Bundessozialgericht, Urteil vom 11.11.2021, Az. B 14 AS 89/20 R

14. Senat | REWIS RS 2021, 1151

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Verhältnis zur Sozialhilfe - gemischte Bedarfsgemeinschaft mit einem Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung - Bezug von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung - kein ergänzender Sozialgeldanspruch aufgrund unterschiedlicher Einkommensberechnung


Leitsatz

Wer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII erhält und gleichzeitig einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II angehört, hat allein aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Regelungen über die Berücksichtigung von Einkommen keinen Anspruch auf (ergänzendes) Sozialgeld.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 14. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt vom beklagten Jobcenter (ergänzendes) Sozialgeld nach dem [X.] neben Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem [X.] für die Zeit von Februar 2018 bis Januar 2019.

2

Der 1969 geborene Kläger bezog im Streitzeitraum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer (in wechselnder Höhe von ca 500 Euro) und ergänzend vom Sozialhilfeträger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (ca 230 Euro). Für seine [X.] zahlte der Kläger Jahresbeiträge in Höhe von etwa 380 Euro, die das Sozialamt bei ihm nicht einkommensmindernd berücksichtigte. Über weitere Versicherungen verfügte der Kläger nicht. Der Kläger wohnt zusammen mit seiner Ehefrau, die im streitigen Zeitraum eine (geringfügige) Beschäftigung aufnahm. Der Beklagte bewilligte der Ehefrau des [X.] für den Zeitraum Februar 2018 bis Januar 2019 [X.] (Bescheid vom [X.] sowie [X.], 24.11.2018, [X.] und [X.]). Die Erbringung von Leistungen nach dem [X.] an den Kläger lehnte er für diesen Zeitraum ab (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Der Beklagte rechnete das Einkommen der Eheleute nicht wechselseitig an.

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.10.2020). Der Kläger habe als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zusammen mit seiner Ehefrau keinen Anspruch auf (ergänzendes) Sozialgeld. Ein solcher Anspruch komme allenfalls dann in Betracht, wenn trotz des [X.] ein ungedeckter Bedarf verbleibe. Die unterschiedlichen Regelungen über die Bereinigung von Einkommen nach dem [X.] [X.] und dem [X.] andererseits begründeten keine "Bedarfslücke" in diesem Sinne, die durch Sozialgeld auszugleichen sei. Dies gelte sowohl im Hinblick auf die [X.] in Höhe von 30 Euro (§ 6 Abs 1 Nr 1 [X.]-V) als auch im Hinblick auf den unterschiedlichen Maßstab beim Abzug der Beiträge für die [X.] (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 3 [X.], § 82 Abs 2 Satz 1 Nr 3 [X.]).

4

Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 19 Abs 1 Satz 2 [X.] und § 5 Abs 2 Satz 2 [X.]. Danach seien Leistungen nach dem 4. Kapitel des [X.] gegenüber dem Sozialgeld lediglich vorrangig, schlössen es aber nicht aus (unter Berufung auf B[X.] vom 28.11.2018 - [X.] [X.]/17 R - [X.] 4-4200 § 5 [X.]). Erforderlich sei eine Vergleichsberechnung nach dem [X.]. Soweit er unter Anwendung der [X.]-Regelungen über die Einkommensberücksichtigung hilfebedürftiger sei als nach den Maßstäben des [X.], bestehe ein ergänzender Anspruch auf Sozialgeld zuzüglich zum Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dies sei im Umfang der [X.] und des aufzuteilenden Jahresbeitrags für die [X.] der Fall.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 14. Oktober 2020 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2018 zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem [X.] für den Zeitraum Februar 2018 bis Januar 2019 unter Berücksichtigung von monatlich 1/12 der in den Jahren 2018 und 2019 zu zahlenden Jahresbeiträge für die [X.] und der [X.] zu zahlen.

6

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Sprungrevision des [X.] ist zulässig, aber unbegründet.

8

1. Die Sprungrevision ist zulässig. Nach § 161 Abs 1 Satz 1 [X.]G steht den Beteiligten die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und sie vom [X.] im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird; nach § 161 Abs 1 Satz 3 [X.]G ist die Zustimmung des Gegners der Revisionsschrift beizufügen, wenn die Revision im Urteil zugelassen ist. Das [X.] hat die Sprungrevision im Urteil vom 14.10.2020 zugelassen, der [X.] hat ihrer Einlegung zugestimmt und der [X.]läger hat diese Zustimmung der Revisionsschrift beigefügt.

9

2. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Entscheidung des [X.] sowie der Bescheid des [X.]n vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], mit dem er die Gewährung von Leistungen nach dem [X.]B II für den [X.]läger im Zeitraum Februar 2018 bis Januar 2019 abgelehnt hat. Die ebenfalls diesen Zeitraum betreffenden weiteren Bescheide vom [X.], 24.11.2018, [X.] und [X.] änderten den Bescheid vom [X.] im Hinblick auf das Begehren des [X.] nicht ab, weil sie ihm gegenüber keine (eigenständige) Regelung enthielten, sondern nur den Leistungsanspruch seiner Ehefrau zum Gegenstand hatten.

3. Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Der [X.]läger beantragt in zulässiger Weise den Erlass eines Grundurteils nach § 130 Abs 1 Satz 1 [X.]G mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.]G, in dem er keinen bezifferten Betrag, sondern (unter Anwendung der in der [X.] ausgewiesenen Pauschbeträge) die Gewährung von Leistungen nach dem [X.]B II unter Berücksichtigung der [X.] und monatlich eines Zwölftels des jeweiligen Jahresbeitrages seiner [X.] begehrt (vgl zur Zulässigkeit eines Grundurteils nur B[X.] vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4225 § 1 [X.] Rd[X.]0 mwN).

4. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 19 Abs 1 Satz 2 und 3 iVm §§ 7 ff, 20 ff [X.]B II in der Fassung, die das [X.]B II für den streitigen Zeitraum zuletzt durch das [X.] vom 23.12.2016 ([X.] 3234) mit Wirkung zum 1.1.2018 erhalten hat (Geltungszeitraumprinzip, vgl B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]4 f). Nach § 19 Abs 1 Satz 2 [X.]B II erhalten nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem 4. [X.]apitel des [X.]B XII haben.

Bei dem [X.]läger handelt es sich um einen nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten (a), der nicht gemäß § 7 Abs 4 Satz 1 [X.]B II von Leistungen nach dem [X.]B II ausgeschlossen ist (b) und der mit einer erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt (c). § 19 Abs 1 Satz 2 [X.]B II und § 5 Abs 2 Satz 2 [X.]B II sind nicht in dem Sinne auszulegen, dass sie einen Anspruch auf Sozialgeld bereits dann ausschließen, wenn der Betroffene dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem 4. [X.]apitel des [X.]B XII ist (d). Gleiches gilt aufgrund des tatsächlichen Bezugs von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (e). Der [X.]läger ist jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund der durch ihn bezogenen Leistungen nach dem 4. [X.]apitel des [X.]B XII nicht hilfebedürftig; einen Anspruch auf ergänzendes Sozialgeld hat er nicht (f).

a) Bei dem [X.]läger handelt es sich um einen nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Sinne des § 19 Abs 1 Satz 2 [X.]B II (vgl hierzu B[X.] vom 28.10.2014 - [X.] [X.]/13 R - B[X.]E 117, 186 = [X.] 4-4200 § 7 [X.], Rd[X.]6). Der Sozialgeld begehrende [X.]läger ist als Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] nichterwerbsfähig im Sinne des § 19 Abs 1 Satz 2 [X.]B II. Einer Abstimmung mit dem Sozialhilfeträger über die Frage der Erwerbsfähigkeit nach § 44a [X.]B II bedurfte es insoweit nicht (vgl B[X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.]/06 R - B[X.]E 97, 231 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]1; B[X.] vom 28.11.2018 - [X.] [X.]/17 R - [X.] 4-4200 § 5 [X.] Rd[X.]5).

b) Der [X.]läger ist wegen des Bezugs seiner Erwerbsminderungsrente nicht nach § 7 Abs 4 Satz 1 [X.]B II von Leistungen nach dem [X.]B II ausgeschlossen, weil es sich hierbei nicht um eine Leistung handelt, die einer Altersrente ähnlich ist (B[X.] vom 28.11.2018 - [X.] [X.]/17 R - [X.] 4-4200 § 5 [X.] Rd[X.]7).

c) Der [X.]läger bildet zusammen mit seiner Ehefrau eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 [X.] und [X.] a [X.]B II).

d) Dem Anspruch des [X.] auf Sozialgeld steht nicht (von vornherein) entgegen, dass er leistungsberechtigt nach dem 4. [X.]apitel des [X.]B XII ist. Das [X.]B II bestimmt kein Ausschließlichkeitsverhältnis im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Sozialgeld für Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft nach dem [X.]B II einerseits und Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem [X.]B XII andererseits. Der Gesetzgeber hat es vielmehr im Sinne eines Vorrangs/Nachrangs ausgestaltet. Dies ergibt sich aus § 19 Abs 1 Satz 2 [X.]B II, wonach ein Anspruch auf Sozialgeld bestehen kann, soweit kein Anspruch nach dem [X.]B XII besteht und aus § 5 Abs 2 Satz 2 [X.]B II, wonach Leistungen nach dem 4. [X.]apitel des [X.]B XII gegenüber dem Sozialgeld (lediglich) vorrangig sind. Dies hat der 4. Senat des B[X.], dem der 14. Senat insoweit folgt, bereits für den Fall entschieden, dass ein nichterwerbsfähiges Mitglied der Bedarfsgemeinschaft dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem 4. [X.]apitel des [X.]B XII ist (B[X.] vom 28.11.2018 - [X.] [X.]/17 R - [X.] 4-4200 § 5 [X.]). Im damaligen Fall hatte die [X.]lägerin nach den sozialhilferechtlichen Regelungen über den Einsatz von Einkommen und Vermögen (vgl § 43 [X.]B XII) keinen Leistungsanspruch, während sie als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft - mit der Folge eines Anspruchs auf das von ihr beantragte Sozialgeld - als hilfebedürftig galt (vgl § 9 Abs 2 Satz 3 [X.]B II).

e) Nichts anderes gilt, wenn das Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, das Sozialgeld für sich beansprucht, nicht nur dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem 4. [X.]apitel des [X.]B XII ist, sondern diese Leistungen tatsächlich erhält. Auch insoweit besteht nicht (von vornherein) ein Ausschluss von Leistungen nach dem [X.]B II, sondern es verbleibt beim gesetzlich geregelten Vorrangverhältnis. Nach der derzeitigen Ausgestaltung der beiden [X.] ist aber im Grundsatz nicht ersichtlich, dass sich die Befürchtung des Gesetzgebers des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung könnten zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht ausreichen (vgl zur Entstehungsgeschichte ausführlich B[X.] vom 28.11.2018 - [X.] [X.]/17 R - [X.] 4-4200 § 5 [X.] Rd[X.]0), weshalb ggf ein [X.]B II-Anspruch nachrangig greifen müsse, realisieren kann (vgl zum beschränkten Anwendungsbereich der Regelung insoweit [X.] in [X.]/Voelzke, jurisP[X.]-[X.]B II, 5. Aufl 2020, § 5 RdNr 94; [X.] in G[X.]-[X.]B II, § 5 Rd[X.]6, Stand Januar 2017; [X.] in Oestreicher/[X.], [X.]B II/[X.]B XII, § 19 [X.]B II Rd[X.]2, Stand März 2017; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, [X.] § 5 Rd[X.]53, Stand Januar 2020; Söhngen in [X.]/Voelzke, jurisP[X.]-[X.]B II, 5. Aufl 2020, § 19 Rd[X.]8; Voelzke in [X.]/[X.], [X.]B XII, [X.] § 21 RdNr 65, Stand August 2019). Denn sowohl beim [X.]B II als auch beim [X.]B XII handelt es sich hinsichtlich ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und ungeachtet ihrer konzeptionellen Unterschiede um der Existenzsicherung dienende, auf Bedarfsdeckung angelegte und bedürftigkeitsabhängige [X.], die der Verwirklichung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG) dienen (B[X.] vom 12.12.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 12 [X.]2 Rd[X.]0 mwN; zuletzt B[X.] vom 28.11.2018 - [X.] [X.]/17 R - [X.] 4-4200 § 5 [X.] Rd[X.]4).

f) Im vorliegenden Fall besteht nicht (ausnahmsweise) ein Anspruch auf nachrangige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II. Der [X.]läger hat neben den ihm gewährten Leistungen nach dem 4. [X.]apitel des [X.]B XII keinen Anspruch auf Sozialgeld. Wer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem [X.]B XII erhält und gleichzeitig einer Bedarfsgemeinschaft nach dem [X.]B II angehört, hat allein aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Regelungen über die Berücksichtigung von Einkommen keinen Anspruch auf (ergänzendes) Sozialgeld.

Da der [X.]läger vorrangig dem [X.]B XII zugeordnet ist und er gleichzeitig mit seiner nach dem [X.]B II leistungsberechtigten Ehefrau eine Bedarfsgemeinschaft bildet, ist ein Leistungsanspruch nach den Grundsätzen der gemischten Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln. Insoweit sind die gesetzlichen Regelungen lückenhaft (B[X.] vom 16.10.2007 - [X.]/9b [X.] - B[X.]E 99, 131 = [X.] 4-3500 § 28 [X.], Rd[X.]2; hierzu auch B[X.] vom 15.4.2008 - [X.]/7b [X.]/06 R - [X.] 4-4200 § 9 [X.] Rd[X.]8; B[X.] vom 9.6.2011 - [X.] [X.] 20/09 R - B[X.]E 108, 241 = [X.] 4-3500 § 82 [X.], Rd[X.]6) und es gilt, zwei teilweise miteinander nicht kompatible Systeme in Einklang zu bringen (B[X.] vom 9.6.2011 - [X.] [X.] 20/09 R - B[X.]E 108, 241 = [X.] 4-3500 § 82 [X.], Rd[X.]3). Dabei ist bei der Leistungshöhe zu beachten, dass die Mitgliedschaft in einer gemischten Bedarfsgemeinschaft wegen der nicht aufeinander abgestimmten Vorschriften des [X.]B II und [X.]B XII den Betroffenen weder zum Nach- noch zum Vorteil gereichen darf (B[X.] vom 18.3.2008 - [X.]/9b [X.] 11/06 R - B[X.]E 100, 139 = [X.] 4-3500 § 82 [X.], Rd[X.]5).

Nicht jeder Unterschied der beiden [X.], der eine unterschiedliche Leistungshöhe bedingt, führt zu einem ergänzenden Anspruch auf Sozialgeld. Entscheidend ist, dass keine Lücke in der Bedarfsdeckung verbleibt (B[X.] vom 15.4.2008 - [X.]/7b [X.]/06 R - [X.] 4-4200 § 9 [X.] Rd[X.]8). Nur wenn die Grundsicherungsleistungen nach dem [X.]B XII zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht ausreichen, kann dies einen ergänzenden Leistungsanspruch nach dem [X.]B II begründen (vgl hierzu [X.], [X.]B II/[X.]B III, § 23 [X.]B II Rd[X.]6, Stand Februar 2021). Ist hingegen der Bedarf im Sinne des [X.]B XII durch Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und Einkommen gedeckt, verbleibt kein weitergehender Anspruch nach dem [X.]B II. Unterschiede bei der Einkommensanrechnung zwischen dem [X.]B II [X.] und dem [X.]B XII andererseits können eine Bedarfsunterdeckung nicht bewirken (so auch [X.] in [X.], [X.]B II, § 5 Rd[X.]1, Stand August 2020; Voelzke in [X.]/[X.], [X.]B XII, [X.] § 21 RdNr 67, Stand August 2019), weil sie (lediglich) Ausdruck der Differenzierungen der jeweiligen [X.] aufgrund der mit ihnen verbundenen unterschiedlichen Zwecke (vgl zum Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 [X.]B II B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 24/16 R - [X.] 4-3500 § 82 [X.]2 Rd[X.]4) oder der im [X.]B II bestehenden Massenverwaltung sind.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das beklagte Jobcenter zutreffend eine vertikale Berechnung des (potentiellen) Sozialgeldanspruchs des [X.] vorgenommen (aa) und einen Leistungsanspruch allein aufgrund des Abzugs der [X.] des § 6 Abs 1 [X.] [X.] ([X.]) sowie der [X.] des [X.] ([X.]) im Rahmen der Einkommensberechnung verneint.

aa) Zur Berechnung eines etwaigen Sozialgeldanspruchs des [X.] ist im Hinblick auf die Berücksichtigung seines Renteneinkommens eine sog vertikale Berechnung seines Anspruchs vorzunehmen. § 9 Abs 2 Satz 3 [X.]B II, wonach jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft weiter als hilfebedürftig gilt, solange der Gesamtbedarf nicht gedeckt ist, ist insoweit einschränkend auszulegen. In der vorliegenden Fallgestaltung, in der ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft tatsächlich Leistungen nach dem 4. [X.]apitel des [X.]B XII erhält, gilt nichts anderes als bei gemischten Bedarfsgemeinschaften, in denen ein Betroffener von Leistungen nach dem [X.]B II ausgeschlossen ist (hierzu B[X.] vom 15.4.2008 - [X.]/7b [X.]/06 R - [X.] 4-4200 § 9 [X.], Rd[X.]7). § 9 Abs 2 Satz 3 [X.]B II würde andernfalls zu einem doppelten Leistungsanspruch führen. Der Berechtigte erhält bereits Leistungen nach dem [X.]B XII entsprechend seiner dortigen Bedürftigkeit. Gleichzeitig würde bei einer horizontalen Berechnung im Rahmen des [X.]B II sein Einkommen auf die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt werden und könnte insoweit den eigenen Bedarf nicht mehr decken. Folge wäre eine doppelte Gewährung von Leistungen einmal durch das [X.]B XII und einmal durch das [X.]B II, was erkennbar nicht gewollt ist.

[X.]) [X.]ein Anspruch auf ergänzendes Sozialgeld ergibt sich darüber hinaus aus der in § 6 Abs 1 [X.] [X.] geregelten [X.]. Nach § 6 Abs 1 [X.] [X.] ist von dem Einkommen volljähriger Leistungsberechtigter ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11b Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II, die nach Grund und Höhe angemessen sind, als Pauschbetrag abzusetzen.

Bei der Pauschalierung hat sich der Verordnungsgeber davon leiten lassen, dass es sich hierbei um Beiträge für private Versicherungen handelt, die bei in einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Bürgern in [X.] allgemein üblich sind, zB Beiträge für eine Hausratversicherung und eine private Haftpflichtversicherung (Begründung des Entwurfs der [X.] 2005 zu § 3 [X.], abgedruckt bei [X.], [X.], 2020, [X.], [X.] ff). Eine solche pauschalierende Regelung, die keine Entsprechung im [X.]B XII bzw der [X.] zur Durchführung des § 82 [X.]B XII (zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.12.2015, [X.] 2557) gefunden hat, führt nicht dazu, dass Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht für den Lebensunterhalt "ausreichen". Der Pauschbetrag soll gerade keine zusätzliche, den Bedarf erhöhende Leistung darstellen (B[X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - B[X.]E 97, 254 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]8). Die in erster Linie der Verfahrensvereinfachung dienende Regelung des § 6 Abs 1 [X.] [X.] ([X.], [X.], 2020, § 6 Rd[X.]) trägt lediglich den Besonderheiten der Massenverwaltung des [X.]B II Rechnung.

[X.]) Ein Anspruch des [X.] auf (ergänzendes) Sozialgeld lässt sich zuletzt nicht damit begründen, dass seine [X.] nach § 11b Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II abzugsfähig wäre. Nach dieser Regelung sind vom Einkommen abzusetzen Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind. Die Jahresbeiträge sind gemäß § 6 Abs 1 [X.] [X.] auf Monate aufzuteilen.

Unerheblich ist, ob der [X.]läger im Hinblick auf diese Aufwendungen einen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen nach dem [X.]B XII gehabt hätte. Grundsätzlich ist die [X.] - trotz [X.] mit § 11b Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II - nicht nach § 82 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B XII absetzbar, weil es sich nach der Rechtsprechung des B[X.] nicht um eine "gesetzlich vorgeschriebene Versicherung" iS dieser Regelung handelt. Die Zahlung folgt keinem sozialhilferechtlich anerkannten Zweck, weil es im [X.]B XII an einem den Abzug rechtfertigenden Zusammenhang zwischen der Vermögensprivilegierung eines angemessenen [X.]FZ (vgl § 12 Abs 3 Satz 1 [X.] [X.]B II) und den [X.]osten für die [X.] fehlt (B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 10/18 R - [X.] 4-3500 § 74 [X.] Rd[X.]4). Ob hiervon im Zusammenhang mit gemischten Bedarfsgemeinschaften Ausnahmen zu machen sind (vgl hierzu B[X.] vom 18.3.2008 - [X.]/9b [X.] 11/06 R - B[X.]E 100, 139 = [X.] 4-3500 § 82 [X.], Rd[X.]1; B[X.] vom 25.4.2013 - [X.] [X.] 8/12 R - B[X.]E 113, 221 = [X.] 4-3500 § 87 [X.], Rd[X.]4; B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 10/18 R - [X.] 4-3500 § 74 [X.] Rd[X.]4), kann dahinstehen, weil hieraus jedenfalls nicht der vom [X.]läger geltend gemachte Sozialgeldanspruch folgt. Aus diesem Grund kommt es nicht mehr darauf an, wie sich der Umstand auswirkt, dass ausweislich der vom [X.] in Bezug genommenen Bescheide zugunsten der Ehefrau bei dieser ab März 2018 der Grundfreibetrag bei Erwerbstätigkeit in Höhe von 100 Euro im Monat berücksichtigt wurde (§ 11b Abs 2 Satz 1 [X.]B II), der die Möglichkeit des Abzugs von Versicherungsbeiträgen nach § 11b Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II ersetzt.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 89/20 R

11.11.2021

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Berlin, 14. Oktober 2020, Az: S 174 AS 2778/18, Urteil

§ 5 Abs 2 S 1 SGB 2, § 5 Abs 2 S 2 SGB 2, § 19 Abs 1 S 2 SGB 2, § 23 SGB 2, § 41 SGB 12, §§ 41ff SGB 12, § 9 Abs 2 S 3 SGB 2, § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 2, § 6 Abs 1 Nr 1 AlgIIV 2008, § 82 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 12

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 11.11.2021, Az. B 14 AS 89/20 R (REWIS RS 2021, 1151)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1151

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