Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2015, Az. VIII ZR 297/14

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 4980

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII [X.]
Verkündet am:

23. September 2015

Vorusso,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 573 Abs. 2 Nr. 2
Ein -
auf vernünftige, nachvollziehbare Gründe gestützter
-
[X.] rechtfertigt die Kündigung des Mietverhältnisses nur dann, wenn er vom Vermieter auch ernsthaft verfolgt wird und bereits hinreichend bestimmt und konkretisiert ist. Eine bislang nur vage oder für einen späteren [X.]punkt verfolgte Nutzungsabsicht rechtfertigt eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht.

[X.], Urteil vom 23. September 2015 -
VIII [X.] -
LG [X.]

AG [X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. September
2015
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, die
Richter Dr.
Achilles
und
Dr.
[X.], die Richterin Dr.
Fetzer sowie [X.]
Kosziol
für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 13. Oktober 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses in [X.]
mit 15 Wohnungen. Mit Vertrag vom 28. Januar 1987 vermietete sie den [X.] zu
1 und 2 eine Dreizimmerwohnung im dritten Obergeschoss sowie mit [X.] vom 18. März 1988 zusätzlich eine 21 qm große separate Mansar-denwohnung, in der
mittlerweile
der erwachsene [X.] der [X.]
zu 1 und 2
wohnt.
Die monatliche Miete beläuft sich für beide Wohnungen auf insgesamt ten.
In §
18 des Mietvertrags über
die Mansarde ist vereinbart:
1
-
3
-
"Das Mietverhältnis ist seitens der Vermieterin nur gleichzeitig mit dem Mietverhältnis für die Wohnung im [X.] links kündbar, wobei sich die Kündigungsfrist nach dem älteren Mietverhältnis richtet."
Beide
Mietverträge
wurden im Auftrag der Klägerin mit
Schreiben vom 28. März 2012 zum 30. Juni 2013 gekündigt.
Zur Begründung ist im Kündi-gungsschreiben ausgeführt, dass die Klägerin in die Wohnung in der dritten Etage selbst einziehen wolle und die Mansarde -
nach einem
geplanten Umbau -
als Teil einer für die Tochter vorgesehenen Maisonettewohnung benötigt wür-de.
Da die [X.] nicht auszogen, wurde die für die Tochter vorgesehene Wohnung zunächst ohne Einbeziehung der Mansarde umgebaut. Die [X.] der neuen Wohnung, in die die Tochter der Klägerin im August 2013 mit ihrem Ehemann und zwei Kindern eingezogen ist, beträgt 197 qm. Die Tochter möchte die Mansarde nach wie vor mit ihrer Wohnung verbinden und dort ein Gästezimmer kombiniert mit einem weiteren Arbeitszimmer einrichten.
Das Amtsgericht hat die Räumungsklage abgewiesen, das Berufungsge-richt hat ihr unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die [X.] die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

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4
-
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung -
soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse -
ausgeführt:
Nach dem Akteninhalt und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung stehe für die Kammer fest, dass die Klägerin einen Nutzungs-
bzw. Überlas-sungswillen im Hinblick auf beide Wohnungen der [X.] habe. Aus der in-dividualvertraglichen Verknüpfung, die die Parteien zwischen beiden [X.] hergestellt hätten, ergebe sich, dass die Kündigung nur wirksam sei, wenn der geltend gemachte Eigenbedarf an allen Räumen beider Wohnungen bestehe. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt, die Klägerin habe sowohl den Wunsch, die Mansarde für den Ausbau der Maisonnettewohnung der Tochter zu nutzen als auch ihren Eigenbedarf an der Wohnung der [X.] im dritten Obergeschoss bewiesen. Das Amtsgericht habe nach der Anhörung der Kläge-rin einen ernsthaften [X.] verneint, weil die Klägerin nicht plausibel begründet habe, warum nicht eine andere Wohnung als die von den [X.]
bewohnte in demselben Objekt und mit denselben Eigenschaften in Betracht gekommen sei. Hieraus den Schluss zu ziehen, dass die Klägerin keinen [X.] [X.] habe, halte rechtlicher Prüfung nicht stand.
Die Klägerin habe bei ihrer Anhörung nachvollziehbar ausgeführt, dass sie von dem angemieteten Objekt, in dem sie jetzt lebe, zurück in ihr Eigentum ziehen wolle. Es sei auch ohne weiteres plausibel, dass die Klägerin in ihr Haus ziehen wolle, in das jetzt auch die Tochter mit ihrer Familie gezogen sei. Es sei ebenfalls nachvollziehbar, dass die Klägerin behauptet habe, besser auf die 5
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Enkelkinder aufpassen zu können, wenn sie vor Ort sei. Dass die Klägerin an-gegeben habe, die Wohnung der [X.] im
dritten Obergeschoss deswegen zur Deckung ihres Eigenbedarfs ausgesucht zu haben, weil es die Koppelung mit der Mansarde gebe, stehe der Behauptung der Klägerin, in die Wohnung der [X.] im dritten Obergeschoss einziehen zu wollen, nicht entgegen. Es handele sich dabei lediglich um ein zusätzliches Motiv, das die Klägerin bewo-gen haben möge, gerade die Wohnung, die die [X.] gemietet hätten, für die Realisierung ihres Eigenbedarfswunsches auszuwählen.
Die Kündigung der Klägerin sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt rechtsmissbräuchlich, dass sie eine in Betracht kommende Alternativwohnung etwa einen Monat vor der Kündigung anderweit vermietet habe. Denn es [X.] keine Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin bereits bei Abschluss des neuen Mietvertrags über die Erdgeschosswohnung am 29. Februar 2012 [X.] gewesen sei, dass sie den [X.] kurze [X.] später wegen [X.] kündigen werde. Die von der Kammer vernommenen Zeugen K.

und J.

hätten bekundet, dass sich das Gespräch mit den [X.] am 21.
Februar 2012 auf die Mansarde beschränkt habe; die Wohnung der [X.] in der dritten Etage oder eine Eigenbedarfskündigung seien nicht Thema des Gesprächs gewesen. Dies hätten auch die [X.] in ihrer Anhörung be-stätigt.

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Räumungsanspruch
der Klägerin
aus § 546 Abs. 1, § 985 BGB
nicht bejaht werden. Das Berufungsge-richt hat bei seiner Würdigung, dass der von der Klägerin geltend gemachte 9
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Eigenbedarf tatsächlich bestehe, einen unzutreffenden Maßstab angelegt und wesentliche
Umstände außer Betracht gelassen.
1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Kündigung der
Klägerin allerdings nicht schon deshalb unwirksam, weil sie entgegen § 573 Abs.
3 BGB nicht ausreichend begründet worden wäre. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen [X.]punkt Klarheit über seine Rechts-position zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. BT-Drucks. 6/1549, S. 6 f. zu § 564a Abs. 1 Satz 2 BGB aF). Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündi-gungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen un-terschieden werden kann. Eine solche
Konkretisierung ermöglicht es dem [X.], der die Kündigung nicht hinnehmen will, seine Verteidigung auf den ange-gebenen Kündigungsgrund auszurichten, denn eine Auswechselung des [X.] ist dem Vermieter verwehrt.
Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die An-gabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (Senatsurteil vom 30. April 2014 -
VIII ZR 284/13, NJW 2014, 2102 Rn.
7 mwN). Diese Angaben enthält das Kündigungsschreiben der Klägerin.
Entgegen der Auffassung der Revision bedurfte es keiner Erläuterung, wie
viele Arbeitszim-mer die Familie benötigte.

2. Zu
Recht hat
das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin nur kündigen durfte,
wenn bezüglich beider
Wohnungen Eigenbedarf bestand. Denn
bei Abschluss des Mietvertrags über die Mansarde
haben die Parteien in § 18 eine Kündigung der [X.] davon abhängig gemacht, dass auch die 11
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weitere Wohnung gekündigt wird. Diese
Kündigungsbeschränkung
ist dahin auszulegen, dass eine Kündigung nur zulässig ist, wenn der Kündigungsgrund (Eigenbedarf) sich auf
beide Wohnungen bezieht.
3. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen Eigenbedarf der Klägerin bezüglich der Mansarde bejaht.
Denn
die Klägerin wollte diese Räume ihrer Tochter zur Verfügung stellen, damit sie mit
einer weiteren Woh-nung in der vierten
Etage und Räumen im Dachgeschoss zu einer Maisonnet-tewohnung umgebaut werden konnten. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Eigenbedarf auch nicht innerhalb der Kündigungsfrist dadurch entfal-len, dass der Umbau zunächst ohne die von den [X.] nicht geräumte Mansarde vorgenommen wurde und die Umbaupläne dahin geändert wurden, dass das Treppenhaus innerhalb der Wohnung anderweit realisiert wurde und die Mansarde nunmehr mittels eines Mauerdurchbruchs für ein Arbeits-
und/oder Gästezimmer mit der Maisonnettewohnung verbunden werden soll.
4. Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Revision die Würdigung des Berufungs-gerichts zur Frage rechtsmissbräuchlichen Verhaltens.
a) Insbesondere hat das Berufungsgericht einen "weit
überhöhten"
[X.] (vgl. dazu Senatsurteil vom 4. März 2015 -
VIII ZR
166/14, NJW 2015, 1590 Rn. 15 f., zur Veröffentlichung in [X.]Z bestimmt) im Hinblick auf den großzügigen Zuschnitt der Wohnung der Tochter
rechtsfehlerfrei
verneint.

b) Die von der
Klägerin ausgesprochene Kündigung ist auch nicht des-halb unwirksam, weil die Klägerin die Wohnung im Erdgeschoss zum 1. März 2012 neu vermietet hat, ohne sie zuvor den [X.] anzubieten. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Klägerin im [X.]punkt der Neuvermietung der Erdgeschosswohnung eine Kündigung des Mietverhältnis-14
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ses mit den
[X.]
zu 1 und 2
noch nicht in Betracht gezogen, so dass auch kein
Anlass bestand, diese Wohnung den [X.] anzubieten.
Die weitere Frage, ob die Verletzung einer etwaigen Anbietpflicht die Ei-genbedarfskündigung als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt, wie der Senat in der Vergangenheit angenommen hat (vgl. Senatsurteil
vom 13. Oktober 2010 -
VIII ZR 78/10, NJW 2010, 3775 Rn. 14 f.)
oder ob eine derartige Pflichtverlet-zung nur zu Schadensersatzansprüchen führt, bedarf hier deshalb keiner Ent-scheidung.
Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht hätte die Klä-gerin zur Frage der Kenntnis informatorisch
anhören müssen, zeigt sie nicht auf, dass
die [X.] eine entsprechende, vom Berufungsgericht übergange-ne Anregung
geäußert
hätten.
c) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Kündigung der Klägerin auch nicht im Hinblick darauf rechtmissbräuchlich, dass die [X.] damals ihren todkranken, inzwischen verstorbenen [X.] in der Wohnung betreuten; hierbei handelte es sich vielmehr um Umstände, die ein Verlangen nach einer (ggf. zeitweisen) Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 574 BGB hätten rechtfertigen können.
5. Nicht zu beanstanden ist ferner die Würdigung des Berufungsgerichts, dass der von der Klägerin angegebene Wunsch,
selbst
in die Wohnung
der [X.] im dritten Obergeschoss einzuziehen, um dort -
entsprechend dem Wunsch ihrer Tochter -
einfacher auf die Enkelkinder aufpassen zu können, auf nachvollziehbaren, vernünftigen Gründen beruht.
6. Das Berufungsgericht hat aber bei der Würdigung der Ernsthaftigkeit des von der Klägerin angegebenen [X.]es
einen unzutreffenden 18
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Maßstab angelegt. Denn für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB reicht ein noch unbestimmtes
Interesse einer
möglichen
spä-teren Nutzung (so genannte Vorratskündigung) nicht aus; vielmehr muss sich der [X.] so
weit "verdichtet"
haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung besteht. Die
Umstände, die dies im Steitfall objektiv zweifelhaft erscheinen ließen, hat das Berufungsgericht
unter Verstoß gegen §
286 ZPO außer Betracht gelassen.

a) Das Amtsgericht hat seine Zweifel an der Ernsthaftigkeit des [X.] der Klägerin damit begründet, dass die Klägerin bei ihrer per-sönlichen
Anhörung den Eigenbedarf
nur "zaghaft"
vorgebracht habe; sie habe auch nicht angeben können, dass sie sich überhaupt Gedanken darüber [X.] habe, warum sie von mehreren Dreizimmerwohnungen in dem Anwesen die Wohnung der [X.] als ihre künftige Wohnung gewählt habe. Dies hat das Amtsgericht -
in lebensnaher Würdigung -
dazu veranlasst, an der Ernsthaf-tigkeit des [X.]es der Klägerin zu zweifeln. Denn die Annahme, dass sich ein Vermieter, der -
wie die Klägerin -
Eigentümer eines Hauses mit 15 Wohnungen ist und bisher in einem Einfamilienhaus wohnt, sich vor einem Umzug im Seniorenalter nicht im Einzelnen
überlegt, welche Anforderungen
er an den neuen Lebensmittelpunkt stellt und welche der ihm gehörenden [X.] nach Größe, Lage und Zuschnitt für seine eigenen Zwecke am besten geeignet ist, ist
lebensfremd.
Zwar hat das Berufungsgericht richtig gesehen, dass das Motiv, über ei-nen
erklärten [X.] an der Dreizimmerwohnung auch die Mansarde für die Tochter zurück zu erhalten, die Möglichkeit, dass die Klägerin tatsächlich in die Dreizimmerwohnung der [X.] einziehen will, nicht [X.]. Es ist auch denkbar, dass
die Klägerin unter mehreren im [X.] gleich geeigneten Wohnungen im Interesse ihrer Tochter die Wohnung 23
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10
-
der [X.] gerade deshalb ausgewählt hat, weil die Mansarde nur gemein-sam mit der Dreizimmerwohnung gekündigt werden konnte.
Dass sich die Klä-gerin aber, wie das Amtsgericht aufgrund der wortkargen Angaben der Klägerin zu ihrem [X.] nachvollziehbar angenommen hat, über ihre Wünsche und die Eignung der Wohnung der [X.]
für ihre Bedürfnisse
keine näheren Gedanken gemacht hat, ist ein Umstand, der die erforderliche Ernsthaftigkeit und Konkretisierung des angegebenen [X.]es zu-mindest in Frage stellt. Denn ein noch unbestimmter, vager Nutzungswusch kann eine
Eigenbedarfskündigung (noch) nicht rechtfertigen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Würdigung des Amtsgerichts, das eine Umzugsabsicht der Klägerin angesichts der von ihm dargelegten Zweifel nicht für erwiesen erachtet hat, auch nicht mit Rechtsfeh-lern behaftet. Das Amtsgericht hat weder einen unzutreffenden Maßstab ange-legt noch ist ihm bei seiner Würdigung sonst ein Rechtsfehler unterlaufen. Vielmehr hat es seine Überzeugung
maßgeblich auf
den persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Klägerin und der Glaubhaftigkeit ihrer Schilderung
über das Bestehen
konkreten und ernsthaften Umzugswillens
gestützt.
Dass das Berufungsgericht die in der Berufungsverhandlung anwesende Klägerin selbst erneut angehört hat, ist weder dem [X.] noch den Urteilsgründen eindeutig zu entnehmen. Nach der Rechtsprechung des [X.] hat das Berufungsgericht einen Zeugen jedoch erneut zu hören, wenn es von der Würdigung des erstinstanzlichen Gerichtes hierzu ab-weichen will ([X.], Urteil vom 8. Dezember 1999 -
VIII [X.], [X.], 1199 unter II 2

a,
Beschluss vom 10. November 2010 -
IV ZR 122/09, NJW 2011, 1364 Rn. 6, jeweils mwN).
Für die Anhörung einer Partei nach § 141 ZPO gilt nichts anderes, insbesondere, wenn es -
wie hier -
um den Nachweis
inne-rer Tatsachen (Umzugsabsicht) geht, für die eine Parteianhörung regelmäßig 25
26
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11
-
geboten
ist (vgl. [X.], Urteil vom 6. Juli 1998 -
I [X.], NJW 1999, 363 un-ter II 2 a zur Parteivernehmung nach § 448 ZPO).
b) Ferner hat sich das Berufungsgericht nicht hinreichend mit dem [X.] auseinandergesetzt,
dass die Klägerin den von ihr vorgebrachten Ent-schluss, die Wohnung der [X.] wieder selbst zu nutzen, nach den von ihm getroffenen Feststellungen erst kurz vor der am 28. März 2012 ausgesproche-nen Eigenbedarfskündigung
gefasst haben kann.
Bei dem Gespräch zwischen der Tochter der Klägerin und den [X.] am
21. Februar
2012 wurde ausschließlich darüber gesprochen, ob die [X.] zur Aufgabe der Mansarde bereit wären und stand ein Umzug der Klägerin
noch nicht im Raum. Weiter
hat das Berufungsgericht
-
wie sich aus seinen Feststelllungen
zu einer Anbietpflicht bezüglich der Erdgeschosswohnung ergibt -
angenommen, dass die Klägerin
sogar noch
am 29. Februar 2012, als sie die freigewordene Erdgeschosswohnung erneut
vermietete, einen Umzug
in eine ihrer Wohnungen in dem Mehrfamilienhaus in [X.] noch nicht ernsthaft in [X.] gezogen hat, sondern es allenfalls
aufgrund von Gesprächen
mit der Tochter "für möglich gehalten haben mag, dass eine Eigenbedarfskündigung künftig hinsichtlich der Mansarde und dann auch hinsichtlich der von der [X.] bewohnten Wohnung erforderlich werden würde".
Nach der Lebenserfahrung erscheint es aber wenig plausibel, dass die für die persönlichen Lebensumstände der Klägerin weitreichende Entscheidung, das bisher von ihr bewohnte Einfamilienhaus und somit den bisherigen Le-bensmittelpunkt in S.

alsbald zugunsten der Dreizimmerwohnung der [X.] in [X.] aufzugeben, derart kurzfristig gefasst wurde. Auch dies spricht dafür, dass der von der Klägerin vorgebrachte [X.],
wenn nicht sogar
vorgeschoben,
so doch zumindest noch nicht hinreichend bestimmt 27
28
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-
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-
und konkret gewesen ist, als sie am 28. März 2012 die Eigenbedarfskündigung ausgesprochen hat. Denn dass sich in
dem
kurzen [X.]raum zwischen der Vermietung der Erdgeschosswohnung und dem Ausspruch der Kündigung
an wesentlichen Umständen der Entscheidungsfindung etwas geändert haben könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
6. Die Verfahrensrüge der Revision bezüglich der unterbliebenen [X.] als Zeugin hat der Senat geprüft, aber nicht für durch-greifend erachtet. Von einer näheren Begründung sieht er insoweit ab (§
564 Satz 2 ZPO).

III.
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand ha-ben; es ist daher aufzuheben
(§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht

30
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-
13
-
zurückzuverweisen (§
563 Abs. 1 Satz 1
ZPO). Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des §
563 Abs. 1 Satz
2
ZPO Gebrauch.

Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. [X.]

Dr. Fetzer
Kosziol

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 02.04.2014 -
203 C 154/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 13.10.2014 -
6 [X.]/14 -

Meta

VIII ZR 297/14

23.09.2015

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2015, Az. VIII ZR 297/14 (REWIS RS 2015, 4980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4980

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 297/14

VIII ZR 284/13

VIII ZR 78/10

IV ZR 122/09

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