Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.09.2020, Az. II R 49/17

2. Senat | REWIS RS 2020, 3588

STEUERRECHT STEUERN GRUNDERWERBSTEUER

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Gegenstand

Berücksichtigung der Instandhaltungsrückstellung bei der Grunderwerbsteuer


Leitsatz

Beim rechtsgeschäftlichen Erwerb von Teileigentum ist der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 17.10.2017 - 5 K 2297/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom [...]05.2016 Sondereigentum an vier Gewerbeeinheiten und neun Tiefgaragenstellplätzen in Verbindung mit den Miteigentumsanteilen an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu denen sie gehörten (Teileigentumsrechte). In dem Kaufvertrag heißt es, der Anteil des Verkäufers an den gemeinschaftlichen Geldern (Vorschüsse, Instandhaltungsrücklage usw.) gehe bei [X.] auf den Käufer über. Der Kaufpreis betrug 40.000 €.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte die Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 18.05.2016 unter Berücksichtigung des im Vertrag vereinbarten Kaufpreises auf 2.600 € fest.

3

Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, die Bemessungsgrundlage sei um die Instandhaltungsrücklage von insgesamt 14.815,19 € zu mindern. Bei entsprechender Aufschlüsselung des um die Instandhaltungsrücklage geminderten Kaufpreises auf die 13 Objekte lägen die [X.] unter der Wertgrenze des § 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) von 2.500 €. Der Einspruch blieb erfolglos.

4

Ihre Klage stützte die Klägerin zum einen darauf, dass sich die Instandhaltungsrücklage kaufpreismindernd auswirke, zum anderen auf deren ertragsteuerrechtliche Behandlung als Wirtschaftsgut. Zwar sei die Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 10 des Wohnungseigentumsgesetzes i.d.[X.] ([X.], 370 --WEG--) mittlerweile teilrechtsfähig und Eigentümerin des [X.]. Gleichwohl stelle die Beteiligung des Wohnungseigentümers an der Instandhaltungsrücklage ein bilanzierungspflichtiges Wirtschaftsgut dar (Beschluss des [X.] --BFH-- vom 05.10.2011 - I R 94/10, [X.], 367, [X.], 244). Als Geldforderung, die auf den Erwerber übergehe, müsse sie aus der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ausgeschieden werden. Dem entsprechend sei der Kaufpreis beim Veräußerer anteilig als Verkaufspreis für das Wirtschaftsgut "Instandhaltungsrücklage" zu behandeln. Das BFH-Urteil vom 02.03.2016 - II R 27/14 ([X.], 271, [X.], 619) widerspreche dem nicht, da es zu einem Erwerb in der Zwangsversteigerung ergangen sei.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die anteilige Instandhaltungsrückstellung sei Teil des [X.] der Wohnungseigentümergemeinschaft und gehe bei einem Eigentümerwechsel nicht auf den Erwerber über. Ein für die Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer typischer Rechtsträgerwechsel finde diesbezüglich nicht statt. Dies gelte unabhängig davon, ob der Erwerb durch [X.] oder wie vorliegend durch Kaufvertrag erfolge.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.

7

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 28.07.2016 und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 18.05.2016 aufzuheben.

8

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist unbegründet und war daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass beim Erwerb von Teileigentum der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige [X.] zu mindern ist.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet.

Gegenstand des steuerbaren Verpflichtungsgeschäfts ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG ein Grundstück im Sinne des bürgerlichen Rechts. Gemäß § 1 Abs. 3 WEG ist Teileigentum das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört; für jeden Miteigentumsanteil wird ein besonderes Grundbuchblatt angelegt (§§ 3 Abs. 1 und 7 Abs. 1 WEG). Teileigentum unterfällt damit dem Grundstücksbegriff des [X.]es (vgl. für Wohnungseigentum BFH-Urteil vom 30.07.1980 - II R 19/77, [X.], 100, [X.] 1980, 667).

2. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung.

a) Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben (BFH-Urteil vom 25.04.2018 - II R 50/15, [X.], 169, [X.] 2018, 602, Rz 13, m.w.N.).

b) Beim Erwerb von Teileigentum ist der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige [X.] zu mindern.

aa) Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist grundsätzlich der Kaufpreis als Bemessungsgrundlage anzusetzen. Eine Aufteilung des Kaufpreises entsprechend den Grundsätzen zur Aufteilung einer Gesamtgegenleistung ist nur dann geboten, wenn der Kaufvertrag Gegenstände umfasst, deren Erwerb nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt (vgl. BFH-Urteil vom 09.10.1991 - II R 20/89, [X.], 548, [X.] 1992, 152). Leistungen des Erwerbers, die nicht den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang betreffen, insbesondere also für eine andere Leistung aufgewendet werden als für die Verpflichtung, Besitz und Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen, scheiden folglich aus der Gegenleistung i.S. der §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus (BFH-Urteil vom 06.12.2017 - II R 55/15, [X.], 58, [X.] 2018, 406, Rz 12, m.w.N.).

bb) Die anteilige [X.] ist Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 7 Satz 1 WEG; [X.], Wohnungseigentumsgesetz, 14. Aufl., § 21, Rz 146) und damit nicht Vermögen des Wohnungseigentümers, sondern Vermögen eines anderen Rechtssubjekts (BFH-Urteil in [X.], 271, [X.] 2016, 619, Rz 13).

(1) Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist ein vom jeweiligen Mitgliederbestand unabhängiger teilrechtsfähiger und parteifähiger Verband sui generis (vgl. BFH-Urteil in [X.], 271, [X.] 2016, 619, Rz 14, m.w.N.). Ihr gehört nach § 10 Abs. 7 Satz 1 WEG das Verwaltungsvermögen. Dieses besteht aus den im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Sachen und Rechten sowie den entstandenen Verbindlichkeiten (§ 10 Abs. 7 Satz 2 WEG).

(2) Eine ordnungsmäßige, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechende Verwaltung erfordert nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG auch die Ansammlung einer angemessenen [X.], die zum Verwaltungsvermögen zählt. Die [X.] i.S. des § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG, bei der es sich nicht um eine Rückstellung im bilanztechnischen Sinne handelt, ist die Ansammlung einer angemessenen Geldsumme, die der wirtschaftlichen Absicherung künftig notwendiger Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum dient und die im Wesentlichen durch Beiträge der Wohnungseigentümer angesammelt wird ([X.], a.a.[X.], § 21 Rz 144, 147). Sie bleibt bei einem Eigentümerwechsel Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Anders als das Zubehör eines Grundstücks i.S. des § 97 Abs. 1 Satz 1, § 98 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, das nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt (vgl. [X.] vom 03.06.2020 - II B 54/19, [X.], 1174, Rz 8), kann damit die (anteilige) [X.] beim Eigentumserwerb durch Rechtsgeschäft auch bei entsprechender Einigung von Veräußerer und Erwerber über den Übergang der [X.] nicht auf den Erwerber übergehen.

(3) Ein für die Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer typischer Rechtsträgerwechsel findet bezüglich der [X.] nicht statt. Die Wohnungseigentümer haben keinen Anteil am Verwaltungsvermögen, über den sie verfügen können (BFH-Urteil in [X.], 271, [X.] 2016, 619, Rz 16, m.w.N.). Auch wenn die Vertragsparteien vereinbart haben, dass ein Teil des Kaufpreises "für die Übernahme des in der [X.] angesammelten Guthabens" geleistet wird, und der [X.] im Kaufvertrag folglich ein eigenständiger Wert zugemessen wurde, handelt es sich dabei nicht um Aufwand für die Übertragung einer geldwerten nicht unter den Grundstücksbegriff des [X.]es fallenden [X.] (anders noch zum [X.] BFH-Urteil in [X.], 548, [X.] 1992, 152, unter [X.]). Ein rechtsgeschäftlicher Erwerb dieser Position ist zivilrechtlich nicht möglich (Loose in [X.], [X.], 19. Aufl., § 9 Rz 106).

(4) Vor diesem Hintergrund gehört auch das Entgelt, das der Erwerber bei wirtschaftlicher Betrachtung für die anteilige Instandhaltungsrücklage aufwendet, zu denjenigen Leistungen, die er nach Maßgabe des [X.] in [X.], 169, [X.] 2018, 602 gewährt, um das Grundstück zu erwerben. [X.] ist dabei, wie die Instandhaltungsrücklage ertragsteuerrechtlich zu behandeln ist.

cc) Auch der mit dem Eigentumsübergang des [X.] verbundene gesetzliche Übergang der Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft auf den Erwerber rechtfertigt es nicht, die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer um die anteilig auf das Teileigentum entfallende [X.] zu mindern.

(1) Die Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft begründet kraft Gesetzes eine schuldrechtliche Sonderrechtsbeziehung, aus der sich eine Vielzahl von Rechten und Pflichten ergibt, die untrennbar mit dem Sondereigentum an der Wohnung und dem Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum verbunden sind (BFH-Urteil in [X.], 271, [X.] 2016, 619, Rz 18, m.w.N.). Zu den Rechten des einzelnen Eigentümers gehört z.B. der Anspruch gegenüber der [X.] Ermessensentscheidung, ob größere Reparaturarbeiten aus der [X.] bezahlt werden sollen oder ob insoweit eine Sonderumlage erhoben wird (Beschluss des [X.] vom 27.03.2003 - 2Z BR 37/03, Zeitschrift für Miet- und Raumrecht 2003, 694, unter [X.]), m.w.N.; Reichel-Scherer in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Würdinger, [X.], 9. Aufl., § 21 WEG Rz 357; vgl. ferner Urteil des [X.] vom 25.09.2015 - V ZR 244/14, [X.], 99, Rz 22).

(2) Bei einer Veräußerung des [X.] wird der Erwerber mit Einigung der Beteiligten über den Eintritt der Rechtsänderung und Eintragung ins Grundbuch Eigentümer des [X.] (§ 4 Abs. 1 WEG) und kraft Gesetzes zugleich Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Mitgliedschaft kann für sich allein nicht Gegenstand einer gesonderten Veräußerung sein. Soweit sie überhaupt einen bezifferbaren Wert hat, ist die entsprechende Leistung des Erwerbers untrennbarer Bestandteil dessen, was er aufwendet, um das Grundstück zu erwerben.

3. Das [X.] ist rechtsfehlerfrei von den dargelegten Maßstäben über die Berücksichtigung der [X.] ausgegangen und hat ihren Abzug bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zu Recht abgelehnt.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 49/17

16.09.2020

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 17. Oktober 2017, Az: 5 K 2297/16, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 2 Abs 1 S 1 GrEStG 1997, § 8 Abs 1 GrEStG 1997, § 9 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 1 Abs 3 WoEigG, § 10 Abs 7 S 1 WoEigG vom 26.03.2007, § 12 Abs 5 Nr 4 WoEigG, § 10 Abs 7 S 2 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.09.2020, Az. II R 49/17 (REWIS RS 2020, 3588)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3588

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