Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.05.2019, Az. XI B 14/19

11. Senat | REWIS RS 2019, 7215

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Gegenstand

(Teilweise Parallelentscheidung zu BFH-Beschluss vom 16.05.2019 XI B 13/19 - AdV; Leistungsbeschreibung bei Waren im Niedrigpreissegment; kein Vorsteuerabzug aus Scheinlieferung; kein Vorsteuerabzug bei Beteiligung an fremder Steuerhinterziehung; Gewährung des Vorsteuerabzugs im Wege des Gutglaubensschutzes)


Leitsatz

1. NV: Nach Maßgabe der summarischen Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Steuerfestsetzungen im Verfahren um eine AdV ist ernstlich zweifelhaft, ob der Vorsteuerabzug aus Rechnungen im sog. Niedrigpreissegment hinsichtlich der Leistungsbeschreibung voraussetzt, dass die Art der gelieferten Gegenstände mit ihrer handelsüblichen Bezeichnung angegeben wird oder ob insoweit die Angabe der Warengattung (z.B. "Hosen", "Tops", "Shirts") ausreicht .

2. NV: Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Vorsteuerabzug versagt werden darf, wenn die Lieferung, über die abgerechnet worden ist, nicht bewirkt worden ist .

3. NV: Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Vorsteuerabzug versagt werden darf, wenn der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hatte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war .

4. NV: Es ist (weiterhin) ernstlich zweifelhaft, ob beim Vorsteuerabzug Gutglaubensschutz nur im Billigkeitsverfahren zu gewähren ist (Bestätigung der Rechtsprechung) .

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des [X.] vom 8. Januar 2019  1 V 602/18 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

[X.]ie [X.]eteiligten streiten im Verfahren wegen [X.]ussetzung der Vollziehung ([X.]dV) darüber, ob der [X.]ntragstellerin und [X.]eschwerdeführerin ([X.]ntragstellerin) der Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Textilien ([X.]ekleidungsstücke) im sog. Niedrigpreissegment zu gewähren ist.

2

[X.]ie [X.]ntragstellerin war in den Streitjahren (2011 bis 2014) im [X.]ereich des Großhandels mit Textilien und Modeaccessoires im sog. Niedrigpreissegment tätig. [X.]ie [X.]inkaufspreise je [X.]rtikel bewegten sich überwiegend im unteren bis mittleren einstelligen [X.]uro-[X.]ereich; teilweise lagen die [X.]inkaufspreise zwischen 10 € und 12 €.

3

[X.]ie [X.]ntragstellerin nahm in den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre den Vorsteuerabzug u.a. aus Rechnungen der Firmen [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], F-GmbH und G-GmbH vor. [X.]ls [X.]rtikelbezeichnung waren in den Rechnungen [X.]ngaben wie "[X.]", "Tops", "Shirts", "T-Shirts", "Kleider", "[X.]luse", "Weste", "Jacken" enthalten.

4

Nach [X.]urchführung einer [X.]ußenprüfung bei der [X.]ntragstellerin vertrat der [X.]ntragsgegner und [X.]eschwerdegegner (das Finanzamt --F[X.]--) in den Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden für die Streitjahre vom 17. Oktober 2017 --i.d.F. der Änderungsbescheide vom 7. Februar 2018-- die [X.]uffassung, dass

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die [X.]usgangsumsätze der [X.]ntragstellerin wegen Verletzung der [X.]ufzeichnungspflichten des § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) um einen Sicherheitszuschlag von (zuletzt nur noch) 3 % zu erhöhen seien;

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der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firmen [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], F-GmbH und G-GmbH nicht anzuerkennen sei, weil die Leistungsbeschreibungen nicht ausreichend seien.

5

[X.]er [X.]inspruch vom 13. November 2017 blieb erfolglos. [X.]as F[X.] führte in der [X.]inspruchsentscheidung ergänzend aus, der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firmen [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], F-GmbH und G-GmbH sei nach dem [X.]rgebnis der [X.]rmittlungen verschiedener Steuerfahndungsstellen gegen diese Lieferanten außerdem zu versagen, weil den streitgegenständlichen Rechnungen tatsächlich kein Leistungsaustausch zugrunde gelegen habe. Über die sich daran anschließende Klage hat das Finanzgericht ([X.]) noch nicht entschieden.

6

[X.]en von der [X.]ntragstellerin gestellten [X.]ntrag auf Gewährung von [X.]dV vom 13. November 2017 lehnte das F[X.] mit Verfügung vom 24. Januar 2018 ab. Nach [X.]rgehen des Änderungsbescheids und dem weiteren [X.]dV-[X.]ntrag vom 14. Februar 2018 drohte das F[X.] mit Schreiben vom 6. [X.]pril 2018 die Vollstreckung an und teilte durch Schreiben vom 10. [X.]pril 2018 mit, das [X.]inspruchsverfahren sei abgeschlossen und das [X.]ussetzungsverfahren damit erledigt.

7

[X.]en daraufhin beim Hessischen [X.] gestellten [X.]ntrag auf Gewährung von [X.]dV lehnte dieses mit [X.]eschluss vom 8. Januar 2019  1 V 602/18 ab und ließ die [X.]eschwerde zu. [X.]s führte zur [X.]egründung der [X.]blehnung aus, der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], F-GmbH und G-GmbH sei zu versagen, weil diese Rechnungen keine hinreichenden Leistungsbeschreibungen enthielten. [X.]s verwies insoweit zur [X.]egründung u.a. auf das Urteil des Hessischen [X.] vom 12. Oktober 2017  1 K 2402/14 ([X.]ntscheidungen der Finanzgerichte 2018, 335). [X.]em stehe auch nicht das Urteil des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) [X.]arlis 06 vom 15. September 2016 [X.]-516/14 ([X.]:[X.]:2016:690, [X.]eutsches Steuerrecht --[X.]StR-- 2016, 2216) entgegen.

8

[X.]azu, ob die [X.]ntragstellerin die abgerechneten Leistungen tatsächlich bezogen hat, hat das [X.] nicht Stellung genommen.

9

Mit der [X.]eschwerde, der das [X.] nicht abgeholfen hat, macht die [X.]ntragstellerin geltend, das [X.] habe zu Unrecht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide verneint. Gegenstand des [X.]dV-Verfahrens sei die Versagung des für die Streitjahre geltend gemachten Vorsteuerabzugs aus Rechnungen über die Lieferung von [X.]ekleidungsstücken im sog. Niedrigpreissegment. [X.]s sei ernstlich zweifelhaft, ob der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], F-GmbH und G-GmbH mangels hinreichender Leistungsbeschreibung versagt werden dürfe. Sie beruft sich diesbezüglich auf den [X.]eschluss des [X.]undesfinanzhofs ([X.]FH) vom 14. März 2019 V [X.] 3/19 (zur amtlichen [X.] bestimmt, [X.]StR 2019, 874).

[X.]uf den [X.]inwand des F[X.], dass der begehrte Vorsteuerabzug aus weiteren Gründen zu versagen sei, repliziert die [X.]ntragstellerin, diese Gründe seien nicht Gegenstand des angegriffenen [X.]eschlusses, weshalb [X.]usführungen dazu entbehrlich sein dürften. [X.]s sei jedoch ergänzend anzumerken, dass Gegenstand des zur amtlichen [X.] bestimmten [X.]FH-[X.]eschlusses in [X.]StR 2019, 874 Rechnungen der [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.] gewesen seien.

[X.]ie [X.]ntragstellerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben sowie

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den Umsatzsteuerbescheid für das [X.] vom 7. Februar 2018 in Höhe von ... € nebst Zinsen in Höhe von ... €,

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den Umsatzsteuerbescheid für das [X.] vom 7. Februar 2018 in Höhe von ... € nebst Zinsen in Höhe von ... €,

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den Umsatzsteuerbescheid für das [X.] vom 7. Februar 2018 in Höhe von ... € nebst Zinsen in Höhe von ... €,

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den Umsatzsteuerbescheid für das [X.] vom 7. Februar 2018 in Höhe von ... € nebst Zinsen in Höhe von ... €

jeweils ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung auszusetzen.

[X.]as F[X.] beantragt sinngemäß, die [X.]eschwerde zurückzuweisen.

[X.]s bringt vor, dass der Vorsteuerabzug aus weiteren Gründen zu versagen sei. Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer seien nicht identisch. Weiter bestünden Zweifel an der tatsächlichen [X.]urchführung der Umsätze. [X.]ußerdem habe die [X.]ntragstellerin wissen müssen, dass sie sich mit ihrem [X.]rwerb an einem Umsatz beteilige, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen sei. [X.]a die Rechnungsaussteller wirtschaftlich inaktiv gewesen seien, erscheine es unglaubhaft, dass die [X.]ntragstellerin davon angeblich nichts gewusst habe.

Entscheidungsgründe

II.

[X.]ie [X.]eschwerde (§ 128 [X.]bs. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) ist begründet. Sie führt zur [X.]ufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des [X.]echtsstreits an das [X.]. Vom [X.] sind weitere tatsächliche Feststellungen zu den übrigen vom [X.] vorgebrachten [X.] für den Vorsteuerabzug aus den [X.]echnungen der [X.], [X.], [X.], [X.], E, F-GmbH und G-GmbH zu treffen.

1. Nach § 69 [X.]bs. 3 Satz 1, [X.]bs. 2 Satz 2 [X.]O ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der [X.]echtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.

a) [X.]e Zweifel i.S. von § 69 [X.]bs. 2 Satz 2 [X.]O liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen [X.]escheides neben für seine [X.]echtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der [X.]eurteilung von [X.]echtsfragen oder Unklarheit in der [X.]eurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (vgl. z.[X.]. [X.]FH-[X.]eschlüsse vom 11. Juli 2013 XI [X.] 41/13, [X.]FH/NV 2013, 1647, [X.]z 16; vom 2. Juli 2014 XI S 8/14, [X.]FH/NV 2014, 1601). [X.]ie Entscheidung hierüber ergeht bei der im [X.]dV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der [X.]eteiligten und der [X.]ktenlage ergibt (vgl. [X.]FH-[X.]eschlüsse vom 26. September 2014 XI S 14/14, [X.]FH/NV 2015, 158, [X.]z 33; vom 20. Januar 2015 XI [X.] 112/14, [X.]FH/NV 2015, 537, [X.]z 15, jeweils m.w.N.). Zur Gewährung der [X.]dV ist es nicht erforderlich, dass die für die [X.]echtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (vgl. z.[X.]. [X.]FH-[X.]eschlüsse vom 25. [X.]pril 2013 XI [X.] 123/12, [X.]FH/NV 2013, 1273, [X.]z 12; vom 17. [X.]ezember 2015 XI [X.] 84/15, [X.]FHE 252, 181, [X.]St[X.]l II 2016, 192, [X.]z 22; vom 31. März 2016 XI [X.] 13/16, [X.]FH/NV 2016, 1187, [X.]z 14).

b) [X.]e Zweifel können danach z.[X.]. bestehen, wenn die streitige [X.]echtsfrage höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde und im Schrifttum oder in der [X.]echtsprechung der Finanzgerichte unterschiedliche [X.]uffassungen vertreten werden ([X.]FH-[X.]eschlüsse vom 29. Juli 2009 XI [X.] 24/09, [X.]FHE 226, 449, [X.]FH/NV 2009, 1567, [X.]z 22; vom 26. [X.]pril 2010 V [X.] 3/10, [X.]FH/NV 2010, 1664, [X.]z 20). Ist die [X.]echtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärende Frage nicht im summarischen Verfahren der [X.]dV zu entscheiden (z.[X.]. [X.]FH-[X.]eschlüsse vom 25. November 2005 V [X.] 75/05, [X.]FHE 212, 176, [X.]St[X.]l II 2006, 484, [X.]z 26; vom 15. Oktober 2015 I [X.] 93/15, [X.]FHE 251, 309, [X.]St[X.]l II 2016, 66, [X.]z 7; in [X.]FHE 252, 181, [X.]St[X.]l II 2016, 192, [X.]z 31).

2. Nach diesen Grundsätzen bestehen im Streitfall insoweit ernstliche Zweifel an der [X.]echtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuer-Änderungsbescheide, als das [X.] den Vorsteuerabzug aus den [X.]echnungen der [X.], [X.], [X.], [X.], E, F-GmbH und G-GmbH mangels hinreichender Leistungsbeschreibung versagt hat. [X.]er Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf den zur amtlichen Veröffentlichung bestimmten [X.]FH-[X.]eschluss in [X.]St[X.] 2019, 874, mit dem der [X.] zu dieser Frage in jenem Verfahren [X.]dV gewährt hat.

3. [X.]llerdings kann auch bei nur summarischer Prüfung zum derzeitigen Verfahrensstand nicht beurteilt werden, ob ernstliche Zweifel daran bestehen, dass das [X.] den Vorsteuerabzug zu [X.]echt aus anderen Gründen versagt hat. [X.]azu sind vom [X.] weitere Feststellungen zu treffen.

a) [X.]as [X.] hat den Vorsteuerabzug versagt, weil es angenommen hat, dass die in den [X.]echnungen genannten Lieferungen nicht stattgefunden haben. [X.]aran bestehen keine ernstlichen Zweifel, sofern die [X.]echnungsaussteller nicht Lieferer gewesen sein sollten (vgl. zur erforderlichen [X.]bgrenzung in [X.] [X.]FH-Urteile vom 10. November 2010 XI [X.] 15/09, [X.]FH/NV 2011, 867, [X.]z 17 ff.; vom 12. Mai 2011 V [X.] 25/10, [X.]FH/NV 2011, 1541, [X.]z 20 ff.; vom 20. Oktober 2016 V [X.] 36/14, [X.]FH/NV 2017, 327, [X.]z 10 f.; s. auch [X.]eschluss des [X.]undesgerichtshofs --[X.]GH-- vom 29. Januar 2015  1 St[X.] 216/14, wistra - Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2015, 189, [X.]z 19, m.w.N. aus der [X.]echtsprechung des [X.]GH). [X.]enn das [X.]echt auf Vorsteuerabzug hängt davon ab, dass die entsprechenden Umsätze tatsächlich bewirkt wurden; kein [X.]echt auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn die Lieferung des Gegenstands nicht bewirkt wurde (vgl. [X.]-Urteil [X.] und [X.] vom 27. Juni 2018 [X.]-459/17, [X.]-460/17, [X.]:[X.]:2018:501, [X.] --[X.]-- 2018, 679, [X.]z 41 und 36).

[X.]er Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht, trägt die [X.] für alle Tatsachen, die den Vorsteuerabzug begründen (vgl. [X.]-Urteil [X.] und [X.], [X.]:[X.]:2018:501, [X.] 2018, 679, [X.]z 39; [X.]FH-Urteile vom 5. [X.]ezember 2018 XI [X.] 22/14, [X.]FHE 263, 354, [X.]St[X.] 2019, 271, [X.]z 21; vom 13. [X.]ezember 2018 V [X.] 65/16, [X.]FH/NV 2019, 303, [X.]z 26).

b) Es entspricht außerdem der ständigen [X.]echtsprechung des [X.]FH, dass der Vorsteuerabzug zu versagen ist, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hatte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (vgl. [X.]FH-[X.]eschlüsse vom 19. [X.]ezember 2014 XI [X.] 12/14, [X.]FH/NV 2015, 534, [X.]z 23; vom 12. September 2014 VII [X.] 99/13, [X.]FH/NV 2015, 161, [X.]z 21 ff.).

[X.]ies steht im Übrigen in Einklang mit der sich aus [X.]rt. 4 [X.]bs. 3 des Vertrags über die [X.], [X.]rt. 325 des Vertrags über die [X.]rbeitsweise der [X.] ([X.][X.]V) ergebenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle [X.]echts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die geeignet sind, die Erhebung der gesamten in ihrem Hoheitsgebiet geschuldeten Mehrwertsteuer zu gewährleisten und den [X.]etrug zu bekämpfen (vgl. [X.]-Urteile Paper [X.]onsult vom 19. Oktober 2017 [X.]-101/16, [X.]:[X.]:2017:775, [X.] 2017, 1177, [X.]z 43 und 47; M.[X.].S. und M.[X.]. vom 5. [X.]ezember 2017 [X.]-42/17, [X.]:[X.]:2017:936, [X.] 2018, 179, [X.]z 30 ff.). Soweit der Senat im [X.]FH-[X.]eschluss in [X.]FHE 226, 449, [X.]FH/NV 2009, 1567 zu § 6a UStG in [X.]ezug auf die Missbrauchs-[X.]echtsprechung des [X.] noch ernstliche Zweifel bejaht hatte, sind diese durch das [X.]-Urteil [X.] vom 7. [X.]ezember 2010 [X.]-285/09 ([X.]:[X.]:2010:742, [X.]St[X.]l II 2011, 846) beseitigt worden (vgl. dazu auch [X.]-Urteil [X.] vom 18. [X.]ezember 2014 [X.]-131/13, [X.]-163/13 und [X.]-164/13, [X.]:[X.]:2014:2455, [X.] 2015, 200; [X.]eschluss des [X.]undesverfassungsgerichts vom 16. Juni 2011  2 [X.]v[X.] 542/09, [X.] 2011, 1145).

c) [X.] zweifelhaft wäre indessen weiterhin (vgl. dazu [X.]FH-[X.]eschlüsse in [X.]FH/NV 2015, 537, [X.]z 19; vom 18. Februar 2015 V S 19/14, [X.]FH/NV 2015, 866, [X.]z 30 ff.), sofern die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür vorlägen (vgl. zur [X.]bgrenzung auch [X.]FH-[X.]eschluss vom 7. [X.]ezember 2016 XI [X.] 31/14, [X.]FH/NV 2017, 487, [X.]z 8 und 9), ob auch beim Vorsteuerabzug [X.] bereits im Festsetzungsverfahren gewährt werden kann (verneinend [X.]FH-Urteile vom 22. Juli 2015 V [X.] 23/14, [X.]FHE 250, 559, [X.]St[X.]l II 2015, 914, [X.]z 31 ff.; vom 10. September 2015 V [X.] 17/14, [X.]FH/NV 2016, 80, [X.]z 48). Nachdem der [X.] die ihm vom Senat dazu gestellte Vorlagefrage (vgl. [X.]FH-[X.]eschluss vom 6. [X.]pril 2016 XI [X.] 20/14, [X.]FHE 254, 152, Frage 2) nicht beantworten musste (vgl. [X.]-Urteil [X.] und [X.]utin vom 15. November 2017 [X.]-374/16, [X.]-375/16, [X.]:[X.]:2017:867, [X.] 2018, 88, [X.]z 51), sind die in [X.]z 60 ff. des [X.] in [X.]FHE 254, 152 aufgeworfenen Fragen weiterhin ungeklärt.

d) [X.]usgehend davon kann aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] und der dem Senat vorliegenden Finanzgerichtsakte nicht beurteilt werden, ob aus anderen als vom [X.] angenommenen Gründen keine ernstlichen Zweifel an der [X.]echtmäßigkeit der angefochtenen Änderungsbescheide bestehen. [X.]er Senat verweist die Sache diesbezüglich an das [X.] zurück.

aa) Zwar ergeht die Entscheidung über einen [X.]ntrag auf [X.]dV wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den [X.]kten und den präsenten [X.]eweismitteln ergibt, aus denen das Gericht seine Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen hat und es besteht im [X.]eschwerdeverfahren für den [X.]FH als Tatsachengericht grundsätzlich selbst die [X.]efugnis und Pflicht zur Tatsachenfeststellung (vgl. [X.]FH-[X.]eschluss vom 10. Januar 2013 XI [X.] 33/12, [X.]FH/NV 2013, 783, [X.]z 19).

bb) Jedoch ist nach der [X.]echtsprechung des [X.]FH auch eine Zurückverweisung des Verfahrens zur ergänzenden Tatsachenfeststellung durch das [X.] nach den §§ 132, 155 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 572 [X.]bs. 3 der Zivilprozessordnung möglich, weil der [X.]FH als [X.]evisions- und [X.]eschwerdegericht in erster Linie die [X.]ufgabe hat, die Entscheidungen der Finanzgerichte zu überprüfen (vgl. [X.]FH-[X.]eschluss vom 20. Juli 2012 V [X.] 82/11, [X.]FHE 237, 545, [X.]St[X.]l II 2012, 809, [X.]z 31 ff.), die Sachnähe des [X.], bei dem die Hauptsache anhängig ist, für eine Zurückverweisung spricht (vgl. [X.]FH-[X.]eschluss vom 5. [X.]ezember 2018 VIII [X.] 130/18, [X.]FH/NV 2019, 282, [X.]z 17) und das [X.] die [X.]ufgabe der ergänzenden Tatsachenfeststellung in der [X.]egel schneller und effektiver erfüllen kann (vgl. [X.]FH-[X.]eschluss vom 6. November 2008 IV [X.] 126/07, [X.]FHE 223, 294, [X.]St[X.]l II 2009, 156, [X.]z 18). Von dieser [X.]efugnis macht der Senat aus den genannten Gründen Gebrauch.

4. Soweit die [X.]eschwerde [X.]dV wegen Zinsen zur Umsatzsteuer beantragt, weist der Senat darauf hin, dass der [X.]eschluss des [X.] dazu zwar auf S. 14 [X.]usführungen enthält. [X.]llerdings hat das [X.] ausweislich des [X.]ubrums und des Tenors seines [X.]eschlusses nur die [X.]dV der Umsatzsteuerbescheide und nicht die der Zinsbescheide abgelehnt. Zinsen zur Umsatzsteuer sind daher weder Gegenstand des [X.]eschlusses des [X.] noch des [X.]eschwerdeverfahrens.

a) [X.]ie [X.]ntragstellerin erhält im [X.]ahmen der Zurückverweisung an das [X.] Gelegenheit, gegenüber dem [X.] klarzustellen, ob Zinsen zur Umsatzsteuer Gegenstand des [X.]ussetzungsverfahrens sein sollen, obwohl diese im [X.]ntrag vom 19. [X.]pril 2018 nicht genannt sind und die [X.]ntragstellerin bezüglich Zinsen auch keine gesonderten Einwendungen erhoben hat.

b) [X.]as [X.] wird dann ggf. der Frage nachzugehen haben, ob der [X.]ntrag insoweit zulässig ist, insbesondere die Zugangsvoraussetzungen eingehalten sind, was vom Senat mangels vorliegender [X.]kten nicht beurteilt werden kann.

c) Zu der Frage der ernstlichen Zweifel an der [X.]echtmäßigkeit von [X.] verweist der Senat auf die [X.]FH-[X.]eschlüsse vom 25. [X.]pril 2018 IX [X.] 21/18 ([X.]FHE 260, 431, [X.]St[X.]l II 2018, 415) und vom 3. September 2018 VIII [X.] 15/18 ([X.]FH/NV 2018, 1279) sowie die Schreiben des [X.]undesministeriums der Finanzen vom 14. [X.]ezember 2018 ([X.]St[X.]l I 2018, 1393) und vom 2. Mai 2019 ([X.]St[X.]l I 2019, 448, unter V.).

5. [X.]ie Übertragung der Kostenentscheidung folgt aus § 143 [X.]bs. 2 [X.]O.

Meta

XI B 14/19

16.05.2019

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 8. Januar 2019, Az: 1 V 602/18, Beschluss

§ 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 2005, § 14 Abs 4 Nr 5 UStG 2005, § 163 AO, § 227 AO, Art 226 Nr 6 EGRL 112/2006, Art 168 Buchst a EGRL 112/2006, Art 178 Buchst a EGRL 112/2006, Art 325 AEUV, UStG VZ 2011, UStG VZ 2012, UStG VZ 2013, UStG VZ 2014, § 69 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.05.2019, Az. XI B 14/19 (REWIS RS 2019, 7215)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7215

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1 StR 216/14

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