Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.10.2012, Az. 6 B 34/12

6. Senat | REWIS RS 2012, 2645

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Gegenstand

Verlängerung der Frist für Wiederholungsprüfung um den Zeitraum der Elternzeit


Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt die [X.]efreiung von einzelnen Prüfungsfächern in der für [X.] 2012 anstehenden Wiederholungsprüfung zum anerkannten Abschluss "geprüfte Industriefachwirtin" durch die [X.]eklagte. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Industriefachwirt/Geprüfte Industriefachwirtin - [X.] - in der hier maßgeblichen Fassung ist der Prüfungsteilnehmer auf Antrag von der Prüfung in einzelnen Prüfungsteilen und Prüfungsfächern zu befreien, wenn seine Leistungen darin in einer vorangegangenen Prüfung ausgereicht haben und er sich innerhalb von zwei Jahren, gerechnet vom [X.] der nicht bestandenen Prüfung an, zur Wiederholungsprüfung anmeldet. Unstreitig erfüllt die Klägerin diese Voraussetzungen nicht. Zwar erzielte sie in einer vorangegangenen Prüfung in einzelnen Prüfungsfächern mindestens ausreichende Leistungen. Diese Prüfung liegt jedoch länger als zwei Jahre zurück. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, dies dürfe ihr deshalb nicht zum Nachteil gereichen, weil auf die Zweijahresfrist des § 9 Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. diejenige Zeit nicht anzurechnen sei, für die sie Elternzeit in Anspruch genommen habe. Mit diesem Vorbringen ist sie in den Vorinstanzen nicht durchgedrungen.

2

Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage, der Verwaltungsgerichtshof ihre dagegen gerichtete [X.]erufung zurückgewiesen und zugleich die Revision nicht zugelassen.

II.

3

1. Die auf eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie auf das Vorliegen einer Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und von [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte [X.]eschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

4

a) Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache ist nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt. Hierzu hätte die Klägerin eine bestimmte entscheidungserhebliche und verallgemeinerungsfähig zu beantwortende Frage des revisiblen Rechts formulieren und des weiteren angeben müssen, inwiefern diese im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf (stRspr; vgl. etwa [X.]eschluss vom 27. Januar 2010 - [X.]VerwG 1 [X.] - juris Rn. 2). Entsprechendes lässt sich der [X.]eschwerde nicht ansatzweise entnehmen. Die Klägerin führt aus, die "grundsätzliche [X.]edeutung ist im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.] ([X.]eschluss vom 12.03.2012, [X.].: 3 [X.] 3.12) deshalb gegeben, weil das Revisionsverfahren Gelegenheit zur Klärung der vom [X.] aufgeworfenen Fragen bieten kann, ob die Elternzeit hier berücksichtigt werden muss und auch eine Rolle spielen kann, wenn in einer Wiederholungsprüfung ein schwangerschaftsbedingter Abbruch einer Prüfung vorliegt, an den sich dann die Elternzeit erst anschließt" (S. 4 [X.]eschwerdebegründung). Hiermit bezeichnet die Klägerin im [X.] nicht mehr als das aus ihrer Sicht bestehende Erfordernis einer Klärung der Frage, ob den vorinstanzlichen Urteilen eine zutreffende Rechtsanwendung zugrunde liegt. Auch die weiteren Ausführungen der Klägerin, wonach sich die vom Verwaltungsgericht (offenbar gemeint: Verwaltungsgerichtshof) aufgeworfene Rechtsfrage nicht aus dem Gesetz bzw. der Prüfungsordnung der [X.]eschwerdegegnerin ergebe (S. 5 [X.]eschwerdebegründung), es um die "Auslegung und Anwendung von Grundrechten (Art. 6 Abs. 4 GG, u.a.) und von Normen in verfassungskonformer Weise" gehe (S. 6 [X.]eschwerdebegründung) und die [X.]eklagte in der [X.] hauptsächlich verfassungsrechtlich argumentiere, wodurch "die grundsätzliche [X.]edeutung des Rechtsstreits indiziert" werde (S. 2 [X.]eschwerdebegründung), führen unter dem genannten [X.]lickwinkel ebenso wenig zu einer abweichenden [X.]eurteilung wie die zahlreichen in der [X.]eschwerdebegründung verstreuten Einzelanmerkungen, mit denen sich die Klägerin in Art einer [X.]erufungsbegründung lediglich gegen die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs wendet. Eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann entgegen der Auffassung der Klägerin schließlich auch nicht darin aufgezeigt werden, dass das Verwaltungsgericht die [X.]erufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache zugelassen hat. Weder das [X.]erufungsgericht noch das [X.] sind allein mit Rücksicht darauf, dass der [X.] des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich dem Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entspricht, verpflichtet, nach Zulassung der [X.]erufung jeweils auch die Revision zuzulassen (vgl. nur [X.]eschluss vom 8. Juni 2010 - [X.]VerwG 5 [X.] - juris Rn. 7 m.w.[X.]).

5

Unabhängig davon ist in der Sache aber auch nicht erkennbar, dass der Rechtsstreit in entscheidungserheblicher Weise eine Frage von grundsätzlicher [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufwerfen würde. In vertieftem Maße rechtlich - insbesondere grundrechtlich - diskussionswürdig könnte die Nichtberücksichtigung in Anspruch genommener Elternzeit im Rahmen der in § 9 Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. geregelten Frist allenfalls dann sein, wenn es den Angehörigen der betroffenen Gruppe während der Elternzeit unzumutbar erschwert oder sogar unmöglich wäre, sich ohne Vernachlässigung ihrer [X.]etreuungspflichten auf die Durchführung der Wiederholungsprüfung - in den verbleibenden Fächern - innerhalb dieser Frist vorzubereiten und so die Anrechenbarkeit früherer Prüfungsleistungen zu sichern. Nur unter dieser Prämisse wäre überhaupt in [X.]etracht zu ziehen, dass § 9 Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. etwa die [X.]etroffenen in gleichheitswidriger Weise gegenüber anderen Prüfungsteilnehmern belasten oder in einer Weise nachteilige Folgen an ihre Elternschaft knüpfen könnte, die mit den Schutzaufträgen des Art. 6 GG nicht in Einklang zu bringen wäre. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu Recht angesprochen hat ([X.]), sind entsprechende [X.]efürchtungen aber von vornherein im speziellen Fall einer Fortbildungsprüfung unbegründet, auf die sich sämtliche Teilnehmer regelmäßig neben ihrer [X.]erufstätigkeit vorbereiten können. Es ist nicht ersichtlich, warum nicht gleichermaßen eine Vorbereitung neben einer Kinderbetreuung möglich sein sollte. Jedenfalls [X.] in diesem Zusammenhang nicht [X.]elastungen in einem Ausmaß, das Anlass geben müsste, eine prüfungsrechtliche Ausnahmebestimmung für (grundrechtlich) gefordert zu halten. Insofern erweist sich, dass die Entscheidung der Vorinstanz - einschließlich der ihr entscheidungserheblich zugrunde liegenden Rechtsmaßstäbe - offenkundig zutreffend ist und folglich kein [X.]edürfnis nach Durchführung eines Revisionsverfahrens hervortreten lässt (vgl. hierzu etwa [X.]eschluss vom 24. August 1999 - [X.]VerwG 4 [X.] 72.99 - [X.]VerwGE 109, 268 <270> = [X.] 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13; stRspr).

6

b) Auch im Hinblick auf den Zulassungsgrund der Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO unterschreitet die [X.]eschwerde die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Sie trägt an mehreren Stellen der [X.]egründung vor, das angefochtene Urteil verstoße gegen Entscheidungen in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgeführter Gerichte. Hierbei legt sie jedoch weder hinreichend dar, worin der Verstoß im Einzelnen bestehen, noch inwiefern dieser gerade darin liegen soll, dass die Vorinstanz mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgeführten Gerichte widerspricht, statt letzteren lediglich im Einzelfall unzutreffend anzuwenden. [X.] diese Anforderungen werden durch § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinsichtlich der [X.] gestellt (vgl. [X.] in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl. 2010, § 133 Rn. 31 ff. m.w.[X.]). In der Sache ist aber auch nicht erkennbar, dass das angefochtene Urteil in der genannten Weise von einer höchstrichterlichen Entscheidung abweichen würde.

7

c) Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge, die sie auf das Unterbleiben der Revisionszulassung bezieht (S. 18 f. [X.]eschwerdebegründung), greift nicht durch.

8

Etwaige Verfahrensmängel in [X.]ezug auf die vorinstanzliche Entscheidung, die Revision nicht zuzulassen, können nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden, da auf ihnen das angefochtene Urteil nicht im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen kann (vgl. [X.]eschluss vom 30. Juli 1990 - [X.]VerwG 7 [X.] 104.90 - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 289 S. 24).

9

Entsprechende Verfahrensmängel sind aber auch nicht ersichtlich. Es stellt grundsätzlich keine Verletzung des Anspruchs der [X.]eteiligten auf rechtliches Gehör in Form einer unzulässigen Überraschungsentscheidung dar, wenn ein [X.]erufungsgericht gegen die Revisionszulassung entscheidet, ohne den [X.]eteiligten zuvor einen entsprechenden rechtlichen Hinweis gegeben zu haben. Mit dieser Entscheidung wird dem Rechtsstreit regelmäßig keine Wendung gegeben, mit der nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens auch ein gewissenhafter [X.]eteiligter selbst unter [X.]erücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl. zu diesem Maßstab etwa [X.]eschluss vom 12. Dezember 2007 - [X.]VerwG 8 [X.] 57.07 - juris Rn. 2). Dass im vorliegenden Fall die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 15. Februar 2012 um einen Hinweis gebeten hat, sofern das [X.]erufungsgericht von ihrer Seite Ausführungen zur Revisionsbedürftigkeit einiger Rechtsfragen für veranlasst sehen sollte ([X.]l. 243 Verfahrensakte), vermittelte ihr keine rechtlich geschützte Erwartung darauf, dass das [X.]erufungsgericht sich nicht gegen die Revisionszulassung entscheidet, ohne ihr zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; eine solche Stellungnahme war ihr im Übrigen jederzeit während des [X.]erufungsverfahrens unbenommen.

Ferner ist durch die Rechtsprechung des [X.] geklärt, dass - entgegen der Auffassung der Klägerin (S. 3 [X.]eschwerdebegründung) - der Hinweis im [X.]erufungsurteil, die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO seien nicht erfüllt, den Anforderungen an eine [X.]egründung der Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision genügt (vgl. nur [X.]eschluss vom 30. Juli 1990 - a.a.[X.]). Einen solchen Hinweis enthält das angefochtene Urteil ([X.] 23).

2. Von einer weiteren [X.]egründung wird abgesehen, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Meta

6 B 34/12

02.10.2012

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 24. Mai 2012, Az: 9 S 2246/11, Urteil

§ 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 9 Abs 2 S 1 IndFachwirtPrV, Art 6 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.10.2012, Az. 6 B 34/12 (REWIS RS 2012, 2645)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2645

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