Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2012, Az. AK 17/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 5602

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
____________
AK 17/12
vom
14. Juni 2012
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen
Unterstützung einer terroristischen Vereinigung

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am 14. Juni 2012 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:

Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 23. November 2011 (3 [X.]) wird aufgehoben.

Der Beschuldigte ist in dieser Sache freizulassen.

Gründe:
I.

Der Beschuldigte wurde am 24. November 2011 aufgrund des [X.] des [X.] vom 23. November 2011 (3 [X.]) festgenommen. Er befindet sich seitdem ununterbrochen in [X.].

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe in der [X.] von 25. April 2007 bis 4. November 2011 in [X.]

durch zwei recht-lich selbständige Handlungen jeweils eine Vereinigung unterstützt, deren Zweck und deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord oder Totschlag zu begehen und Sprengstoffexplosionen herbeizuführen (Unterstützung einer ter-roristischen Vereinigung, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 StGB). In einem dieser Fälle habe er tateinheitlich hierzu eine Schrift herge-stellt, die die Menschenwürde anderer dadurch angreife, dass Teile der Bevöl-1
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kerung böswillig verächtlich gemacht werden, um einem anderen zu ermögli-chen, sie zu verbreiten (Volksverhetzung, § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d StGB), sowie einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat
-
Billigung von Straftaten -
Hilfe geleistet (Beihilfe zur Billigung von Straftaten, §
27, § 140 Nr. 2 StGB).

Nach mündlicher Haftprüfung am 5. Januar 2012 hat der [X.] des
[X.] den Haftbefehl durch Beschluss vom 10. Januar 2012 (3 [X.] 14/12) aufrechterhalten.

II.

Die Prüfung, ob die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus [X.] darf (§§ 121, 122 StPO), führt zur Aufhebung des Haftbefehls, denn der Beschuldigte ist der ihm vorgeworfenen Straftaten nach derzeitigem [X.] jedenfalls nicht dringend verdächtig im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO.

1. Nach den bisherigen Ermittlungen ist von folgendem Sachverhalt [X.]:

a) Ende 1997
ergaben sich Hinweise darauf, dass eine von der ander-weitig verfolgten [X.] am 10. August 1996 angemietete Garage in [X.]
von ihr sowie von [X.] und [X.] -
nach kriminalpoli-zeilichen Erkenntnissen seinerzeit wie [X.]
aktive Mitglieder der "[X.]" in der rechtsextremen Vereinigung "[X.] Heimatschutz" -
zur Herstellung von Sprengsätzen genutzt wird. Eine Durchsuchung der Garage am 26. Januar 1998, bei der funktionsfähige Rohrbomben sowie insgesamt ca. 1,4 3
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kg TNT aufgefunden wurden, nahmen [X.], [X.] und [X.]
zum Anlass, unter Verschleierung ihrer Identität unterzutauchen. Haftbefehle vom 28. Januar 1998 wegen des dringenden Verdachts des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz u.a. konnten nicht vollstreckt werden; die eingeleiteten [X.] wurden am 15. September 2003 wegen Eintritts der [X.] eingestellt.

[X.], [X.] und [X.] kamen nach den Vorfällen in [X.] noch Anfang 1998 überein, sich nunmehr zu einer eigenständigen Gruppierung zusammenzuschließen, sich dabei dem gemeinsamen Ziel der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der [X.] hin zu einem an der [X.] Ideologie ausgerichtetem System unterzu-ordnen und dieses Ziel künftig aus dem Untergrund heraus mit Waffengewalt weiterzuverfolgen. Den Boden für den angestrebten Systemwechsel wollten sie dadurch bereiten, dass sie durch Mordanschläge auf "Feinde des deutschen Volkes", worunter sie in erster Linie türkischstämmige Einwohner der [X.] sowie Repräsentanten der staatlichen Ordnung wie etwa Polizeibeamte verstanden, ein Klima der Verunsicherung schufen. Zur [X.] wählten sie spätestens 2001 den Namen "[X.]" und entwickelten ergänzend hierzu ein "Logo" in Form einer besonders gestalteten Buchstabenfolge "[X.]".

b) In Verfolgung der gemeinsam beschlossenen Ziele begingen im [X.] nicht ermittelte Mitglieder der Gruppierung die nachfolgenden Straftaten.

aa) Unter Verwendung einer Pistole [X.] Kaliber 7,65 mm -
am 9.
September 2000 und am 27. Juni 2001 auch einer zur scharfen Waffe des Kalibers 6,35 mm umgebauten Schreckschusspistole [X.] 315 Auto -
verübten 7
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sie insgesamt neun Mordanschläge gegen in der [X.] wohnhafte Personen ausländischer Herkunft.

-

Am 9. September 2000 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsan-gehöriger

S.

in seinem mobilen Blumenverkaufsstand durch mehrere Schüsse. Von dem niedergestreckten Opfer fertigten sie Bild-aufnahmen.

-

Am 13. Juni 2001 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehöri-gen

Ö.

in den Räumlichkeiten seiner [X.] durch zwei Kopfschüsse. Auch hier
lichteten sie das Opfer nach der Tat ab.

-

Am 27. Juni 2001 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehöri-gen

T.

in den Räumlichkeiten seines Gemüsehandels durch drei Kopfschüsse. Vom Opfer fertigten sie nach der Tat ebenfalls Bildaufnahmen.

-

Am 29. August 2001 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsange-hörigen

K.

in den Räumlichkeiten seines Gemüsehandels durch zwei Kopfschüsse.

-

Am 25. Februar 2004 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsange-hörigen

Tu.

in einer Imbissstube, in der er an diesem Tage aushalf, durch drei Kopfschüsse.

-

Am 9. Juni 2005 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehöri-gen

Y.

in den Räumen seiner Imbissstube durch Kopfschüsse.
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-

Am 15. Juni 2005 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsange-hörigen

B.

in den Räumlichkeiten seines [X.] durch Kopfschüsse.

-

Am 4. April 2006 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehöri-gen

Ku.

in dem von ihm betriebenen Kiosk durch zwei Kopfschüsse.

-

Am 6. April 2006 töteten sie in [X.] den [X.] Staatsangehörigen

Yo.

in den Räumlichkeiten eines [X.]-Cafés durch zwei Kopfschüsse.

bb) Weiter begingen im Einzelnen nicht ermittelte Mitglieder der Gruppie-rung zwei Sprengstoffanschläge:

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Zwischen Dezember 2000 und dem 19. Januar 2001 hinterließen sie ei-nen in eine Blechdose eingebauten Sprengsatz in dem [X.] Le-bensmittelgeschäft des

M.

in Köln. Dieser detonierte dort am 19. Januar 2001 und verletzte die 19-jährige Tochter des Inhabers schwer.

-
Am 9. Juni 2004 stellten sie auf dem Gehweg vor dem Friseurgeschäft des [X.] Staatsangehörigen

Yi.

in Köln-Mühlheim ein Fahrrad ab, auf dessen Gepäckträger sich ein Metallbehälter mit ei-nem Sprengsatz und [X.] in Form von ca. 700 etwa 10 cm langen Zimmermannsnägeln befand. Diesen Sprengsatz brachten sie anschließend ferngezündet zur Detonation. Durch herumfliegende [X.]
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tallsplitter und Nägel wurden 22 Personen zum Teil lebensgefährlich verletzt.

cc) Unter Verwendung von Pistolen [X.] 35 Kaliber 9 mm und To-karew TT3 Kaliber 9 mm töteten sie am 25. April 2007 gegen 14.00 Uhr in [X.] die im Einsatz befindliche Polizeibeamtin

Ki.

durch ei-nen Kopfschuss, verletzten den sie begleitenden Polizeibeamten

A.

durch einen weiteren Kopfschuss schwer und brachten deren Dienstwaffen und andere Polizeiausrüstung in ihren Besitz.

dd) Zur Beschaffung der für die Vereinigung und für den Lebensunterhalt ihrer Mitglieder notwendigen finanziellen Mittel begingen Mitglieder des "[X.]"
schließlich mindestens drei Banküberfälle.

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Am 5. Oktober 2006
gegen 12.00 Uhr betrat ein unbekanntes Gruppen-mitglied die Filiale der Sparkasse in der

straße in [X.]

und forderte unter Vorhalt eines Revolvers [X.] 3831 Kaliber .38 Spezial die Herausgabe von Bargeld. Vom dort beschäftigten Auszubil-denden R.

deshalb körperlich angegriffen, feuerte der Täter auf die-sen und verletzte ihn durch einen Bauchschuss schwer. Danach [X.] er ohne Beute.

-
Am 7. September 2011 gegen 8.50 Uhr begaben sich zwei Personen in die Filiale der Sparkasse in Ar.

und forderten unter [X.] zweier Pistolen, eines Revolvers und einer Handgranate die Her-ausgabe von Bargeld. Weiter verletzten sie eine Bankangestellte durch Schläge. Auf diese Weise erreichten sie die Aushändigung von ca.

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-
Am 4. November 2011 gegen 9.15 Uhr überfielen [X.] und [X.] unter Verwendung von Schusswaffen die Filiale der Sparkasse am

platz in Ei.

c) Spätestens im Jahre 2001 entschloss sich der "[X.]", die begangenen Anschläge auch propagandistisch zu verwerten. Hierzu entwickelten entweder im Einzelnen nicht bekannte Mitglieder -
alleine oder mit Unterstützung Dritter -
oder Außenstehende in deren Auftrag nach und nach eine ca. 15-minütige Videosequenz. Deren Grundlage bilden mehrere im [X.] verfügbare Folgen der Comic-Serie "[X.]"; eingearbeitet sind u.a. der Namenszug "[X.]", das Logo "[X.]", Bekenntnisse zu den einzelnen Mord-
und Sprengstoffanschlägen in verherrli-chender Form sowie die drei oben genannten [X.]. Unter dem Schriftzug "Heute [X.]" wird weiter eine Gruppe von Personen südländischen Aussehens dargestellt, deren Köpfe von Spießen durchbohrt sind. Ferner findet sich eine Montage mit einem der Presse entnommenen Lichtbild der in [X.] getöteten Polizeibeamtin und der Abbildung einer der bei dieser Tat entwendeten Dienstwaffen. Diesen Videofilm brachten sie am 22.
Dezember 2007 auf eine DVD auf, von der sie etwa 50 Exemplare herstell-ten. Anfang November 2011 traf die Gruppierung schließlich Vorbereitungen zur Versendung der DVD insbesondere an [X.]ungsredaktionen und an [X.] und kulturelle Vereinigungen türkischstämmiger Personen in [X.]. Nach Entdeckung ihrer Beteiligung an dem Überfall auf die Filiale der Sparkas-se
in Ei.

nahmen sich [X.] und [X.]
indes noch am 4.
November 2011 in dem bei der Tatausführung benutzten Wohnmobil das Leben. Hiervon auf unbekanntem Wege benachrichtigt, setzte [X.] wenige Stunden später die von ihr sowie [X.] und [X.]
zuletzt bezogene 13
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Wohnung in [X.]

, F.

straße 26, in [X.], um mögliche Beweismittel zu vernichten. Einen Teil der dort gelagerten versandfertigen DVDs nahm sie an sich und gab sie an den folgenden Tagen zur Post; zwölf Sendungen konn-ten bei den vorgesehenen Empfängern sichergestellt werden.

d) Der der rechtsextremen Szene im Raum [X.] zugehörige Beschuldigte kam mit [X.], [X.] und [X.]
-
insoweit abweichend von der Darstellung in den Haftentscheidungen -
im Jahre 1998 über den an-derweitig verfolgten

Bu.

in Kontakt, in dessen Wohnung in C.

die Genannten nach ihrem Untertauchen für einige Wochen unterge-kommen waren. Es entwickelte sich ein enges persönliches Verhältnis, in das nachfolgend auch die Ehefrau des Beschuldigten,

E.

, einbezo-gen wurde. Beruflich befasste sich der Beschuldigte seit Umschulungsmaß-nahmen im [X.]raum von August 2001 bis August 2003 u.a. mit der [X.], Film-
und Tonaufnahmen und deren anschließender [X.]. Entsprechende selbständige Tätigkeiten hatte er von 1. Sep-tember 2006 bis 16. April 2007 unter der Firma "[X.]

" (A.

E.

Me-diendigitalisierung) und erneut ab 1. April 2010 unter der Firma "X. M.

"

beim Gewerbeamt der [X.] [X.]

angemeldet.

Entweder der Beschuldigte und seine Ehefrau

E.

oder mit beider Billigung [X.] und [X.] beantragten am 8. Mai 2009 sog. Partner-Bahncards der [X.], die absprachegemäß [X.] und [X.] zur Verfügung stehen sollten. Die Bahncards lauteten ebenso wie die 2010 und 2011 ausgestellten Folgekarten antragsgemäß auf die Persona-lien des Beschuldigten bzw. seiner Ehefrau, waren aber mit den bei [X.] eingereichten Lichtbildern von [X.] bzw. [X.] versehen. [X.] waren sie auf Konten des Beschuldigten bei der Kreissparkasse Au.

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bzw. bei der Commerzbank [X.]

, von denen jeweils der pro Beschuldigten ausgestellte und mit dem Lichtbild von [X.] versehene Karte wurde in dem
anlässlich des [X.] in Ei.

benutzten Wohnmobil aufgefunden.

2. a) Der Ermittlungsrichter des [X.] hält den [X.] im Haftbefehl und im [X.] für dringend verdächtig, den "[X.]" als terroristische Vereinigung zum einen dadurch unterstützt zu haben, dass er sich zwischen dem 25. April 2007 (letzte im Videofilm thematisierte Tat) und dem 27. Dezember 2007 (Erstellungsdatum der DVD laut gespeicherter Dateiinformation) an der Herstellung des auf die DVD kopierten [X.] beteiligt habe. Dies begründe nach dessen Inhalt zugleich den dringenden Verdacht der Volksverhetzung und der Beihilfe zur Billigung von Straftaten.

Ausgehend hiervon sei der Beschuldigte eines weiteren Falles der Un-terstützung einer terroristischen Vereinigung deshalb dringend verdächtig, weil er [X.] und [X.] die Benutzung der Bahncards mit hoher Wahr-scheinlichkeit in Kenntnis dessen ermöglicht habe, dadurch -
wie sich schon aus dem Inhalt des Films erschließt -
die Aktivitäten einer Gruppierung zu [X.], deren Ziele auf die Begehung von Mord-
und Sprengstoffanschlägen ge-richtet waren.

b) Dem kann sich der [X.] nicht anschließen. Der Beschuldigte, der von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, ist bei einer Gesamtschau der nach gegenwärtigem Ermittlungsstand für und gegen ihn 16
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sprechenden Beweisanzeichen der ihm vorgeworfenen Taten jedenfalls nicht dringend
verdächtig.

aa) Mitwirkung bei der Herstellung des [X.]

(1) Auch der Ermittlungsrichter des [X.] hält es [X.] nicht für belegbar, dass der Videofilm unter Benutzung der beim [X.] sichergestellten Rechner und anderen Datenträger angefertigt [X.]. Zwar fanden sich auf einem Laptop Bilddateien, die Szenen aus diesem Film sowie Lichtbilder einzelner Tatopfer enthalten. Nach den weiteren Ermitt-lungen handelt es sich insoweit aber um Bildmaterial aus Presseveröffentli-chungen nach dem 4. November 2011, das sich zwischen dem 4. und dem 18.
November 2011 bei Recherchen im [X.] selbständig im [X.] des Programms speicherte (Bericht des [X.] vom 23. Dezem-ber 2011, vorläufiger Auswertevermerk zu den beim Beschuldigten sicherge-stellten Datenträgern). Weiter war der im Film für die Gestaltung der Texte ver-wendete Schriftzeichenvorrat "[X.]" weder auf den Rechnern des Beschuldigten installiert noch sonst auf den bei ihm aufgefundenen [X.] vorhanden; ebenso wenig konnten unter Verwendung dieser Schriftart erstellte Text-
oder andere Dokumente nachgewiesen werden (Untersuchungs-bericht des Kriminalistischen Instituts des [X.] Nr. 1 vom 23.
Dezember 2011). Schließlich ergaben sich bei der Untersuchung der [X.] auch keine Hinweise darauf, dass die auf den Videofilm bezogenen Dateien, wie sie auf der in der Wohnung F.

straße 26 sichergestellten Festplatte gespeichert waren (dazu nachfolgend), mit der [X.] Ausrüstung des Beschuldigten geöffnet oder bearbeitet worden wären (aaO).

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Es lässt sich auch keine hinreichend gesicherte Aussage dahin treffen, dass der am 27. Dezember 2007 auf die DVD kopierte Videofilm -
sei es durch den Beschuldigten, sei es durch eine andere Person -
unter Zuhilfenahme der in der Wohnung F.

straße 26 vorgefundenen [X.] Ausrüs-tung hergestellt wurde. Zwar war auf der dort asservierten Festplatte in den Ordnern "aktuelle version 1107"
und "[X.] Video stand 140108" mit [X.] jeweils bereits der
Videofilm in der aus der DVD ersichtlichen Fassung gespeichert; darüber hinaus finden sich dort mehrere Vorläuferversionen zu einzelnen Filmsequenzen, etwa unter "Altes Videomate-rial"
Videodateien mit den [X.] und 28. Oktober 2001 (Be-richt des [X.] vom 5. Dezember 2011, Auswertung Asservat [X.]). Der [X.] "[X.]"
war indes nach dem oben zitierten Untersuchungsbericht Nr. 1 auch auf den hier vorgefundenen Datenträgern nicht auffindbar. Mehrere Lücken ergaben sich auch beim Nachweis der [X.], die in die Endfassung des Films Eingang fanden und deshalb bei der Bearbeitung vorliegen mussten.

(2) Der Ermittlungsrichter des [X.] gründet seine An-nahme, gegen den Beschuldigten bestehe dringender Tatverdacht,
vielmehr im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

Um einen digitalen Videofilm in der vorliegenden Qualität herstellen, ins-besondere wie geschehen Zeichentrickfilme, Nachrichtensendungen und [X.] aus Printmedien zusammenfügen zu
können, bedürfe es umfassender Kenntnisse und Erfahrungen. Einer Person, die sich nur gelegentlich mit der Mediendigitalisierung beschäftige, sei dies nicht möglich. Im Umfeld des "Nati-onalsozialistischen Untergrunds"
verfüge -
aufgrund seiner beruflichen
Tätig-keit -
allein der Beschuldigte über die erforderlichen Fähigkeiten. [X.], 21
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[X.] und [X.] seien selbst nicht in der Lage gewesen, die Videose-quenz herzustellen.

Bestätigt werde dies dadurch, dass [X.], [X.] und [X.] auch sonst auf die technischen Dienstleistungen des Beschuldigten zurückge-griffen hätten. So sei in der Wohnung F.

straße 26 eine (leere) [X.] mit der Bezeichnung "Familien DVD´s Teil 1"
aufgefunden worden. Diese trage den Aufdruck der Firma "[X.]

"
sowie handschriftliche Vermerke zu deren Leistungsangebot, was für eine Auftragsarbeit spreche. Es erscheine ausgeschlossen, dass der Beschuldigte eine solche Hülle verwendet hätte, wenn er lediglich (von sich aus) im Rahmen der bestehenden freundschaftli-chen Beziehung eine von ihm aufgenommene DVD über familiäre Ereignisse übergeben hätte.

Zudem werde die Zusammenarbeit des Beschuldigten mit [X.], [X.] und [X.] in technischer Hinsicht ebenso wie ein zwischen ihnen praktizierter Datenaustausch dadurch belegt, dass die [X.] auf den zwei Festplatten des Beschuldigten und der in der Wohnung F.

straße 26 si-chergestellten Festplatte hinsichtlich eines Unterordners "bilder"
und dessen 16 weiteren Unterordnern identisch seien und
auch dieselben Dokumente enthiel-ten. Dabei handele es sich teils um Bild-
und Textdateien, die aus dem persön-lichen Bereich des Beschuldigten und seiner Ehefrau herrührten. Daneben [X.] sich aber auch Material rechtsextremen Inhalts wie eine Bilddarstellung mit dem Schriftzug "Es ist nicht alle Tage wir kommen wieder keine Frage", der in vergleichbarer Form ("Heute"
statt "Es") auch in Vorgängerversionen des [X.] erscheine. Danach bestünden ungeachtet dessen, dass sich -
wie oben ausgeführt -
ein Datentransfer konkret nicht belegen lasse, deutliche Anhalts-punkte für Zugriffsmöglichkeiten des Beschuldigten auf die von [X.], 24
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[X.] und [X.] benutzte [X.]. Einen solchen Zugriff hätte man ihm, schon wegen der auf der Festplatte gespeicherten Vorläuferversionen
der Tatbekenntnisse nicht ermöglicht, wenn er nicht in die Ziele der Gruppie-rung eingeweiht gewesen wäre. Auch diese Umstände sprächen für eine Zu-sammenarbeit bei der Herstellung des [X.].

(3) Vor dem Hintergrund des übrigen Ermittlungsergebnisses verlieren diese Beweisanzeichen bei näherem Hinsehen indes deutlich an Überzeu-gungskraft.

Soweit der Ermittlungsrichter des [X.] darauf abstellt, zur Herstellung eines solchen digitalen [X.] bedürfe es
umfassender [X.] und Erfahrungen, die sich allein durch eine gelegentliche Befassung mit Angelegenheiten der Mediendigitalisierung nicht erwerben ließen, ist zu be-rücksichtigen, dass sich die Arbeiten an dem Film insgesamt über Jahre er-streckten. In
einem solchen [X.]raum könnte auch ein anfänglicher Laie seine Kenntnisse vervollkommnen, ohne in diesem Bereich beruflich tätig zu sein. Darüber hinaus ergibt sich aus den Bekundungen des Zeugen

Sch.

, dass
jedenfalls [X.] durchaus Fachwissen auf dem Gebiet der Computertechnologie aufwies, was er dem Zeugen gegenüber mit der Arbeit in einem Computerladen erklärte. Gleichermaßen hat der anderweitig verfolgte

Bu.

am 29. November 2011 ausgesagt, [X.] habe sich mit Computern gut ausgekannt und Layouts für rechte [X.]ungen gestaltet. Im Übrigen spricht auch wenig dafür, dass der Beschuldigte in der [X.], in welcher der Film entstand, schon über eine durch berufliche Befassung erworbene be-sondere praktische Erfahrung auf dem Gebiet der Mediendigitalisierung und der
Herstellung digitaler Videofilme verfügte. Wie ausgeführt, lagen einzelne Vor-läuferversionen des Films bereits seit 9. März bzw. 28. Oktober 2001 vor; die 26
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endgültige Fassung trägt das Datum 3. Dezember 2007. Die Umschulung des Beschuldigten zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung begann erst am 1. August 2001. Zuvor war er ab 1996, unterbrochen durch seinen Wehr-dienst, als [X.] tätig. Bereits wenige Wochen nach Beendigung der [X.] ließ er sich zum Berufskraftfahrer ausbilden und arbeitete anschließend bei Speditionen, bis er sich schließlich Mitte 2006 mit der Firma "[X.]

"
selbständig machte. Deren Geschäftstätigkeit blieb nach Aktenlage eher beschränkt.

Der [X.] vermag auch der in der Wohnung F.

straße 26 aufge-fundenen [X.] keinen wesentlichen Beweiswert zuzumessen. Allein das Vorhandensein der Hülle lässt keinen Rückschluss darauf zu, ob der Beschul-digte darin eine im Auftrag von [X.], [X.] und [X.] hergestellte DVD übergeben oder diesen etwa eigene, aus persönlichem Anlass gefertigte Aufnahmen überlassen hatte. Der angebrachte handschriftliche Vermerk be-schränkte sich darauf, einem auf die Hülle ohnehin aufgedruckten längeren Angebotskatalog den Punkt "[X.]"
hinzuzufügen (Asservat 2.12.1; Vermerk des [X.] hierzu vom 14. November 2011). Ob der Beschuldigte damit überhaupt beabsichtigte, [X.], [X.] oder [X.] über sein Spektrum zu informieren, bleibt offen, denn es ist in [X.] zu ziehen, dass er den Vermerk allgemein auf den bei ihm vorrätigen Hüllen angebracht hatte. Dies gilt umso mehr, als es angesichts der langjähri-gen engen persönlichen Beziehungen des Beschuldigten zu [X.], [X.] und
[X.] eines besonderen schriftlichen Hinweises auf seine [X.] aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin nicht mehr bedurft hätte.

Soweit die in der Wohnung F.

straße 26 sichergestellte Festplatte Dateistrukturen und aus der Sphäre des Beschuldigten herrührende Dateien 28
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aufwies, die jeweils identisch waren mit den auf den Festplatten des Beschul-digten gesicherten, belegt das zwar, dass insoweit ein Datentransfer stattfand. Allein dies bietet aber keine zureichende tatsächliche Grundlage für die An-nahme, der Beschuldigte habe auf die [X.], [X.] und [X.] zuzu-ordnende Festplatte Zugriff gehabt. Zu den Sequenzen im Videofilm hatten die festgestellten Dateien keinen Bezug. Dies gilt auch für die in den Film und die Vorgängerversionen so
nicht eingeflossene Bilddarstellung mit dem Schriftzug "". Sie trägt den Dateinamen "hkshirt"
und befindet sich neben anderen Bilddateien mit dem Namensbestandteil "shirt"
im Unterordner "hatecore"
(Bericht des [X.] vom 23. Dezember 2011, vorläufi-ger Auswertevermerk zu den beim Beschuldigten sichergestellten [X.]). Damit ergeben sich Bezüge zu dem vom Beschuldigten unter der Be-zeichnung "C.

M.

"
wohl ab 2008 ebenfalls betriebenen Online-Verkauf szenetypischer Kleidung (vgl. Vermerk des [X.] vom 14. November 2011, Erkenntnisse zu den Personen A.

und S.

E.

).

bb) Überlassung der Bahncards

Nach Obigem ist der Beschuldigte auch nicht dringend verdächtig, bei der Überlassung der Bahncards gewusst oder zumindest damit gerechnet zu haben, eine Gruppierung zu unterstützen, deren Ziele auf die Begehung terro-ristischer Anschläge gerichtet waren. Zwar stand der Beschuldigte zu [X.], [X.] und [X.]
in einer langjährigen engen und freundschaftli-chen Beziehung. Konkrete Tatsachen, die belegen könnten, dass der Beschul-digte von deren Vorleben und den von ihnen verübten Taten wenigstens in Grundzügen Kenntnis hatte, und die hinreichend sichere Schlüsse darauf zu-ließen, zu welcher Einschätzung er im hier maßgeblichen [X.]raum ab Mai 2009
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in Bezug auf mögliche politisch motivierte Straftaten der Genannten gegen das Leben anderer gelangt war, lassen sich dem [X.] indes auch jenseits der bereits erörterten Frage einer Mitwirkung bei der Herstellung des [X.] nicht entnehmen. So bleibt nach den im Übrigen umfassenden Aussagen des

Bu.

schon offen, ob der Beschuldigte zu irgendeinem [X.]-punkt den Grund des [X.] von [X.], [X.] und [X.], insbesondere ihren Umgang mit Sprengstoff, in Erfahrung gebracht hatte.

3. Zur Klarstellung weist der [X.] darauf hin, dass sich durch vorlie-gende Entscheidung nichts an der Ermittlungszuständigkeit des [X.] ändert; denn gegen den Beschuldigten besteht jedenfalls der [X.] einer terroristischen Vereinigung fort (§
142a Abs.
1 Satz
1, §
120 Abs.
1 Nr.
6 GVG).

Becker Hubert Mayer
32

Meta

AK 17/12

14.06.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2012, Az. AK 17/12 (REWIS RS 2012, 5602)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5602

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