Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.03.2023, Az. 4 StR 488/22

4. Strafsenat | REWIS RS 2023, 1810

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Gegenstand

Strafrahmenwahl: Einheitliche Strafzumessung bei unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. September 2022 im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Anordnung einer Sperrfrist für die Erteilung der Fahrerlaubnis aufrechterhalten und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil die [X.] durchgreifend rechtsfehlerhaft ist.

3

a) Das [X.] hat für sämtliche Fälle die nach § 31 Satz 1 BtMG i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 bzw. § 30 Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt. Dazu hat es ausgeführt, dass zwar unter Berücksichtigung des vertypten [X.] jeweils ein minder schwerer Fall in Betracht komme, die gemilderten Regelstrafrahmen gegenüber denjenigen für minder schwere Fälle der § 29a Abs. 2 und § 30 Abs. 2 BtMG aber „offener und zur Findung einer tat- und schuldangemessenen Strafe besser geeignet“ seien.

4

b) Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft (vgl. bereits [X.], Beschluss vom 9. November 2022 – 4 StR 272/22 Rn. 12; insoweit nicht abgedruckt in [X.] 2023, 108). Denn es ist nicht erkennbar, in welcher Hinsicht die Strafrahmen nach § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB „offener“ sein sollten als diejenigen der § 29a Abs. 2, § 30 Abs. 2 BtMG. Zwar ist der Tatrichter nicht gehalten, in Fällen, in denen mehrere Strafrahmen zur Verfügung stehen, den jeweils für den Angeklagten günstigeren zugrunde zu legen (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 2 StR 512/19, NStZ-RR 2020, 204, 205; Beschluss vom 4. Juni 2015 – 5 [X.], [X.]R StGB § 50 Mehrfachmilderung 4). Es ist aber im Rahmen einer Gesamtabwägung zu prüfen und im Urteil darzulegen, welcher Strafrahmen im Einzelfall angemessen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Februar 2014 – 1 StR 10/14, [X.], 510, 511; Urteil vom 28. Mai 2013 – 3 StR 54/13, [X.], 15; [X.]/[X.]/Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 933, 1113 mwN). Daran fehlt es hier.

5

c) Dieser Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung aller sechs Einzelstrafen. Entgegen der vom [X.] in seiner Antragsschrift vom 20. Dezember 2022 vertretenen Auffassung kann der [X.] nicht ausschließen, dass jedenfalls die Bemessung der in den Fällen II. 3. und 5. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen von drei Jahren und drei Monaten bzw. drei Jahren und sechs Monaten auf der fehlerhaften [X.] beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Denn es liegt nicht fern, dass die [X.] in diesen Fällen auf niedrigere Freiheitsstrafen erkannt hätte, wenn sie statt von dem nach § 31 Satz 1 BtMG i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen der § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1 BtMG mit einer Obergrenze von elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe von den Strafrahmen der § 29a Abs. 2, § 30 Abs. 2 BtMG mit einer Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen wäre.

6

d) Um dem neuen Tatgericht eine einheitliche Strafzumessung zu ermöglichen, hebt der [X.] auch die übrigen Einzelstrafen auf. Dies entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Die zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen sind von diesem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben.

7

2. Im Übrigen hat die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler ergeben.

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Rommel     

  

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Momsen-Pflanz     

  

Meta

4 StR 488/22

28.03.2023

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 22. September 2022, Az: 34 KLs 14/22

§ 29a Abs 1 BtMG, § 29a Abs 2 BtMG, § 30 Abs 1 BtMG, § 30 Abs 2 BtMG, § 31 S 1 BtMG, § 46 Abs 2 S 1 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 267 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.03.2023, Az. 4 StR 488/22 (REWIS RS 2023, 1810)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1810

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