Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2012, Az. AK 18/12, StB 7/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 5612

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Gegenstand

Untersuchungshaft: Rangverhältnis von besonderer Haftprüfung und Haftbeschwerde


Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 28. November 2011 (3 [X.] 97/11) - neu gefasst durch Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 15. Mai 2012 (3 [X.] 169/12) - abgeändert:

Der Beschuldigte ist in Untersuchungshaft zu nehmen.

Er ist dringend verdächtig, er habe zu einem nicht näher ermittelbaren Zeitpunkt im Jahre 1999 oder 2000, jedenfalls vor dem 9. September 2000, in [X.]durch eine Handlung einem anderen Hilfe geleistet, in neun Fällen einen Menschen aus niedrigen Beweggründen zu töten (Beihilfe zu neun Fällen des Mordes, strafbar nach §§ 211, 27 StGB).

2. Das weitergehende Rechtsmittel ist gegenstandslos.

3. Die Untersuchungshaft hat [X.].

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe

I.

1

Der Beschuldigte wurde am 29. November 2011 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 28. November 2011 (3 [X.] 97/11) - neu gefasst durch dessen Beschluss vom 15. Mai 2012 (3 [X.] 169/12) - festgenommen. Er befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.

2

Gegenstand des Haftbefehls in der Fassung des Beschlusses vom 15. Mai 2012 ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe zu einem nicht näher ermittelbaren Zeitpunkt in den Jahren 1999 bis 2002 in [X.]durch eine Handlung vorsätzlich einem anderen zum Mord in zehn Fällen und zum versuchten Mord Hilfe geleistet (Beihilfe zu zehn Fällen des Mordes und zum versuchten Mord, strafbar nach §§ 211, 22, 27 StGB).

3

Die Sache ist dem Senat am 23. Mai 2012 zur Prüfung vorgelegt worden, ob die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus aufrechterhalten werden darf (§§ 121, 122 [X.]). Der Beschuldigte hat außerdem am 24. Mai 2012 Beschwerde gegen den Haftbefehl erhoben.

II.

4

Auf die Haftbeschwerde des Beschuldigten ändert der Senat den Haftbefehl wie aus der [X.] ersichtlich ab, denn der Beschuldigte ist der Beihilfe zum Mord in neun Fällen und nicht - wie im Beschluss vom 15. Mai 2012 angenommen - zum Mord in zehn Fällen und zum Mordversuch dringend verdächtig (§ 112 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Soweit sich das Rechtsmittel des Beschuldigten gegen den Bestand des Haftbefehls in dem danach verbleibenden Umfang richtet, ist es gegenstandslos.

5

1. Ist eine Haftbeschwerde eingelegt und steht gleichzeitig das besondere Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 [X.] an, so kommt diesem grundsätzlich der Vorrang zu, denn es führt zu einer umfassenden Überprüfung der Frage der [X.]. Durch die Entscheidung im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 [X.] erledigt sich eine Haftbeschwerde deshalb grundsätzlich von selbst; sie wird gegenstandslos ([X.], Beschluss vom 12. November 1991 - 1 Ws 912/91; 1014/91; 1016/91, [X.], 189, 193; [X.], [X.], 54. Aufl., § 122 Rn. 18 mwN). Etwas anderes muss jedoch gelten, soweit die Entscheidung im Haftprüfungsverfahren nicht zu dem Erfolg führen kann, der dem Beschuldigten im Falle einer Beschwerdeentscheidung beschieden wäre.

6

So liegt der Fall hier. Anders als auf eine Haftbeschwerde wäre es dem Senat im besonderen Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 [X.] verwehrt, den zu überprüfenden Haftbefehl wie geschehen abzuändern oder neu zu fassen. Die Entscheidung des Senats wäre vielmehr darauf beschränkt, die Fortdauer der Untersuchungshaft auf der Grundlage des bestehenden Haftbefehls, die Haftverschonung oder die Aufhebung des Haftbefehls anzuordnen (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Februar 2005 - [X.], [X.], 342).

7

2. Nach den bisherigen Ermittlungen ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

8

a) Ende 1997 ergaben sich Hinweise darauf, dass eine von der anderweitig verfolgten [X.] am 10. August 1996 angemietete Garage in [X.] von ihr sowie von [X.] und [X.] - nach kriminalpolizeilichen Erkenntnissen seinerzeit wie [X.] aktive Mitglieder der "[X.]" in der rechtsextremen Vereinigung "[X.] Heimatschutz" - zur Herstellung von Sprengsätzen genutzt wird. Eine Durchsuchung der Garage am 26. Januar 1998, bei der funktionsfähige Rohrbomben sowie insgesamt ca. 1,4 kg TNT aufgefunden wurden, nahmen [X.], [X.] und [X.] zum Anlass, unter Verschleierung ihrer Identität unterzutauchen. Haftbefehle vom 28. Januar 1998 wegen des dringenden Verdachts des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz u.a. konnten nicht vollstreckt werden; die eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden am 15. September 2003 wegen Eintritts der Strafverfolgungsverjährung eingestellt.

9

[X.], [X.] und [X.] kamen nach den Vorfällen in [X.]noch Anfang 1998 überein, sich nunmehr zu einer eigenständigen Gruppierung zusammenzuschließen, sich dabei dem gemeinsamen Ziel der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der [X.] hin zu einem an der [X.] Ideologie ausgerichtetem System unterzuordnen und dieses Ziel künftig aus dem Untergrund heraus mit Waffengewalt weiterzuverfolgen. Den Boden für den angestrebten Systemwechsel wollten sie dadurch bereiten, dass sie durch Mordanschläge auf "Feinde des deutschen Volkes", worunter sie in erster Linie türkischstämmige Einwohner der [X.] sowie Repräsentanten der staatlichen Ordnung wie etwa Polizeibeamte verstanden, ein Klima der Verunsicherung schufen. Zur Kennzeichnung ihres Verbands wählten sie spätestens 2001 den Namen "[X.]" und entwickelten ergänzend hierzu ein "Logo" in Form einer besonders gestalteten Buchstabenfolge "NSU".

b) In Verfolgung der gemeinsam beschlossenen Ziele begingen im Einzelnen nicht ermittelte Mitglieder der Gruppierung unter anderem die nachfolgenden Straftaten.

aa) Unter Verwendung einer Pistole [X.] Kaliber 7,65 mm - am 9. September 2000 und am 27. Juni 2001 auch einer zur scharfen Waffe des Kalibers 6,35 mm umgebauten [X.]reckschusspistole [X.] 315 Auto - verübten sie insgesamt neun Mordanschläge gegen in der [X.] wohnhafte Personen ausländischer Herkunft.

- Am 9. September 2000 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehöriger     [X.]in seinem mobilen Blumenverkaufsstand durch mehrere [X.]üsse.

- Am 13. Juni 2001 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehörigen         Ö.       in den Räumlichkeiten seiner Änderungsschneiderei durch zwei Kopfschüsse.

- Am 27. Juni 2001 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehörigen       T.       in den Räumlichkeiten seines Gemüsehandels durch drei Kopfschüsse.

- Am 29. August 2001 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehörigen   K.   in den Räumlichkeiten seines Gemüsehandels durch zwei Kopfschüsse.

- Am 25. Februar 2004 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehörigen      Tu.    in einer Imbissstube, in der er an diesem Tage aushalf, durch drei Kopfschüsse.

- Am 9. Juni 2005 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehörigen     [X.]in den Räumen seiner Imbissstube durch Kopfschüsse.

- Am 15. Juni 2005 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehörigen       B.        in den Räumlichkeiten seines [X.]lüsseldienstes durch Kopfschüsse.

- Am 4. April 2006 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehörigen        Ku.     in dem von ihm betriebenen [X.]osk durch zwei Kopfschüsse.

- Am 6. April 2006 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehörigen     [X.].    in den Räumlichkeiten eines Internet-Cafés durch zwei Kopfschüsse.

bb) Unter Verwendung von Pistolen [X.] 35 Kaliber 9 mm und [X.] [X.] töteten sie am 25. April 2007 gegen 14.00 Uhr in [X.] die im Einsatz befindliche Polizeibeamtin      [X.].        durch einen Kopfschuss, verletzten den sie begleitenden Polizeibeamten      A.    durch einen weiteren Kopfschuss schwer und brachten deren Dienstwaffen und andere Polizeiausrüstung in ihren Besitz.

c) Auch der Beschuldigte war aktives Mitglied der "[X.]". Ihm war bekannt, dass [X.], [X.] und [X.] Anfang 1998 wegen des Bombenfundes in der von ihnen genutzten Garage untergetaucht und nunmehr entschlossen waren, aus dem Untergrund heraus mit Waffengewalt auf eine Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der [X.] hinzuwirken. In der Absicht, [X.], [X.] und [X.] in finanzieller und logistischer Hinsicht zu unterstützen, hielt er gleichwohl die Verbindung mit ihnen aufrecht. Zur Verschleierung nach außen bediente er sich dabei der Hilfe von Mittelsleuten, so des anderweitig verfolgten      [X.].   , den er beauftragte, regelmäßigen fernmündlichen Kontakt zu den Genannten zu halten. Unter anderem gewährte er [X.], [X.] und [X.] seine Unterstützung in den beiden nachfolgenden, den Gegenstand des Haftbefehls bildenden Fällen:

(1) Anlässlich eines Telefonats mit      [X.].    in der zweiten Jahreshälfte 1999 äußerte [X.] oder [X.] den Wunsch nach einer Pistole nebst [X.]alldämpfer und Munition. Davon in Kenntnis gesetzt beauftragte der Beschuldigte       [X.].   , sich an den [X.].    zu wenden und bei diesem die gewünschte Waffe zu bestellen.       Sc.    besorgte über einen Mittelsmann eine Pistole [X.], Kaliber 7,65 mm, einen passenden [X.]alldämpfer und 50 [X.]uss Munition. Anschließend verkaufte er Waffe und Zubehör für 2.500 DM an     [X.].   , der den verlangten Kaufpreis zuvor vom Beschuldigten in bar erhalten hatte. Nach Prüfung der Pistole und fernmündlicher Rücksprache mit [X.] oder [X.] wies der Beschuldigte        [X.].    an, die Pistole nebst [X.]alldämpfer und Munition nach [X.].      zu bringen und sie den Genannten dort auszuhändigen. Dem kam       [X.].     bei einem Treffen mit [X.] und [X.] in einem Abbruchhaus in [X.].      nach. Mit der ihnen auf diese Weise verschafften Pistole [X.] verübten Mitglieder des "[X.]" in der Folge die neun Mordanschläge gegen Gewerbetreibende ausländischer Herkunft [oben 2. b) aa)].

Der Beschuldigte rechnete bei seinem Handeln damit, dass die erbetene Waffe zur Tötung von Menschen aus ideologischen Beweggründen eingesetzt werden würde und deren Beschaffung deshalb solche Taten fördern werde. Dies nahm er zumindest billigend in Kauf.

(2) Zwischen dem 1. Mai 2001 und einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahre 2002 übergab der Beschuldigte in seiner Wohnung in [X.]     dem anderweitig verfolgten       [X.]     einen Stoffbeutel mit dem Auftrag, ihn in einer Sporttasche verstaut zu [X.], [X.] und [X.] nach [X.]zu verbringen. Wie der Beschuldigte - zunächst aber nicht      [X.]     - wusste, befanden sich in dem Beutel eine [X.]usswaffe sowie Munition. Am Hauptbahnhof in [X.] wurde      [X.]     von [X.] abgeholt und in die von ihr sowie [X.] und [X.] seit dem 1. Mai 2001 genutzte Wohnung [X.] geführt. Dort händigte      [X.]     die Waffe und die Munition auftragsgemäß an [X.] und [X.] aus.

3. Der Beschuldigte hat sich bislang nicht zur Sache eingelassen. Der dringende Verdacht, er habe [X.] und [X.] die Pistole [X.] besorgt, dadurch die Begehung der neun Mordanschläge objektiv gefördert und subjektiv bei seinem Handeln auch zumindest billigend in Kauf genommen, die zu beschaffende Pistole werde zur Tötung von Menschen aus politischen Beweggründen eingesetzt, ergibt sich aus Folgendem:

a) In der von [X.], [X.] und [X.] zuletzt genutzten Wohnung in [X.] , [X.], wurde im Brandschutt eine Pistole [X.] Kaliber 7,65 mm, (wieder sichtbar gemachte) [X.] 034678, mit aufgesetztem [X.]alldämpfer sichergestellt. Eine kriminaltechnische Vergleichsuntersuchung ergab, dass aus dieser Waffe an [X.] der neun Tatorte aufgefundene Projektile verfeuert worden waren (Gutachten des [X.] vom 6. und vom 7. Dezember 2011 - [X.] - 2011/6242/4; /5; /28).

b)      [X.].    hat bei seinen Vernehmungen am 1. und am 6. Februar 2012 den Sachverhalt im Wesentlichen so wie beschrieben eingeräumt. Er habe die Waffe, den [X.]alldämpfer und die Munition in einem Rucksack mit dem Zug von [X.]nach [X.].      transportiert, wo er von [X.] und [X.] am Gleis abgeholt worden sei. Nach dem Besuch eines Restaurants sei man gemeinsam zu einem nahegelegenen [X.] gegangen, wo er den beiden die Gegenstände übergeben habe. Allerdings sei von einem [X.]alldämpfer anfangs nicht die Rede gewesen. Dessen Vorhandensein habe man erst festgestellt, als der Beschuldigte die Verpackung geöffnet und die Waffe in Augenschein genommen habe; der Beschuldigte habe den [X.]alldämpfer dann aufgeschraubt. [X.] und [X.] seien erstaunt gewesen, dass auch ein [X.]alldämpfer dabeigewesen sei.       Sc.    hat demgegenüber bei seinen Vernehmungen am 25. Januar und 9. Februar 2012 schließlich eingeräumt, eine Person, die er als Begleiter des Beschuldigten gekannt habe, habe von ihm 1999 oder 2000 die Beschaffung einer Pistole nebst Munition sowie ausdrücklich eines [X.]alldämpfers verlangt. Ein Bekannter namens      [X.]     habe ihm darauf für 2.000 DM eine Pistole, einen zugehörigen [X.]alldämpfer sowie etwa 50 [X.]uss Munition besorgt. Diese Gegenstände habe er gegen Zahlung von 2.500 DM in bar an den Begleiter des Beschuldigten weitergegeben. Die Übergabe habe vereinbarungsgemäß auf einem Parkplatz in [X.]im Pkw des [X.] stattgefunden. Bei einer Wahllichtbildvorlage am 9. Februar 2012 hat er       [X.].    als den Abholer und Begleiter des Beschuldigten identifiziert. Aus den an diese Aussage anknüpfenden weiteren, im Einzelnen noch andauernden Ermittlungen ergeben sich deutliche Hinweise darauf, dass es sich bei der Waffe um eine aus [X.] zunächst in die [X.]weiz und dann nach [X.] gelangte Pistole des Typs [X.] Kaliber 7,65 mm handelte.

c) Was die innere Tatseite betrifft, besteht schließlich auch der dringende Verdacht, der Beschuldigte habe es zumindest billigend in Kauf genommen, dass die auf seine Veranlassung besorgte Pistole [X.] zur Tötung von Menschen aus ideologischer Motivation eingesetzt werden würde. Dem Beschuldigten war aus den in den Jahren 1996 und 1997 geführten Diskussionen bekannt, dass [X.], [X.] und [X.] entschlossen waren, sich zur Durchsetzung ihrer Ziele zu bewaffnen (Vernehmungen des      [X.]     vom 1. Dezember 2011, S. 14; 12. Januar 2012, [X.]; 17. Januar 2012, [X.]). Dass er auch in der Folge damit rechnete, es werde von deren Seite zu Gewalttaten unter Verwendung von [X.]usswaffen kommen, wird durch seine Bemerkung gegenüber dem ihn wegen des Unterschiebens der im Stoffbeutel verpackten Pistole zur Rede stellenden      [X.]      belegt, es sei besser, "wenn du nicht weißt, was sie damit vorhaben" (Vernehmungen des       [X.]    vom 25. November 2011, [X.]; 1. Dezember 2011, [X.]. Zu Recht hält es der Ermittlungsrichter des [X.] in diesem Zusammenhang auch für ein wesentliches gegen den Beschuldigten sprechendes Indiz, dass die Ausstattung einer Pistole mit einem [X.]alldämpfer ohne weiteres die Befürchtung erweckt, diese werde genutzt, um in möglichst unauffälliger Weise auf Menschen zu feuern. Auch wenn man insoweit der Aussage des     [X.].     folgt, nahm der Beschuldigte das Vorhandensein des [X.]alldämpfers jedenfalls wie selbstverständlich hin.

4. Demgegenüber besteht nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis kein dringender Verdacht dahin, der Beschuldigte habe Mitgliedern des "[X.]" auch zu dem Mord an der Polizeibeamtin       [X.].         und zu dem versuchten Mord an dem sie begleitenden Polizeibeamten     A.    am 25. April 2007 in [X.] Hilfe geleistet. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass die Überlassung einer der beiden Pistolen diese Tat, wie nach § 27 StGB erforderlich, objektiv in irgendeiner Weise erleichtert oder gefördert hat (vgl. hierzu [X.], StGB, 59. Aufl., § 27 Rn. 14 mwN), lassen sich nicht erkennen.

Projektile, die aus der Pistole [X.] verfeuert worden waren, fanden sich an diesem Tatort nicht. Ob eine der nach dem Ergebnis der kriminaltechnischen Untersuchungen dort verwendeten Pistolen [X.] 35 und [X.] TT3 diejenige war, welche     [X.]     im Auftrag des Beschuldigten an [X.] und [X.] übergeben hatte, bleibt nach gegenwärtigem Erkenntnisstand offen. Der insoweit aussagebereite      [X.]     konnte diese bei seiner Vernehmung am 21. Dezember 2011 - etwa zehn Jahre nach dem Geschehen - unter den ihm vorgelegten Waffen nicht identifizieren. Soweit der Haftbefehl darauf abstellt, der Beschuldigte habe durch die Überlassung der Pistolen und der Munition die Verfügungsmöglichkeiten der Mitglieder des "[X.]" über [X.]usswaffen erweitert, vermag der Senat nicht zu erkennen, wie allein dadurch die Tat am 25. April 2007 objektiv erleichtert oder gefördert worden sein sollte (vgl. hierzu bereits Senat, Beschluss vom 25. Mai 2012 - AK 14/12).

Soweit der Ermittlungsrichter des [X.] daneben auch den dringenden Verdacht der psychischen Beihilfe bejaht, weil der Beschuldigte durch sein Handeln zu erkennen gegeben habe, er stehe hinter den Zielen des "[X.]" und der in Verfolgung dieser Ziele ausgeübten Gewalt, bleibt bereits offen, ob es für diese Gruppierung bei der Planung und bei der Ausführung ihrer Taten überhaupt maßgeblich war, dabei gerade auch beim Beschuldigten Rückhalt zu finden. So ist den Aussagen von      [X.]    vom 1. Dezember 2011, 12. Januar 2012 und 17. Januar 2012 zu entnehmen, dass sich "die Drei" während der ab 1996 geführten Strategiediskussionen, was ihre Person betrifft, für eine Bewaffnung entschieden, ungeachtet dessen, dass     [X.]     und damals auch der Beschuldigte einen solchen Weg ablehnten (vgl. auch hierzu bereits Senat aaO).

III.

Der Haftbefehl trägt auch in dem verbleibenden Umfang die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus.

1. Es besteht jedenfalls der Haftgrund der [X.]werkriminalität (§ 112 Abs. 3 [X.]). Nach den Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, dass ohne den Vollzug der Untersuchungshaft die alsbaldige Ahndung und Aufklärung der Tat gefährdet wäre. Durch weniger einschneidende Maßnahmen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 [X.]). Der Senat verweist insoweit auf die eingehenden Darlegungen in der Haftentscheidung des Ermittlungsrichters des [X.] vom 15. Mai 2012, an deren Gültigkeit sich zwischenzeitlich nichts geändert hat.

2. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 [X.]) liegen vor. Die besondere [X.]wierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen. Insbesondere dauert die Auswertung von insgesamt 158 Bänden Ermittlungsakten zu den geschilderten, den Tatvorwurf mitbegründenden neun Mordanschlägen - erforderlich zur sicheren Abklärung, ob diese als Haupttaten Mitgliedern des "[X.]" zuzurechnen sind - noch an. Im Rahmen der Ermittlungen nach der Herkunft der Pistole [X.] waren ein Rechtshilfeersuchen an die [X.]weiz und daran anschließend ebenfalls im [X.] zu erledigende Durchsuchungen bei drei dort aufhältigen Personen sowie deren Vernehmung notwendig. Im Einzelnen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffende Darstellung des [X.] in der Zuschrift des [X.] vom 22. Mai 2012.

Das Verfahren ist danach bisher mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.

3. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe.

[X.]

Meta

AK 18/12, StB 7/12

14.06.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StB

§ 121 StPO, § 122 StPO, § 304 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2012, Az. AK 18/12, StB 7/12 (REWIS RS 2012, 5612)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5612

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