Bundespatentgericht, Beschluss vom 04.04.2013, Az. 25 W (pat) 64/12

[X.]ie am 23. Juli 2008 angemeldete Wortmarke

[X.]med

ist am 21. August 2008 unter der Nummer 30 2008 047 265 in das beim [X.] geführte Markenregister für Waren der Klasse 5 eingetragen worden. Nachdem die Markeninhaberin das Warenverzeichnis in der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2013 eingeschränkt hat, lautet das Warenverzeichnis nunmehr:

Pharmazeutische Erzeugnisse und Arzneimittel zur Behandlung von Alzheimer und [X.]; Antidementiva; sämtliche vorgenannten Waren rezeptpflichtig und mit dem Wirkstoff [X.]stigmin.

[X.]agegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke

[X.]ME[X.],

welche seit dem 3. Mai 2005 unter der Nummer 3 319 845 beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt für die nachfolgend genannten Waren der Klasse 5

Pharmazeutische Präparate zur Vorbeugung und Behandlung von Malaria

registriert ist, Widerspruch erhoben.

[X.]ie Markenstelle für Klasse 5 des [X.]s, besetzt mit einer Beamtin des höheren [X.]ienstes, hat den Widerspruch mit Beschluss vom 17. April 2012 zurückgewiesen. Zwischen den Vergleichsmarken liege keine [X.] [X.] § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vor. Bei der von den Waren der Vergleichsmarken angesprochenen Zielgruppe handele es sich zwar um breite Verkehrskreise, jedoch sei bei den vorliegend eher speziellen Erkrankungen eine gewisse Sorgfalt zu erwarten, wobei bei den in Rede stehenden Präparaten ohnehin meist medizinische Fachkräfte herangezogen werden würden. Ferner lägen zwar verschiedene Indikationsgebiete vor, jedoch befänden sich die Waren der Vergleichsmarken in einem engeren Ähnlichkeitsbereich, da der Grundbestand an Arzneimitteln als zumindest ähnlich anzusehen sei. [X.]ie Widerspruchsmarke verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, während eine erhöhte Kennzeichnungskraft nicht habe belegt werden können. [X.]eshalb seien an den einzuhaltenden [X.] keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Vorliegend würden sich die erfahrungsgemäß stärker beachteten Anfänge der Vergleichsmarken deutlich unterscheiden (Fehlen des Buchstaben „-v-“ in der Anfangssilbe der angegriffenen Marke). Am Ende der Vergleichsmarken stünden sich der klangschwache [X.] „d“ und der klangstarke [X.] „t“ gegenüber. Ferner habe der Bestandteil „-med“ eine beschreibende Bedeutung i. S. v. „Medizin“ bzw. „medizinisch“ und sei somit verbraucht. [X.]a dieser Bestandteil klanglich ähnlich zu „-met“ wäre, würde der Verkehr besonders die kurzen Bestandteile „[X.]“ bzw. „[X.]“ betrachten. [X.]ie vorgenannten Unterschiede würden den Vergleichsmarken jeweils ein eigenständiges Klangbild verleihen, so dass eine [X.] in klanglicher Hinsicht ausgeschlossen werden könne. Ferner diene der Bestandteil „[X.]“ als Hinweis auf den Bestandteil „[X.]stigmin“, den die Fachleute und Patienten als solchen erkennen würden. [X.]ies trage dazu bei, die Vergleichsmarken auseinanderzuhalten und Hör- und [X.] zu vermeiden. Eine schriftbildliche [X.] könne aufgrund der typischen Umrisscharakteristik „-v-d“ innerhalb der angegriffenen Marke gegenüber der Endung „-[X.]“ der Widerspruchsmarke ausgeschlossen werden. Eine [X.] aus anderen Gründen sei nicht ersichtlich. Auf die Frage der Benutzung der Widerspruchsmarke komme es somit nicht an.

[X.]agegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Sie ist der Auffassung, dass die Markenstelle das Vorliegen einer markenrechtlichen [X.] zu Unrecht verneint habe. Zwar sei die Markenstelle zutreffend von einer engen [X.] ausgegangen, jedoch fehle in Bezug auf die Vergleichsmarken ein ausreichender [X.]. Insbesondere bestehe insoweit kein klanglicher Unterscheid. Auch liege eine relevante schriftbildliche Ähnlichkeit zwischen den Vergleichsmarken vor. Ferner komme es auf den Gesamteindruck der Vergleichsmarken an, für eine zergliedernde Betrachtung bestehe keine Veranlassung; diese sei unzulässig. Selbst wenn man den Markenvergleich auf die Anfangssilben „[X.]“ und „[X.]“ beschränke, sei [X.] zu bejahen, da der [X.] „-v-“ innerhalb der angegriffenen Marke weich artikuliert und kaum wahrgenommen werde. Ferner sei in Fällen der Ausgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel bei Nachreichung eines Rezepts und mündlicher Empfehlungen von Patient zu Patient, die Gefahr von Verwechslungen gegeben. Weiterhin könne eine Gefahr der Verwechslung durch Hilfskräfte oder durch Patienten oder Angehörige, welche Alzheimer- oder [X.]emenzkranke pflegten, nicht vernachlässigt werden. Schließlich sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Anfangssilbe „[X.]-“ der angegriffenen Marke als Hinweis auf den Wirkstoff „[X.]stigmin“ verwechslungsmindernd zu berücksichtigen sei. Es sei nicht zu erwarten, dass die angesprochenen Verkehrskreise die vorgenannte Wirkstoffbezeichnung auf die relativ kurze Silbenfolge „[X.]-“ verkürzen würden, zumal es auch den Wirkstoff „[X.]roxaban“ und außerdem mehrere Marken in der Klasse 5 mit dem Bestandteil „[X.]-“ gebe.

[X.]ie Widersprechende beantragt (sinngemäß),

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des [X.]s vom 17. April 2012 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 30 2008 047 265 anzuordnen.

[X.]ie Markeninhaberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

[X.]ie Markenstelle habe [X.] zwischen den Vergleichsmarken zutreffend verneint. Aufgrund der deutlichen Indikationsverschiedenheit liege ein relevanter Warenabstand vor. Für beide mit den Vergleichsmarken gekennzeichneten Arzneimittel bestehe Rezeptpflicht. Es sei daher die Abgabe dieser Arzneimittel ausschließlich durch Fachkreise sichergestellt, was zusätzlich verwechslungsmindernd wirke. [X.]ie Fachkreise würden den eindeutigen Begriffsanklang der angegriffenen Marke durch die auf den Wirkstoff „[X.]stigmin“ hindeutende Anfangssilbenfolge „[X.]-“ und die auf „Medizin“ hinweisende Endsilbe „-med“ ohne weiteres verstehen und die angegriffene Marke somit nicht mit der in einem völlig anderen [X.]herapiebereich angesiedelten Widerspruchsmarke „[X.]ME[X.]“ verwechseln.

[X.]ie Markeninhaberin hatte die Benutzung der Widerspruchsmarke innerhalb des patentamtlichen Verfahrens bestritten. In der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2013 hat sie die Benutzung der Widerspruchsmarke für verschreibungspflichtige pharmazeutische Produkte zur Vorbeugung und Behandlung von Malaria unstreitig gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

[X.]ie Beschwerde ist zulässig und begründet. Entgegen der Auffassung der Markenstelle besteht zwischen den Vergleichsmarken [X.], so dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle in der Hauptsache, d. h. mit Ausnahme der Entscheidung, Kosten nicht aufzuerlegen, aufzuheben und auf den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 3 319 845 die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen war (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42, 43 Abs. 2 Satz 1 [X.] i. V. m. § 125b Nr. 1 [X.]).

[X.]as Vorliegen einer [X.] ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen ([X.] GRUR 2006, 237, [X.]. 18 - [X.]; [X.], 387, [X.]. 22 - Sabèl/[X.]). Ihre Beurteilung bemisst sich insbesondere nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. [X.]iese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der [X.] (vgl. [X.], 258 – IN[X.]ERCONNEC[X.]/[X.]-InterConnect; [X.], 399- [X.]; [X.]/Hacker, [X.], 10. Aufl., § 9, [X.]. 40).

1. [X.]ie Marken können sich auf zumindest ohne weiteres ähnlichen Waren begegnen. [X.]ie Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke für verschreibungspflichtige pharmazeutische Produkte zur Vorbeugung und Behandlung von Malaria unstreitig gestellt. [X.]ie angegriffene Marke ist – nach Einschränkung des Warenverzeichnisses - für pharmazeutische Erzeugnisse und Arzneimittel zur Behandlung von Alzheimer und [X.], Antidementiva, sämtliche vorgenannten Waren rezeptpflichtig und mit dem Wirkstoff [X.]stigmin registriert. [X.]er Wirkstoff [X.]stigmin ist ein Antidementivum, das u. a. zur Behandlung von [X.] und Alzheimer zum Einsatz kommen soll. Somit besteht ein deutlicher Indikationsabstand zwischen den Präparaten der Vergleichsmarken, auch dann, wenn man im Rahmen der [X.] von einer Benutzung der Widerspruchsmarke für Antibiotika/Antiifektiva der Hauptgruppe 10 der „Roten Liste“ ausgehen würde. [X.]ies führt jedoch nicht zu einer Warenferne, aufgrund derer Warenunähnlichkeit bejaht werden könnte. Als jeweils pharmazeutische Produkte sind die Waren der angegriffenen Marke und diejenigen der Widerspruchsmarke auch bei einem deutlichen Indikationsabstand zumindest ohne weiteres ähnlich.

2. [X.]ie Widerspruchsmarke weist eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Umstände, die eine erhöhte Kennzeichnungskraft begründen könnten, sind nicht ersichtlich.

3. Nachdem sich die Vergleichsmarken auf zumindest ohne weiteres ähnlichen Waren begegnen können und die Widerspruchsmarke über durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt, hält die angegriffene Marke den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein, auch wenn nicht strenge, sondern nur mittlere Anforderungen an den [X.] gestellt werden.

a) [X.]abei ist zu berücksichtigen, dass eine für das Vorliegen einer [X.] relevante Markenähnlichkeit in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen kann, wobei es für die Annahme einer [X.] grundsätzlich ausreicht, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 10. Aufl., § 9, [X.]. 224 m. w. N.). [X.]ies gilt auch in Bezug auf Marken, die für verschreibungspflichtige Arzneimittel eingetragen sind. Zwar steht insoweit eine schriftbildliche [X.] im Vordergrund. Gleichwohl kann auch in Fällen verschreibungspflichtiger Arzneimittel eine relevante klangliche Markenähnlichkeit nicht vernachlässigt werden (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 10. Aufl., § 9, [X.]. 232 m. w. N.). Zum einen ist die mündliche Benennung durch Patienten, etwa bei der Weiterempfehlung von Arzneimitteln, in Rechnung zu stellen. Zum anderen kann die Gefahr von Verwechslungen etwa bei fernmündlichen Anfragen, ob ein bestimmtes, vom Arzt verschriebenes Arzneimittel auf Lager ist oder von der jeweiligen Apotheke erst bestellt werden muss, nicht außer [X.] gelassen werden. Auch wenn davon auszugehen ist, dass sowohl Fachkreise, als auch Verbraucher, d. h. insbesondere Patienten oder für diese verantwortliche Personen, im Zusammenhang mit Waren zur Prävention oder Bekämpfung von Krankheiten besondere Sorgfalt walten lassen, so kann aufgrund der vorgenannten Umstände eine relevante klangliche Markenähnlichkeit auch in Bezug auf Marken, die für verschreibungspflichtige Arzneimittel geschützt sind, ausreichen, wenn aufgrund dieser und i. V. m. den weiteren genannten Kriterien die Gefahr von Verwechslungen [X.] § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zu besorgen ist.

b) Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen weist die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht eine für die Annahme einer [X.] relevante, weil hochgradige Ähnlichkeit gegenüber der Widerspruchsmarke auf. [X.]abei sind die Vergleichsmarken in ihrem Gesamteindruck gegenüber zu stellen. [X.]ie Markenwörter „[X.]med“ und „[X.]met“ weisen die gleiche Silbenzahl und die gleiche Vokalfolge „[X.]“ auf und stimmen in den Anfangskonsonanten der ersten Silbe (jeweils „R“) und der Endsilbe (jeweils „M“), sowie im Sprech- und Betonungsrhythmus überein. Unterschiede bestehen lediglich durch den zusätzlichen Konsonanten „V“ am Anfang der Mittelsilbe der angegriffenen Marke und durch die unterschiedlichen Endkonsonanten „[X.]“ bzw. „[X.]“. [X.]iese Unterschiede fallen jedoch in klanglicher Hinsicht nicht in relevanter Weise ins Gewicht. [X.]er klangschwache Mittelkonsonant „V“ wird innerhalb des [X.] „[X.]med“ klanglich kaum wahrgenommen, wobei dieser Unterschied zu dem Markenwort „[X.]met“ bei einer etwas schnelleren Sprechweise nahezu völlig verschwimmt. Auch werden die Endkonsonanten „[X.]“ bzw. „[X.]“ regelmäßig nicht oder nur unerheblich anders ausgesprochen und fallen innerhalb des Gesamteindrucks der Vergleichsmarken nicht auf, zumal bei der Widerspruchsmarke eine die Schlusssilbe betonende Aussprache i. S. v. „[X.]“ weniger wahrscheinlich erscheint als eine eher gedehnte Aussprache i. S. v. „Ri-a-meht“, so dass die Unterschiede zum Markenwort „Ri-va-med“ auch hinsichtlich der Endsilbe im Ergebnis nicht zum [X.]ragen kommen.

Angesichts der dargelegten weitgehenden Übereinstimmungen und der demgegenüber bei der Aussprache kaum ins Gewicht fallenden, letztlich unauffälligen Unterschiede der zu vergleichenden Markenwörter weisen die Vergleichsmarken eine insgesamt hochgradige, an Identität heranreichende Ähnlichkeit in klanglicher Hinsicht auf. Unter Berücksichtigung der dargelegten [X.] und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist nach Abwägung der vorgenannten Umstände eine [X.] gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gegeben.

c) Soweit sich die Markeninhaberin darauf beruft, dass die angegriffene Marke bzw. ihre Wortbestandteile zum einen auf den Wirkstoff „[X.]stigmin“ und zum anderen auf die Sachangabe „Medizin“ hinwiesen, ändert dies in Bezug auf die Beurteilung der [X.] nichts. Es ist im [X.] üblich, dass Marken aus Wortbestandteilen von Wirkstoffbezeichnungen gebildet werden. Vorliegend ergibt sich durch den [X.] „[X.]-„ ein allenfalls vager Hinweis auf den Wirkstoff „[X.]stigmin“. Auch wenn der Endbestandteil „-med“ im [X.] häufig Verwendung findet, so stellt die Gesamtbezeichnung „[X.]med“ - unter Berücksichtigung der genannten Kennzeichnungsgewohnheiten im [X.] – in ihrem Gesamteindruck eine insoweit hinreichende Phantasiebezeichnung dar, die vom Verkehr auch als solche wahrgenommen wird. Insbesondere weist das Markenwort „[X.]med“ keinen eindeutigen und sofort erfassbaren Sinngehalt auf, welcher geeignet wäre, der dargelegten klanglichen [X.] entgegenzuwirken oder diese sogar auszuschließen (vgl. ([X.]/Hacker, [X.], 10. Aufl., § 9, [X.]. 227 m. w. N.).

[X.]ie Beschwerde der Widersprechenden hatte nach alledem Erfolg, so dass die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen war.

4. Für eine Auferlegung von Kosten nach § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestand kein Anlass.