Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.09.2023, Az. I R 16/21

1. Senat | REWIS RS 2023, 9080

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Gegenstand

(Sogenannter Blockerwerb kann § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG unterfallen)


Leitsatz

Die in § 8b Abs. 4 Satz 6 des Körperschaftsteuergesetzes angeführte Beteiligungsschwelle (10 % des Grund- oder Stammkapitals) kann durch einen aus Sicht des Erwerbers wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang auch dann erreicht werden, wenn an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 15.03.2021 - 6 K 1163/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob § 8b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 bis 7 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Jahr 2014 (Streitjahr) geltenden Fassung ([X.]) auf [X.] einer Mitunternehmerschaft anwendbar ist, wenn die beteiligungsvermittelnde Mitunternehmerstellung unterjährig in drei zeitgleichen Rechtsgeschäften von drei unterschiedlichen Veräußerern erworben worden ist.

2

Geschäftsgegenstand der Klägerin und [X.] (Klägerin), einer KG, ist das Halten und Verwalten sämtlicher Anteile an dem kommunalen …-unternehmen [X.] Persönlich haftende und nicht am Kapital beteiligte Gesellschafterin der Klägerin ist die F-GmbH, Kommanditisten sind als kommunale Holdinggesellschaften errichtete Vorschaltgesellschaften (eine KG und vier GmbH).

3

Anteilseigner beziehungsweise Gesellschafter der sechs Gründungsgesellschafter der Klägerin sind verschiedene kommunale Körperschaften, die bereits an der Gründung und Erweiterung der [X.] ab dem Jahre 1929 beteiligt waren und die weiteren Anteile durch Vermittlung der Vorschaltgesellschaften und der Klägerin von der vormaligen Mehrheitsgesellschafterin [X.] wollten. Nach ihrer Gründung durch die Vorschaltgesellschaften erwarb die Klägerin als neue Holdinggesellschaft bis zum 19.12.2013 sämtliche Anteile an der [X.]; sie schloss mit dieser am 21.01.2014 einen ab dem 01.01.2014 (00:00 Uhr) geltenden [X.], nach dem der Klägerin beziehungsweise den (mittelbaren) Mitunternehmern das Einkommen der [X.] für das Streitjahr für Zwecke der Körperschaftsteuer (anteilig) zuzurechnen ist. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Klägerin bereits während des gesamten [X.] selbst eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) ausübte, die sechs Gründungsgesellschafter beziehungsweise die mittelbar Beteiligten als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 EStG anzusehen waren und auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 14 ff. [X.] erfüllt sind. Das Wirtschaftsjahr der Klägerin und der [X.] entspricht dem Kalenderjahr.

4

Im Streitjahr fand ein Interessenbekundungsverfahren statt, in dem sich weitere kommunale Körperschaften für eine mittelbare Beteiligung an der Klägerin entschieden. Diese schlossen sich anschließend durch Beteiligung an drei weiteren [X.] (C-GmbH, [X.] und E-GmbH [deren Rechtsnachfolgerin im finanzgerichtlichen Verfahren beigeladen worden war]) zusammen. Durch [X.] veräußerten vier der ursprünglichen Vorschaltgesellschaften einzelne, durch Kapital- beziehungsweise [X.] definierte Teile ihrer Kommanditbeteiligungen an der Klägerin an die neuen [X.], was auf der [X.] der Klägerin zu entsprechenden (kapitalanteiligen) [X.] führte. Bei den [X.] handelte es sich um [X.], die von den Gründungsgesellschaftern der Klägerin bisher nicht eingezahlt worden waren, weil sie als sogenannte Platzhalteranteile von vornherein dazu bestimmt waren, auf neue Investoren beziehungsweise weitere Vorschaltgesellschaften übertragen zu werden. Infolgedessen erwarben die C-GmbH 7,39 %, die [X.] 14,97 % und die E-GmbH 12,94 % des Kapitals der Klägerin, wobei der Erwerb der E-GmbH von drei [X.] zu jeweils 5,21 %, 1,76 % und 5,97 % in einer notariellen Urkunde erfolgte. Das wirtschaftliche Eigentum und die Gesellschaftsrechte gingen noch im Streitjahr auf die neuen Kommanditisten über.

5

Im Streitjahr flossen der Klägerin aus ihrer Beteiligung an der [X.] neben dem nach §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] zuzurechnenden Einkommen der Organgesellschaft auch Mehrabführungen aus vororganschaftlicher Zeit zu. Es handelte sich dabei um einen Betrag von … €, wovon ein Anteil von … € auf die [X.] entfiel. In ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr wies die Klägerin auch den auf die E-GmbH entfallenden Anteil der vororganschaftlichen Mehrabführungen als eine bei dieser Mitunternehmerin nach § 8b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 [X.] steuerbefreite Ausschüttung aus.

6

Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--, vor einem verwaltungsinternen Organisationsakt noch unter anderer Bezeichnung) nicht und stellte den auf die E-GmbH entfallenden Ausschüttungsbetrag im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG für 2014 vom 10.08.2016 als Bestandteil der für die E-GmbH ohne Abzüge körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest (… €). Die besonderen Voraussetzungen des § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 bis 6 [X.] hätten bei der E-GmbH nicht vorgelegen, weil sie ihre gesellschaftsrechtliche Beteiligung von 12,94 % des Kapitals unterjährig von drei verschiedenen Veräußerern erworben habe, wobei die jeweils erworbenen [X.] die [X.] von 10 % für sich genommen jeweils nicht erreicht hätten.

7

Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin dagegen Klage vor dem [X.] ([X.]). Während des Klageverfahrens ergingen unter dem 22.06.2017 und dem 14.04.2020 geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG, die nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Nach dem letztgenannten Bescheid betragen die auf die E-GmbH entfallenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb nunmehr noch … €, wobei hierin nach § 14 Abs. 3 Satz 1 [X.] als Ausschüttungen geltende vororganschaftliche Mehrabführungen der [X.] in Höhe von … € enthalten sind, die vom [X.] weiterhin als für die E-GmbH körperschaftsteuerpflichtig festgestellt worden sind. Das [X.] gab der Klage mit Urteil vom 15.03.2021 - 6 K 1163/17 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1225) statt.

8

Dagegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des [X.].

9

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das [X.] hat dem Klagebegehren ohne Rechtsfehler entsprochen, da die in § 8b Abs. 4 Satz 6 [X.] angeführte [X.] (10 % des Grund- oder Stammkapitals) durch einen aus Sicht des Erwerbers wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang auch dann erreicht werden kann, wenn an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind.

1. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestimmen sich die für eine Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin auf [X.] einer Mitunternehmerschaft im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nach §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung feststellungspflichtigen Besteuerungsgrundlagen nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes unter Berücksichtigung der hiervon teilweise abweichenden ([X.] des Körperschaftsteuergesetzes. Zu Letzteren gehört auch § 8b Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.], wonach grundsätzlich steuerpflichtige Gewinnausschüttungen im Sinne des § 8 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 8 EStG, die in den auf die Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin entfallenden mitunternehmerischen Einkünften aus Gewerbebetrieb enthalten sind, bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft außer Ansatz bleiben, sofern diese Bezüge das Einkommen der ausschüttenden Beteiligungsgesellschaft als offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen nicht gemindert haben. Von den nach § 8b Abs. 1 [X.] steuerbefreiten Bezügen gelten in diesem Fall nach § 8b Abs. 5 Satz 1 [X.] 5 % als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Wenn das [X.] die Gewinnkorrektur auf § 8b [X.] stützt und einen Bruttoausweis mit gesonderter Feststellung der unter § 8b [X.] fallenden Einkünfte (sogenannte modifizierte Bruttomethode mit ergänzender Feststellung) vornimmt, ist dies zulässig (z.B. Urteil des [X.] vom 25.07.2019 - IV R 47/16, [X.], 273, [X.] 2020, 142; [X.]surteil vom 19.02.2020 - I R 19/17, [X.], 243, [X.] 2021, 223; [X.] in Tipke/[X.], § [X.] 56; [X.], GmbH-Steuerberater 2016, 277; jeweils m.w.N.).

2. Abweichend von § 8b Abs. 1 Satz 1 [X.] sind die betroffenen Bezüge bei der Ermittlung des Einkommens nach § 8b Abs. 4 Satz 1 [X.] dennoch zu berücksichtigen, wenn die ausschüttungsvermittelnde Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals der ausschüttenden Körperschaft betragen hat. Beteiligungen über eine Mitunternehmerschaft sind dem Mitunternehmer anteilig zuzurechnen (§ 8b Abs. 4 Satz 4 [X.]), wobei eine dem Mitunternehmer insoweit zugerechnete Beteiligung im Sinne des § 8b Abs. 4 [X.] als unmittelbare Beteiligung gilt (§ 8b Abs. 4 Satz 5 [X.]). Im Übrigen gilt für Zwecke des gesamten § 8b Abs. 4 [X.] der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt (§ 8b Abs. 4 Satz 6 [X.]).

Der [X.] hat mit Urteil vom [X.] - I R 29/17 ([X.], 21, [X.] 2020, 690) entschieden, dass § 8b Abs. 4 [X.] verfassungskonform ist (die gegen das Urteil erhobene Verfassungsbeschwerde war erfolglos, s. Beschluss des [X.] vom 08.03.2022 - 2 BvR 1832/20, nicht veröffentlicht). Die Norm durchbricht zwar im Sinne einer nicht folgerichtigen Ausgestaltung die in § 8b Abs. 1 [X.] zum Ausdruck kommende Grundentscheidung des Gesetzgebers, im System des Halb- beziehungsweise [X.] erwirtschaftete Gewinne nur einmal bei der erwirtschaftenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer und erst bei der Ausschüttung an natürliche Personen als Anteilseigner mit Einkommensteuer zu belasten und deswegen zur Vermeidung von Kumulations- oder Kaskadeneffekten in [X.] Bezüge innerhalb gesellschaftlicher Beteiligungsstrukturen bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz zu lassen. Allerdings erfüllt die Norm auch die (strengeren) verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen qualifizierten [X.], soweit sie sinngemäß der Herstellung einer unionsrechtskonformen Rechtslage zur Abgrenzung der Besteuerungshoheiten betroffener Staaten dient, auch wenn im Gesetzgebungsverfahren die Haushaltskonsolidierung im Vordergrund gestanden haben mag.

3. Das [X.] hat zutreffend darauf hingewiesen, dass zur Auslegung des in § 8b Abs. 4 Satz 6 [X.] verwendeten Tatbestandsmerkmals des unterjährigen "Erwerb(s) einer Beteiligung von mindestens 10 %" bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen ein Erwerb von jeweils unterhalb der genannten [X.] liegenden [X.] von mehreren Verkäufern, wenn aber in der Summe der Erwerbe die genannte [X.] überschritten wird, von der (begünstigenden) Norm erfasst ist.

So wird einerseits unter Hinweis auf den Wortlaut des § 8b Abs. 4 Satz 6 [X.] ("Erwerb einer Beteiligung", nicht von "Anteilen") und [X.] beziehungsweise Systematik des § 8b Abs. 4 Satz 1 und 6 [X.] die Auffassung vertreten, eine entsprechende Fallsituation sei generell erfasst ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 8b [X.] Rz 137; [X.]/[X.]mann/Rengers, § 8b [X.] Rz 118a; Streck/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8b Rz 228; [X.] in [X.], Körperschaftsteuergesetz, § 8b Rz 152j; Haisch/[X.], Der Betrieb --[X.]-- 2013, 724, 726; [X.], [X.] --GmbHR-- 2014, 407, 409; [X.]/[X.], [X.] --DStR-- 2014, 782 f.; [X.], [X.] 2014, 449, 452 f.). Eine Gegenauffassung sieht hingegen die Voraussetzungen in dieser Konstellation als nicht erfüllt an; § 8b Abs. 4 Satz 6 [X.] sei angesichts des Wortlauts auch keiner teleologischen Extension zugänglich (so im Ergebnis neben der Finanzverwaltung --Schreiben der [X.] [X.] vom 02.12.2013, [X.] 2014, 29 f.; vom 16.08.2021, [X.] 2021, 2255-- auch Teile der Literatur, z.B. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 8b Rz 460 und 461; derselbe, [X.] 2013, 529, 537; [X.] in [X.], [X.], 4. Aufl., § 8b Rz 289b; [X.] in Dötsch/[X.]/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8b [X.] Rz 298; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 8b Rz 551; Geißler in [X.]/[X.]/[X.], Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 8b Rz 385; [X.] in [X.], GmbH-Handbuch, 4. Abschnitt [X.], Rz 830; [X.]/[X.], [X.], 489, 491; [X.], [X.], 1068, 1071; Förster/Lang, [X.] 2013/2014, 103, 116; offen hingegen wegen des [X.] einerseits und des Wortlauts andererseits [X.] in [X.]/Drüen, [X.]/[X.]/[X.], § 8b [X.] Rz 479, und [X.], Internationales Steuerrecht 2014, 497). Dies soll auch für den Fall gelten, dass der Erwerb --wie im [X.] nach Art eines "Blockerwerbs" von mehreren Veräußerern in einer notariellen Urkunde zusammengefasst wird und in einem einheitlichen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang steht (so z.B. [X.], ebenda), während die Tatbestandsmäßigkeit für diesen Fall aber teilweise auch bejaht wird (z.B. [X.], ebenda; [X.], ebenda, § 8b Rz 557).

4. Der [X.] kann die vorgenannte Auslegungsfrage zur generellen Anwendbarkeit des § 8b Abs. 4 Satz 6 [X.] bei mehreren (Teil-)Erwerben mit Blick auf die Besonderheiten des Streitfalls offen lassen, denn die in der Regelung angeführte [X.] wird durch einen aus Sicht des Erwerbers wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang auch dann erreicht, wenn an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind.

a) Der Wortlaut der Regelung, dass der "Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 %" als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt gilt, kann angesichts des doppelt verwendeten [X.] ("der" Erwerb "einer" Beteiligung) dahin gedeutet werden, dass in einem einzelnen einheitlichen ([X.] 10 % der Anteile erworben werden müssen (so z.B. [X.] in Dötsch/[X.]/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8b [X.] Rz 298; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 8b Rz 460 und 461) und für den Fall des unterjährigen Erwerbs "einer Beteiligung" auf den Erwerb eines "[X.]" abzustellen ist ([X.] in [X.], [X.], 4. Aufl., § 8b Rz 289b). Allerdings wird im Tatbestand des § 8b Abs. 4 Satz 1 [X.] (ebenfalls) von "der Beteiligung" gesprochen und dort nicht danach unterschieden, wann und von wem die entsprechenden Anteile erworben worden sind (z.B. [X.]/[X.], [X.], 782 f.; [X.], GmbHR 2014, 407, 409); damit lässt es der Wortlaut des § 8b Abs. 4 Satz 6 [X.] ohne Weiteres zu, die Frage nach dem "Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 %" aus Sicht des Erwerbers zu beurteilen und darauf abzustellen, ob ein wirtschaftlich einheitlicher Erwerbsvorgang vorliegt oder nicht.

b) Dafür, dass jedenfalls der wirtschaftlich einheitliche Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % zur Tatbestandserfüllung der Ausnahmeregelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 [X.] ausreichen muss, sprechen sowohl die Entstehungsgeschichte als auch der Normzweck.

aa) Der Finanzausschuss hat dem Bundesrat mit Blick auf § 8b Abs. 4 Satz 6 [X.] folgende Empfehlung gegeben ([X.] 632/1/12, S. 33): "Um Verwerfungen zu vermeiden, wird der Ersterwerb oder der Hinzuerwerb einer mindestens 10-prozentigen Beteiligung innerhalb eines Veranlagungszeitraums auf den Beginn des Veranlagungszeitraums zurückbezogen, sodass für diesen Zeitraum die [X.] keine Anwendung findet. Ohne diese Rückbeziehung wäre auf Beteiligungen, die im Laufe eines Veranlagungszeitraums erworben werden, stets die neue [X.] anzuwenden mit der Folge, dass z.B. Dividenden aus der Beteiligung im Erstjahr stets steuerpflichtig zu behandeln wären oder Finanzierungskosten, die im Jahr des Erwerbs angefallen sind, nur mit späteren Erträgen aus [X.] verrechnet werden können (s.u.). Diese Folge würde selbst bei unterjährigem Erwerb einer 100-prozentigen Beteiligung eintreten". Zwar könnte die mehrfach den Singular verwendende Formulierung ("der" Ersterwerb oder "der" Hinzuerwerb "einer" mindestens 10%igen Beteiligung) dafür sprechen, dass nur der in einem einzelnen Vorgang erfolgte unterjährige Erwerb von mindestens 10 % der Anteile zurückbezogen werden sollte. Abgesehen davon, dass teilweise auch der Plural verwendet wird, sind aber jedenfalls Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bezogen auf die Härtefallregelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 [X.] die Vorstellung gehabt haben könnte, dass der Erwerb nur von einem Veräußerer erfolgen dürfe, nicht erkennbar.

bb) Die unterschiedliche Behandlung der Erträge aus Beteiligungen je nach der Beteiligungshöhe (§ 8b Abs. 4 Satz 1 [X.]) ist damit gerechtfertigt worden, dass bei einer Streubesitzbeteiligung (unter 10 %) diese als Kapitalanlage angesehen wird, weil häufig auch keine dauerhafte Beteiligung an der Unternehmung angestrebt werde. Entsprechend könne der Anteilseigner aufgrund der Höhe seiner Beteiligung keinen unternehmerischen Einfluss auf die Entscheidungen bei der Kapitalgesellschaft ausüben, während bei einer Beteiligung von mindestens 10 % regelmäßig ein betriebliches Engagement des [X.] unterstellt werden könne (so [X.] 632/1/12, S. 33). Dass dies den Vorgaben der Verfassung nicht widerspricht, hat der [X.] --wie ausgeführt-- bereits entschieden ([X.]surteil vom [X.] - I R 29/17, [X.], 21, [X.] 2020, 690). Es ist dann auch nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber bezogen auf den unterjährigen Erst- oder Hinzuerwerb einer Beteiligung an die genannte Grenze anknüpft und die den Steuerpflichtigen begünstigende Rückwirkungsregelung in § 8b Abs. 4 Satz 6 [X.] so ausgestaltet, dass auf den einzelnen Erwerb abgestellt wird. Allerdings kann es aus der maßgeblichen Sicht des Erwerbers und angesichts des Ausnahmecharakters des § 8b Abs. 4 [X.] keinen Unterschied machen, ob der Erwerb von einem Veräußerer oder von mehreren Veräußerern erfolgt, weil entscheidend sein muss, dass durch den Erwerb der Beteiligung von mindestens 10 % ein unternehmerischer Einfluss auf die Entscheidungen bei der Kapitalgesellschaft ausgeübt werden kann oder nicht. Das hängt aber nicht von der Zahl der Veräußerer, sondern allein von der erworbenen Beteiligung ab; dies muss jedenfalls dann ausreichend sein, wenn die maßgebliche Beteiligung von mindestens 10 % aus [X.] in einem wirtschaftlich einheitlichen Vorgang, damit aufgrund eines einheitlichen Erwerbsentschlusses in [X.] und zeitlichem Zusammenhang, erworben wird.

c) Das [X.] hat jedenfalls --unabhängig davon, dass es der Auffassung gefolgt ist, es komme für § 8b Abs. 4 Satz 6 [X.] nicht darauf an, wann und von wem die Beteiligung von mindestens 10 % erworben worden [X.] ausdrücklich festgestellt, die im Streitfall maßgebliche (mittelbare) Beteiligung sei von der Klägerin von mehreren Veräußerern "aufgrund eines einheitlichen Entschlusses … durch ein einheitliches schuldrechtliches Rechtsgeschäft" erworben worden. Denn der Erwerb (in einer einheitlichen notariellen Urkunde) beruhe auf einem einheitlichen Erwerbsentschluss und sei auf einen einheitlichen Erwerbszeitpunkt erfolgt. An diese Feststellungen ist der [X.] nach § 118 Abs. 2 [X.]O gebunden. Es ist deshalb in der Sache davon auszugehen, dass im Streitfall ein aus der Sicht der Erwerberin wirtschaftlich einheitlicher Erwerbsvorgang vorlag, der der Regelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 [X.] unterfällt.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O; Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 139 Abs. 4 [X.]O).

Meta

I R 16/21

06.09.2023

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 15. März 2021, Az: 6 K 1163/17, Urteil

§ 8b Abs 4 S 6 KStG 2002 vom 21.03.2013, § 8b Abs 1 S 1 KStG 2002, § 8b Abs 4 S 1 KStG 2002 vom 21.03.2013, KStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.09.2023, Az. I R 16/21 (REWIS RS 2023, 9080)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9080

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