Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.10.2023, Az. VIa ZR 14/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7589

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Gegenstand

Deliktische Haftung des Fahrzeugherstellers in einem sog. Dieselfall: Umfang des Anspruchs auf Ersatz des Differenzschadens


Leitsatz

§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gewähren dem Käufer eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs gegen den Fahrzeughersteller neben dem der Höhe nach auf 15% des gezahlten Kaufpreises begrenzten Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 17. Zivilsenats des [X.] vom 8. Dezember 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die [X.], zu [X.] und zu [X.] zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 18. Dezember 2017 von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten Neuwagen [X.], der mit einem Motor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Die Abgasreinigung erfolgt in dem Fahrzeug über die Abgasrückführung. Diese wird in bestimmten Temperaturbereichen reduziert beziehungsweise abgeschaltet (Thermofenster).

3

Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 34.071,84 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu [X.]) und zur Zahlung von [X.] (Berufungsantrag zu [X.][X.]) zu verurteilen. Ferner hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu [X.][X.][X.]) und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu [X.]V) begehrt.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schlussanträge aus der Berufungsinstanz zu [X.], zu [X.][X.][X.] und zu [X.]V weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Die Berufung des [X.] habe keinen Erfolg. Allein aus einem vorhandenen [X.] lasse sich nicht auf die Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten schließen. Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Verordnungen zur Regelung des Abgasverhaltens ([X.], Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007) entfielen mangels Schutzgesetzeigenschaft.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen eines Anspruchs des [X.] gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB nicht für gegeben erachtet hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] wegen der Verwendung des [X.]s aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch zum Vorhandensein oder Fehlen einer Abschalteinrichtung keine tragfähigen Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine deliktische Haftung der Beklagten wegen einer jedenfalls fahrlässigen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verneint werden könnte. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] zu treffen haben. Dabei wird das Berufungsgericht in Rechnung zu stellen haben, dass der nach § 287 ZPO zu schätzende [X.] aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht höher sein kann als 15 % des gezahlten Kaufpreises (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 72 ff.). Allein auf der Grundlage des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] kann dementsprechend neben dem Anspruch auf Ersatz des [X.]s eine Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht verlangt werden (vgl. zum [X.]: [X.], Urteil vom 11. September 2023 - [X.] 1533/22, [X.]). Dem Berufungsantrag zu [X.] auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wird das Berufungsgericht mithin nur dann entsprechen können, wenn es nach der Zurückverweisung andere Tatsachen feststellen sollte, aufgrund derer ein Anspruch des [X.] aus § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB wegen des Verzugs der Beklagten mit dem Ersatz des [X.]s oder eine Haftung der Beklagten auch nach §§ 826, 31 BGB in Betracht käme (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.] 1031/22, [X.], 503 Rn. 28).

[X.]     

      

Möhring     

      

Krüger

      

Liepin     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

VIa ZR 14/22

16.10.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 8. Dezember 2021, Az: 17 U 5817/21

§ 31 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 6 Abs 1 EG-FGV, § 27 Abs 1 EG-FGV, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 2 EGV 715/2007

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.10.2023, Az. VIa ZR 14/22 (REWIS RS 2023, 7589)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7589

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III ZR 303/20

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