Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.05.2019, Az. XI B 13/19

11. Senat | REWIS RS 2019, 7217

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Gegenstand

(AdV; Leistungsbeschreibung bei Waren im Niedrigpreissegment; kein Vorsteuerabzug aus Scheinlieferung; kein Vorsteuerabzug bei Beteiligung an fremder Steuerhinterziehung; Gewährung des Vorsteuerabzugs im Wege des Gutglaubensschutzes; Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug im Besteuerungszeitraum des Besitzes der Rechnung; Zulässigkeit von Hinzuschätzungen bei Verletzung der Aufzeichnungspflichten des § 22 UStG und bei sonstigen Buchführungsmängeln im Bereich der Umsatzsteuer)


Leitsatz

1. Nach Maßgabe der summarischen Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Steuerfestsetzungen im Verfahren um eine AdV ist ernstlich zweifelhaft, ob der Vorsteuerabzug aus Rechnungen im sog. Niedrigpreissegment hinsichtlich der Leistungsbeschreibung voraussetzt, dass die Art der gelieferten Gegenstände mit ihrer handelsüblichen Bezeichnung angegeben wird oder ob insoweit die Angabe der Warengattung ("Hosen", "Blusen", "Pulli") ausreicht .

2. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Vorsteuerabzug versagt werden darf, wenn die Lieferung, über die abgerechnet worden ist, nicht bewirkt worden ist .

3. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Vorsteuerabzug versagt werden darf, wenn der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hatte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war .

4. Es ist (weiterhin) ernstlich zweifelhaft, ob beim Vorsteuerabzug Gutglaubensschutz nur im Billigkeitsverfahren zu gewähren ist (Bestätigung der Rechtsprechung) .

5. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich in dem Besteuerungszeitraum auszuüben ist, in dem der Leistungsempfänger die Leistung bezogen hat und im Besitz einer Rechnung ist .

6. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass auch bei der Umsatzsteuer im Falle von Verstößen des Steuerpflichtigen gegen die Aufzeichnungspflichten des § 22 UStG und bei sonstigen Buchführungsmängeln das FA zur Schätzung von Besteuerungsgrundlagen befugt sein kann. Diese Schätzungsbefugnis steht in Einklang mit dem Unionsrecht .

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des [X.] vom 14. Januar 2019  1 V 1470/18 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

[X.]ie [X.]eteiligten streiten im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) vornehmlich darüber, ob dem Antragsteller und [X.]eschwerdeführer (Antragsteller) der Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Textilien ([X.]ekleidungsstücke) im sog. Niedrigpreissegment zu gewähren ist.

2

[X.]er Antragsteller war in den Streitjahren (2012 bis 2014) im [X.]ereich des Großhandels mit Textilien und Modeaccessoires im sog. Niedrigpreissegment tätig. [X.]ie Einkaufspreise je Artikel bewegten sich überwiegend im unteren bis mittleren einstelligen Euro-[X.]ereich; teilweise lagen die Einkaufspreise zwischen 10 € und 28 €.

3

[X.]er Antragsteller nahm in den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre den Vorsteuerabzug u.a. aus Rechnungen der Firmen [X.] sowie der Firmen [X.], [X.], [X.], E, F-Gmb[X.], G-Gmb[X.] und [X.] vor. Als Artikelbezeichnung waren in den Rechnungen Angaben wie "[X.]osen", "Tops", "Shirts", "T-Shirts", "Kleider", "[X.]luse", "Weste", "Jacken" enthalten.

4

Nach [X.]urchführung einer Außenprüfung beim Antragsteller vertrat der Antragsgegner und [X.]eschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) in den Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden für die Streitjahre vom 5. Juni 2018 die Auffassung, dass

-       

die Ausgangsumsätze des Antragstellers wegen Verletzung der Aufzeichnungspflichten des § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), unzutreffender Verbuchung der Warenverkäufe, fehlender Kassenaufzeichnungen und Kassenblätter, und wegen Kassenfehlbeträgen zu erhöhen seien;

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der Vorsteuerabzug aus zwei Rechnungen der [X.] vom 19. [X.]ezember 2011 und vom 21. [X.]ezember 2011 zu versagen sei, da eine [X.]oppelerfassung dieser Lieferungen in den Jahren 2011 und 2012 nicht ausgeschlossen werden könne;

-       

der Vorsteuerabzug aus einer Rechnung des [X.] vom 22. September 2014 zu versagen sei, weil es sich um einen innergemeinschaftlichen Erwerb gehandelt habe;

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der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firmen [X.], [X.], [X.], E, F-Gmb[X.] und G-Gmb[X.] nicht anzuerkennen sei, weil nach dem Ergebnis der Ermittlungen verschiedener Steuerfahndungsstellen gegen diese Lieferanten den streitgegenständlichen Rechnungen tatsächlich kein Leistungsaustausch zugrunde gelegen habe. [X.]er Vorsteuerabzug sei außerdem zu versagen, weil die Leistungsbeschreibungen nicht ausreichend seien.

5

[X.]er Antragsteller legte gegen diese [X.]escheide Einspruch ein und beantragte gleichzeitig AdV, die das [X.] mit [X.]escheid vom 22. August 2018 ablehnte.

6

[X.]as [X.]essische Finanzgericht ([X.]) lehnte mit [X.]eschluss vom 14. Januar 2019  1 V 1470/18 den Antrag auf Gewährung von AdV ab und ließ die [X.]eschwerde zu. Es führte zur [X.]egründung der Ablehnung aus, nach summarischer Prüfung sei weder die Erhöhung der für die Streitjahre erklärten Umsätze für 2012 und 2013 noch die Versagung des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen der [X.] vom 19. [X.]ezember 2011 und vom 21. [X.]ezember 2011 zu beanstanden. [X.]ie [X.]uchführungsmängel seien vom Prüfer hinreichend erläutert worden. [X.]as Recht auf Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der [X.] sei im [X.]ezember 2011 entstanden. [X.]a der Antragsteller für das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs aus diesen Rechnungen im [X.] darlegungs- und beweispflichtig sei und keine entsprechenden [X.]uchführungsunterlagen für 2011 vorgelegt habe, sei der Vorsteuerabzug für das [X.] zu versagen. Auch die Abweichungen der [X.]escheide von den Steuererklärungen hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Erwerbe unterliege nach Aktenlage keinem ernstlichen Zweifel. Außerdem habe das [X.] den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der [X.], [X.], [X.], E, F-Gmb[X.] und G-Gmb[X.] zu Recht versagt, weil diese Rechnungen keine hinreichenden Leistungsbeschreibungen enthielten. Es verwies insoweit zur [X.]egründung auf das Urteil des [X.]essischen [X.] vom 12. Oktober 2017  1 K 2402/14 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 335). [X.]em stehe auch nicht das Urteil des Gerichtshofs der [X.] (EuG[X.]) [X.]arlis 06 vom 15. September 2016 [X.]-516/14 ([X.]:[X.]:2016:690, [X.]eutsches Steuerrecht --[X.]StR-- 2016, 2216) entgegen.

7

Auf die Frage, ob die Firmen wirtschaftlich aktiv gewesen seien und tatsächlich [X.] bestanden hätten, komme es nach Auffassung des [X.] nicht an.

8

Mit seiner [X.]eschwerde, der das [X.] nicht abgeholfen hat, macht der Antragsteller geltend, das [X.] habe zu Unrecht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide verneint. [X.]insichtlich der Rechnung der [X.] stehe dem Antragsteller das Recht auf Vorsteuerabzug erst dann zu, wenn er die Rechnung besitze. Erst in dem [X.]esteuerungszeitraum, in dem beide Voraussetzungen erfüllt seien, sei der Vorsteuerabzug zu gewähren. [X.]ie [X.]eweislast für das Vorliegen der Rechnung trage der Unternehmer. [X.]eren Vorliegen sei jedoch unstreitig. Außerdem habe das [X.] zu Unrecht den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der [X.], [X.], [X.], E, F-Gmb[X.] und G-Gmb[X.] mangels hinreichender Leistungsbeschreibung versagt. Er beruft sich diesbezüglich auf den [X.]eschluss des [X.]undesfinanzhofs ([X.]F[X.]) vom 14. März 2019 V [X.] 3/19 (zur amtlichen [X.] bestimmt, [X.]StR 2019, 874).

9

[X.]er Antragsteller beantragt, den [X.]eschluss des [X.]essischen [X.] vom 14. Januar 2019  1 V 1470/18 aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre vom 5. Juni 2018 von der Vollziehung auszusetzen.

[X.]as [X.] beantragt sinngemäß, die [X.]eschwerde zurückzuweisen.

Es bringt vor, hinsichtlich der Rechnung der [X.] könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese im Jahr 2011 erfasst wurde. [X.]ie [X.] trage der Antragsteller. [X.]insichtlich der übrigen streitigen Rechnungen sei der Vorsteuerabzug aus weiteren Gründen zu versagen. Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer seien nicht identisch. Es bestünden auch Zweifel an der tatsächlichen [X.]urchführung der Umsätze. Außerdem habe der Antragsteller wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteilige, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen sei. [X.]a die Rechnungsaussteller wirtschaftlich inaktiv gewesen seien, erscheine es unglaubhaft, dass der Antragsteller davon angeblich nichts gewusst habe.

Entscheidungsgründe

II.

[X.]ie [X.]eschwerde (§ 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des [X.]echtsstreits an das [X.]. Vom [X.] sind weitere tatsächliche Feststellungen zu den übrigen vom [X.] vorgebrachten [X.] für den Vorsteuerabzug aus den [X.]echnungen der [X.], [X.], [X.], E, F-Gmb[X.] und G-Gmb[X.] zu treffen.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 [X.]O ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der [X.]echtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.

a) [X.]e Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen [X.]escheids neben für seine [X.]echtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der [X.]eurteilung von [X.]echtsfragen oder Unklarheit in der [X.]eurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (vgl. z.[X.]. [X.]F[X.]-[X.]eschlüsse vom 11. Juli 2013 XI [X.] 41/13, [X.]F[X.]/NV 2013, 1647, [X.]z 16; vom 2. Juli 2014 XI S 8/14, [X.]F[X.]/NV 2014, 1601). [X.]ie Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der [X.]eteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. [X.]F[X.]-[X.]eschlüsse vom 26. September 2014 XI S 14/14, [X.]F[X.]/NV 2015, 158, [X.]z 33; vom 20. Januar 2015 XI [X.] 112/14, [X.]F[X.]/NV 2015, 537, [X.]z 15, jeweils m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die [X.]echtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (vgl. z.[X.]. [X.]F[X.]-[X.]eschlüsse vom 25. April 2013 XI [X.] 123/12, [X.]F[X.]/NV 2013, 1273, [X.]z 12; vom 17. [X.]ezember 2015 XI [X.] 84/15, [X.]F[X.]E 252, 181, [X.]St[X.]l II 2016, 192, [X.]z 22; vom 31. März 2016 XI [X.] 13/16, [X.]F[X.]/NV 2016, 1187, [X.]z 14).

b) [X.]e Zweifel können danach z.[X.]. bestehen, wenn die streitige [X.]echtsfrage höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde und im Schrifttum oder in der [X.]echtsprechung der Finanzgerichte unterschiedliche Auffassungen vertreten werden ([X.]F[X.]-[X.]eschlüsse vom 29. Juli 2009 XI [X.] 24/09, [X.]F[X.]E 226, 449, [X.]F[X.]/NV 2009, 1567, [X.]z 22; vom 26. April 2010 V [X.] 3/10, [X.]F[X.]/NV 2010, 1664, [X.]z 20). Ist die [X.]echtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärende Frage nicht im summarischen Verfahren der AdV zu entscheiden (z.[X.]. [X.]F[X.]-[X.]eschlüsse vom 25. November 2005 V [X.] 75/05, [X.]F[X.]E 212, 176, [X.]St[X.]l II 2006, 484, [X.]z 26; vom 15. Oktober 2015 I [X.] 93/15, [X.]F[X.]E 251, 309, [X.]St[X.]l II 2016, 66, [X.]z 7; in [X.]F[X.]E 252, 181, [X.]St[X.]l II 2016, 192, [X.]z 31).

2. Nach diesen Grundsätzen bestehen im Streitfall insoweit ernstliche Zweifel an der [X.]echtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuer-Änderungsbescheide, als das [X.] den Vorsteuerabzug aus den [X.]echnungen der [X.], [X.], [X.], E, F-Gmb[X.] und G-Gmb[X.] mangels hinreichender Leistungsbeschreibung versagt hat. [X.]er Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf den zur amtlichen Veröffentlichung bestimmten [X.]F[X.]-[X.]eschluss in [X.]St[X.] 2019, 874, mit dem der [X.] zu dieser Frage in jenem Verfahren AdV gewährt hat.

3. Allerdings kann auch bei nur summarischer Prüfung zum derzeitigen Verfahrensstand nicht beurteilt werden, ob ernstliche Zweifel daran bestehen, dass das [X.] den Vorsteuerabzug zu [X.]echt aus anderen Gründen versagt hat. [X.]azu sind vom [X.] weitere Feststellungen zu treffen.

a) [X.]as [X.] hat den Vorsteuerabzug versagt, weil es angenommen hat, dass die in den [X.]echnungen genannten Lieferungen nicht stattgefunden haben. [X.]aran bestehen keine ernstlichen Zweifel, sofern die [X.]echnungsaussteller nicht Lieferer gewesen sein sollten (vgl. zur erforderlichen Abgrenzung in [X.] [X.]F[X.]-Urteile vom 10. November 2010 XI [X.] 15/09, [X.]F[X.]/NV 2011, 867, [X.]z 17 ff.; vom 12. Mai 2011 V [X.] 25/10, [X.]F[X.]/NV 2011, 1541, [X.]z 20 ff.; vom 20. Oktober 2016 V [X.] 36/14, [X.]F[X.]/NV 2017, 327, [X.]z 10 f.; s. auch [X.]eschluss des [X.]undesgerichtshofs --[X.]G[X.]-- vom 29. Januar 2015  1 St[X.] 216/14, wistra - Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2015, 189, [X.]z 19, m.w.N. aus der [X.]echtsprechung des [X.]G[X.]). [X.]enn das [X.]echt auf Vorsteuerabzug hängt davon ab, dass die entsprechenden Umsätze tatsächlich bewirkt wurden; kein [X.]echt auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn die Lieferung des Gegenstands nicht bewirkt wurde (vgl. [X.]-Urteil [X.] und [X.] vom 27. Juni 2018 [X.]-459/17, [X.]-460/17, [X.]:[X.]:2018:501, [X.] --[X.]-- 2018, 679, [X.]z 41 und 36).

[X.]er Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht, trägt die [X.] für alle Tatsachen, die den Vorsteuerabzug begründen (vgl. [X.]-Urteil [X.] und [X.], [X.]:[X.]:2018:501, [X.] 2018, 679, [X.]z 39; [X.]F[X.]-Urteile vom 5. [X.]ezember 2018 XI [X.] 22/14, [X.]F[X.]E 263, 354, [X.]St[X.] 2019, 271, [X.]z 21; vom 13. [X.]ezember 2018 V [X.] 65/16, [X.]F[X.]/NV 2019, 303, [X.]z 26).

b) Es entspricht außerdem der ständigen [X.]echtsprechung des [X.]F[X.], dass der Vorsteuerabzug zu versagen ist, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hatte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (vgl. [X.]F[X.]-[X.]eschlüsse vom 19. [X.]ezember 2014 XI [X.] 12/14, [X.]F[X.]/NV 2015, 534, [X.]z 23; vom 12. September 2014 VII [X.] 99/13, [X.]F[X.]/NV 2015, 161, [X.]z 21 ff.).

[X.]ies steht im Übrigen in Einklang mit der sich aus Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die [X.], Art. 325 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] (A[X.]V) ergebenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle [X.]echts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die geeignet sind, die Erhebung der gesamten in ihrem [X.]oheitsgebiet geschuldeten Mehrwertsteuer zu gewährleisten und den [X.]etrug zu bekämpfen (vgl. [X.]-Urteile Paper [X.]onsult vom 19. Oktober 2017 [X.]-101/16, [X.]:[X.]:2017:775, [X.] 2017, 1177, [X.]z 43 und 47; [X.] und M.[X.]. vom 5. [X.]ezember 2017 [X.]-42/17, [X.]:[X.]:2017:936, [X.] 2018, 179, [X.]z 30 ff.). Soweit der Senat im [X.]F[X.]-[X.]eschluss in [X.]F[X.]E 226, 449, [X.]F[X.]/NV 2009, 1567 zu § 6a UStG in [X.]ezug auf die Missbrauchs-[X.]echtsprechung des [X.] noch ernstliche Zweifel bejaht hatte, sind diese durch das [X.]-Urteil [X.] vom 7. [X.]ezember 2010 [X.]-285/09 ([X.]:[X.]:2010:742, [X.]St[X.]l II 2011, 846) beseitigt worden (vgl. dazu auch [X.]-Urteil [X.] vom 18. [X.]ezember 2014 [X.]-131/13, [X.]-163/13 und [X.]-164/13, [X.]:[X.]:2014:2455, [X.] 2015, 200; [X.]eschluss des [X.]undesverfassungsgerichts vom 16. Juni 2011  2 [X.]v[X.] 542/09, [X.] 2011, 1145).

c) [X.] zweifelhaft wäre indessen weiterhin (vgl. dazu [X.]F[X.]-[X.]eschlüsse in [X.]F[X.]/NV 2015, 537, [X.]z 19; vom 18. Februar 2015 V S 19/14, [X.]F[X.]/NV 2015, 866, [X.]z 30 ff.), sofern die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür vorlägen (vgl. zur Abgrenzung auch [X.]F[X.]-[X.]eschluss vom 7. [X.]ezember 2016 XI [X.] 31/14, [X.]F[X.]/NV 2017, 487, [X.]z 8 und 9), ob auch beim Vorsteuerabzug [X.] bereits im Festsetzungsverfahren gewährt werden kann (verneinend [X.]F[X.]-Urteile vom 22. Juli 2015 V [X.] 23/14, [X.]F[X.]E 250, 559, [X.]St[X.]l II 2015, 914, [X.]z 31 ff.; vom 10. September 2015 V [X.] 17/14, [X.]F[X.]/NV 2016, 80, [X.]z 48). Nachdem der [X.] die ihm vom Senat dazu gestellte Vorlagefrage (vgl. [X.]F[X.]-[X.]eschluss vom 6. April 2016 XI [X.] 20/14, [X.]F[X.]E 254, 152, Frage 2) nicht beantworten musste (vgl. [X.]-Urteil [X.] und [X.]utin vom 15. November 2017 [X.]-374/16, [X.]-375/16, [X.]:[X.]:2017:867, [X.] 2018, 88, [X.]z 51), sind die in [X.]z 60 ff. des [X.] in [X.]F[X.]E 254, 152 aufgeworfenen Fragen weiterhin ungeklärt.

d) Ausgehend davon kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des [X.] und der dem Senat vorliegenden Finanzgerichtsakte nicht beurteilt werden, ob aus anderen als vom [X.] angenommenen Gründen keine ernstlichen Zweifel an der [X.]echtmäßigkeit der angefochtenen Änderungsbescheide bestehen. [X.]er Senat verweist die Sache diesbezüglich an das [X.] zurück.

aa) Zwar ergeht die Entscheidung über einen Antrag auf AdV wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten und den präsenten [X.]eweismitteln ergibt, aus denen das Gericht seine Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen hat, und es besteht im [X.]eschwerdeverfahren für den [X.]F[X.] als Tatsachengericht grundsätzlich selbst die [X.]efugnis und Pflicht zur Tatsachenfeststellung (vgl. [X.]F[X.]-[X.]eschluss vom 10. Januar 2013 XI [X.] 33/12, [X.]F[X.]/NV 2013, 783, [X.]z 19).

bb) Jedoch ist nach der [X.]echtsprechung des [X.]F[X.] auch eine Zurückverweisung des Verfahrens zur ergänzenden Tatsachenfeststellung durch das [X.] nach den §§ 132, 155 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 572 Abs. 3 der Zivilprozessordnung möglich, weil der [X.]F[X.] als [X.]evisions- und [X.]eschwerdegericht in erster Linie die Aufgabe hat, die Entscheidungen der Finanzgerichte zu überprüfen (vgl. [X.]F[X.]-[X.]eschluss vom 20. Juli 2012 V [X.] 82/11, [X.]F[X.]E 237, 545, [X.]St[X.]l II 2012, 809, [X.]z 31 ff.), die Sachnähe des [X.], bei dem die [X.]auptsache anhängig ist, für eine Zurückverweisung spricht (vgl. [X.]F[X.]-[X.]eschluss vom 5. [X.]ezember 2018 VIII [X.] 130/18, [X.]F[X.]/NV 2019, 282, [X.]z 17) und das [X.] die Aufgabe der ergänzenden Tatsachenfeststellung in der [X.]egel schneller und effektiver erfüllen kann (vgl. [X.]F[X.]-[X.]eschluss vom 6. November 2008 IV [X.] 126/07, [X.]F[X.]E 223, 294, [X.]St[X.]l II 2009, 156, [X.]z 18). Von dieser [X.]efugnis macht der Senat aus den genannten Gründen Gebrauch.

4. Unbegründet ist die [X.]eschwerde hingegen, soweit sie sich gegen die [X.]inzuschätzung von [X.] sowie gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs aus den angeblichen Leistungen der [X.] und des [X.] wendet.

a) [X.]a der Antragsteller bei summarischer Prüfung die Aufzeichnungspflichten des § 22 UStG verletzt hat, ist das [X.] zu [X.]echt davon ausgegangen, dass das [X.] gemäß § 162 AO dem Grunde nach zur Schätzung befugt ist (vgl. [X.]F[X.]-Urteile vom 14. [X.]ezember 2011 XI [X.] 5/10, [X.]F[X.]/NV 2012, 1921, [X.]z 19 ff.; vom 27. September 2018 V [X.] 9/17, [X.]F[X.]/NV 2019, 127, [X.]z 20; s. zur Schätzung bei sonstigen [X.]uchführungsmängeln auch [X.]F[X.]-Urteil in [X.]F[X.]/NV 2019, 303, [X.]z 30 ff.; zur unionsrechtlichen Zulässigkeit von Schätzungen im [X.]ereich der Mehrwertsteuer s. [X.]-Urteile [X.] vom 5. Oktober 2016 [X.]-576/15, [X.]:[X.]:2016:740, [X.] 2016, 1034; [X.] vom 21. November 2018 [X.]-648/16, [X.]:[X.]:2018:932, [X.] 2019, 67). [X.]ie Ausführungen in der [X.]eschwerdebegründung sind nicht dazu geeignet, ernstliche Zweifel an der [X.]öhe der Schätzung zu begründen.

b) Ebenfalls zu [X.]echt hat das [X.] angenommen, dass bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der [X.]echtmäßigkeit des Umsatzsteuer-Änderungsbescheids für das [X.] insoweit besteht, als der Vorsteuerabzug aus den angeblichen Leistungen der [X.] versagt worden ist.

aa) [X.]er Steuerpflichtige kann sein [X.]echt auf Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, Art. 178 [X.]uchst. a der [X.]ichtlinie 2006/112/EG des [X.]ates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSyst[X.]L) nur dann ausüben, wenn er eine [X.]echnung besitzt (vgl. [X.]-Urteile Kommission/Luxemburg vom 4. Mai 2017 [X.]-274/15, [X.]:[X.]:2017:333, [X.] 2017, 654, [X.]z 67; [X.] vom 21. März 2018 [X.]-533/16, [X.]:[X.]:2018:204, [X.] 2018, 421, [X.]z 42 und 43). [X.]as [X.]echt auf Vorsteuerabzug ist grundsätzlich für den Zeitraum auszuüben, in dem zum einen dieses [X.]echt entstanden ist und zum anderen der Steuerpflichtige im [X.]esitz einer [X.]echnung ist (vgl. [X.]-Urteile Terra [X.]aubedarf-[X.]andel vom 29. April 2004 [X.]-152/02, [X.]:[X.]:2004:268, [X.] 2004, 709, [X.]z 34; [X.] vom 15. September 2016 [X.]-518/14, [X.]:[X.]:2016:691, [X.] 2016, 1029, [X.]z 35). [X.]avon gehen neben dem [X.] auch beide [X.]eteiligte aus.

bb) Gemessen daran ist, da die [X.]echnungen der [X.] im Jahr 2011 ausgestellt worden sind, bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass das [X.]echt auf Vorsteuerabzug im Jahr 2011 (und damit vor den Streitjahren) ausgeübt werden kann.

cc) Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller erst im [X.] in den [X.]esitz der [X.]echnungen der [X.] gelangt sein könnte, bestehen, wie das [X.] zu [X.]echt angenommen hat, bei summarischer Prüfung nicht. [X.]ie [X.]eschwerde enthält dazu keine substantiierten Einwendungen, die angesichts der [X.] des Antragstellers (s. oben unter [X.]) geeignet wären, ernstliche Zweifel an der [X.]echtmäßigkeit des [X.] für das [X.] zu wecken.

dd) [X.]ie Frage, ob in extremen Ausnahmefällen, in dem der Vorsteuerabzug ansonsten unmöglich gemacht oder auf unverhältnismäßige Weise verwehrt würde, ernstlich zweifelhaft sein könnte, ob ein Vorsteuerabzug ohne eine auf den Leistungsempfänger lautende [X.]echnung i.S. des § 14 Abs. 4 UStG, Art. 226 MwStSyst[X.]L möglich sein könnte (vgl. dazu [X.]-Urteile Polski Trawertyn vom 1. März 2012 [X.]-280/10, [X.]:[X.]:2012:107, [X.] 2012, 461, [X.]z 39 ff.; [X.] vom 21. November 2018 [X.]-664/16, [X.]:[X.]:2018:933, [X.] 2019, 65, [X.]z 42), bedarf im Streitfall, in dem der Antragsteller die [X.]echnungen der [X.] besitzt, keiner Entscheidung.

c) Zur Versagung des Vorsteuerabzugs in [X.]ezug auf die [X.]echnung des [X.] enthält die [X.]eschwerde auch keine Angriffe, die geeignet wären, ernstliche Zweifel an der [X.]echtmäßigkeit der Festsetzungen zu begründen. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass bei nicht erkannter innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb der Vorsteuerabzug hinsichtlich der in der [X.]echnung des [X.] unrichtig ausgewiesenen Umsatzsteuer zu versagen ist (vgl. dazu allgemein [X.]-Urteil [X.] vom 21. Februar 2018 [X.]-628/16, [X.]:[X.]:2018:84, [X.] 2018, 337, [X.]z 43, 46 ff.).

5. [X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI B 13/19

16.05.2019

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 14. Januar 2019, Az: 1 V 1470/18, Beschluss

§ 15 Abs 1 S 1 Nr 1 S 1 UStG 2005, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 S 2 UStG 2005, § 14 Abs 4 Nr 5 UStG 2005, § 22 UStG 2005, § 162 AO, § 163 AO, § 227 AO, § 69 FGO, Art 168 Buchst a EGRL 112/2006, Art 178 Buchst a EGRL 112/2006, Art 226 Nr 6 EGRL 112/2006, Art 325 AEUV, UStG VZ 2012, UStG VZ 2013, UStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.05.2019, Az. XI B 13/19 (REWIS RS 2019, 7217)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7217

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Anforderungen zur Leistungsbeschreibung und zum Leistungszeitpunkt für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung


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1 StR 216/14

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