Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.04.2017, Az. 2 StR 47/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11997

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Überprüfung der tatrichterlichen Strafaussetzungsentscheidung


Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 4. August 2016 wird verworfen.

Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die dagegen gerichtete auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die beanstandet, das [X.] habe zu Unrecht einen minder schweren Fall angenommen und die Strafe rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt, hat keinen Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen überfiel der Angeklagte am 10. März 2015 kurz vor 20.00 Uhr aufgrund eines spontanen Entschlusses maskiert mit einer Sturmhaube unter Verwendung einer ungeladenen [X.] eine ihm bis dahin unbekannte Tankstelle. Zum Zeitpunkt des Überfalls befanden sich eine Kassiererin und der Betreiber der Tankstelle in dem Verkaufsraum. Eingeschüchtert von der Drohung mit der von ihr für echt gehaltenen Scheinwaffe händigte die Kassiererin dem Angeklagten 200 bis 300 Euro "Wechselgeld" aus. Mehr Geld befand sich nicht in der Kasse, weil der Betreiber kurz zuvor die Tageseinnahmen in [X.] verbracht hatte. Die Geschädigten haben keine psychischen Schäden davon getragen.

II.

3

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

4

1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.

5

Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils gestellt. Jedoch hält sie das Urteil nur deshalb für fehlerhaft, weil das [X.] den Angeklagten unter Anwendung des Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB zu einer zu niedrigen Freiheitsstrafe verurteilt und diese rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt habe.

6

Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung, ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 [X.] das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 2014 - 2 [X.], [X.], 285; zuletzt [X.], Urteil vom 22. Februar 2017 - 5 StR 545/16). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel nicht den Schuldspruch angreifen will.

7

2. Die Annahme eines minder schweren Falls der schweren räuberischen Erpressung gemäß § 250 Abs. 3 StGB hält rechtlicher Überprüfung stand.

8

a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des [X.] gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des [X.] in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, [X.]St 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 - 1 [X.], Rn. 17, [X.]St 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 - 1 [X.], Rn. 12, [X.], 107, 108; jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur [X.] GS, Beschluss vom 10. April 1987 - [X.], [X.]St 34, 345, 349; [X.], Urteile vom 12. Januar 2005 - 5 [X.], [X.], 144; vom 7. Februar 2012 - 1 [X.], Rn. 17, [X.]St 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 - 1 [X.], Rn. 12, [X.], 107, 108). Diese Maßstäbe gelten auch für die dem Tatrichter obliegende Prüfung, ob ein minder schwerer Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB vorliegt. Bei der dabei gebotenen Gesamtwürdigung obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, welches Gewicht er den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den [X.] beimisst; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (vgl. Senat, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 2 StR 338/16).

9

b) Hieran gemessen hat die Annahme eines minder schweren Falls der schweren räuberischen Erpressung Bestand.

Weder fehlt es an der gebotenen Gesamtwürdigung der für die Wertung der Tat und des [X.] wesentlichen Umstände, noch bestehen gegen die einzelnen vom [X.] zugunsten des Angeklagten in seine Gesamtwürdigung eingestellten Gesichtspunkte durchgreifende rechtliche Bedenken. So hat es rechtsfehlerfrei zugunsten des Angeklagten bedacht, dass dieser sich geständig eingelassen, sich in der Hauptverhandlung bei den Geschädigten entschuldigt und seine Tat bereut hat, dass die Tat nicht langfristig geplant und die Beute mit maximal 300 Euro eher gering war.

Dagegen abgewogen hat die [X.] die strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten - Einstellungen, Weisungen und Auflagen nach dem [X.] sowie eine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten wegen "gemeinschaftlicher Brandstiftung" - sowie den Umstand, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständliche Tat unter laufender Bewährung begangen habe. [X.] werde das Gewicht der strafrechtlichen Vorbelastungen dadurch, dass es sich um nicht einschlägige, schon länger zurückliegende jugendtümliche Verfehlungen handele.

Hiergegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Der Senat besorgt nicht, dass das [X.] aus dem Blick verloren haben könnte, dass sich der Angeklagte von dem Überfall eine höhere Beute erhofft hatte. Im Übrigen ist dem [X.] zwar zuzugeben, dass die [X.] die genauen Tatumstände der letzten Verurteilung durch das [X.] vom 3. Januar 2013 wegen "gemeinschaftlicher Brandstiftung" nicht mitteilt, so dass der Schluss auf jugendtümliche Verfehlungen nicht im Einzelnen belegt ist. Allerdings ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass Tatzeit bereits der 4. Januar 2010 war und auf den damals 18 Jahre alten Angeklagten noch Jugendstrafrecht angewandt worden ist. Unter diesen Umständen schließt der Senat aus, dass sich das Versäumnis der [X.] durchgreifend zugunsten des Angeklagten ausgewirkt hat, zumal die zweijährige Bewährungszeit aus diesem jugendrichterlichen Urteil vom 3. Januar 2013 bei Tatbegehung in dieser Sache am 10. März 2015 - nach den allein maßgeblichen Feststellungen des angefochtenen Urteils - bereits abgelaufen war, so dass ihm nicht zur Last gelegt werden kann, er habe die Tat während laufender Bewährung begangen.

3. Das Urteil ist im Strafausspruch auch nicht gemäß § 301 StPO zu Gunsten des Angeklagten aufzuheben. Dass die [X.] - hätte sie ein Bewährungsversagen nicht angenommen - eine noch niedrigere Strafe verhängt hätte, schließt der Senat aus.

4. [X.] lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.

a) Auch die Bewährungsentscheidung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Gelangt dieses auf Grund der Besonderheiten des Falles zu der Überzeugung, dass die Strafaussetzung trotz des Unrechts- und [X.] der Tat nicht als unangebracht erscheint und nicht den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen zuwider läuft, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn eine gegenteilige Würdigung möglich gewesen wäre (vgl. [X.], Urteil vom 12. Januar 2016 - 1 [X.], [X.], 107, 108).

b) Das [X.] hat dem Angeklagten, der über gefestigte [X.] Beziehungen verfügt, eine günstige Sozialprognose gestellt und dabei besondere Umstände in der Tat und in seiner Persönlichkeit festgestellt. So ist der Angeklagte bemüht, den im Jahre 2010 durch seine Brandstiftung verursachten Schaden von über 50.000 Euro durch erhöhte [X.] wieder gutzumachen. Zudem setzt er sich intensiv mit der verfahrensgegenständlichen Straftat auseinander. Soweit die Revision beanstandet, die [X.] habe das Bewährungsversagen des Angeklagten unberücksichtigt gelassen, übersieht sie auch hier, dass die zweijährige Bewährungszeit aus dem jugendrichterlichen Urteil des [X.] nach den für den Senat allein maßgeblichen Urteilsfeststellungen bei Tatbegehung in dieser Sache bereits abgelaufen war. Ungeachtet eines möglicherweise noch ausstehenden Beschlusses über den Erlass der Strafe ist der Angeklagte damit kein "Bewährungsversager" (vgl. Senatsurteil vom 28. September 2011 - 2 [X.]; [X.], Beschluss vom 3. September 1991 - 4 StR 346/91).

Appl     

       

Krehl     

       

Eschelbach

       

Zeng     

       

Grube     

       

Meta

2 StR 47/17

26.04.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mühlhausen, 4. August 2016, Az: 380 Js 47625/15 - 1 KLs

§ 56 StGB, § 56f Abs 1 S 1 Nr 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.04.2017, Az. 2 StR 47/17 (REWIS RS 2017, 11997)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11997

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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