Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.04.2014, Az. II ZB 11/13

II. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6269

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 11/13
vom
15. April 2014
in dem Rechtsstreit

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Der II. Zivilsenat des [X.] hat am 15. April
2014
durch
den [X.] am [X.] Prof. Dr. Strohn als Vorsitzenden,
die [X.]in [X.] sowie die [X.] Dr.
Drescher, [X.] und Sunder

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des
Nebenintervenienten
gegen den Beschluss des 19.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.]
vom 19.
März
2013
wird auf seine
Kosten als unzulässig [X.].
[X.]:
53.070,22

Gründe:

I.
Der Nebenintervenient
ist Rechtsanwalt. Er wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Versagung der
Wiedereinsetzung in die versäum-te Berufungsbegründungsfrist
und gegen die Verwerfung der für die von ihm vertretene Partei
eingelegte Berufung als unzulässig.
Das Urteil des [X.] ist der Klägerin
und
[X.]n sowie
der [X.] zu 1 (im Folgenden: [X.]) am 11.
Dezember 2012
zugestellt
worden. Am 11.
Januar 2013 haben die [X.]n hierge-gen Berufung eingelegt. Mit gerichtlicher Verfügung vom 13.
Februar 2013 sind sie
darauf hingewiesen
worden, dass innerhalb der Berufungsbegründungsfrist keine Berufungsbegründung eingegangen und beabsichtigt sei, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
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Am
25.
Februar 2013 haben die [X.]n
die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt und die Berufung
begrün-det. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsbegehrens
haben sie
ausgeführt: Die langjährig tätige, ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte P.

L.

habe nach Zugang des Urteils die Berufungsfrist sowie die Berufungsbe-gründungsfrist auf dem in der Akte vorne auf der Rückseite des [X.] befindlichen Stammblatt unter der Rubrik Fristen notiert. Sie habe am selben [X.] zusammen mit dem dem Urteil beigefügten Empfangsbekenntnis dem Nebenintervenienten vorgelegt. Dieser habe sich von seiner Angestellten bestätigen lassen, dass diese Fristen auch in den [X.] übernommen worden seien. Am Montag, dem 18.
Februar 2013,
habe sich der [X.] erkundigt, wann die Berufungsbegründungsfrist in der Sache ablaufen werde. Daraufhin sei festgestellt
worden, dass im [X.] die Frist zur Berufungsbegründung nicht eingetragen worden sei. Die [X.] führe das darauf zurück, dass sie nach der Eintragung der Berufungs-frist aufgrund eines
Telefonanrufs
oder einer
sonstigen
Ablenkung vergessen habe, die Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß in den [X.] zu übernehmen. Die Rechtsanwaltsfachangestellte habe in 30 Berufsjahren noch nie vergessen,
eine Berufungsbegründungsfrist einzutragen.
Mit Beschluss vom 19.
März 2013 hat
das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen
und die Berufung als unzulässig
verworfen. Der Beschluss ist den
[X.]n am 26.
März 2013 zugestellt
worden. Am 25.
April 2013 ist der [X.] dem Rechtsstreit auf Seiten der [X.]n und der [X.] zu 2 beigetreten
und hat anstelle der Hauptparteien
Rechtsbeschwerde ein-gelegt. Der
Nebenintervenient hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit zu Lasten der Klägerin und der [X.] zu 1 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Beru-3
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fungsbegründungsfrist versagt und die Berufung als unzulässig verworfen [X.] sei.
II.
Die für die
Drittwiderbeklagte zu 2 eingelegte Rechtsbeschwerde ist schon deshalb unzulässig, weil sie nicht begründet worden ist
und die [X.] zu 2 am Berufungsverfahren auch nicht beteiligt gewesen ist.
III.
Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde
des Nebenintervenienten
statt-haft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO). Sie ist jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des
Rechts oder zur Sicherung [X.] einheitlichen Rechtsprechung.
1.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Es sei keine [X.] zur Berufungsbegründungsfrist notiert worden. In der [X.] Notierung der [X.] liege ein Organisationsverschulden des [X.]. Dieses sei auch ursächlich für die Fristversäumung geworden, zumindest sei die Ursächlichkeit nicht ausgeräumt.
2.
Es kann dahinstehen, ob diese Ausführungen der rechtlichen Nach-prüfung standhalten. Das Berufungsgericht hat die beantragte [X.] im Ergebnis zu Recht versagt, weil bereits nach dem [X.] der [X.]n ein nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnendes [X.] ihres Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumnis
nicht auszu-schließen ist. Die [X.]n haben nicht
dargetan, dass im Büro ihres Prozessbevollmächtigten die allgemeine Anweisung bestand, stets und unter allen Umständen zuerst die Fristen im Kalender einzutragen, bevor entspre-chende Erledigungsvermerke
in der Akte eingetragen werden.
Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] erforderlich.
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a)
Der Rechtsanwalt kann die Berechnung und Notierung von Fristen [X.] gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen. Dann hat der Rechtsanwalt aber durch geeignete [X.] Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehal-ten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle er-forderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört [X.], dass die [X.] in der Handakte notiert werden und die [X.] durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erken-nen lässt, dass die Fristen in den [X.] eingetragen worden sind (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
Februar 2003 -
VIII ZB 115/02, NJW 2003, 1815, 1816; Beschluss vom 22.
Januar 2008 -
VI [X.], [X.], 1670 Rn.
6;
Beschluss vom 8.
Februar 2010 -
II ZB 10/09, [X.], 533 Rn.
7; Beschluss vom 23.
Januar 2013 -
XII ZB 167/11, NJW-RR 2013, 1010 Rn.
10; Beschluss vom 26.
November 2013
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II ZB 13/12, [X.], 424 Rn.
9).

Soweit die Rechtsprechung Erledigungsvermerke des Büropersonals zu den jeweils in den Handakten eingetragenen Fristen fordert, soll sichergestellt werden, dass die Fristen tatsächlich eingetragen sind und dem Anwalt eine ent-sprechende Kontrolle anhand der Handakten möglich ist. Zu einer ordnungs-gemäßen Büroorganisation gehört daher eine klare Anweisung, dass stets und unter allen Umständen
zuerst die Fristen im Kalender eingetragen werden müs-sen, bevor ein entsprechender Vermerk in der Akte eingetragen werden kann. Denn sonst besteht die Gefahr, dass der Erledigungsvermerk in der Handakte bereits vor der Eintragung in einen Kalender angebracht wird und die Gegen-kontrolle versagt ([X.], Beschluss vom 10.
März 1992 -
VI [X.], NJW-RR 1992, 826; Beschluss vom 4.
März 2004 -
IX ZB 71/03, [X.], 1552; Beschluss vom 10.
März 2011 -
VIII ZB 37/10,
NJW 2011, 1597 Rn.
13; [X.] vom 26.
November 2013
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II ZB 13/12, [X.], 424 Rn.
10).
Sieht die [X.] nicht vor, dass in der Handakte Erledigungsvermerke anzubringen sind, genügt es, wenn die Arbeitsanweisung vorschreibt, dass die 9
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Fristen zunächst im [X.] zu notieren
sind und erst dann in der Akte ([X.], Beschluss vom 23.
Januar 2013 -
XII ZB 167/11, NJW-RR 2013, 1010 Rn.
12).
b)
Dass im Büro des Prozessbevollmächtigten der [X.]n sol-che organisatorischen Anweisungen bestanden
haben, lässt sich dem Vorbrin-gen im Wiedereinsetzungsverfahren nicht entnehmen. Der geschilderte und durch eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsgehilfin glaubhaft gemachte
Geschehensablauf
spricht für das Gegenteil. Diese hat versichert, sie habe nach Eingang des erstinstanzlichen Urteils die Berufung und die Beru-fungsbegründungsfrist in die Handakte, dort in das Fristenblatt, eingetragen. Sie übernehme dann diese sofort anschließend in den [X.]. Dies habe sie bezüglich der Berufungsfrist auch getan. Warum die Berufungsbegrün-dungsfrist nicht eingetragen worden sei, sei ihr völlig schleierhaft.
Eines vorherigen Hinweises der anwaltlich vertretenen [X.]n auf diesen Gesichtspunkt bedurfte es nicht. Die Anforderungen, die die Recht-sprechung an eine ordnungsgemäße Fristennotierung
stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Tragen die zur Begründung des [X.] gemachten Angaben diesen Anforderungen nicht Rechnung, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken des Vortrags, die aufzuklären oder zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt ha-ben
(vgl. [X.], Beschluss vom 23.
Oktober 2003 -
V [X.], [X.], 367, 369; Beschluss vom 24.
Januar 2012 -
II ZB 3/11, NJW-RR 2012, 747; [X.] vom 26. November 2013
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II ZB 13/12, [X.], 424 Rn.
12).
c)
Die unzureichende Organisation im Büro des Prozessbevollmächtigten der [X.]n war auch kausal für das Fristversäumnis. Hätte die [X.] die [X.] und die Berufungsbegründungsfrist zunächst in den [X.] eingetragen, wäre die Akte dem Prozessbevollmächtigten bei 11
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unterstellt im Übrigen ordnungsgemäßem Vorgehen rechtzeitig vorgelegt [X.]. Wäre die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist nebst [X.] verges-sen
worden, wäre dieses Versäumnis spätestens bei Vorlage der Akte zur [X.] der Berufung bemerkt worden.

Strohn

[X.]

Drescher

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 05.12.2012 -
18 [X.]/09 -

O[X.], Entscheidung vom 19.03.2013 -
19 [X.] -

Meta

II ZB 11/13

15.04.2014

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.04.2014, Az. II ZB 11/13 (REWIS RS 2014, 6269)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6269

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