Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.08.2018, Az. 5 C 6/17

5. Senat | REWIS RS 2018, 4850

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Gegenstand

Anforderungen an eine entsprechende Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG


Leitsatz

1. Eine neben dem gymnasialen Unterricht durchgeführte berufsspezifische Zusatzausbildung ist jedenfalls bei dem im Rahmen der Entsprechensprüfung des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG vorzunehmenden Vergleich des Lehrstoffs zu berücksichtigen.

2. Eine solche Zusatzausbildung kann die Wahl einer auswärtigen Ausbildungsstätte rechtfertigen, wenn sie der förderungsfähigen auswärtigen Ausbildungsstätte zuzurechnen und objektiv geeignet ist, den künftigen beruflichen Werdegang des Auszubildenden erheblich zu fördern.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für den Besuch der 10. Klasse eines Gymnasiums Ausbildungsförderung ("[X.]") beanspruchen kann.

2

Die Klägerin, deren Mutter in [X.] lebt, hatte im streitgegenständlichen Zeitraum ihren ständigen Wohnsitz bei ihrem Vater in [X.] Seit der 8. Klasse besuchte sie die von der Wohnung des [X.] rund 90 km entfernt liegende [X.] in W. Mit Beginn der 9. Klasse nahm die Klägerin parallel zum gymnasialen Unterricht an einer von der [X.] angebotenen handwerklichen Ausbildung zur Holzbildhauerin teil, die auf den Erwerb des Gesellenbriefs ausgerichtet ist. Während der Unterrichtszeit war die Klägerin in dem der Schule angeschlossenen Internat untergebracht.

3

Den von der Klägerin gestellten Antrag, ihr für den Besuch der 10. Klasse im Schuljahr 2014/2015 Ausbildungsförderung zu bewilligen, lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, von der Wohnung des [X.] sei in Gestalt des [X.] eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte erreichbar.

4

Die von der Klägerin nach Zurückweisung des Widerspruchs erhobene Verpflichtungsklage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

5

Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch auf Ausbildungsförderung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] scheitere am Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.], da das von der Wohnung des [X.] mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Umsteigen in etwa 20 Minuten erreichbare [X.] eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte sei. Der Annahme einer entsprechenden Ausbildungsstätte stehe insbesondere nicht entgegen, dass die Klägerin an diesem Gymnasium keine Ausbildung zur Holzbildhauerin absolvieren könne. Diese Zusatzausbildung dürfe nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht in einem wesensmäßigen Zusammenhang mit der Ausbildung selbst und damit dem ausbildungsförderungsrechtlich relevanten Ausbildungsziel stünde. Denn das ausbildungsförderungsrechtlich relevante Ausbildungsziel der Klägerin bestehe in der Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife unter Berücksichtigung eines naturwissenschaftlichen Profils mit [X.]. Dieses werde durch einen Wechsel auf das Gymnasium S. nicht gefährdet. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] unter dem Gesichtspunkt der entsprechenden Ausbildungsstätte.

6

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die Möglichkeit, an der tatsächlich besuchten Schule neben der gymnasialen Ausbildung eine handwerkliche Ausbildung zu absolvieren, könne bei dem Merkmal der entsprechenden Ausbildungsstätte im Sinne von § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 des [X.]undesgesetzes über die individuelle Förderung der Ausbildung ([X.] - [X.]) vom 7. Dezember 2010 ([X.] [X.] 1952), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 ([X.] [X.] 2475), nicht berücksichtigt werden, weil nur das mit der gymnasialen Ausbildung angestrebte Ziel der Allgemeinen Hochschulreife ausbildungsförderungsrechtlich relevant sei, steht mit [X.]undesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

8

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat einen Anspruch der Klägerin auf [X.]ewilligung von Ausbildungsförderung für den streitigen Zeitraum zu Unrecht abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] als der allein in [X.]etracht kommenden Rechtsgrundlage sind erfüllt. Danach wird Ausbildungsförderung für die weiterführende allgemeinbildende und zumindest für drei Schul- oder Studienjahre berufsbildender Ausbildung im Sinne der §§ 2 und 3 bis zu einem daran anschließenden berufsqualifizierenden Abschluss geleistet. Der so umschriebene Grundanspruch auf Ausbildungsförderung erfordert - soweit hier von Interesse -, dass die Ausbildung, für die eine Förderung beantragt wird, an einer Einrichtung stattfindet, die sich einer der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] aufgezählten Schulgattungen zuordnen lässt. Dabei handelt es sich um weiterführende allgemeinbildende Schulen und [X.]erufsfachschulen, einschließlich der Klassen aller Formen der beruflichen Grundbildung, ab Klasse 10 sowie von Fach- und Fachoberschulklassen, deren [X.]esuch eine abgeschlossene [X.]erufsausbildung nicht voraussetzt. Für den [X.]esuch dieser Ausbildungsstätten wird gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] nur dann Ausbildungsförderung geleistet, wenn der Auszubildende die Voraussetzungen des Absatzes 1a erfüllt. Nach der hier allein in [X.]etracht kommenden Vorschrift des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] ist somit erforderlich, dass der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist. Zudem muss die Ausbildung an einer öffentlichen Einrichtung - mit Ausnahme nichtstaatlicher Hochschulen - oder einer genehmigten Ersatzschule durchgeführt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 3 [X.]).

9

Die [X.]eteiligten streiten - wie mit ihnen in der mündlichen Verhandlung erörtert - im Revisionsverfahren allein noch über das Vorliegen der Voraussetzung der entsprechenden Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.]. Dabei konzentriert sich ihr Streit auf die Frage, ob die an der [X.] angebotene und von der Klägerin wahrgenommene handwerkliche Ausbildung bei dem vorzunehmenden Vergleich der Ausbildungsstätten berücksichtigt werden darf und die Annahme rechtfertigt, dass das [X.] keine entsprechende Ausbildungsstätte ist. Das ist - entgegen der Ansicht des [X.]eklagten und des Verwaltungsgerichtshofs - zu bejahen. Der Umstand, dass an dem besuchten wohnortfernen Gymnasium eine handwerkliche Ausbildung angeboten und wahrgenommen wird, ist ein bei dem Merkmal der entsprechenden Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] zu berücksichtigender Gesichtspunkt (a). Eine solche Zusatzausbildung kann ein ausbildungsförderungsrechtlich beachtlicher Rechtfertigungsgrund für die auswärtige Unterbringung sein (b). So ist es auch hier (c).

a) Die Möglichkeit, an einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule eine handwerkliche Ausbildung zu absolvieren, ist ein objektiver Umstand, der als solcher dem Merkmal der entsprechenden Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] zuzuordnen ist. Das ergibt sich aus der Abgrenzung des Erfordernisses einer entsprechenden Ausbildungsstätte von dem Erfordernis einer zumutbaren Ausbildungsstätte.

Der [X.]egriff "zumutbar" im Sinne der vorgenannten Vorschrift besitzt entsprechend seines allgemeinen Wortsinns eine subjektive Ausrichtung. Demzufolge ist das Merkmal der zumutbaren Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] in den Fällen zu erörtern, in denen der [X.]esuch einer auswärtigen Schule auf subjektive, in der Person des Auszubildenden liegende Gründe gestützt wird. In Abgrenzung dazu bezieht sich der [X.]egriff der entsprechenden Ausbildungsstätte auf objektive Umstände.

Das entspricht der Rechtsprechung des [X.], in der bisher zwei Fallkonstellationen unter dem Merkmal der zumutbaren Ausbildungsstätte behandelt wurden. So wurde das Merkmal zum einen in Anlehnung an die Gesetzesbegründung (vgl. [X.]. VI/1975 S. 27) in den Fällen als einschlägig angesehen, in denen das besuchte auswärtige Gymnasium und das in [X.]etracht kommende wohnortnahe Gymnasium unterschiedliche weltanschauliche oder konfessionelle Prägungen aufwiesen (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 14. Dezember 1978 - 5 C 49.77 - [X.]VerwGE 57, 198 <200 f.> und vom 15. Dezember 1988 - 5 C 9.85 - [X.] 436.36 § 12 [X.] Nr. 16 S. 9). Damit wurde auf innere Haltungen des Auszubildenden zu dieser jeweiligen Ausrichtung abgestellt, auch wenn sich die weltanschauliche oder konfessionelle Ausrichtung der jeweiligen Ausbildungsstätte als objektive Gegebenheit darstellen muss. Zum anderen wurde das Merkmal der Zumutbarkeit in den Fällen als einschlägig erachtet, in denen die Ausbildung auf ihren Abschluss hin schon weitgehend fortgeschritten war, so dass der Wechsel der Ausbildungsstätte wegen der damit für den Auszubildenden stets verbundenen [X.] zu einer wesentlichen [X.]eeinträchtigung der Ausbildung geführt hätte (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 14. Dezember 1978 - 5 C 49.77 - [X.]VerwGE 57, 198 <202 f.> und vom 15. Dezember 1988 - 5 C 9.85 - [X.] 436.36 § 12 [X.] Nr. 16 S. 9 f. sowie [X.]eschluss vom 20. September 1996 - 5 [X.] 177.95 - juris Rn. 5). Auch [X.] nehmen die persönlichen, subjektiv ausgerichteten Umstände des Auszubildenden (beispielsweise sein Anpassungsvermögen oder seine Kontaktfähigkeit) in den [X.]lick.

b) Die parallel zum gymnasialen Unterricht angebotene und durchgeführte handwerkliche Ausbildung ist in den Vergleich der Ausbildungsstätten zumindest hinsichtlich des dort jeweils vermittelten Lehrstoffs einzubeziehen (aa). Sie rechtfertigt unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme, dass die von der Wohnung der Eltern aus erreichbare Ausbildungsstätte nicht als eine im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] entsprechende Ausbildungsstätte anzusehen ist (bb).

aa) Eine neben dem gymnasialen Unterricht durchgeführte berufsspezifische Zusatzausbildung ist jedenfalls bei dem im Rahmen der Entsprechensprüfung des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] vorzunehmenden Vergleich des Lehrstoffs zu berücksichtigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] sind bei der Entsprechensprüfung des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] nur ausbildungsbezogene Gründe zu beachten. Das sind Gründe, die in einem wesensmäßigen Zusammenhang mit der Ausbildung selbst stehen, also einen unmittelbaren [X.]ezug zur Ausbildung aufweisen. Eine der tatsächlich besuchten Ausbildungsstätte entsprechende Ausbildungsstätte ist nicht vorhanden, wenn die von der Wohnung der Eltern aus erreichbare Ausbildungsstätte nach Lehrstoff und [X.]ildungsgang nicht zu dem angestrebten Ausbildungs- und Erziehungsziel führt oder wenn sonstige ausbildungsbezogene Gesichtspunkte die Wahl einer auswärtigen Ausbildungsstätte rechtfertigen können (vgl. etwa [X.]VerwG, Urteile vom 16. Dezember 1976 - 5 C 43.75 - [X.]VerwGE 51, 354 <356>; vom 18. Oktober 1990 - 5 C 11.86 - [X.] 436.36 § 68 [X.] Nr. 12 S. 13 und vom 27. Januar 1993 - 11 C 2.92 - [X.] 436.36 § 8 [X.] Nr. 8 S. 4, jeweils m.w.[X.]). Für eine entsprechende Ausbildungsstätte reicht es mithin nicht aus, dass der [X.]esuch der wohnortnahen Schule zu demselben Ausbildungsabschluss wie die wohnortferne Schule führt (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. September 1996 - 5 [X.] 177.95 - juris Rn. 4). Zu berücksichtigen sind vielmehr auch Entsprechungen in Lehrstoff und [X.]ildungsgang sowie das Fehlen sonstiger erheblicher ausbildungsbezogener Unterschiede. Hier weisen die zu vergleichenden Gymnasien jedenfalls im Hinblick auf den Lehrstoff erhebliche Unterschiede auf.

Der [X.]egriff des Lehrstoffs ist dabei zunächst empirisch zu betrachten. Er erfasst die an den zu vergleichenden Ausbildungsstätten tatsächlich gelehrten theoretischen Inhalte sowie die dort vermittelten praktischen Fertigkeiten und Kenntnisse. Soweit die theoretischen und praktischen Lehr- bzw. Lerninhalte der Ausbildung zugehören, die einer Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 [X.] die [X.] verleiht, ist der für die Förderung vorausgesetzte unmittelbare [X.] ohne Weiteres zu bejahen. Der erforderliche wesensmäßige Zusammenhang zwischen Lehrstoff und Ausbildung kann aber auch bei tatsächlich vermittelten Lerninhalten jenseits der förderungsfähigen Ausbildung gegeben sein.

Die Erstreckung des [X.]egriffs des Lehrstoffs auf von dem Auszubildenden wahrgenommene Zusatzausbildungen trägt der in den [X.] des § 1 [X.] zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Leitvorstellung Rechnung. Danach wird dem Auszubildenden ein Anspruch auf individuelle Ausbildungsförderung für eine seiner Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung eingeräumt. Alle drei Kriterien werden dabei gleichrangig nebeneinander gestellt (vgl. [X.]. VI/1975 S. 20). Im Einklang damit ist der im Rahmen der Entsprechensprüfung des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] anzustellende Vergleich des Lehrstoffs unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Ausbildungsangebote zu erstrecken, die über den üblichen Fächerkanon der förderungsfähigen Ausbildung hinausgehen und gegebenenfalls für sich betrachtet keine [X.] nach dem [X.] zu begründen vermögen. Denn der übliche Fächerkanon der förderungsfähigen Ausbildung bildet nicht zwangsläufig alle individuellen Neigungen und [X.]egabungen ab.

Dieses [X.]egriffsverständnis entspricht dem Zweck des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.]. Die Vorschrift dient dazu, die Förderung von Schülern bis zum Erwerb eines allgemeinbildenden Abschlusses zu begrenzen. Diese sollen nur im Falle einer besonderen Unterhaltsbelastung der Familie in den vom Förderungsbereich des [X.]es erfassten Personenkreis einbezogen werden. Denn die Ausbildungsfinanzierung bis zum Abschluss der Allgemeinbildung ist eine originäre Aufgabe der Eltern. Der objektive Rechtfertigungsgrund für ein Abweichen von diesem Grundsatz besteht in der notwendigen Unterbringung außerhalb des [X.], weil dem Schüler von der elterlichen Wohnung aus eine seiner Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nicht zugänglich ist. Mit der Gewährung von Ausbildungsförderung an Schüler ab Klasse 10 wird die erhöhte Unterhaltsbelastung der Eltern ausgeglichen, die deshalb entsteht, weil deren Wunsch zur Erlangung einer solchen Ausbildung ausnahmsweise nur außerhalb des [X.] verwirklicht werden kann (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 21. Juni 1990 - 5 C 3.88 - [X.] 436.36 § 68 [X.] Nr. 11 S. 10 f.; vom 27. Mai 1999 - 5 C 23.98 - [X.] 436.36 § 2 [X.] Nr. 26 S. 4 und vom 28. Mai 2015 - 5 C 4.14 - [X.] 436.36 § 7 [X.] Nr. 126 Rn. 21 unter [X.]ezugnahme auf [X.]T-DRS. 11/5961 S. 15). Aus der Anknüpfung an den Anspruch auf eine insbesondere neigungsgerechte Ausbildung ist wertend zu folgern, dass eine Reduzierung des zu vergleichenden Lehrstoffs auf die förderungsfähige Ausbildung nicht geboten ist. Es macht für den bezweckten Ausgleich unterschiedlicher Unterhaltsbelastungen unter [X.] keinen Unterschied, ob die Notwendigkeit der auswärtigen Unterbringung darauf zurückzuführen ist, dass eine neigungsgerechte Ausbildung an der wohnortnahen Schule nicht betrieben werden kann, weil die förderungsfähigen Ausbildungen nicht vergleichbar sind oder weil an der wohnortnahen Schule eine bestimmte Zusatzausbildung nicht angeboten wird. In beiden Fällen bedarf ein Schüler, dessen Eltern ihm eine auswärtige Unterbringung nicht aus eigenen finanziellen Mitteln zu eröffnen vermögen, der Gewährung von Ausbildungsförderung, um seinen Anspruch auf eine neigungsgerechte Ausbildung realisieren zu können.

Die Einbeziehung zusätzlicher, über den üblichen Fächerkanon hinausgehender Ausbildungsangebote in die Vergleichsbetrachtung erweist sich als konsequente Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung des [X.] zur förderungsrechtlichen [X.]eachtlichkeit eines vom Auszubildenden im Rahmen der förderungsfähigen Ausbildung gewählten inhaltlichen Schwerpunktes. Danach sind Gymnasien nach Lehrstoff und Lehrinhalten verschieden, wenn sie nicht dem gleichen Gymnasialtyp (z.[X.]. [X.], neusprachliches oder mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium) zuzuordnen sind (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 14. Dezember 1978 - 5 C 1.78 - [X.]VerwGE 57, 204 <209> und vom 12. Februar 1981 - 5 C 43.79 - [X.] 436.36 § 13 [X.] Nr. 11 S. 2). Nachdem die [X.] als Folge der Einführung der reformierten Oberstufe entsprechend der Vereinbarung zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe in der [X.] - [X.]eschluss der [X.] vom 7. Juli 1972 (GM[X.]l S. 599) - und den Empfehlungen zur Arbeit in der gymnasialen Oberstufe gemäß jener Vereinbarung - [X.]eschluss der [X.] vom 2. Dezember 1977 (GM[X.]l 1978 [X.]) - nicht mehr starr vorgegeben waren, hat das [X.]undesverwaltungsgericht entschieden, dass Gymnasien in den Klassen 11 bis 13 zwar grundsätzlich auch dann einander entsprechende Ausbildungsstätten sind, wenn die Lehrangebote in Leistungs- und/oder Grundkursen nicht deckungsgleich sind. Etwas anderes gilt aber ausnahmsweise in den Fällen, in denen dem Schüler infolge eines nur beschränkten Unterrichtsangebots in der reformierten Oberstufe eine Vertiefung vorhandener Kenntnisse in den Unterrichtsfächern verschlossen ist, die für seine bisherige Ausbildung prägend waren. Das ist anzunehmen, wenn der Schüler an einem in der Nähe der Elternwohnung befindlichen Gymnasium keine Möglichkeit hat, durch die Wahl eines Leistungskurses in einem bereits in der Mittelstufe dem Kernbereich seines Unterrichts zugeordneten Unterrichtsfach seine Studierfähigkeit zu üben und zu beweisen ([X.]VerwG, Urteil vom 12. Februar 1981 - 5 C 43.79 - [X.] 436.36 § 12 [X.] Nr. 11 S. 3). Schließlich hat das [X.]undesverwaltungsgericht der Sache nach die Annahme eines förderungsrechtlich relevanten Unterschieds im Lehrstoff als gerechtfertigt angesehen, wenn ein Schüler aus einer [X.] Aussiedlerfamilie die "sinnvolle Wahl" getroffen hat, [X.] zu lernen und nur an dem besuchten Gymnasium [X.] als in der 11. Jahrgangsstufe einsetzende neue Fremdsprache angeboten wird (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. September 1996 - 5 [X.] 177.95 - Rn. 20 f.; s.a. zu einer vergleichbaren Fragestellung im Zusammenhang mit § 28 Abs. 4 Satz 1 SG[X.] II; [X.]SG; Urteile vom 17. März 2016 - [X.] 4 AS 39/15 R - [X.]SGE 121, 69 und vom 5. Juli 2017 - [X.] 14 AS 29/16 R - [X.] 4-4200 § 28 Nr. 10).

bb) Für die Feststellung, dass die von der Wohnung der Eltern aus erreichbare Ausbildungsstätte der besuchten Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] nicht entspricht, reicht jedoch nicht jedwede berufsspezifische Zusatzausbildung aus. Vielmehr müssen weitere Erfordernisse erfüllt sein, um sicherzustellen, dass der dargelegte Normzweck gewahrt wird und nur besondere Unterhaltsbelastungen ausgeglichen werden. Nur dann besteht ein wesensmäßiger Zusammenhang zwischen der Zusatzausbildung und der förderungsfähigen Ausbildung.

Demzufolge muss die angebotene und wahrgenommene berufsspezifische Zusatzausbildung - erstens - der förderungsfähigen auswärtigen Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 [X.] zuzurechnen sein. Eine solche Zurechnung ist jedenfalls zu bejahen, wenn die Zusatzausbildung mit der förderungsfähigen (Haupt-)Ausbildung organisatorisch eng verzahnt und in diese integriert ist. Darüber hinaus muss die Zusatzausbildung - zweitens - objektiv geeignet sein, den künftigen beruflichen Werdegang des Auszubildenden erheblich zu fördern. Davon ist auszugehen, wenn sie zu einer gewichtigen Chancenerhöhung auf dem Arbeitsmarkt führen oder die Aussichten für eine anschließende (theoretische oder praktische) [X.]erufsausbildung beträchtlich verbessern kann.

c) In Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe ist auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs dahin zu erkennen, dass das Gymnasium S. keine der [X.] entsprechende Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 [X.] ist. Denn zwischen beiden Gymnasien bestehen jedenfalls Unterschiede im Lehrstoff, denen infolge des Vorliegens der genannten weiteren Voraussetzungen ausbildungsförderungsrechtliche Relevanz beizumessen ist. Folgerichtig ist das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen und der Klägerin für die allgemeinbildende gymnasiale Ausbildung - und nur für diese - im streitgegenständlichen Schuljahr 2014/2015 Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat die Klägerin im streitgegenständlichen Schuljahr 2014/2015 von der an der [X.] angebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und parallel zum gymnasialen Unterricht eine handwerkliche Ausbildung zur Holzbildhauerin absolviert. Infolgedessen wurden ihr dort neben dem für die Erreichung der Allgemeinen Hochschulreife erforderlichen Unterrichtsstoff auch die für die Ausbildung zur Holzbildhauerin notwendigen theoretischen und praktischen Lerninhalte vermittelt. Im Unterschied dazu wäre sie an dem Gymnasium S. nur in den Fächern unterrichtet worden, die für die Erreichung der Allgemeinen Hochschulreife unter [X.]erücksichtigung des von ihr gewählten naturwissenschaftlichen Schwerpunktes mit [X.] erforderlich waren.

Die Zusatzausbildung zur Holzbildhauerin ist der [X.] zuzurechnen. Den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit gemäß § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs lässt sich - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - eine hinreichende Verzahnung zwischen der gymnasialen und der handwerklichen Ausbildung entnehmen. Danach beruht die Ausbildung zur Holzbildhauerin auf einer vertraglichen Vereinbarung mit der [X.]. Diese stellt in Gestalt der schuleigenen Werkstatthäuser mit fachspezifischer Ausstattung auch die für den praktischen Ausbildungsteil erforderlichen Räumlichkeiten zur Verfügung. Zudem sind die Handwerksmeisterinnen und -meister beim Träger der [X.] angestellt. Der theoretische Prüfungsteil "Wirtschaftskunde" wird während des gymnasialen Unterrichts im Seminarkurs "Wirtschaft und Recht" erarbeitet. Die [X.] aus [X.] wird in das [X.] übernommen. Des Weiteren werden die allgemeinbildenden Fächer angerechnet. Außerdem findet der praktische Unterricht bis zum Abitur aufgrund einer entsprechenden Gestaltung des Stundenplans jeweils an einem Nachmittag pro Woche statt, der den übrigen Schülerinnen zur freien Verfügung steht. Eine andere Sachverhaltswürdigung ist im konkreten Fall insbesondere auch nicht deshalb angezeigt, weil das [X.]estehen der Gesellenprüfung nicht von dem [X.]estehen des Abiturs abhängig ist. Denn dies lässt die aufgezeigten vielfältigen Verknüpfungen der Handwerksausbildung mit dem [X.]etrieb der [X.] nicht entfallen. Aus demselben Grund gibt auch der Umstand, dass im Zeitpunkt des Erwerbs der Allgemeinen Hochschulreife erst zwei Drittel der Ausbildung zur Holzbildhauerin durchgeführt sind, keinen Anlass zu einer anderen [X.]ewertung.

Auch die erforderliche objektive Eignung zur Förderung des beruflichen Werdegangs ist gegeben. Eine solche ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Zusatzausbildung - wie hier - zu einem staatlich anerkannten Abschluss führt. Mit einer abgeschlossenen Ausbildung im Handwerk ist es zum einen möglich, sich unmittelbar auf dem Arbeitsmarkt um eine entsprechende Stelle zu bewerben. Zum anderen verbessert eine solche Ausbildung nicht unerheblich die Chancen des beruflichen Fortkommens in [X.]ezug auf die weitere Ausbildung (insbesondere das Studium) zur Erlangung solcher [X.]erufsabschlüsse, für die die erworbenen theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten nutzbringend sind.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

Meta

5 C 6/17

14.08.2018

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 4. April 2017, Az: 12 S 2630/15, Urteil

§ 2 Abs 1 S 1 Nr 1 BAföG, § 2 Abs 1a S 1 Nr 1 BAföG, § 7 Abs 1 S 1 BAföG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.08.2018, Az. 5 C 6/17 (REWIS RS 2018, 4850)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4850

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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