Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2018, Az. IX ZB 4/17

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15443

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:180118BIXZB4.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 4/17

vom

18. Januar 2018

in dem Rechtsstreit

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Dr.
Kayser,
die Richter
Prof. Dr. Gehrlein, Prof. [X.], [X.] und die Richterin Möhring

am
18. Januar 2018
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den
Beschluss des 13. Zivilsenats des [X.] vom 5. Januar 2017 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.000

festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch. Das [X.] hat die Klage mit
Urteil vom 16.
September 2016 abgewiesen. Die Klägerin hat fristgerecht Berufung eingelegt. Auf ihren Antrag hat das Berufungsgericht die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 9.
Dezember 2016 verlängert. Am [X.] ist
in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein zweiseitiger [X.] gefertigt
wor-den, mit dem -
noch am gleichen Tag vorab per Telefax
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im Einverständnis des Prozessgegners eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 1
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zum 19.
Dezember 2016 beantragt werden sollte. Bei den Gerichtsakten [X.] sich ein Faxausdruck der ersten Seite dieses [X.]es, der mit einem Eingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 12.
Dezember 2016 versehen ist. Auf Nachfrage des Vorsitzenden des Senats des Oberlandesgerichts
hat
die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin dem Berufungsgericht am 15.
Dezember 2016 per Telefax eine nicht unterzeichnete Fertigung des [X.]es vom 9.
Dezember 2016
übermittelt. Am 16.
Dezember 2016 ist
beim Berufungsgericht das anwaltlich unterzeichnete Original des
Verlänge-rungsgesuchs, am 19.
Dezember 2016 die Berufungsbegründung und am 2.
Januar 2017 ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
einge-gangen. Das Berufungsgericht
hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewie-sen, die Berufung als unzulässig verworfen
und eine Gegenvorstellung der Klä-gerin zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbe-schwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde
ist gemäß §
574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, §
522 Abs.
1 Satz 4, §
238 Abs.
2 Satz 1 ZPO statthaft
und
auch im Übrigen zulässig, weil
die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§
574 Abs.
2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). In der [X.] hat sie jedoch keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewe-sen. Sie müsse sich das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Diese hätten die Frist schuldhaft versäumt. Die mit dem Postauslauf 2
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beauftragte Rechtsanwaltsfachangestellte habe entgegen der Darstellung in der Beschwerdebegründung
bemerkt, dass die Übermittlung des Fristverlänge-rungsantrags per Telefax zunächst misslungen war. Dies folge aus der [X.], dass sich ein Telefax mit der ersten Seite des [X.]s mit einem gerichtlichen Eingangsstempel vom 12.
Dezember 2016 bei den Akten befinde mit einem Absendevermerk vom 9.
Dezember 2016 um 14:17
Uhr. Eine Erfolgskontrolle bezüglich dieses zweiten Übermittlungsversuchs habe die Klä-gerin nicht glaubhaft gemacht. Es stehe auch nicht fest, dass der [X.], dessen Übermittlung per Telefax versucht worden sei,
die Unterschrift eines Rechtsanwalts getragen habe.
Das auf Nachfrage am 15.
Dezember 2016 per Telefax übersandte [X.] sei nicht von einem Anwalt unterfer-tigt gewesen. [X.] man hinzu, dass die Angestellte am 15.
Dezember 2016 entgegen ihrer Ankündigung gegenüber dem Vorsitzenden des Senats keinen Sendebericht über die gelungene Übermittlung vom 9.
Dezember 2016 über-sandt habe, könne von einer Glaubhaftmachung des fehlenden Verschuldens nicht die Rede sein.

2. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts erschwert der Klägerin den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise und ver-letzt damit die Klägerin in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wir-kungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip).

a) Hat eine [X.] die Berufungsbegründungsfrist versäumt, ist ihr nach §
233 ZPO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten wird der [X.] zugerechnet (§
85
Abs.
2 ZPO), das Verschulden sonstiger Dritter hingegen nicht. Fehler von Bü-4
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ropersonal des Rechtsanwalts hindern eine Wiedereinsetzung deshalb nicht, solange den Rechtsanwalt nicht ein eigenes Verschulden etwa in Form eines Organisations-
oder Aufsichtsverschuldens trifft. Die [X.] muss im Rahmen ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß §
236 Abs.
2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vortragen und [X.] machen.

b) Abweichend von diesen Grundsätzen begründet das Berufungsgericht ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten
der Klägerin
maßgeblich mit ei-nem Fehlverhalten ihrer Angestellten. Auf die Frage, ob die Angestellte das Scheitern der Telefaxübermittlung am 9.
Dezember 2016 übersehen oder es zwar bemerkt und danach einen zweiten Versuch unternommen hat, ohne des-sen Gelingen zu kontrollieren, kommt es nicht entscheidend an. In beiden [X.] liegt ausschließlich ein Verschulden des [X.] vor, das der Kläge-rin nicht zuzurechnen ist.

c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch nicht mit der Begründung verneint werden, es stehe nicht fest, dass der Fristverlängerungsantrag von den Pro-zessbevollmächtigten unterzeichnet war, als seine Übermittlung per Telefax versucht wurde. [X.] muss ein fehlendes Verschulden nicht. Glaubhaft
erscheint die rechtzeitige Unterzeichnung wegen der
Plausibilität des diesbe-züglichen Vortrags, der von den äußeren Tatsachen und der eidesstattlichen Versicherung der Angestellten gestützt wird. Danach veranlasste der am 8. und 9.
Dezember 2016 ortsabwesende sachbearbeitende Rechtsanwalt die Vorbe-reitung des [X.] durch die Angestellte und dessen -
von der Angestellten eidesstattlich versicherte
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Unterzeichnung durch seinen Ver-treter vor dem Übermittlungsversuch per Telefax am [X.]. Da-6
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mit stimmt überein, dass das am 16.
Dezember 2016 beim Berufungsgericht eingegangene Original des Verlängerungsantrags die Unterschrift des Vertre-ters trägt. Ebenso ist damit vereinbar, dass die Angestellte am 15.
Dezember 2016 nicht das bereits auf dem Postweg befindliche Original, sondern lediglich eine nicht unterzeichnete Abschrift des Antrags an das Berufungsgericht faxen konnte.

3. Die Rechtsbeschwerde ist gleichwohl nicht begründet. Das [X.] hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Er-gebnis mit Recht versagt und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzu-lässig verworfen. Die Klägerin hat aus anderen als den vom Berufungsgericht angeführten Gründen nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten, das ihr nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnen ist, an der Einhaltung der Frist zur Begründung ihrer Berufung gehindert war. Die Rechtsbeschwerde ist daher zurückzuweisen

577 Abs.
3 ZPO).

a) Im Interesse seiner der Rechtspflege gewidmeten eigenverantwortli-chen Tätigkeit darf ein Rechtsanwalt routinemäßige Büroarbeiten auf Mitarbei-ter delegieren. Hierzu gehört grundsätzlich auch die Erledigung der [X.], insbesondere durch Versenden eines Telefax; damit darf jedenfalls eine voll ausgebildete, erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte beauftragt wer-den
([X.], Beschluss vom 27.
April 2010 -
VIII
ZB 84/09, NJW-RR 2010, 1076 Rn. 8; vom 23.
Februar 2016 -
II
ZB 9/15, NJW 2016, 1664
Rn. 10; jeweils mwN).
Der Rechtsanwalt hat in diesen Fällen jedoch durch allgemeine, unmiss-verständliche Weisungen Vorsorge zu treffen, dass Fehler nach Möglichkeit vermieden werden.
Soll ein fristgebundener [X.] per Telefax versandt werden, muss die Weisung auch darauf gerichtet sein, die erfolgreiche Über-mittlung des Telefaxes mittels des Sendeprotokolls zu kontrollieren ([X.], Be-8
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schluss vom 23.
Februar 2016, aaO
mwN). Dieser Anforderung genügt die
nach der Darlegung der Klägerin in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten beste-hende schriftliche Dienstanweisung
nur unvollständig. Sie
enthält für den Fall, dass ein Schreiben zur Erledigung einer Frist vorab per Telefax verschickt wird, lediglich die Anweisung, dass im Rahmen der Auslaufkontrolle
des Telefax die Übereinstimmung der Telefaxnummer des Adressaten und die Anzahl der zu versendenden Seiten mit dem Ausdruck auf dem Sendeprotokoll festzustellen ist. Eine Kontrolle, ob das Sendeprotokoll einen [X.] trägt und damit die erfolgreiche Übermittlung
des Telefax bestätigt wird, schreibt die [X.] nicht vor.

b) Unabhängig von der Unvollständigkeit der Dienstanweisung ist ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten auch deshalb nicht ausgeräumt, weil die Klägerin nicht vorgetragen hat, dass diese die Einhaltung der allgemeinen Anweisungen in ihrer Kanzlei wenigstens stichprobenartig in regelmäßigen Ab-ständen kontrolliert haben (vgl. dazu etwa [X.], Beschluss vom 5.
Februar 2003 -
VIII
ZB 115/02, NJW 2003, 1815, 1816; [X.]/[X.], 5.
Aufl., §
233 Rn. 177).

c) Schließlich hat die Klägerin ein fehlendes Verschulden ihrer Prozess-bevollmächtigten auch nicht ausreichend glaubhaft gemacht (§
236 Abs.
2 Satz
1, Halbsatz 2 ZPO). Die Übertragung anfallender Arbeiten auf [X.] setzt voraus, dass es sich um geschultes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal handelt
(vgl. [X.], Beschluss vom 10.
März 2011 -
VII
ZB 37/10, NJW 2011, 1597 Rn. 10). Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird insoweit ausgeführt, bei der
mit dem Faxversand be-auftragten Mitarbeiterin handle es sich um eine kompetente und zuverlässig arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte, die bislang stets fehlerfrei und souve-10
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rän agiert habe. Selbst wenn man diese Angaben in der Sache als ausreichend ansehen wollte, fehlte es jedenfalls an einer Glaubhaftmachung. Die Richtigkeit der Behauptungen wurde weder anwaltlich noch eidesstattlich versichert
noch sonst glaubhaft gemacht.

Kayser
Gehrlein
Pape

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.09.2016 -
10 O 191/14 -

O[X.], Entscheidung vom 05.01.2017 -
I-13 [X.]/16 -

Meta

IX ZB 4/17

18.01.2018

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2018, Az. IX ZB 4/17 (REWIS RS 2018, 15443)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15443

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