Bundessozialgericht, Urteil vom 02.02.2010, Az. B 8 SO 22/08 R

8. Senat | REWIS RS 2010, 9811

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Gegenstand

Sozialhilfe - Aufwendungserstattung zwischen örtlichem und überörtlichem Sozialhilfeträger - kein Anspruch auf Prozesszinsen


Tatbestand

1

[X.] ist, ob der Beklagte dem Kläger Prozesszinsen für eine Ausgleichsforderung des [X.] für die [X.] der Rechtshängigkeit des Ausgleichsanspruchs vom [X.] (Rechtshängigkeit) bis zur Begleichung der Forderung am 29.11.2007 zu zahlen hat.

2

Zwischen dem Kläger als örtlichen Träger der Sozialhilfe und dem Beklagten als überörtlichen Sozialhilfeträger war die Erstattung von Kosten für erbrachte Hilfeleistungen in Höhe von 9.399,02 Euro im Streit. Das Sozialgericht ([X.]) [X.] hat den Beklagten zur Zahlung verurteilt, hinsichtlich der Zinsforderung aber die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.10.2007) . Das [X.] ([X.]) [X.] hat die hinsichtlich der Zinsforderung geführte Berufung des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 12.9.2008) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, für das Begehren des [X.] gebe es keine Rechtsgrundlage. § 108 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ([X.]) gewähre einen Zinsanspruch für Träger der Sozialhilfe nur gegenüber "anderen Leistungsträgern", womit andere Sozialleistungsträger gemeint seien; zwischen unterschiedlichen Trägern der Sozialhilfe sehe das Gesetz einen Verzinsungsanspruch nicht vor. Mangels planwidriger Regelungslücke sei auch § 291 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht entsprechend anwendbar. Denn diese Vorschrift ziele auf eine typische Interessenlage des Privatrechts ab, in der Kapital zur Deckung des Lebensunterhalts oder des Geschäftsbetriebs unerlässlich sei oder verwendet werde, um es zu vermehren. Eine solche Interessenlage bestehe jedenfalls im Verhältnis zwischen Gebietskörperschaften bzw Verbänden von Gebietskörperschaften nicht.

3

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts (§ 291 BGB analog) . Er verweist darauf, dass nach der Rechtsprechung des [X.] (BVerwG) Prozesszinsen in analoger Anwendung von § 291 BGB zuerkannt worden seien, solange (bis 31.12.2004) derartige Rechtsstreite vor den Verwaltungsgerichten auszutragen gewesen seien. Zur Begründung führt er weiter aus, entgegenstehende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B[X.]) sei überholt; spätestens mit der Neufassung des Kostenrechts im sozialgerichtlichen Verfahren zum [X.] könnten aus der Kostenregelung im Sozialgerichtsgesetz ([X.]) jedenfalls in den von § 197a Abs 1 Satz 1 [X.] erfassten Streitigkeiten keine Argumente mehr für den Ausschluss von Prozesszinsen gewonnen werden. Überdies nehme gerade im Bereich der Sozialversicherung der Kostendruck infolge politisch gewollten [X.] der Träger untereinander zu.

4

Der Kläger beantragt,

das Urteil des [X.] aufzuheben und das Urteil des [X.] abzuändern sowie den Beklagten zu verurteilen, für die [X.] vom 7.3. bis [X.] in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 9.399,02 Euro an ihn zu zahlen.

5

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat keinen Erfolg. Dem Kläger stehen - wie das [X.] unter zutreffender Wiedergabe der Rechtsprechung des [X.] und des BSG im Einzelnen dargelegt hat - Prozesszinsen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

8

§ 108 Abs 2 [X.], wonach ein Erstattungsanspruch der Träger der Sozialhilfe, der [X.] und der Jugendhilfe von anderen Leistungsträgern unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auf Antrag mit [X.] zu verzinsen ist, scheidet als Anspruchsgrundlage im Verhältnis gleichgeordneter Träger und damit auch im Verhältnis der Träger der Sozialhilfe untereinander aus ([X.]E 114, 61, 63; von [X.], [X.], 6. Aufl 2008, § 108 Rd[X.]; BT-Drucks 13/3904 [X.] zu Art 2a) . § 44 Abs 1 Sozialgesetzbuch [X.] - ([X.]) sieht nur eine Verzinsung von Sozialleistungen vor und kann auf das Verhältnis der Sozialleistungsträger untereinander nicht entsprechend angewandt werden ([X.], 227, 229 = [X.] § 44 [X.]; vgl auch [X.], [X.], 3. Aufl 2003, § 44 RdNr 11) .

9

Wie der Senat (einen Monat nach Zustellung des Berufungsurteils) bereits entschieden hat ([X.], 10 ff RdNr 15 bis 17 mwN = [X.]-2500 § 264 [X.]) , kommt auch die analoge Anwendung des § 291 BGB nicht in Betracht. Es entspricht der (vom [X.] in Bezug genommenen) ständigen Rechtsprechung des BSG im Bereich der Sozialversicherung, dass für Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger untereinander Prozesszinsen nicht zu erstatten sind, weil es dafür an einer ausdrücklichen sozialrechtlichen Anspruchsgrundlage und mangels planwidriger Regelungslücke auch an den Voraussetzungen für eine Analogie fehlt ([X.], 227, 229 mwN = [X.] § 44 [X.] S 10; BSG [X.]-2500 § 19 [X.] Rd[X.]9 ff) . Dass dies in gleicher Weise im Bereich der Sozialhilfe gilt, hat der Senat im bezeichneten Urteil bereits entschieden; insoweit gibt es weder Sonderregelungen auf bundesrechtlicher noch auf [X.]. Auch gibt es keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen Sozialhilfe- und Sozialversicherungsträgern, die es rechtfertigten, die Sozialhilfeträger anders als die Sozialleistungsträger durch eine Analogie des § 291 BGB in den Genuss von Prozesszinsen zu bringen. Mit seiner Entscheidung hat der Senat die entgegenstehende Rechtsprechung des [X.] nicht fortgesetzt, das Trägern der Sozialhilfe nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden [X.] ([X.]) in [X.] untereinander Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB zugebilligt hatte (vgl [X.]E 111, 213, 219 = [X.] 436.0 § 103 [X.] [X.] S 6) .

Ein entsprechender Zinsanspruch lässt sich auch nicht aus übergeordneten Gesichtspunkten des Verfassungsrechts, insbesondere nicht aus Art 20 Abs 3 Grundgesetz, herleiten. Dass die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden ist, führt nicht zu einem Rechtsanspruch auf eine bestimmte Leistung. Dies gilt umso mehr im Verhältnis zweier Träger der vollziehenden Gewalt untereinander.

[X.] beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2, § 161 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs 1, § 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.

Meta

B 8 SO 22/08 R

02.02.2010

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Potsdam, 24. Oktober 2007, Az: S 20 SO 147/07, Urteil

§ 108 Abs 2 SGB 10, § 291 S 1 BGB vom 02.01.2002, § 44 SGB 1, BSHG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 02.02.2010, Az. B 8 SO 22/08 R (REWIS RS 2010, 9811)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9811

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