Entscheidung, mit der ein Antrag auf Wiedereinsetzung abgelehnt wird, ist der gleiche Rechtsbehelf statthaft, der gegen die Entscheidung über die nachgeholte Handlung statthaft (gewesen) wäre (§ 155 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 238 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--; [X.] in Tipke/ [X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 56 [X.]O Rz 29).

3

Die Zulässigkeit der Beschwerde wird auch nicht durch § 56 Abs. 5 [X.]O ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist nur die vom [X.] gewährte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unanfechtbar, nicht aber deren Ablehnung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Oktober 2007 I R 31/06, [X.] 2008, 796).

4

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

5

a) Der Wiedereinsetzungsantrag ist allerdings entgegen der Ansicht des [X.] nicht deshalb unzulässig, weil das [X.] bereits vor dessen Einreichung den Antrag des [X.] auf [X.] wegen Versäumung der Antragsfrist von zwei Wochen ab Urteilszustellung als unzulässig verworfen hatte. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 [X.]O ist unter den gesetzlichen Voraussetzungen auch dann noch möglich, wenn ein Rechtsmittel oder ein Antrag bereits als unzulässig verworfen worden ist ([X.] vom 23. August 2000 III S 9/00, [X.] 2001, 63).

6

b) Die in § 56 Abs. 1 und 2 [X.]O bestimmten Voraussetzungen für die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht erfüllt.

7

aa) Das Urteil des [X.] vom 9. Februar 2012 wurde dem Kläger ausweislich der bei den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde gemäß § 53 Abs. 1 und 2 [X.]O i.V.m. §§ 166, 168 Abs. 1 Sätze 2 und 3, §§ 176, 180 und 182 ZPO im Wege der [X.] am 25. April 2012 durch Einlegen in den zum Geschäftsraum des [X.], eines Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters, gehörenden Briefkasten zugestellt. Den [X.] hat der [X.] nach [X.]. 13 der Postzustellungsurkunde wie in § 180 Satz 3 und § 182 Abs. 2 Nr. 6 ZPO vorgeschrieben auf dem Umschlag des Schriftstücks vermerkt. Mit der Einlegung in den Briefkasten gilt das Urteil gemäß § 180 Satz 2 ZPO als zugestellt. Die [X.] begründet als öffentliche Urkunde nach § 182 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis der von ihr bezeugten Tatsachen ([X.] vom 14. Februar 2007 XI B 108/05, [X.] 2007, 1158). Den nach § 418 Abs. 2 ZPO möglichen Gegenbeweis hat der Kläger nicht geführt. Er hat vielmehr selbst vorgetragen, das Urteil erhalten zu haben.

8

bb) Die in § 108 Abs. 1 [X.]O für den Antrag auf Berichtigung des Tatbestands eines Urteils bestimmte Frist von zwei Wochen begann somit am 25. April 2012 (§ 54 Abs. 1 [X.]O) und endete nach § 54 Abs. 2 [X.]O i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alternative 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Ablauf des 9. Mai 2012. Da der Kläger das Urteil nach seinen Angaben am 8. Mai 2012 zur Kenntnis genommen hat, ist das durch seine Abwesenheit bedingte Hindernis für den Antrag auf [X.] somit noch innerhalb der Zweiwochenfrist weggefallen.

9

cc) Auch wenn man entsprechend der Hilfsbegründung im Beschluss des [X.] unter [X.] davon ausgeht, dass der Kläger wegen des von ihm vorgetragenen [X.] am 10. Mai 2012 ohne Verschulden verhindert war, den Antrag auf [X.] bis zum 9. Mai 2012 zu stellen, ergeben sich aus dem Vorbringen des [X.] keine Anhaltspunkte dafür, dass die in § 56 Abs. 2 Satz 1 [X.]O für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestimmte Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses beim Eingang des Antrags auf Wiedereinsetzung beim [X.] am 1. Juni 2012 noch nicht abgelaufen oder der Kläger ohne Verschulden an der Einhaltung dieser Frist gehindert gewesen sein könnte.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O. Anders als für das zur jeweiligen Instanz gehörende Berichtigungsverfahren selbst besteht für das erfolglos gebliebene Beschwerdeverfahren keine Kostenfreiheit ([X.] vom 19. November 2003 I B 47/03, [X.] 2004, 515, und vom 15. Mai 2006 VII B 70/06, [X.] 2006, 1678).

Meta

II B 87/12

17.09.2012

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend FG Hamburg, 4. Juni 2012, Az: 3 K 232/11, Beschluss

§ 53 FGO, § 54 FGO, § 56 FGO, § 108 FGO, § 128 Abs 1 FGO, § 166 ZPO, § 168 Abs 1 ZPO, § 176 ZPO, § 180 ZPO, § 182 ZPO, § 222 Abs 1 ZPO, § 418 ZPO, § 187 BGB, § 188 BGB, § 135 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.09.2012, Az. II B 87/12 (REWIS RS 2012, 3172)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3172

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