Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2000, Az. 4 StR 489/00

4. Strafsenat | REWIS RS 2000, 457

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[X.] StR 489/00vom21. November 2000in der Strafsachegegenwegen Vergewaltigung u.a.- 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 21. November 2000 gemäߧ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:1.Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil [X.] Bielefeld vom 11. Juli 2000 mit den Fest-stellungen aufgehoben.2.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eineStrafkammer des [X.].Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten der Vergewaltigung in zwei Fällenund der versuchten Vergewaltigung für schuldig befunden und ihn zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. [X.] sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren be-anstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mitder Sachbeschwerde Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb [X.] Das Urteil kann keinen Bestand haben, soweit das [X.] [X.] der versuchten Vergewaltigung für schuldig befunden hat; dennder Ausschluß eines strafbefreienden Rücktritts hält rechtlicher Nachprüfungnicht stand.- 3 -Nach den Feststellungen kam, bevor der Angeklagte in seinem Pkw [X.] den Geschlechtsverkehr vollziehen konnte, "ein anderer Autofahrervorbei und hupte, da er an dem Auto des Angeklagten nicht vorbeifahrenkonnte. So gestört nahm der Angeklagte von der weiteren Tatausführung [X.], ... . Er befürchtete, daß der andere Autofahrer zu seinem Fahrzeugkommen würde und sehen würde, was der Angeklagte tat" ([X.]. Hierauf ge-stützt meint das [X.], der Angeklagte habe von der weiteren Tatausfüh-rung "nicht freiwillig" Abstand genommen.Das [X.] hat sich dabei schon nicht damit auseinandergesetzt,warum der Angeklagte seine Tat nicht fortführte, nachdem sich der andere Au-tofahrer entfernt hatte. Im übrigen ist nicht erkennbar, worauf es seine Über-zeugung gründet, der Angeklagte habe aus "Angst, der Autofahrer würde zuseinem Fahrzeug kommen und seine Tat erkennen" ([X.]), von der [X.] abgesehen: Der Angeklagte selbst hat dazu angegeben, es sei- allerdings freiwillig - zu vollendetem Geschlechtsverkehr gekommen ([X.] 14).Diese Einlassung hält das [X.] zwar durch die entgegenstehende Be-kundung der Nebenklägerin mit der - schon für sich rechtlich nicht unbedenkli-chen - Erwägung für widerlegt, "vermutlich" sei es für den Angeklagten mit"seinem männlichen Stolz nicht zu vereinbaren, daß er durch einen anderenAutofahrer gestört wurde" ([X.] 15/16). Daraus ergibt sich aber nicht, daß [X.] auch Angaben zu einer den Angeklagten beherrschenden [X.] Entdeckung gemacht hat. Die Erwägungen des [X.]s sind damitbisher nicht mehr als eine Vermutung, daß ein emotionaler Zwang den Ange-klagten zu der Tatvollendung unfähig gemacht haben könnte (vgl. [X.]St 21,216; 35, 184, 186; [X.]/[X.] StGB 23. Aufl. § 24 Rdn. 16, 17 m.w.[X.] 4 -Allerdings lassen die bisher getroffenen Feststellungen die Möglichkeitoffen, daß der Angeklagte sein Ziel, den Geschlechtsverkehr mit [X.] M. zuvollziehen, nicht endgültig aufgegeben hatte, vielmehr die Tat im Hotel, das erzusammen mit ihr gleich anschließend aufsuchte, fortsetzten wollte, zumal esdort zum gewaltsam vollzogenen Geschlechtsverkehr kam. Dies könnte [X.] im Auto und das im Hotel zu einer Tat im Rechtssinne verknüpfen(vgl. [X.]St 33, 142, 144 f.; 39, 244, 247 f.; [X.]R StGB § 24 Abs. 1 Satz 1Rücktritt 4). Dazu bedurfte es schon deshalb näherer Erörterung, weil der An-geklagte die Nebenklägerin zwischenzeitlich nicht aus seinem Einflußbereichentlassen hat (vgl. [X.]St 39, 244, 247 f.).2. Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft zwar nur die Verurteilung [X.] wegen des Geschehens im PKW. Der [X.] hebt aber wegen deshier gegebenen Zusammenhangs mit der Bewertung der Aussage der Neben-klägerin als einziger Tatzeugin das Urteil insgesamt auf, um dem [X.] eine widerspruchsfreie Würdigung zu ermöglichen, zumal die Be-weiswürdigung zur Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin und Glaubhaftigkeit ih-rer Angaben auch für sich genommen nicht frei von rechtlichen Bedenken ist.Das [X.] glaubt den Angaben der Nebenklägerin zum [X.]. Dagegen hält es ihre Angaben für widerlegt, soweit diese nochin der Hauptverhandlung "bei ihrer eindringlichen Befragung durch die [X.] Gegenüberstellung mit anderen Zeugen den Austausch von Intimitäten mitdem Angeklagten bis auf den Austausch flüchtigerWangenküsse vehement abstreitet" ([X.] 19, 20). Gleichwohl erachtet das[X.] die Zeugin für glaubwürdig und das [X.] "ohne [X.] für plausibel". Stellt sich objektiv die Unwahrheit der Aussage eines [X.] 5 -stungszeugen heraus, so muß der Tatrichter aber, wenn er der Zeugenaussa-ge im übrigen dennoch glaubt, regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage lie-gende gewichtige Gründe hierfür nennen (st. Rspr.; [X.] StV 1998, 580, 581).Daran fehlt es hier. Zudem stützt sich das [X.] bei seiner Beurteilungauf die Erwägung, "daß es sich die Zeugin M. heute schlicht und einfach [X.] kann, für jemanden, der ihr derart Gewalt angetan hat, zuvor einmalSympathie empfunden zu haben" ([X.] 20). Diese Darlegungen begründen [X.], daß das [X.] einem Zirkelschluß erlegen ist; denn die [X.] begründet die ihr nachvollziehbar erscheinende fehlende Erinnerungder Nebenklägerin an den früheren Austausch von Zärtlichkeiten mit dem [X.], und damit ihre Glaubwürdigkeit, letztlich mit der Glaubhaftigkeit ih-rer eigenen Bekundungen zu der dem Angeklagten angelasteten Gewalthand-lungen.Bedenken begegnen auch die Erwägungen des [X.]s, mit [X.] begründet, es könne "nachvollziehen, daß die Zeugin M. nicht schon nachder ersten Vergewaltigung die Flucht vor dem Angeklagten ergriff" ([X.] 21). [X.]: "... mag die Zeugin tatsächlich Angst davor gehabt haben, ..." und"... dürfte sie gehofft haben, daß ... " lassen besorgen, daß sich das [X.] insoweit lediglich auf nicht durch Aussagen der Nebenklägerin belegteVermutungen stützt. Jedenfalls aber unterliegt die Strafkammer hier einemweiteren Zirkelschluß; denn sie erklärt den Umstand, daß sich die Nebenkläge-rin "letztlich doch zur Flucht entschloß und sich an die Polizei wandte", mit [X.], nämlich damit, "daß nunmehr nach der erneuten Vergewaltigungim [X.] ihre Leidensfähigkeit so erschöpft war, daß die Befürchtung, [X.] hinnehmen zu müssen, völlig in den Hintergrund geriet"([X.] 21).- 6 -Der [X.] kann nicht ausschließen, daß das [X.] ohne dierechtsbedenklichen Erwägungen die Aussage der Nebenklägerin anders ge-würdigt und insgesamt zu einem für den Angeklagten günstigeren [X.] wäre. Ihrem Verhalten, insbesondere zu der Frage nach dem früherenAustausch von Zärtlichkeiten, kam hier schon deshalb besondere [X.], weil das Urteil nicht verständlich macht, weshalb sie sich dem Ansinnengerade des Angeklagten, mit ihr den Geschlechtsverkehr zu vollziehen, derar-tig widersetzt habe und dieser deshalb habe Gewalt anwenden müssen; ange-sichts dessen, daß die Nebenklägerin in der [X.] als Prostituiertearbeitete, sie auch für den Angeklagten "tätig" war, sie ihm gegenüber [X.] möge ihn" ([X.] 4), und sie auch Dritten gegenüber erwähnte, daß sie [X.] "sympatisch finde" ([X.] 20), hätte dies hier näher erörtert werdenmüssen.3. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Ent-scheidung. Der [X.] macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1Halbs. 2 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das [X.] Pader-born zurück.Für das weitere Verfahren weist der [X.] für den Fall erneuter Verur-teilung des Angeklagten wegen Vergewaltigung ergänzend darauf hin, daßauch die Strafrahmenwahl und die Strafzumessungserwägungen im angefoch-tenen Urteil Bedenken begegnen. Zu Recht hat das [X.] zu Gunstendes Angeklagten gewertet, daß seine "Hemmschwelle, sich an der Zeugin [X.] vergehen, deutlich herabgesetzt gewesen sein dürfte, da diese für ihn [X.] tätig war" ([X.] 25). Der [X.] hält insoweit - entgegen den vom2. Strafsenat geäußerten Bedenken (vgl. [X.] NStZ-RR 1998, 326 Nr. 30;- 7 -[X.], Urteil vom 16. August 2000 - 2 StR 159/00) - an seiner bisherigen Recht-sprechung fest ([X.] StV 1995, 635 ; 1996, 26; wie hier auch [X.], Beschluß vom 19. September 2000 - 5 StR 404/00). Hinzu kommthier das freundschaftliche Verhältnis des Angeklagten zu der Nebenklägerin,das zumindest aus seiner Sicht - wie das [X.] selbst erwägt ([X.] 25) -die Erwartung freiwilliger sexueller Kontakte nahelegte. Bei dieser Sachlageliegen besondere Umstände vor, die es rechtfertigen können, trotz [X.] des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB besonders schwereFälle zu verneinen und die Strafen dem Strafrahmen des Absatzes 1 oder Œweiter gehend - des Absatzes 5 Halbs. 1 der Vorschrift (zu letzterem [X.]RStGB § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 1, 2) zu entnehmen. Zudem wird die [X.], der Angeklagte habe bei den Taten "schon eine gewisse Brutalitätwalten lassen" ([X.] 25), den festgestellten Umständen nicht ohne weiteres ge-recht. Daß er "nicht völlig unerhebliche ... Gewalt" ausgeübt hat ([X.] 24), ge-hört zum [X.] der Vergewaltigung und ist deshalb kein zulässiger [X.].[X.] Maatz Athing

Meta

4 StR 489/00

21.11.2000

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2000, Az. 4 StR 489/00 (REWIS RS 2000, 457)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 457

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