Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.03.2012, Az. 6 PB 27/11

6. Senat | REWIS RS 2012, 8316

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Gegenstand

Ortskräfte; militärische Dienststellen der Bundeswehr in einem anderen Nato-Vertragsstaat


Leitsatz

Ortskräfte im Sinne von § 91 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG sind Personen, die nicht von einer Dienststelle im Inland entsandt, sondern von einer Auslandsdienststelle an Ort und Stelle eingestellt worden sind.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.

2

1. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung.

3

a) Der Antragsteller will geklärt wissen, unter welchen Umständen zivile Mitarbeiter bei militärischen Dienststellen der [X.] in einem anderen Nato-Vertragsstaat als [X.] im Sinne von § 91 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG anzusehen sind. Diese Frage ist eindeutig im Sinne des [X.] zu beantworten, so dass es ihrer [X.]lärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.

4

[X.] im Sinne von § 91 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG sind Personen, die nicht von einer Dienststelle im Inland entsandt, sondern von einer Auslandsdienststelle an Ort und Stelle eingestellt worden sind (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Peiseler, [X.], 7. Aufl. 2011, § 91 Rn. 9; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], § 91 Rn. 10; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl. 2008, § 91 Rn. 3; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], Personalvertretungsrecht, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 3; [X.]/[X.]/[X.], in: [X.] Band V, [X.] § 91 Rn. 8; ebenso zu Mitarbeitern des [X.] im [X.]: Beschluss vom 10. November 2005 - BVerwG 6 PB 14.05 - [X.] 251.7 § 5 [X.] Rn. 3). Für die Abgrenzung kommt es auf die Staatsangehörigkeit nicht an. Vorschläge im Gesetzgebungsverfahren, [X.] [X.]n das aktive Wahlrecht zu den Personalräten bei den [X.] zu gewähren, hat der Gesetzgeber ausdrücklich verworfen (vgl. BTDrucks 7/1373 S. 7 zu § 84).

5

Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass für die Abgrenzung des Personenkreises bei militärischen Dienststellen der [X.] in einem anderen Nato-Vertragsstaat auf Art. I Abs. 1 Buchst. b des [X.] ([X.]) einerseits und Art. IX Abs. 4 [X.] andererseits abzustellen ist. Dem stimmt der Antragsteller ausdrücklich zu (S. 3 der Beschwerdebegründung; ebenso [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.] [X.] § 91 Rn. 8). Das vorliegende Beschwerdeverfahren gibt dem Senat keinen Anlass, diesem Ansatz zu widersprechen.

6

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] liegen die Unterschiede zwischen den in Art. I Abs. 1 Buchst. b [X.] genannten Zivilbediensteten zu den in Art. IX Abs. 4 [X.] genannten zivilen Arbeitnehmern allein darin, dass die zuerst Genannten die Truppe einer Vertragspartei begleiten, während die zivilen Arbeitnehmer im Sinne von Art. IX Abs. 4 [X.] im [X.] "requiriert" werden, um den örtlichen Bedarf der Truppe an zivilen Arbeitskräften zu decken. Jede bei der Truppe beschäftigte [X.] kann entweder nur zu den die Truppe begleitenden [X.]en oder nur zu den örtlichen Arbeitskräften im Sinne von Art. IX Abs. 4 [X.] gehören. Der [X.] hat die Befugnis, zu bestimmen, wer zu dem die Truppe begleitenden [X.]al gehört. Mit dieser Entscheidung ist gleichzeitig festgelegt, dass die Person nicht zu den örtlichen Arbeitskräften gehört. Zu den bei der Truppe Beschäftigten und diese begleitenden [X.]en gehören nicht nur Personen, die bei der Truppe schon beschäftigt waren, als diese in den [X.] entsandt wurde. Solche Personen können vielmehr auch nach der Entsendung neu eingestellt werden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. Februar 1985 - 1 ABR 3/83 - [X.]E 48, 81 <90 ff.>, vom 17. Oktober 1990 - 5 [X.] - juris Rn. 22 ff., vom 27. Februar 1997 - 2 [X.] - juris Rn. 19, vom 28. Mai 2002 - 1 ABR 35/01 - [X.]E 101, 232 <236 ff.> und vom 18. Mai 2006 - 2 [X.] Rn. 32 und 42).

7

aa) Die vorbezeichnete Rechtsprechung des [X.] fügt sich ein in das bereits durch § 91 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG vorgegebene Verständnis, wonach zwischen [X.] und an Ort und Stelle eingestelltem Personal zu unterscheiden ist. Zwar gestattet das Regelwerk des [X.] es dem [X.], auch eine Person mit gewöhnlichem Aufenthalt im [X.] dem die Truppe begleitenden [X.]al zuzuordnen. Dafür bedarf es jedoch einer positiven Entscheidung. Sie kann nicht schon daran erblickt werden, dass das Arbeitsverhältnis ohne Einschaltung der Arbeitsvermittlungsstellen des [X.]es zu Stande gekommen ist. Die darauf bezogene Bestimmung in Art. IX Abs. 4 Satz 1 [X.] enthält nach Wortlaut, Systematik und Sinngehalt kein Definitionsmerkmal für die örtlichen Arbeitskräfte, sondern regelt Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, insbesondere die Pflicht der [X.]en, ihren Bedarf an zivilen Bediensteten in einem möglichst großem Umfang durch örtlich requirierte zivile Arbeitskräfte zu decken (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Mai 2006 a.a.[X.] Rn. 32).

8

bb) Wie das Oberverwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt hat ([X.]), belegen die vorgelegten Einzel- und [X.] eindeutig, dass die zuständige [X.] Dienststelle die hier in Rede stehenden in [X.] eingestellten zivilen Mitarbeiter den [X.]n zugeordnet hat. Diese Mitarbeiter wurden danach [X.] Arbeitsrecht unterstellt, womit diejenige Rechtsfolge ausgesprochen ist, die für örtliche zivile Arbeitskräfte nach Art. IX Abs. 4 Satz 2 [X.] vorgesehen ist. Jedenfalls in einem derartigen Fall können solche Arbeitskräfte nicht allein wegen punktueller Bezüge zum [X.] Recht (Gerichtsstand, Sozialversicherungs- und Steuerrecht) den Status des entsandten, die Truppe begleitenden [X.]als erlangen.

9

cc) Die für die Einstufung nach § 91 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG maßgebliche Statusentscheidung der zuständigen Dienststelle ist einseitig. Welcher Art diese Willensentschließung ist, ist anhand aller in Betracht zu ziehenden tatsächlichen Umstände zu beurteilen. Dazu gehört auch die Ausgestaltung der Arbeitsverträge. Ob diese nach Maßgabe des anzuwendenden Rechts wirksam sind, ist eine nachgelagerte Frage, die sich erst stellt, wenn die vorrangig zu beantwortende [X.] geklärt ist. Die dahingehende Entscheidung der Dienststelle darüber, ob die Mitarbeiter dem entsandten Personal oder den [X.]n angehören, hat unabhängig davon Bestand, ob die Arbeitsverträge mit Normen des [X.] Individual- und [X.]ollektivarbeitsrechts (z.B. § 307 BGB, § 75 Abs. 3 BPersVG) im Einklang stehen.

b) Dem Beitritt der [X.] zum [X.] hat der Bundesgesetzgeber gemäß Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 18. August 1961, [X.] 1383, zugestimmt. Damit gehört das [X.] zum Bundesrecht, das von [X.] Gerichten auszulegen und anzuwenden ist (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG). Dabei haben die Gerichte - selbstverständlich - zu beachten, dass die [X.] und [X.] Fassung des Abkommens verbindlich ist. Eine Begutachtung ist nicht geboten.

c) [X.]einer grundsätzlichen [X.]lärung im Rechtsbeschwerdeverfahren bedarf schließlich, ob die Tatsacheninstanzen im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren über die Auslegung ausländischen Arbeitsrechts Beweis erheben müssen. Diese Frage beantwortet sich nach § 293 ZPO und den danach in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen.

2. Die Abweichungsrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG geht fehl. Der Senatsbeschluss vom 10. November 2005 (a.a.[X.]) ist hier ebenso wenig einschlägig wie der ihm vorhergehende Beschluss des [X.] Münster vom 30. Juni 2005 - 1 A 2358/03.PVL -. In dem zugrunde liegenden Fall stellte sich nicht die Frage nach der Abgrenzung von entsandten Mitarbeitern und [X.]n. Vielmehr war zu klären, ob der Personalrat des [X.] für die [X.] im [X.] zuständig war. Eine die [X.] vom Beschäftigtenstatus ausschließende Regelung nach Art von § 91 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG enthielt das anzuwendende Landesrecht nicht.

3. Schließlich kommt der Antragsteller mit seiner Verfahrensrüge nicht zum Zuge.

a) Die Aufklärungsrüge ist unstatthaft und daher unzulässig (§ 72 Abs. 2 Nr. 3, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO).

b) Die [X.] gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG bleibt gleichfalls ohne Erfolg.

aa) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht dadurch den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör verletzt, dass es die [X.] und [X.] Fassung des [X.] nicht ausdrücklich angesprochen hat. Es hat sich bei der Auslegung und Anwendung der hier in Rede stehenden Regelungen des [X.] auf die ständige und gefestigte Rechtsprechung des [X.] gestützt, welches seinerseits auf die fremdsprachige Fassung des Abkommens eingegangen ist (vgl. Beschluss vom 12. Februar 1985 a.a.[X.] S. 90 und 92). Die in der Beschwerdebegründung bezeichneten englischsprachigen Fassungen der fraglichen Regelungen mussten dem Oberverwaltungsgericht keinen Anlass geben, an der für richtig gehaltenen Auslegung der Bestimmungen zu zweifeln.

bb) Das Oberverwaltungsgericht war ferner unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nicht gehalten, im angefochtenen Beschluss Erwägungen anzustellen, welche über diejenigen im Beschluss vom 5. Mai 2011 - 16 B 1205/10.PVB - hinausgehen. Nachdem durch diesen Beschluss das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgeschlossen war, hat sich der Antragsteller im vorliegenden Verfahren zur Hauptsache nur noch kurz geäußert. Die Beschwerdebegründung vom 4. September 2011 enthielt eine Zusammenfassung des bisherigen Vortrages, und im Schriftsatz vom 15. September 2011 wurde zur Zulassung der Rechtsbeschwerde vorgetragen. Darauf ist das Oberverwaltungsgericht am Ende des angefochtenen Beschlusses eingegangen; dessen Begründung trug im Übrigen auch dem Beschwerdevorbringen Rechnung.

Meta

6 PB 27/11

09.03.2012

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: PB

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 17. November 2011, Az: 20 A 1819/11.PVB, Beschluss

§ 91 Abs 1 Nr 1 BPersVG, Art 1 Abs 1 Buchst b NATOTrStat

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.03.2012, Az. 6 PB 27/11 (REWIS RS 2012, 8316)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8316

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