Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.03.2017, Az. 9 AZR 633/15

9. Senat | REWIS RS 2017, 14155

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Gegenstand

Unzulässige Berufung - Berufungsbegründung


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. September 2015 - 14 [X.] 1288/14 - aufgehoben.

2. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 29. Juli 2014 - 9 [X.]/14 - wird als unzulässig verworfen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche des [X.] auf Zahlung von Übergangsgeld für den [X.]raum vom 1. August 2014 bis zum 31. Dezember 2016.

2

Der am 15. Juli 1951 geborene, als schwerbehinderter Mensch anerkannte Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Juli 1978 beschäftigt. Am 7. November 2002 schloss die Beklagte mit dem Hauptpersonalrat vor dem Hintergrund geplanter Strukturreformen eine „Dienstvereinbarung zur sozial-verträglichen Begleitung der Strukturreform der [X.]“ ([X.] Strukturreform) ab. Danach wird mit Beginn des vierten Monats nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bis zum Beginn der Regelaltersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres), längstens jedoch bis zum Erreichen einer ungekürzten Altersrente für langjährig Versicherte, für schwerbehinderte Menschen oder für Frauen nach den Vorschriften des [X.] (SGB VI) ein „monatliches Übergangsgeld in Höhe von 75 % des Bruttogehalts“ gezahlt.

3

Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch Auflösungsvertrag vom 20./22. Dezember 2005 zum 31. Juli 2006 beendet. Dieser enthält ua. folgende Vereinbarungen:

        

§ 1 Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses

        

…       

        
        

(2)     

… Die als Anlage 1 beigefügte [X.] Strukturreform ist Bestandteil dieses Vertrages.

        

§ 2 Leistungen der Bank, Zahlungsmodalitäten

        

(1)     

Der Mitarbeiter erhält nach Maßgabe von § 16 Abs. 2 [X.] Strukturreform eine Einmalzahlung in Höhe von brutto 29.832,12 [X.] …

        

(2)     

Das nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 [X.] Strukturreform zustehende monatliche Übergangsgeld beträgt brutto 2.486,01 [X.] … Im Falle einer vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erlischt der Anspruch auf das Übergangsgeld ab dem Monat, für den erstmalig eine Rente gewährt wird. …

        

(3)     

Wird trotz des Vorliegens der Voraussetzungen für einen ungekürzten Bezug einer Altersrente eine solche Rente nicht beantragt oder wird vom Mitarbeiter der Eintritt der Voraussetzungen, die ihm einen Anspruch auf einen vorzeitigen Bezug einer Altersrente ohne Rentenabschlag verschaffen würden, bewusst verhindert, erlischt sein Anspruch auf Zahlung von Übergangsgeld nach § 16 [X.] Strukturreform in dem [X.]punkt, in dem ansonsten der Anspruch auf ungekürzte Rente dem Grunde nach entstanden wäre.

        

…       

        
        

§ 3 Pflichten des Mitarbeiters

        

…       

        
        

(6)     

Der Mitarbeiter verpflichtet sich, zum frühestmöglichen [X.]punkt eines ungekürzten Rentenbezugs aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Regelaltersrente oder ggf. die Altersrente für schwerbehinderte Menschen bzw. die Altersrente für langjährig Versicherte zu beantragen. …

        

…“    

        

4

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, das ihm nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 [X.] Strukturreform zustehende Übergangsgeld werde letztmalig im Juli 2014 ausgezahlt, da er nach derzeitigem Sozialversicherungsrecht ab dem 1. August 2014 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Anspruch nehmen könne. Seit dem 1. August 2014 bezieht der Kläger eine ungekürzte Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung iHv. monatlich 1.217,63 Euro. Die Beklagte zahlt seit diesem [X.]punkt kein Übergangsgeld mehr an den Kläger.

5

Mit seiner am 26. März 2014 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger - soweit für die Revision von Bedeutung - die Weiterzahlung des Übergangsgelds in der [X.] vom 1. August 2014 bis zum 31. Dezember 2016 gefordert, hilfsweise unter Anrechnung der monatlichen Altersrentenbezüge.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die [X.] vom 1. August 2014 bis zum 31. Dezember 2016 Übergangsgeld iHv. monatlich 2.929,76 Euro brutto zu zahlen;

        

hilfsweise

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die [X.] vom 1. August 2014 bis zum 31. Dezember 2016 Übergangsgeld iHv. monatlich 2.929,76 Euro brutto jeweils unter Anrechnung monatlich zu erhaltender Altersrentenbezüge in Höhe von 1.217,63 Euro zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat der Klage auf die Berufung des [X.] stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, die Berufung des [X.] gegen das Urteil des Arbeitsgerichts sei zulässig. Es hätte die Berufung als unzulässig verwerfen müssen.

9

1. Die Zulässigkeit der Berufung ist eine vom [X.] wegen zu prüfende Prozessfortsetzungsbedingung ([X.] 23. Februar 2016 - 3 [X.] - Rn. 9; vgl. auch [X.] 15. März 2011 - 9 [X.] 813/09 - Rn. 9). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung der Berufung des [X.] iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO oder ist die Berufung des [X.] aus anderen Gründen unzulässig, ist die Revision schon deshalb begründet und das Urteil des [X.]s aufzuheben. Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist ohne Bedeutung (vgl. [X.] 23. Februar 2016 - 3 [X.] - Rn. 9; 15. März 2011 - 9 [X.] 813/09 - Rn. 9).

2. Die Berufung des [X.] genügt nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen.

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den [X.] zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält ([X.]Rspr., zB [X.] 11. Juni 2013 - 9 [X.] 855/11 - Rn. 16; 18. Mai 2011 - 4 [X.] 552/09 - Rn. 14; vgl. auch [X.] 15. März 2011 - 9 [X.] 813/09 - Rn. 11). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von [X.] gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll ([X.]Rspr., zB [X.] 18. Mai 2011 - 4 [X.] 552/09 - Rn. 14; vgl. auch [X.] 15. März 2011 - 9 [X.] 813/09 - Rn. 11). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen ([X.]Rspr., zB [X.] 18. Mai 2011 - 4 [X.] 552/09 - Rn. 14; 15. März 2011 - 9 [X.] 813/09 - Rn. 11).

b) Die Berufungsbegründung setzt sich nicht mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts auseinander. Entgegen den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat sie nichts dazu vorgetragen, in welchen Punkten rechtlicher und tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sei.

aa) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, die Regelung zum Übergangsgeld führe weder zu einer unmittelbaren noch zu einer mittelbaren Diskriminierung wegen der Behinderung. Es fehle bereits an einer tatbestandlichen Benachteiligung vergleichbarer Personen. Darüber hinaus wäre die vom Kläger angenommene Benachteiligung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.

bb) Der Kläger hat sich darauf beschränkt, auf mehreren Seiten seiner Berufungsbegründung seine bisherigen Rechtsauffassungen zu wiederholen und zu vertiefen. Er hat weder dargelegt, auf welchen Erwägungen die Entscheidung des Arbeitsgerichts beruht, noch hat er Rechtsfehler des Arbeitsgerichts aufgezeigt. Soweit er ausgeführt hat, die in der Entscheidung des Arbeitsgerichts herangezogene Entscheidung des [X.] vom 6. Oktober 2011 setze sich mit einer Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] auseinander, wird nicht deutlich, worauf das Arbeitsgericht seine Entscheidung gestützt haben soll. Zudem zeigt die Berufungsbegründung auch insoweit keinen Rechtsfehler des Arbeitsgerichts auf.

II. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Gell    

        

    Ropertz    

                 

Meta

9 AZR 633/15

14.03.2017

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Gießen, 29. Juli 2014, Az: 9 Ca 71/14, Urteil

§ 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO, § 64 Abs 6 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.03.2017, Az. 9 AZR 633/15 (REWIS RS 2017, 14155)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14155

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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