Bundessozialgericht, Urteil vom 06.04.2011, Az. B 4 AS 117/10 R

4. Senat | REWIS RS 2011, 7884

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Eingliederungsleistungen - Entschließungsermessen des Grundsicherungsträgers - Förderung der beruflichen Weiterbildung - kein Ermessen hinsichtlich der Höhe der Fahrkostenerstattung


Leitsatz

Das dem Grundsicherungsträger im Hinblick auf die Gewährung einer Eingliederungsmaßnahme nach dem SGB 3 eingeräumte Ermessen ist auf das Entschließungsermessen begrenzt, es sei denn, nach den Vorschriften des SGB 3 besteht auch ein Auswahlermessen.

Tenor

Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 5. Februar 2010 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils in der Hauptsache wird klarstellend wie folgt gefasst: Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 8. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 verurteilt, dem Kläger für den Monat Oktober 2009 weitere Fahrkosten in Höhe von 169,60 Euro zu gewähren.

Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der vom [X.]eklagten zu erstattenden Fahrkosten für die Fahrt von und zu einem Praktikum im Rahmen einer als Eingliederungsleistung bewilligten beruflichen Weiterbildungsmaßnahme im Monat Oktober 2009.

2

Der 1987 geborene Kläger bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] Ihm wurde in einer bis zum 31.12.2009 geltenden Eingliederungsvereinbarung ([X.]) vom 11.6.2009 "eine Finanzierung zur Qualifizierung zum Kraftfahrer im Güterverkehr bei [X.] soweit die [X.]ereitschaft besteht, im Fernverkehr zu Fahren -" zugesagt. Durch [X.]escheid vom [X.] wurden ihm für diese Maßnahme Weiterbildungskosten in Höhe von 8144 Euro nach § 16 Abs 1 [X.][X.] II iVm § 77 [X.] bewilligt und ein [X.]ildungsgutschein hierfür ausgestellt. Der Kläger nahm im Folgenden an der Maßnahme teil. Seit dem 1.10.2009 erfolgte der praktische Teil der Weiterbildung bei der Firma [X.] (unentgeltlich) im 53 km von seinem Wohnsitz ([X.]) entfernten [X.] Wegen des frühen Arbeitsbeginns und späten [X.] legte der Kläger den Weg mit einem Pkw zurück.

3

Ende September 2009 beantragte der Kläger die Übernahme der Fahrkosten für den Weg von und zur Praktikumsstelle bei dem [X.]eklagten. Dieser bewilligte ihm durch [X.]escheid vom 8.10.2009 169,60 Euro für 16 Praktikumstage à 53 km einfache Fahrt multipliziert mit 0,20 Euro je Fahrtkilometer im Monat Oktober 2009. Den Widerspruch hiergegen wies der [X.]eklagte mit der [X.]egründung zurück, sowohl das "Ob" als auch die Höhe der Leistung "Fahrkostenerstattung" stehe in seinem Ermessen. Er übe das Ermessen dergestalt aus, dass er als Maßstab für die Höhe der Leistung § 6 Abs 1 [X.]. Nach dieser Vorschrift seien für die einfache Fahrtstrecke 0,20 Euro je km von dem zu berücksichtigenden Einkommen abzusetzen. Aus [X.] sei dieser Maßstab auch bei der Fahrkostenerstattung zugrunde zu legen. Höhere Fahrkosten seien nicht nachgewiesen.

4

Mit seiner Klage vor dem [X.] macht der Kläger die Übernahme der Fahrkosten in Höhe von 0,20 Euro je Entfernungskilometer geltend. Das [X.] hat der Klage stattgegeben und den [X.]eklagten verurteilt, 169,90 Euro weitere Fahrkosten für den Monat Oktober 2009 zu erstatten (Urteil vom 5.2.2010). Zur [X.]egründung hat es ausgeführt, dass sich dieser [X.]etrag auf Grundlage von § 16 Abs 1 [X.][X.] II iVm § 81 Abs 1 [X.], § 81 [X.] [X.], dieser wiederum iVm § 5 Abs 1 [X.]RKG errechne. Danach seien 0,20 Euro je [X.] für den Hin- und Rückweg anzusetzen. Dem [X.]eklagten sei im Hinblick auf die Höhe der Leistung kein Ermessen eingeräumt, sondern lediglich hinsichtlich der Entscheidung, ob er die Leistung bewilligen wolle. § 16 [X.] [X.][X.] II sei insoweit nicht einschlägig. Danach seien die Regelungen des [X.] nur dann heranzuziehen, wenn im [X.][X.] II nichts Abweichendes geregelt werde. § 16 Abs 1 [X.][X.] II, der - anders als im [X.] - dem Träger für die Entscheidung über die Leistung Ermessen einräume, sei keine Abweichung in diesem Sinne, denn ansonsten bedürfe es des [X.] nicht. Dieses sei auch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Ebenso legten Sinn und Zweck der Regelung des § 16 [X.] [X.][X.] II eine [X.]eschränkung der Ermessensentscheidung auf das "Ob" der [X.]ewilligung nahe, denn Ziel der Maßnahmebewilligung sei die Eingliederung. Müsse der Hilfebedürftige, wenn er kein Entgelt für die Teilnahme an der Maßnahme erhalte, diese jedoch selbst bzw aus der Regelleistung finanzieren, drohe der Abbruch und damit das Unterlaufen des gesetzlichen Ziels des "Förderns". Aus diesen Überlegungen ergebe sich zudem, dass die Einräumung eines Ermessens auch im Hinblick auf den Umfang der Leistung insoweit systemwidrig sei. § 6 Abs 1 [X.] sei ferner keine abweichende Regelung iS des § 16 [X.] [X.][X.] II, denn sie regele die Absetzbarkeit von Fahrkosten, wenn Einkommen erzielt werde und nicht, wenn sie auf Grund einer Maßnahme entstünden. Eine analoge Anwendung scheide ebenfalls aus, denn es liege keine planwidrige Regelungslücke vor.

5

Der [X.]eklagte hat die vom [X.] durch [X.]eschluss vom [X.] zugelassene Sprungrevision beim [X.][X.] eingelegt. Er trägt vor, seine Ermessensausübung habe sich an den Grundsätzen des Leistungsrechts des [X.][X.] II zu orientieren. Hieraus folge, dass sich die Ermessenausübung sowohl auf das "Wie" der Leistungserbringung erstrecke, als sich auch an § 6 Abs 1 [X.] zu orientieren habe. Zwar finde sich im [X.][X.] II keine Regelung zur Fahrkostenerstattung, doch sei unter dem "Eindruck" der dynamischen Verweisung auf das [X.] auch für die Gewährung aktiver Leistungen auf die Vorschriften der [X.] zurückzugreifen. Zudem folge aus dem [X.] zwischen [X.] und [X.][X.] II, dass die Leistungsempfänger unterschiedlich zu behandeln seien - auch im Hinblick auf die Fahrkostenerstattung. So seien die Leistungen des [X.] beitragsfinanziert, wohingegen es sich bei den Leistungen des [X.][X.] II um steuerfinanzierte Fürsorgeleistungen handele. Diesem [X.] sei die Regelung des § 16 [X.] [X.][X.] II geschuldet, die von einer abweichenden Handhabung im [X.][X.] II ausgehe und alsdann die zwingende Anwendung der Abweichung verlange. Jedoch auch innerhalb des [X.][X.] II sei der Gedanke der Gleichbehandlung tragend für die hier erfolgte Ermessensausübung. Es dürften mit der [X.][X.] II-Leistung keine Anreize für einen dauerhaften [X.]ezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gesetzt werden. Daher sei es geboten, "Aufstocker" und "[X.]" gleich zu behandeln. Ein Leistungsempfänger, der bereits in das Erwerbsleben integriert sei, könne im Regelfall auch nur 0,20 Euro für die einfache Fahrtstrecke an Fahrkostenerstattung vom erzielten Einkommen absetzen. Ein [X.] dürfe nicht grundlos besser gestellt werden, also höhere Leistungen als ein Erwerbstätiger im [X.][X.] II-Leistungsbezug erhalten, zumal der "Aufstocker" durch Steuern regelmäßig zusätzlich zur Finanzierung des Fürsorgesystems beitrage. Außerdem sei es möglich, bei entsprechendem Nachweis höhere Fahrkosten zu übernehmen, sodass der bei der pauschalierten Regelung des § 81 [X.] stets möglichen [X.]edarfsunterdeckung, auch im Sinne der Entscheidung des [X.]VerfG, entgegengewirkt werde. Höhere Leistungen belasteten damit das zur Verfügung stehende Gesamtbudget ungerechtfertigt und zu Lasten anderer Hilfebedürftiger, deren Integrationsmöglichkeiten dadurch ggf eingeschränkt würden.

6

Der [X.]eklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 5. Februar 2010 aufzuheben und die Klage gegen den [X.]escheid vom 8. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Sprungrevision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Sprungrevision ist unbegründet.

Der Beklagte hat dem Kläger weitere 169,60 Euro Fahrkosten zu erstatten. Der von dem [X.] ausgeurteilte Betrag ist offensichtlich unzutreffend, denn unter Zugrundelegung der Begründung des [X.] betragen die Fahrkosten 169,60 und nicht 169,90 Euro. Der Tenor war daher klarstellend entsprechend neu zu fassen.

Anspruchsgrundlage für die Fahrkostenerstattung in der benannten Höhe ist § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II iVm § 81 Abs 2 [X.]B III und § 5 Abs 1 [X.]. Die Entscheidung über den Umfang der zu erstattenden Fahrkosten steht, anders als das "Ob" der Bewilligung einer Eingliederungsleistung in Gestalt einer Weiterbildungsmaßnahme nach §§ 77 ff [X.]B III nicht im Ermessen des [X.] (2.). Soweit es den Umfang der Fahrkostenerstattung betrifft, ist auch keine abweichende Regelung iS des § 16 Abs 2 Satz 1 [X.]B II im Grundsicherungsrecht vorhanden (3.). Eine analoge Anwendung des § 6 Abs 1 Nr 3b [X.]-V scheidet aus. Es mangelt bereits an einer planwidrigen Lücke im Hinblick auf die Fahrkostenerstattung im [X.]B II (4.).

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 8.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.12.2009, mit dem der Beklagte dem Kläger Fahrkosten in Höhe von 169,60 Euro für die Fahrt von und zum Praktikum im Rahmen einer Weiterbildungsmaßnahme im Oktober 2009 bewilligt hat. Der Kläger hat diesen Bescheid hinsichtlich der Höhe der Leistung zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angegriffen.

2. Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger weitere 169,60 Euro Fahrkosten für den streitigen Zeitraum zu gewähren. Der Kläger hat hierauf einen Rechtsanspruch auf Grundlage von § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II iVm § 81 Abs 2 [X.]B III und § 5 Abs 1 [X.].

Nach § 16 Abs 1 Sätze 1 und 2 [X.]B II in der Fassung des [X.] in [X.] (vom [X.], [X.]) erbringt die [X.] Leistungen nach § 35 [X.]B III. Sie kann die übrigen im Dritten Kapitel, im [X.] und Sechsten Abschnitt des [X.], im Fünften Kapitel, im [X.] Abschnitt des Sechsten Kapitels und die in den §§ 417, 421f, 421g, 421k, 421n, 421o, 421p, 421q und 421t Abs 4 bis 6 [X.]B III geregelten Leistungen erbringen. Übt ein Leistungsträger sein Ermessen dergestalt aus, dass er eine der zuvor benannten Leistungen nach § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II erbringt, ist er nach § 16 Abs 2 Satz 1 [X.]B II hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen jedoch grundsätzlich an die Regelungen des [X.]B III gebunden. Ein Ermessen im Hinblick auf die Leistungshöhe steht dem Leistungsträger mithin nur dann zu, wenn auch das [X.]B III ein solches vorsieht (vgl Eicher in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008, § 16 RdNr 62; Harks in jurisPK-[X.]B II, 2. Aufl 2007, § 16 RdNr 36; Knickrehm in [X.], 1. Aufl 2009, § 16 [X.]B II RdNr 8; Voelzke in [X.]/[X.], [X.]B II, Stand VI/2009, [X.]; wohl auch [X.] in [X.], Stand 7/2009, § 16 [X.]B II Rd[X.]5; [X.] in [X.]/[X.], 2. Aufl 2009, § 16 RdNr 8 und [X.] in LPK-[X.]B II, 3. Aufl 2009, § 16 Rd[X.]2; die Entscheidung des 14. Senats vom 6.12.2007 - [X.]/7b [X.]/06 R, [X.] 4-4200 § 59 [X.] verhält sich zu dieser Frage nicht ). Letzteres ist hier nicht der Fall.

Der Beklagte hat das ihm nach § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II eingeräumte Ermessen dahin gehend ausgeübt, dass er dem Kläger eine in der [X.] vom 11.6.2009 vereinbarte und durch Bescheid vom [X.] bewilligte Maßnahme zur Weiterbildung nach dem Sechsten Abschnitt des [X.] des [X.]B III gewährt hat. Nach den vom [X.] nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des [X.] war die Durchführung eines Praktikums Teil der Maßnahme "Qualifizierung zum Kraftfahrer-Güterverkehr" (s im Übrigen auch Praktikumsvertrag vom 18.9.2009). Der Beklagte hat dem Kläger die fragliche Weiterbildungsmaßnahme, die auch das Praktikum umfasste, dem Grunde nach bindend bewilligt. Damit hat er die ihm maximal eingeräumte Möglichkeit zur Ermessensbetätigung jedoch ausgeschöpft und ist nunmehr verpflichtet, die Leistung in dem in § 81 [X.]B III zwingend vorgesehen Umfang zu erbringen.

Diese Folge ergibt sich aus dem Wortlaut des § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II und dem systematischen Zusammenhang mit § 16 Abs 2 Satz 1 [X.]B II. Aber auch nach Sinn und Zweck der Regelung ist sie zwingend.

Nach dem Wortlaut des § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II kann der Träger die dort benannten Leistungen erbringen. Das Wort "kann" steht mithin erkennbar im Zusammenhang mit dem Entschluss des Trägers eine bestimmte Leistung erbringen zu wollen, also im Zusammenhang mit dem [X.]. Hierin erschöpft sich die Ermächtigung zur Ermessensausübung nach § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II jedoch auch, denn nach § 16 Abs 2 Satz 1 [X.]B II gelten für die Leistungen nach § 16 Abs 1 [X.]B II die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des [X.]B III, soweit das [X.]B II nichts Abweichendes regelt. Zwar stellt die Verpflichtung zur Ermessensbetätigung in § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II bei einigen Eingliederungsleistungen eine Abweichung gegenüber den Regelungen des [X.]B III dar. Dieses bedeutet jedoch nicht, dass die Leistungen ohne jede Anbindung an die Regelungen des [X.]B III erbracht werden dürfen. Systematisch hätte es der ausdrücklichen Regelung des Rückgriffs auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des [X.]B III nach § 16 Abs 2 Satz 1 [X.]B II ansonsten ebenso wenig bedurft, wie des differenzierten Katalogs der in Betracht zu ziehenden Leistungen nach dem [X.]B III, wenn dem Grundsicherungsträger, wie der Beklagte offenbar meint, mit § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II die Möglichkeit eröffnet wäre, die im [X.]B III normierten Leistungen ihrem Umfang nach zu variieren und zu gestalten.

§ 16 Abs 2 Satz 1 [X.]B II stellt klar, dass der Grundsicherungsträger die Leistungen aus dem Katalog des § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II nur dann erbringen "kann", wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Leistung nach den Vorschriften des [X.]B III gegeben sind. Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen ist er hieran gebunden. Es handelt sich insoweit einerseits um eine Rechtsgrundverweisung auf die Vorschriften des [X.]B III (s auch Eicher in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008, § 16 RdNr 56 f; Knickrehm in [X.], 1. Aufl 2009, § 16 [X.]B II RdNr 4; [X.] in [X.], Stand 7/2009, § 16 [X.]B II Rd[X.]5; Voelzke in [X.]/[X.], [X.]B II, Stand VI/2009, [X.], 422), wobei die Besonderheiten des Leistungssystems [X.]B II zu beachten sind (etwa das Entfallen der Prüfung von Verfügbarkeit und Arbeitslosigkeit). Andererseits ist der Leistungskatalog des [X.]B III, auf den im [X.]B II zurückgegriffen werden kann, in zweierlei Hinsicht abschließend. Der Träger darf nur die in § 16 Abs 1 [X.]B II genannten Leistungen des [X.]B III erbringen und er ist im Hinblick auf die dortigen Leistungsvoraussetzungen, den Leistungsumfang oder den Rechtsgrund - auch für einzelne Leistungsteile - an die Vorschriften des [X.]B III gebunden. Wenn der Träger - wie hier - eine Weiterbildungsmaßnahme bewilligt, also sein Ermessen nach § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II so ausübt, dass er die berufliche Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten fördern will, dann bestimmt es sich nach den Vorschriften des Sechsten Abschnitts des [X.] des [X.]B III, was diese Förderung im Einzelnen umfasst. Nach § 79 Abs 1 Nr 2 [X.]B III umfassen die Weiterbildungskosten ua unmittelbar durch die Weiterbildung entstehende Fahrkosten. Ist einmal eine Ermessensentscheidung nach § 77 [X.]B III getroffen worden, sind nach § 81 Abs 1 [X.]B III Leistungen zu erbringen (vgl hierzu [X.] in [X.], [X.]B III, 11/2009, § 81 [X.]8; s auch Voelzke in [X.]/[X.], [X.]B II, Stand VI/2009, Rd[X.]79) und der Träger ist hinsichtlich der Höhe der zu erbringenden Leistung durch die Regelung in § 81 Abs 2 [X.]B III gebunden. Eine Leistungsgewährung durch Rückgriff auf die freie Förderung nach § 16f [X.]B II - wie der Beklagte es offensichtlich annimmt -, ist nicht nur systemfremd, sondern nach § 16f [X.]B II auch nicht eröffnet. Denn nach § 16f Abs 2 [X.]B II darf die freie Förderung gesetzliche Leistungen nach dem [X.]B III bzw [X.]B II nicht umgehen oder aufstocken.

Auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung ist von der zuvor dargelegten Rechtsanwendung auszugehen. Durch die Regelung des § 16 Abs 1 [X.]B III soll bei der Eingliederung grundsätzlich auf die "bewährten" Leistungen des [X.]B III zurückgegriffen werden (s BT-Drucks 16/10810, [X.]). Daneben stellt das [X.]B II zwar auch weitere Leistungen zur Verfügung, jedoch seit dem Gesetz zur Neuausrichtung arbeitsmarktpolitischer Instrumente (vom [X.], [X.]) nun "räumlich" getrennt in den dem § 16 [X.]B II folgenden Vorschriften. Grundsätzlich folgt § 16 Abs 1 [X.]B II daher zunächst einmal dem Regelungskonzept des [X.]B III (vgl Knickrehm in [X.], Kommentar zum Sozialrecht, 1. Aufl 2009, § 16 [X.]B II, [X.]). Das ist insoweit auch konsequent, als in beiden Normstrukturen durch die Eingliederungsleistungen eine Beendigung des Leistungsbezugs bzw nach § 3 Abs 1 [X.]B II ggf auch nur eine Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewirkt werden soll. Da § 22 Abs 4 [X.]B III die Leistungsempfänger nach dem [X.]B II jedoch von den Eingliederungsleistungen nach dem [X.]B III ausschließt, wird mit § 16 Abs 1 [X.]B II im Gegenzug dazu die "Gleichbehandlung" von [X.]B III- und [X.]B II-Leistungsempfängern - im Hinblick auf die in § 16 Abs 1 [X.]B II geregelten Leistungen - wieder hergestellt (vgl Voelzke in [X.]/[X.], [X.]B II, Stand VI/2009, [X.]). Soweit dabei im [X.]B II nach § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II die Leistungserbringung grundsätzlich immer ins Ermessen des Grundsicherungsträgers gestellt wird, wird damit sichergestellt, dass der Grundsicherungsträger unter dem Aspekt der Steuerfinanzierung der Leistungen, die Entscheidung über das "Ob" der teilweise recht kostenaufwändigen Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen trifft - also, wie es in dem Entwurf zum [X.] am Arbeitsmarkt heißt, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und das besondere Verhältnis zwischen [X.] und Fallmanager beachtet (BT-Drucks 15/1516, [X.]). Dieser Rückgriff auf das Konzept des [X.]B III wäre jedoch sinnentleert, wenn der Grundsicherungsträger ohne Beachtung der dortigen Regelungen die Leistungen auch der Höhe nach ungebunden bestimmen könnte. Im Ergebnis entspricht sich die Rechtslage bei der Weiterbildungsförderung im [X.]B II und [X.]B III, weil jeweils die Entscheidung über das "Ob" der Förderung in das Ermessen der Verwaltung gestellt ist, während hinsichtlich des Umfangs der Förderung - auch der Fahrkostenerstattung (vgl nur [X.] in [X.]/[X.], [X.]B III, § 81 [X.]4, Stand XI/2009) - eine gebundene Entscheidung zu treffen ist.

Die Höhe der dem Kläger weiter zustehenden Fahrkosten beträgt nach dem mithin hier heranzuziehenden § 81 Abs 2 [X.]B III iVm § 5 [X.] 169,60 Euro. Nach § 81 Abs 2 [X.]B III werden Fahrkosten in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Klasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs 1 [X.]. Nach § 5 Abs 1 Satz 2 [X.] beträgt sie bei Benutzung eines Kfz oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke, höchstens jedoch 130 Euro. Der Betrag der Fahrkostenerstattung ist daher im vorliegenden Fall doppelt so hoch, wie von dem [X.] rechtswidrig im Bescheid vom 8.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.12.2009 zugrunde gelegt, da der Beklagte davon ausgegangen ist, lediglich 0,20 Euro für die einfache Wegstrecke ansetzen zu dürfen.

3. Im Gegensatz zu der von dem [X.] vertretenen Auffassung kann auch der Formulierung in § 16 Abs 2 Satz 1 [X.]B II "soweit im [X.]B II nichts Abweichendes geregelt ist" nicht entnommen werden, dass er berechtigt wäre, den Leistungsumfang unabhängig von den Vorschriften für die jeweilige Eingliederungsleistung nach dem [X.]B III zu bestimmen. So besteht die Abweichung, wie oben dargelegt - soweit nicht das [X.]B III der Arbeitsagentur selbst ein [X.] einräumt - schon darin, dass die Entscheidung über das "Ob" der in § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II aufgeführten Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen hat. Weitere Abweichungen sieht das [X.]B II nicht vor. Insbesondere findet sich keine abweichende Regelung zur Fahrkostenerstattung im [X.]B II.

§ 6 Abs 1 Nr 3b [X.]-V ist keine abweichende Regelung iS des § 16 Abs 2 Satz 1 [X.]B II. Nach § 6 Abs 1 Nr 3b [X.]-V in der Fassung der 2. Verordnung zur Änderung der [X.]-Verordnung und Sozialgeldverordnung vom 23.7.2009 ([X.] 2340) sind von dem Einkommen Erwerbstätiger die Beträge nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 [X.]B II absetzbar, zusätzlich bei Benutzung eines Kfz für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für Wegstrecken zur Ausübung der Erwerbstätigkeit 0,20 Euro für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung, soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht höhere notwendige Ausgaben nachweist. § 6 Abs 1 Nr 3b [X.]-V legt damit die Höhe der Absetzbarkeit der Fahrkosten vom Einkommen fest und bestimmt nicht die Höhe der im Rahmen einer Eingliederungsmaßnahme vom Grundsicherungsträger zu übernehmenden Fahrkosten. Die Regelung betrifft mithin die umgekehrte Situation wie bei der Weiterbildungsförderung. Sie will erzieltes Einkommen insoweit erhalten, als es für seine Erzielung eingesetzt wird und verhindern, dass es zur Minderung des Anspruchs auf [X.] berücksichtigt werden muss, wenn es gleichzeitig wegen der Aufwendungen für Fahrkosten nicht tatsächlich zur Lebensunterhaltssicherung zur Verfügung steht. Bei dem hier verpflichtend zu absolvierenden unentgeltlichen Praktikum wird kein Einkommen erzielt. Im Gegensatz zur Auffassung des [X.] scheidet daher eine Anwendung des § 6 Abs 1 Nr 3b [X.]-V auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aus. Die Lebenssachverhalte sind bereits nicht vergleichbar, denn dem Hilfebedürftigen, dem Eingliederungsleistungen gewährt werden, soll damit die Möglichkeit erhalten werden, iS des § 3 Abs 1 [X.]B II zumindest seine Hilfebedürftigkeit zu mindern, ein Ziel das der "Aufstocker", der Fahrkosten zur Einkommenserzielung aufwendet, bereits erreicht hat.

4. Aus den vorgenannten Gründen scheidet auch eine analoge Anwendung des § 6 Abs 1 Nr 3b [X.]-V aus. Es mangelt bereits an einer planwidrigen Lücke im Hinblick auf die Fahrkostenerstattung im [X.]B II. Nach dem ausdrücklichen Gesetzesbefehl iS des § 16 Abs 1 Satz 2 iVm § 16 Abs 2 Satz 1 [X.]B II ist auf die gesetzlichen Regelungen des [X.]B III zurückzugreifen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 4 AS 117/10 R

06.04.2011

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Stade, 5. Februar 2010, Az: S 32 AS 889/09, Urteil

§ 16 Abs 1 S 2 SGB 2 vom 02.03.2009, § 16 Abs 2 S 1 SGB 2 vom 02.03.2009, § 16f Abs 2 SGB 2, § 22 Abs 4 SGB 3, § 77 SGB 3, § 79 Abs 1 Nr 2 SGB 3 vom 23.12.2002, § 81 Abs 1 Nr 1 SGB 3 vom 21.12.2008, § 81 Abs 2 S 1 SGB 3 vom 21.12.2008, § 5 Abs 1 BRKG 2005, § 6 Abs 1 Nr 3 Buchst b AlgIIV 2008 vom 23.07.2009, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 06.04.2011, Az. B 4 AS 117/10 R (REWIS RS 2011, 7884)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7884

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