Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.04.2014, Az. VII R 7/13

7. Senat | REWIS RS 2014, 6444

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Gegenstand

(Keine wirksame Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens durch Verwendung von Lieferzetteln nach § 27 Abs. 12 ZollV)


Leitsatz

1. NV: Wird für verbrauchsteuerpflichtige Waren lediglich ein nach § 27 Abs. 12 ZollV vorgeschriebener Lieferzettel für Schiffs- und Reisebedarf, nicht jedoch ein elektronisches Verwaltungsdokument nach Art. 21 VStSystRL ausgestellt, entsteht die Steuer mit der Entfernung der Ware aus dem Steuerlager infolge ihrer Entnahme in den steuerrechtlich freien Verkehr, denn der Lieferzettel kann das unionsrechtlich vorgeschriebene elektronische Verwaltungsdokument nicht ersetzen.

2. NV: Art. 7 Abs. 2 VStSystRL enthält eine als abschließend zu erachtende Aufzählung der Fälle, in denen von einer Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr auszugehen ist, und nicht nur eine Liste ergänzungsbedürftiger Regelbeispiele.

3. NV:  Der Eingang einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware in den Wirtschaftskreislauf ist kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der in Art. 7 Abs. 2 VStSystRL festgelegten Steuerentstehungstatbestände.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat ihren Firmensitz im [X.] und betreibt dort ein Steuerlager. Ohne für die jeweils aus dem Steuerlager entfernten verbrauchsteuerpflichtigen Waren ein elektronisches begleitendes Verwaltungsdokument ([X.]) oder ein noch bis zum 31. Dezember 2011 zulässiges begleitendes Verwaltungsdokument ([X.]) auszustellen, beförderte sie die Erzeugnisse im Zeitraum vom 15. Februar bis 25. Mai 2011 als unversteuerten Schiffsbedarf lediglich mit Lieferzetteln nach § 27 der Zollverordnung ([X.]) an [X.] Seeschiffe. Mit der Begründung, die Steuer sei durch die Entnahme der verbrauchsteuerpflichtigen Waren aus dem Steuerlager entstanden, setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --[X.]--) Tabak-, Bier- und Branntweinsteuer in Höhe von 11.035 € fest.

2

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) urteilte, die Klägerin habe die verbrauchsteuerpflichtigen Waren ihrem Steuerlager entnommen, ohne dass sich nach der Entnahme ein Verfahren der Steueraussetzung angeschlossen habe, weshalb die Tabaksteuer nach § 15 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 des [X.] ([X.]), die Biersteuer nach § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 des Biersteuergesetzes ([X.]) und die Branntweinsteuer nach § 143 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über das Branntweinmonopol ([X.]) entstanden seien.

3

Die Rechtsansicht der Klägerin, nach der sich die Waren nicht im steuerrechtlich freien Verkehr befunden hätten, weil sie aufgrund ihrer Beförderung innerhalb des [X.] als Freizone des Kontrolltyps I nicht in den freien Wirtschaftskreislauf des Steuergebiets eingegangen seien, finde keine Stütze in den Bestimmungen der Verbrauchsteuergesetze und des Unionsrechts. Als Teil der [X.] gehöre der [X.] zum [X.]. Daraus folge, dass sich verbrauchsteuerpflichtige Waren, für die kein Steueraussetzungsverfahren eröffnet worden sei, nur im steuerrechtlich freien Verkehr befinden könnten. In einem der in § 4 Nr. 3 [X.], § 3 Nr. 3 [X.] sowie § 132 Nr. 3 [X.] genannten zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren hätten sich die als Schiffsbedarf dem Steuerlager entnommenen Waren nicht befunden. Der Lieferzettel nach § 27 [X.] könne das aus verbrauchsteuerrechtlicher Sicht erforderliche (elektronische) begleitende Verwaltungsdokument nicht ersetzen. Unerheblich sei, dass der [X.] nach § 1 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) umsatzsteuerrechtlich als Ausland angesehen und nach Art. 166, 167 des Zollkodex ([X.]) als Freizone eingestuft werde. Schließlich erweise sich die Steuererhebung aufgrund des Verstoßes gegen Formerfordernisse nicht als unverhältnismäßig.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das [X.] habe den verbrauchsteuerrechtlichen Begriff des steuerrechtlich freien Verkehrs verkannt und Art. 7 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/118/[X.] (VStSystRL) des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der [X.] ([X.] Nr. L 9/12) unzutreffend ausgelegt. Entgegen der Auffassung des [X.] sei Art. 7 Abs. 2 VStSystRL, der lediglich Regelbeispiele anführe, keine Legaldefinition des steuerrechtlich freien Verkehrs zu entnehmen. In den Fällen, in denen wie im Streitfall bloße Formverstöße vorlägen, müsse der Begriff des steuerrechtlich freien Verkehrs offen gehalten werden; jedenfalls könne er nicht bloß formal auf die Fälle beschränkt werden, in denen weder ein Verfahren der Steueraussetzung noch ein zollrechtliches Nichterhebungsverfahren vorliege. Eine Beförderung [X.] mit einem Lieferzettel nach § 27 [X.] gewährleiste die Steueraufsicht und schließe die Annahme aus, die Ware habe Eingang in den allgemeinen Wirtschaftskreislauf gefunden und befinde sich im freien Verkehr. Dass sich eine Ware nur dann im verbrauchsteuerrechtlich freien Verkehr befinden könne, wenn sie tatsächlich in den Wirtschaftskreislauf eines Mitgliedstaates eintrete, belege das Urteil des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) vom 29. April 2010 [X.]/08 (Slg. 2010, [X.]). Im Streitfall sei zudem zu berücksichtigen, dass sich an die Entfernung aus dem Steuerlager eine Steuerbefreiung, nämlich eine steuerfreie Verwendung der Waren als Schiffs- und Reisebedarf, angeschlossen habe. Im Übrigen könne die bloße Unterbrechung der Steueraufsicht keine Verbrauchsteuerschuld entstehen lassen, sondern allenfalls als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Nach [X.] (Das System des [X.] Verbrauchsteuerrechts, S. 228) könne die zu § 50 der Abgabenordnung ([X.]) ergangene Rechtsprechung, nach der die Unterbrechung der Steueraufsicht nicht zur Steuerentstehung führe, auf die neuen Verbrauchsteuerentstehungstatbestände übertragen werden.

5

Die Klägerin beantragt, das erstinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben.

6

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Es schließt sich im Wesentlichen der Rechtsauffassung des [X.] an. Da die Verwendung des [X.] oder [X.] für die Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens als konstitutiv angesehen werden müsse, hätten sich die von der Klägerin ohne Verwendung eines solchen Dokuments aus dem Steuerlager entfernten Waren nicht in einem Verfahren der Steueraussetzung befunden. Auf die Beförderung im Steuergebiet beschränkte Vereinfachungen habe der Gesetzgeber nicht zugelassen. Da die unionsrechtlichen Vorgaben eindeutig seien, bestehe kein Anlass für eine Befassung des [X.]. Die Überlegungen der Klägerin zum Begriff des Entziehens und zum Vorliegen einer Unregelmäßigkeit seien für den Streitfall, in dem es um eine Steuerentstehung aufgrund der Entfernung [X.] aus einem Steuerlager gehe, ohne Belang. Schließlich seien nach § 27 Abs. 9 Satz 1 [X.] zur Ausfuhr bestimmte unversteuerte verbrauchsteuerpflichtige Gemeinschaftswaren, die als Schiffs- und Reisebedarf im Seeverkehr abgegeben und bezogen werden, nach den verbrauchsteuerrechtlichen Vorschriften über die Ausfuhr unter Steueraussetzung an die [X.]n Personen abzugeben. Dies schließe die Annahme aus, bei der Regelung des § 27 [X.] handele es sich um eine das Steueraussetzungsverfahren verdrängende Steuerbefreiung.

Entscheidungsgründe

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II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

9

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das Urteil des [X.] entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 [X.]O). Durch die Entfernung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren aus dem im Freihafen liegenden [X.] ohne die formgerechte Eröffnung eines [X.] unter Verwendung der hierzu vorgeschriebenen Verwaltungsdokumente ist die jeweilige Verbrauchsteuer entstanden, so dass die Klägerin vom [X.] zu Recht als Steuerschuldnerin in Anspruch genommen worden ist.

1. Nach § 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 [X.], § 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 [X.] und § 143 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 [X.] entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung der jeweiligen verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Entnahme aus dem [X.], es sei denn, es schließt sich ein weiteres Verfahren der Steueraussetzung oder eine Steuerbefreiung an. Zur Belieferung von Seeschiffen mit unversteuertem [X.] hat die Klägerin nach den Feststellungen des [X.] verbrauchsteuerpflichtige Waren aus ihrem [X.] entfernt und für diese Waren lediglich einen nach § 27 Abs. 12 [X.] vorgeschriebenen "Lieferzettel für Schiffs- und Reisebedarf gemäß § 27 [X.]" ausgestellt. Da sich an die Entfernung aus dem [X.] weder ein weiteres Steueraussetzungsverfahren noch eine Steuerbefreiung angeschlossen hat, ist die jeweilige Verbrauchsteuer nach den genannten Bestimmungen entstanden.

a) Mit der Verwendung des vorgeschriebenen Lieferzettels gemäß § 27 Abs. 12 [X.] wird kein Versandverfahren unter Steueraussetzung eröffnet. Denn soweit keine Ausnahmen vorgesehen sind, gelten nach § 10 Abs. 1 [X.], § 9 Abs. 1 [X.] und § 138 Abs. 1 [X.] Beförderungen nur dann als unter Steueraussetzung durchgeführt, wenn sie mit einem elektronischen Verwaltungsdokument nach Art. 21 VStSystRL erfolgen. Danach handelt es sich bei der Verwendung des [X.] um eine materielle Voraussetzung des [X.], deren Nichterfüllung zur Entnahme der Ware in den steuerrechtlich freien Verkehr führt ([X.]/[X.], Überblick über die Einführung von [X.], Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --[X.]-- 2009, 161, 165 f.). Die Klägerin hat weder ein [X.] noch ein im Streitjahr nach § 61 Satz 1 Nr. 2 der Tabaksteuerverordnung, § 53 Satz 1 Nr. 2 der Biersteuerverordnung und § 68 Satz 1 Nr. 2 der Branntweinsteuerverordnung für eine Übergangszeit noch zugelassenes [X.], sondern ausschließlich den von § 27 Abs. 12 [X.] geforderten Lieferzettel verwendet. Dieser Lieferzettel kann jedoch das verbrauchsteuerrechtlich vorgeschriebene [X.] nicht ersetzen. Da er nicht die gleichen Angaben enthält, die für das [X.] vorgeschrieben sind (z.B. die Verbrauchsteuernummern von Versender und Empfänger, [X.] der alkoholischen Getränke sowie Bezugs- und Rechnungsnummern), kann der Lieferzettel auch nicht als Handelsdokument i.S. des Art. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 2719/92 der [X.] vom 11. September 1992 zum begleitenden Verwaltungsdokument bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung ([X.] Nr. L 276/1) angesehen werden.

b) Nach den Feststellungen des [X.] hat sich an die Entfernung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren aus dem [X.] weder ein weiteres Steueraussetzungsverfahren noch ein zollrechtliches Nichterhebungsverfahren angeschlossen. Infolgedessen kommt aufgrund der in § 4 Nr. 3 [X.], § 3 Nr. 3 [X.] und § 132 Nr. 3 [X.] festgelegten Begriffsbestimmung, die den steuerrechtlich freien Verkehr negativ vom Steueraussetzungsverfahren und vom zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren abgrenzt, nur noch in Betracht, dass sich die Waren nach ihrer Entfernung aus dem [X.] im steuerrechtlich freien Verkehr befunden haben. Einen dritten, der Steuerentstehung entgegenstehenden Status kennt das [X.] Verbrauchsteuerrecht nicht. Die nationalen Vorschriften sind insoweit eindeutig und bedürfen auch keiner den [X.] der Entfernung aus dem [X.] einschränkenden richtlinienkonformen Interpretation.

2. Entgegen der Auffassung der Revision hat der Gesetzgeber mit der Normierung der in § 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 [X.], § 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 [X.] und § 143 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 [X.] festgelegten Steuerentstehungstatbestände das einschlägige Unionsrecht zutreffend umgesetzt.

a) Nach Art. 7 Abs. 1 VStSystRL entsteht der [X.] zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr. In Art. 7 Abs. 2 VStSystRL hat der [X.] abschließend die Fälle benannt, in denen von einer Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr auszugehen ist. Danach gilt z.B. die Entnahme aus dem Verfahren der Steueraussetzung, d.h. auch die Entfernung aus einem [X.], als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr. Die Behauptung der Klägerin, es handele sich lediglich um eine nicht abschließende Auflistung von Regelbeispielen, findet weder eine Stütze in den Erwägungsgründen noch in den Regelungen der VStSystRL. Im achten Erwägungsgrund wird ausdrücklich darauf hingewiesen, es sei nach wie vor für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich, dass die Voraussetzungen für die Entstehung des [X.]s in allen Mitgliedstaaten gleich sind. Mit dieser Zielvorgabe ließe es sich schwerlich vereinbaren, den Begriff des steuerrechtlich freien Verkehrs und damit die Steuerentstehung in einer unbestimmten Anzahl von Fällen offen zu halten und die in Art. 7 Abs. 2 VStSystRL getroffenen Regelungen als ergänzungsbedürftig zu erachten oder in den Fällen durch eine teleologische Interpretation einzuschränken, in denen nach Auffassung der Klägerin bloße Formverstöße vorliegen bzw. eine steuerliche Kontrolle außerhalb eines [X.] gewährleistet ist. Die von der Klägerin vertretene Rechtsansicht führte dazu, dass es die Mitgliedstaaten in der Hand hätten, den Zeitpunkt der Steuerentstehung und der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr in Abweichung von den in Art. 7 Abs. 2 VStSystRL festgelegten Vorgaben durch die Anordnung rein nationaler Kontrollmaßnahmen, wie sie die Lieferzettel nach § 27 Abs. 12 [X.] sind, selbst zu bestimmen.

b) Für die von der Klägerin vertretene Rechtsansicht lässt sich auch Art. 10 VStSystRL nichts entnehmen (a.[X.], [X.] freier Verkehr im Freihafen?, [X.], 113, 114 f.), der lediglich die Erhebungskompetenz der Mitgliedstaaten im Fall von Unregelmäßigkeiten regelt, die eine Überführung der Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a VStSystRL zur Folge haben. Dass der Begriff der Unregelmäßigkeit als Oberbegriff für alle Fälle gewählt wurde, die zu einer Steuerentstehung führen, belegt die im Wesentlichen identische Regelung in Art. 38 VStSystRL, nach der im Fall einer begangenen bzw. festgestellten Unregelmäßigkeit die Waren einer Verbrauchsteuer unterliegen bzw. die Verbrauchsteuer zu entrichten ist. Zudem wird der Begriff der Unregelmäßigkeit in Art. 10 Abs. 6 VStSystRL und Art. 38 Abs. 4 VStSystRL identisch dahingehend bestimmt, dass er jede nicht ordnungsgemäße Beendigung einer Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren umfasst.

c) Das Verfahren der Steueraussetzung zur Vermeidung einer Steuerentstehung könnte allenfalls in den Fällen als entbehrlich erachtet werden, in denen die Mitgliedstaaten nach Art. 30 VStSystRL auf ihr eigenes Hoheitsgebiet beschränkte Ausnahmen zugelassen haben oder in denen die unionsrechtlichen Regelungen gemäß Art. 5 VStSystRL keine Anwendung finden. Von der nach Art. 30 VStSystRL eröffneten Möglichkeit, vereinfachte Verfahren vorzusehen, hat die [X.] in Bezug auf inländische Freizonen jedoch keinen Gebrauch gemacht. Freizonen sind vom räumlichen Anwendungsbereich der VStSystRL auch nicht ausgenommen (Art. 5 VStSystRL), folglich gehören die [X.]n Freihäfen zu dem in den einzelnen Verbrauchsteuergesetzen festgelegten Steuergebiet (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 130 Abs. 1 Satz 2 [X.]), so dass sich in Bezug auf die anzuwendenden verbrauchsteuerrechtlichen Bestimmungen keine Besonderheiten ergeben. Allein der Umstand, dass eine verbrauchsteuerpflichtige Ware aus einem in einer eingezäunten Freizone des [X.] (Art. 167 Abs. 3 ZK) liegenden [X.] entfernt wird, steht somit der Steuerentstehung nach Art. 7 VStSystRL nicht entgegen. Der in der Literatur vertretenen Ansicht (Reiche in [X.], 113, 115), nach der selbst eine unrechtmäßige Entnahme aus dem Steueraussetzungsverfahren in einer Freizone aufgrund der dort gewährleisteten zollamtlichen Kontrolle nicht zu einer Überführung in den freien Verkehr führen soll, kann daher nicht gefolgt werden. Denn diese Ansicht schlösse selbst im Fall eines Diebstahls verbrauchsteuerpflichtiger Waren und bei deren Verbleib oder Verbrauch auf dem Freihafengelände eine Steuerentstehung aus. Es liegt auf der Hand, dass ein solches Ergebnis den unionsrechtlichen Vorgaben widerspräche.

d) Entgegen der Ansicht der Revision gebietet das Urteil des [X.] in [X.]. 2010, [X.] keine einschränkende Auslegung der nationalen Bestimmungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der [X.] in diesem Urteil mit dem Eintritt der Verbrauchsteuerpflicht einer Ware bei ihrem vorschriftswidrigen Verbringen in das Zollgebiet der [X.] und der Steuerentstehung in Fällen des Einfuhrschmuggels und nicht mit den Fällen der Steuerentstehung durch Entfernung einer bereits der Verbrauchsteuer unterworfenen Ware aus einem im Unionsgebiet liegenden [X.] befasst hat. Im Streitfall steht außer Frage, dass die aus dem [X.] der Klägerin entfernten Waren der Verbrauchsteuer unterliegen, so dass sich insoweit eine mit dem Einfuhrschmuggel vergleichbare Problemstellung nicht ergibt. Insbesondere kann die Lagerung einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware in einem zugelassenen [X.] nicht mit der Situation gleichgesetzt werden, in der sich eine Ware auf dem Transport von einer Drittlandsgrenze zur ersten im Gebiet der [X.] liegenden Zollstelle befindet. Nur für solche Waren, die gemäß Art. 233 Abs. 1 Buchst. d ZK bei ihrem vorschriftswidrigen Verbringen von den örtlichen Zoll- und Steuerbehörden beschlagnahmt worden sind, hat der [X.] den Eintritt der Verbrauchsteuerpflicht und damit die Möglichkeit einer Steuerentstehung mit dem Hinweis verneint, dass (erst) das Vorhandensein vorschriftswidrig verbrachter Waren im Zollgebiet der [X.] eine sehr große Gefahr berge, dass diese Waren letztlich Eingang in den Wirtschaftskreislauf der Mitgliedstaaten finden. Entgegen der Ansicht der Revision lassen sich deshalb die vom [X.] zum Einfuhrschmuggel entwickelten Grundsätze nicht auf den Fall übertragen, dass verbrauchsteuerpflichtige Waren ohne Eröffnung eines [X.] aus einem [X.] entfernt werden.

Im Übrigen hat sich der [X.] in seinem Urteil vom 5. April 2001 C-325/99 ([X.]. 2001, [X.]) die Ansicht der Europäischen [X.] zu eigen gemacht, nach der aus der Systematik der Richtlinienbestimmungen zur Definition und Funktionsweise der [X.] und des Verfahrens der Steueraussetzung folge, dass eine außerhalb eines solchen Verfahrens angetroffene verbrauchsteuerpflichtige Ware notwendigerweise zu einem bestimmten Zeitpunkt in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sei. Indem der [X.] die "Entnahme" der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr gleichgestellt habe, habe er deutlich gemacht, dass jede Herstellung oder Verarbeitung, jeder Besitz und jede Beförderung außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung zur Entstehung des Steueranspruchs führe. Diesen Ausführungen lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der [X.] den Eingang der verbrauchsteuerpflichtigen Ware in den Wirtschaftskreislauf eines Mitgliedstaats als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der unionsrechtlich festgelegten Steuerentstehungstatbestände verstanden wissen wollte oder die Ersetzung des [X.] außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 30 VStSystRL durch rein nationale Maßnahmen der Steueraufsicht für möglich gehalten hat.

3. An die Entnahme der streitgegenständlichen Erzeugnisse aus dem [X.] hat sich keine Steuerbefreiung angeschlossen. Nach dem Sinn und Zweck der in den § 15 Abs. 1 [X.], § 14 Abs. 1 [X.] und § 143 Abs. 1 [X.] getroffenen Regelungen soll eine Steuerentstehung in den Fällen verhindert werden, in denen die verbrauchsteuerpflichtige Ware einer steuerbegünstigten Verwendung zugeführt werden soll. Durch den Verzicht auf eine Entstehung der Steuer trotz Überführung der Ware in den steuerrechtlich freien Verkehr wird ein aufwändiges Entlastungsverfahren vermieden. Eine fortdauernde steuerliche Kontrolle durch Anwendung eines weiteren [X.] ist im Fall einer Steuerbefreiung nicht erforderlich. Von einer in den genannten Bestimmungen angesprochenen Steuerbefreiung kann jedoch dann nicht ausgegangen werden, wenn das Gesetz im Hinblick auf einen bestimmten Ge- oder Verbrauch der Ware ausdrücklich die Verwendung des [X.] anordnet und damit die Überführung der Ware in den steuerrechtlich freien Verkehr auf einen späteren Zeitpunkt als dem der Entfernung aus dem [X.] verlegt. So liegt es im Streitfall, denn § 27 Abs. 9 Satz 1 [X.] verlangt ausdrücklich, dass in zollrechtlichen Ausfuhrfällen unversteuerte verbrauchsteuerpflichtige Gemeinschaftswaren, die als Schiffs- und Reisebedarf im Seeverkehr abgegeben und bezogen werden, nach den verbrauchsteuerrechtlichen Vorschriften über die Ausfuhr unter Steueraussetzung an die Bezugsberechtigten abzugeben und von diesen auszuführen sind. Folgte man der Ansicht der Revision, nach der Schiffs- und Reisebedarf ohne die Folge der Steuerentstehung auch außerhalb eines [X.] und lediglich mit einem Lieferzettel nach § 27 Abs. 12 [X.] abgegeben werden könnte, bestünde für die in § 27 Abs. 9 Satz 1 [X.] normierte Regelung kein Anwendungsbereich. Bei diesem Befund kann der Ansicht der Revision nicht gefolgt werden. In diesem Zusammenhang sind auch die von der Klägerin zu § 50 AO und zur zweckwidrigen Verwendung angestellten Überlegungen ohne Belang. Unerheblich ist darüber hinaus, dass Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Wasserfahrzeugen nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 UStG i.V.m. § 4 Nr. 2 UStG von der Steuer befreit sind. Denn die im Umsatzsteuerrecht als echte Steuerbefreiung ausgestaltete Regelung (vgl. [X.] in [X.]/Ringleb, UStG, § 8 Rz 5) kann auf das Verbrauchsteuerrecht nicht übertragen und zur Auslegung und Anwendung der Steuerentstehungstatbestände herangezogen werden.

Der [X.] hält die von ihm vorgenommene Auslegung des einschlägigen Unionsrechts auf Grund der Rechtsprechung des [X.] für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des [X.] besteht demnach nicht (vgl. [X.]-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 --C.I.L.F.I.T.--, [X.]. 1982, 3415, Rz 16).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 7/13

09.04.2014

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Hamburg, 13. Dezember 2012, Az: 4 K 8/12, Urteil

§ 126a FGO, § 10 Abs 1 TabStG, § 15 Abs 1 TabStG, § 15 Abs 2 Nr 1 TabStG, § 9 Abs 1 BierStG, § 14 Abs 1 BierStG, § 14 Abs 2 Nr 1 BierStG, § 138 Abs 1 BranntwMonG, § 143 Abs 1 BranntwMonG, § 143 Abs 2 Nr 1 BranntwMonG, § 27 Abs 12 ZollV, § 61 S 1 Nr 2 TabStV, § 53 S 1 Nr 2 BierStV, § 68 S 1 Nr 2 BrStV, Art 7 Abs 1 EGRL 118/2008, Art 7 Abs 2 EGRL 118/2008, Art 10 EGRL 118/2008, § 50 AO, § 8 Abs 1 Nr 3 UStG 2005, § 4 Nr 2 UStG 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.04.2014, Az. VII R 7/13 (REWIS RS 2014, 6444)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6444

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