Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.03.2016, Az. II R 6/15

2. Senat | REWIS RS 2016, 15260

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Gegenstand

(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 02.03.2016 II R 27/14 - Ansatz des Meistgebots als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer)


Leitsatz

NV: Bei Erwerb einer Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung ist das Meistgebot als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern .

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 25. Juni 2014  6 K 193/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb als Meistbietender bei einer Zwangsversteigerung durch Zuschlagsbeschluss vom 21. Oktober 2010 eine Eigentumswohnung, für die ein Verkehrswert von 71.000 € angegeben war. Das [X.] betrug 35.500 €. Eingetragene Rechte blieben nicht bestehen.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte ausgehend von dem [X.] als Bemessungsgrundlage mit Bescheid vom 16. November 2010 gegen den Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 1.242 € fest. Der Einspruch, mit dem der Kläger die Minderung der Bemessungsgrundlage um die anteilig auf die Eigentumswohnung entfallende, angesparte Instandhaltungsrückstellung von 2.713 € begehrte, blieb ohne Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die zum Verwaltungsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft gehörende Instandhaltungsrückstellung sei nicht Gegenstand des Erwerbs des Klägers gewesen.

4

Mit der Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung von § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).

5

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 16. November 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2012 dahingehend zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 1.147 € herabgesetzt wird.

6

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass beim Erwerb einer Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung das [X.] als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzen und dieses nicht um die anteilige [X.] zu mindern ist.

8

1. Der Grunderwerbsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.] das [X.] im Zwangsversteigerungsverfahren für ein inländisches Grundstück. Die Steuer bemisst sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 [X.]). Bei einem [X.] im Zwangsversteigerungsverfahren gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 [X.] als Gegenleistung das [X.] einschließlich der Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben. Die in § 9 Abs. 1 Nr. 4 [X.] verwendeten Begriffe sind dabei aus dem Recht der Zwangsversteigerung vorgegeben und i.S. des Zwangsversteigerungsrechts auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 14. Oktober 2008 II B 65/07, [X.], 214, m.w.N., und [X.]-Urteil vom 15. Juli 2015 II R 11/14, [X.], 1602, Rz 10). Das [X.] ist das höchste Gebot, das bis zum Schluss der Versteigerung abgegeben worden ist ([X.]/ [X.], Grunderwerbsteuer, 5. Aufl. 2015, Rz 774). Dem Meistbietenden ist der Zuschlag zu erteilen (§ 81 Abs. 1 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung --[X.]--). Das [X.] umfasst das geringste Gebot i.S. des § 44 Abs. 1 [X.] und das über das geringste Gebot hinausgehende Mehrgebot (§ 49 Abs. 1 [X.]; [X.], [X.], Kommentar, 5. Aufl., § 9 Rz 116).

9

2. Beim Erwerb einer Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung ist das [X.] als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige [X.] zu mindern.

a) Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 4 [X.] ist das [X.] als Bemessungsgrundlage anzusetzen. § 9 Abs. 1 Nr. 4 [X.] legt die Gegenleistung beim [X.] im Zwangsversteigerungsverfahren typisierend fest (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 1602, Rz 20). Eine Aufteilung des [X.]s entsprechend den Grundsätzen zur Aufteilung einer Gesamtgegenleistung (vgl. [X.]-Urteil vom 9. Oktober 1991 II R 20/89, [X.], 548, [X.] 1992, 152) ist nur dann geboten, wenn die Zwangsversteigerung Gegenstände umfasst, deren Erwerb nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt und für die das Gericht eine gesonderte Zwangsversteigerung nach § 65 [X.] anordnen könnte (Loose, in [X.], [X.], 17. Aufl., § 9 Rz 384; [X.], a.a.[X.], § 9 Rz 115).

b) Gegenstand der Versteigerung einer Eigentumswohnung ist das Sondereigentum an einer Wohnung i.V.m. dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (sog. Wohnungseigentum; vgl. § 1 Abs. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes i.d.[X.] zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26. März 2007 --[X.]--, [X.], 370). Seinem Umfang nach umfasst die Immobiliarzwangsvollstreckung auch Gegenstände, auf die sich bei Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten die Hypothek erstreckt (§ 865 der Zivilprozessordnung; § 20 Abs. 2 [X.]; [X.], a.a.[X.], § 9 Rz 115). Solche Gegenstände sind z.B. die vom Grundstück getrennten Erzeugnisse und sonstigen Bestandteile, soweit sie nicht nach den §§ 954 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs in das Eigentum eines anderen fallen ([X.], a.a.[X.], § 9 Rz 115). Die [X.] gehört nicht dazu.

c) Die anteilige [X.] ist Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 7 Satz 1 [X.]; [X.], Wohnungseigentumsgesetz, 13. Aufl., § 21 Rz 146) und damit nicht Vermögen des von der Zwangsversteigerung betroffenen Wohnungseigentümers, sondern Vermögen eines anderen Rechtssubjekts.

aa) Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist ein vom jeweiligen Mitgliederbestand unabhängiger teilrechtsfähiger und parteifähiger Verband sui generis (vgl. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 2. Juni 2005 V ZB 32/05, [X.], 154; [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl. 2016, [X.]. [X.] Rz 5). Sie kann im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen (§ 10 Abs. 6 Satz 1 [X.]). Sie ist Inhaberin der als [X.] gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Rechte und Pflichten (§ 10 Abs. 6 Satz 2 [X.]). Der [X.] der Wohnungseigentümer gehört nach § 10 Abs. 7 Satz 1 [X.] das Verwaltungsvermögen. Dieses besteht aus den im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Sachen und Rechten sowie den entstandenen Verbindlichkeiten (§ 10 Abs. 7 Satz 2 [X.]).

bb) Eine ordnungsmäßige, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechende Verwaltung erfordert nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 [X.] auch die Ansammlung einer angemessenen [X.], die zum Verwaltungsvermögen zählt (vgl. [X.]-Beschluss in [X.], 154, unter [X.]; [X.]/ [X.], a.a.[X.], [X.] § 21 Rz 18). Die [X.] i.S. des § 21 Abs. 5 Nr. 4 [X.], bei der es sich nicht um eine Rückstellung im bilanztechnischen Sinne handelt, ist die Ansammlung einer angemessenen Geldsumme, die der wirtschaftlichen Absicherung künftig notwendiger Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am [X.]seigentum dient und die im Wesentlichen durch Beiträge der Wohnungseigentümer angesammelt wird ([X.], a.a.[X.], § 21 Rz 144, 147). Sie bleibt bei einem Eigentümerwechsel Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft ([X.], a.a.[X.], § 21 Rz 146). Anders als das Zubehör eines Grundstücks wie etwa Heizöl, [X.] oder eine Kücheneinrichtung ([X.], [X.], Kommentar, 6. Aufl. 2016, § 90 Rz 4, § 21 Rz 36), geht die (anteilige) [X.] beim Eigentumserwerb durch Zuschlag (§ 90 Abs. 1 [X.]) nicht kraft Gesetzes auf den Ersteher über. Ein für die Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer typischer Rechtsträgerwechsel findet bezüglich der [X.] nicht statt.

cc) Die Wohnungseigentümer haben keinen Anteil am Verwaltungsvermögen, über den sie verfügen oder in den ihre Gläubiger vollstrecken können (vgl. [X.]/[X.], a.a.[X.], [X.] § 10 Rz 38). Eine Zwangsvollstreckung in das Verwaltungsvermögen --und damit auch in die der Wohnungseigentümergemeinschaft gehörende [X.]-- ist nur aus einem gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichteten Titel möglich (vgl. BTDrucks 16/887, S. 63). Ein Titel gegen den einzelnen Wohnungseigentümer reicht hierfür nicht aus (vgl. [X.]/ [X.], a.a.[X.], [X.] § 10 Rz 38).

d) Der mit dem Zuschlag im [X.] verbundene gesetzliche Übergang der Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft auf den Ersteher rechtfertigt es ebenfalls nicht, die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer um die anteilig auf die Eigentumswohnung entfallende [X.] herabzusetzen.

Die Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft begründet kraft Gesetzes eine schuldrechtliche Sonderrechtsbeziehung, aus der sich eine Vielzahl von Rechten und Pflichten ergibt, die untrennbar mit dem Sondereigentum an der Wohnung und dem Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum verbunden sind (Suilmann in [X.], a.a.[X.], § 10 Rz 33; vgl. [X.]/[X.], a.a.[X.], [X.]. [X.] Rz 5). Bei der Versteigerung einer Eigentumswohnung wird der Ersteher mit dem Zuschlag Eigentümer der Wohnung (vgl. § 90 Abs. 1 [X.]) und aufgrund Gesetzes zugleich Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Mitgliedschaft kann für sich allein nicht Gegenstand einer gesonderten Zwangsversteigerung sein.

e) Der Ansatz des [X.]s ohne Minderung um die anteilig auf die Eigentumswohnung entfallende [X.] steht nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des [X.], wonach die nach § 114a [X.] eintretende [X.] Teil der Gegenleistung ist ([X.]-Urteil vom 25. August 2010 II R 36/08, [X.]/NV 2010, 2304, m.w.N.). Nach dieser Rechtsprechung ist der Betrag, in dessen Höhe der Gläubiger mit dem Zuschlag nach § 114a [X.] als aus dem Grundstück befriedigt gilt, eine zusätzliche Leistung i.S. des § 9 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Eine solche Fallgestaltung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist im Streitfall nicht gegeben. Der Kläger war zwar [X.], aber nicht zugleich (zivilrechtlicher) Forderungsgläubiger. Die Bemessung der Gegenleistung richtet sich im Streitfall daher ausschließlich nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 [X.].

f) Soweit der [X.] entschieden hat, dass ein gezahltes Entgelt für den Erwerb eines in der [X.] angesammelten Guthabens beim rechtsgeschäftlichen Erwerb einer Eigentumswohnung kein Entgelt für den Erwerb des Grundstücks ist und nicht zur Gegenleistung gehört ([X.]-Urteil in [X.], 548, [X.] 1992, 152), liegt dieser Entscheidung ein anderer Sachverhalt als im Streitfall zu Grunde. Es kann offen bleiben, ob an dieser Rechtsprechung im Hinblick auf die Entscheidung des [X.] in [X.], 154 und die Änderung des [X.] zum 1. Juli 2007 (vgl. Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26. März 2007, [X.], 370) festzuhalten ist.

3. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O. Die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 6/15

02.03.2016

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 25. Juni 2014, Az: 6 K 193/12, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 4 GrEStG 1997, § 8 Abs 1 GrEStG 1997, § 9 Abs 1 Nr 4 GrEStG 1997, § 9 Abs 2 Nr 1 GrEStG 1997, § 954 BGB, § 1 Abs 2 WoEigG, § 10 Abs 6 S 1 WoEigG, § 10 Abs 6 S 2 WoEigG, § 10 Abs 7 S 1 WoEigG, § 10 Abs 7 S 2 WoEigG, § 21 Abs 4 WoEigG, § 21 Abs 5 Nr 4 WoEigG, § 865 ZPO, § 20 Abs 2 ZVG, § 44 Abs 1 ZVG, § 74a ZVG, § 81 Abs 1 ZVG, § 85a ZVG, § 90 Abs 1 ZVG, § 114a ZVG, §§ 954ff BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.03.2016, Az. II R 6/15 (REWIS RS 2016, 15260)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15260

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