Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.06.2020, Az. X B 153/19

10. Senat | REWIS RS 2020, 3503

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Besteuerung einer Destinatärsvergütung


Leitsatz

NV: Durch die BFH-Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, dass wiederkehrende Leistungen --vorliegend in Gestalt von Destinatärsvergütungen-- keine Leibrenten sind und daher in voller Höhe als sonstige Einkünfte zu versteuern sind, wenn die zu erwartende Leistungshöhe infolge der Abhängigkeit von einer variablen Bemessungsgrundlage --vorliegend das Jahreseinkommen der zahlungsverpflichteten Stiftung-- nicht vorausbestimmbar ist. Diese Grundsätze gelten ebenso, wenn hierneben ein Zahlungshöchstbetrag festgelegt ist, der nur dann nicht zu erfüllen ist, wenn das Einkommen des Zahlungsverpflichteten eine bestimmte Höhe unterschreitet.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] - 11 K 1534/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Rechtsnachfolger der während des erstinstanzlichen Verfahrens verstorbenen Frau [X.]. Im Jahr 1988 hatte [X.] gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann eine Stiftung gegründet, die nach einer Änderung ihrer Satzung seit dem [X.] ausschließlich gemeinnützige und mildtätige Zwecke verfolgt. [X.] hatte [X.]nspruch auf [X.]. In § 2 Ziff. 7 der für die Streitjahre 2009 bis 2016 maßgeblichen Fassung der Stiftungssatzung heißt es hierzu auszugsweise wie folgt:

"Die Stiftung verwendet einen Teil, höchstens jedoch ein Drittel ihres Einkommens dazu, in angemessener und standesgemäßer Weise die Stifterin, (…), zu unterhalten und das [X.]ndenken der Stifter zu ehren.

Die Stifterin hat einen [X.]nspruch auf ... [X.], höchstens jedoch ein Drittel des Einkommens der Stiftung."

2

[X.] bezog in den Kalenderjahren 1997 bis 2008 jeweils den vorgenannten absoluten Höchstbetrag, ebenso im Streitjahr 2009. In den nachfolgenden Streitjahren 2010 bis 2016 blieben die Vergütungen unter diesem Betrag, da sie [X.] die Feststellungen des Finanzgerichts ([X.])-- infolge der durch die Finanzkrise und der beginnenden Niedrigzinsphase hervorgerufenen Ertragsminderungen der Stiftung nach Maßgabe der Stiftungssatzung jeweils auf ein Drittel des Einkommens begrenzt wurden.

3

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --F[X.]--) besteuerte die [X.] als wiederkehrende Bezüge gemäß § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in voller Höhe. Die Klage, mit der [X.] und sodann die Kläger eine Besteuerung als Leibrente mit dem Ertragsanteil begehrten (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.]), blieb ohne Erfolg. Das [X.] vertrat die [X.]nsicht, die Vergütung sei von einer schwankenden Bezugsgröße --dem Einkommen der [X.] abhängig, so dass die steuerlichen [X.]nforderungen an eine Leibrente nicht erfüllt seien.

4

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Das F[X.] tritt der Beschwerde entgegen.

Entscheidungsgründe

II.

5

Die Beschwerde ist unbegründet.

6

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 [X.]bs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zuzulassen.

7

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der [X.]llgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss zudem klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren auch klärungsfähig sein (statt vieler Senatsbeschluss vom 23.01.2013 - X B 84/12, [X.], 771, Rz 9). [X.]n der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des [X.] ([X.]) bereits hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung erforderlich machen (Senatsbeschluss vom 01.03.2019 - X B 45/18, [X.]/NV 2019, 545, Rz 3, m.w.N.).

8

b) Dementsprechend ist die von den Klägern formulierte Rechtsfrage, ob eine Leibrente i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] EStG auch dann vorliege, wenn in der Zusage neben einem festen Betrag zwar auf eine variable Größe Bezug genommen werde, aber nach den Vorstellungen der Parteien im Zeitpunkt der Zusage diese Bezugnahme nur im [X.]usnahmefall bei Eintritt einer schwerwiegenden Veränderung in der Sphäre des Leistungsverpflichteten zu Schwankungen in der Höhe der Bezüge führen könne, jedenfalls nicht klärungsbedürftig.

9

aa) Es entspricht gefestigten Grundsätzen höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die steuerrechtliche Qualifizierung wiederkehrender Bezüge als Leibrenten gleichmäßige Leistungen an den Berechtigten voraussetzt (u.a. Entscheidung des Großen Senats des [X.] vom 15.07.1991 - GrS 1/90, [X.]E 165, 225, [X.] 1992, 78, unter [X.], m.w.N.; [X.]-Entscheidung vom 18.10.1994 - IX R 46/88, [X.]E 175, 572, [X.] 1995, 169, unter 1., m.w.N.; ebenso Senatsurteil vom 15.07.2014 - X R 41/12, [X.]E 246, 442, Rz 43). Zwar führen nicht jede Veränderbarkeit und Schwankung der Leistungen dazu, eine Leibrente abzulehnen. [X.]llerdings verlangt der Begriff der Leibrente, dass die vom Berechtigten zu erwartenden Leistungen zahlen- oder wertmäßig einigermaßen zuverlässig bestimmbar sind (vgl. [X.]-Urteil vom 27.05.1964 - I 379/61 U, [X.]E 80, 1, [X.]I 1964, 475). Demzufolge liegen keine gleichmäßigen, sondern --die Ertragsanteilsbesteuerung ausschließende-- ungleichmäßige Leistungen vor, wenn diese von einer variablen Bemessungsgrundlage abhängig sind, so dass eine Vorausbestimmbarkeit der Leistungshöhe nicht zuverlässig möglich erscheint.

Entschieden hat der [X.] dies insbesondere für Fallgestaltungen, bei denen die wiederkehrenden Leistungen in Höhe eines bestimmten Vomhundertsatzes des jährlichen Gewinns eines Unternehmens (so [X.]-Urteile vom 10.10.1963 - VI 115/61 U, [X.]E 77, 738, [X.]I 1963, 592; vom 25.11.1966 - VI R 111/66, [X.]E 87, 476, [X.]I 1967, 178, sowie vom 30.05.1980 - VI R 153/77, [X.]E 130, 524, [X.] 1980, 575, unter 2.) oder dessen Umsatzes (so [X.]-Urteil in [X.]E 80, 1, [X.]I 1964, 475) vertraglich festgelegt wurden; dies gilt auch bei Mindestbeträgen ([X.]-Urteil in [X.]E 130, 524, [X.] 1980, 575, unter 2.). Für die [X.]nnahme einer Leibrente unschädlich sind dagegen Veränderungen in absoluter Höhe, die daraus resultieren, dass die wiederkehrenden Leistungen an einer sich nur geringfügig ändernden Bezugsgröße ausgerichtet sind und daher die wesentliche Vorausbestimmbarkeit erhalten bleibt (u.a. [X.]-Urteil vom 25.05.1973 - VI R 375/69, [X.]E 109, 446, [X.] 1973, 680, für den Fall der Wertbemessung an einer bestimmten Beamtenbesoldungsstufe).

[X.]) Diese Erwägungen, die offensichtlich einhellig im Schrifttum geteilt werden (vgl. [X.]/[X.], EStG, 39. [X.]ufl., § 22 Rz 26; [X.]/[X.], § 22 EStG Rz 45; Killat in [X.]/[X.]/[X.], § 22 EStG Rz 267; Stöcker in [X.]/[X.], § 22 EStG Rz 103 ff.), hat das [X.] der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt.

cc) Die von den Klägern in ihrer Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage, ob die vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätze auch in dem von ihnen hervorgehobenen "[X.]usnahmefall" eines für die Vertragsparteien nicht vorhersehbaren, schwerwiegenden Einbruchs der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten gelten, fehlt jedenfalls die erforderliche Klärungsbedürftigkeit. Die Frage ist --bei unterstellter [X.] anhand der herkömmlichen Grundsätze zu beantworten, sodass es eines Revisionsverfahrens nicht bedarf.

(1) Der Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Höhe der [X.] zugesagten Destinatärsvergütung sowohl in absoluter als auch in relativer Hinsicht gedeckelt war. Ihr [X.]nspruch war selbst dann auf den absoluten Betrag von ... € begrenzt, wenn das auf das Jahreseinkommen der Stiftung bezogene [X.] über diesem Betrag lag (Einkommen von ... € und mehr). Bewegte sich das Einkommen der Stiftung dagegen unter der Grenze von ... €, schmolz der [X.]nspruch der [X.] nach den Regelungen der Satzung auf ein Drittel des Einkommens ab. In [X.]nbetracht dieser relativen Grenze stand --wie auch vom [X.] zutreffend herausgearbeitet-- die Erfüllung des [X.]nspruchs in absoluter Höhe stets unter dem Vorbehalt der Feststellung eines mindestens dreimal höheren Jahreseinkommens der Stiftung. Die [X.]nspruchshöhe war somit von einer schwankenden Bezugsgröße abhängig, die den wiederkehrenden Leistungen die notwendige Vorausbestimmbarkeit nahm.

(2) Die Leistungshöhe wäre auch nicht deshalb vorausbestimmbar, dass zum Zeitpunkt der Zusage im Jahr 1996 die übereinstimmende Vorstellung der Vertragsparteien darüber bestanden hätte, dass [X.] mit Blick auf die seinerzeitige Ertragskraft des Stiftungsvermögens durchgängig jährliche Leistungen in Höhe von ... € würde beanspruchen können, so dass die Drittelbegrenzung nur für nicht vorhersehbare [X.]usnahmefälle gelten würde.

Für die Frage, ob die Höhe der zu erwartenden wiederkehrenden Leistungen im Wesentlichen vorausbestimmbar und damit als gleichmäßig anzusehen sind, ist [X.] als offenbar die Kläger meinen-- nicht auf die Vorstellungen und Motive der [X.], sondern ausschließlich auf die objektiven Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Leistungen abzustellen. [X.] die Höhe der Leistungen --wie im [X.] zumindest auch an das Einkommen des [X.] und damit an eine typischerweise nicht nur unerheblichen Schwankungen unterliegende Größe an, liegen die Voraussetzungen einer Leibrente nicht vor. Hiervon ist selbst dann auszugehen, wenn es die Ertrags- und Vermögenslage im Zeitpunkt der Zusage bei objektiver Betrachtung erwarten lässt, dass die Leistungen auch längerfristig in Höhe des festgelegten ([X.] zu erfüllen sind. Denn auch in diesem Fall beinhaltet der Vorbehalt ausreichend erzielten Einkommens aus Sicht des Zahlungsempfängers in [X.]nbetracht der auf Lebenszeit ausgestalteten [X.] das nicht nur theoretische --vorliegend sogar [X.] Risiko, dass durch nicht kalkulierbare Finanz- und Wirtschaftskrisen ein am freien Markt zu erzielendes Einkommen und damit die Bezugsgröße für die wiederkehrenden Leistungen bedeutsam und nachhaltig gemindert wird.

(3) Der rechtliche Einwand der Kläger, auch eine [X.]npassung der Höhe wiederkehrender Leistungen nach Maßgabe des Wegfalls oder der Störung der Geschäftsgrundlage bei später eintretender wirtschaftlicher Verschlechterung der Lage des [X.] (§ 313 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) berühre nach der [X.]-Rechtsprechung nicht die Qualifizierung von gleichmäßigen Leistungen als Leibrenten ([X.]-Urteile vom 12.04.1967 - I 129/64, [X.]E 89, 412, [X.]I 1967, 668, unter 4.; vom 01.08.1975 - VI R 168/73, [X.]E 116, 505, [X.] 1975, 882), führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine solche --auf einem separaten Willensentschluss des Verpflichteten beruhende-- allgemeine zivilrechtliche [X.]npassungsmöglichkeit ist der von vornherein vereinbarten [X.]bhängigkeit der Leistungen von der variablen Bezugsgröße "Einkommen" nicht gleichzusetzen.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 [X.]bs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O ab.

3. [X.] beruht auf § 135 [X.]bs. 2 [X.]O.

Meta

X B 153/19

16.06.2020

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 21. Oktober 2019, Az: 11 K 1534/18, Urteil

§ 22 Nr 1 S 2 Halbs 2 Buchst a EStG 2009, § 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst bb EStG 2009, EStG VZ 2009, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011, EStG VZ 2012, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014, EStG VZ 2015, EStG VZ 2016

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.06.2020, Az. X B 153/19 (REWIS RS 2020, 3503)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3503

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X R 9/14 (Bundesfinanzhof)

Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen wiederkehrende Leistungen: Sonderausgabenabzug als Rente oder dauernde Last …


X R 32-33/01, X R 32/01, X R 33/01 (Bundesfinanzhof)

(Übertragung eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks auf die Ehefrau gegen eine Veräußerungsrente - kein …


X R 41/12 (Bundesfinanzhof)

Einkommensbesteuerung der auf einem Vermächtnis beruhenden Leistungen einer Stiftung an Destinatäre


X R 30/20 (Bundesfinanzhof)

Generationennachfolge-Verbund bei Nacherbschaft


X R 3/21 (Bundesfinanzhof)

Abgrenzung zwischen Leibrente und dauernder Last bei einer bis zum 31.12.2007 vereinbarten Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.