Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.04.2017, Az. 5 StR 86/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12859

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:050417B5STR86.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5
StR 86/17

vom
5. April 2017
in der Strafsache
gegen

wegen
nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsver-

wahrung

-
2
-
Der 5. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des [X.]s und nach Anhörung des
Beschwerdeführers
am 5. April 2017 gemäß §
349 Abs. 4
StPO beschlossen:

Auf die Revision des Betroffenen wird das Urteil des [X.] vom 27.
Oktober 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird
zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkam-mer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat nachträglich die Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Mit seiner hiergegen gerichteten Revi-sion beanstandet der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

1. Der bereits zuvor mehrfach wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Be-troffene war vom [X.] Chemnitz mit Urteil vom 24.
Juni 1993 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Ver-gewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit versuchter Nötigung unter Einbeziehung einer Strafe aus einem früheren Urteil zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden; die Einzelstrafen für die beiden Anknüpfungstaten betrugen drei Jahre sowie drei Jahre und sechs Monate. Die Strafvollstreckung war am 3.
Januar 2000 erledigt.
1
2
-
3
-
Mit Urteil vom 18.
Januar 2001 verurteilte ihn das [X.] Chemnitz wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheits-strafe von vier Jahren und ordnete seine Unterbringung in einem psychiatri-schen Krankenhaus an. Die Maßregel wurde in der [X.] vom 17.
April 2001 bis zum 10.
Februar 2016

mehrfach unterbrochen durch die Verbüßung von Frei-heitsstrafen aus anderen Verurteilungen

vollstreckt. Mit Beschluss vom 27.
Januar 2016 erklärte die Strafvollstreckungskammer des [X.] Chemnitz die angeordnete Unterbringung des Betroffenen aus dem Urteil vom 18.
Januar 2001 gemäß § 67d Abs.
6 Satz 1 StGB für erledigt und stellte fest, dass die zugleich mit der Maßregel erkannte Freiheitsstrafe vollstreckt sei. Nach einer weiteren Vollstreckung von [X.] aus anderen Verur-teilungen ist der Betroffene seit dem 24.
Juli 2016 vorläufig aufgrund eines Un-terbringungsbefehls des [X.] Chemnitz gemäß §
275a Abs.
6 StPO untergebracht.

2. Das [X.] ist davon ausgegangen, dass eine nachträgliche An-ordnung der Sicherungsverwahrung in einem Altfall, wie er hier zur Entschei-dung stand, bereits zulässig sei, wenn die Voraussetzungen des §
66b Abs.
3 StGB in der Fassung des [X.] vom 23.
Juli
2004
(BGBl.
I S.
1838) gegeben seien. Es hat die formellen Voraussetzungen des §
66b Abs.
3 Nr.
1 Var.
2 StGB als erfüllt angesehen und zur Gefährlichkeitsprognose ausgeführt, dass der Betroffene, oher Wahr-scheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer see-lisch und körperlich schwer geschädigt werden, §
66b Abs.
3 Nr.

3
4
-
4
-
II.

Das [X.] hat damit seiner Entscheidung einen unzutreffenden rechtlichen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt. Hierzu hat der [X.] in seiner Antragsschrift unter anderem ausgeführt:

[X.] hat übersehen, dass gemäß §
316f Abs.
2 Satz
2 EGStGB diese Anordnung nur zulässig ist, wenn die hochgradige Gefahr der Begehung schwerster Gewalt-
oder Sexualdelikte aus konkreten Umständen in der Person oder in dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist. Darüber hinaus ist für die rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung unter Berück-sichtigung von Art.
5 Abs.
1 Satz
2 lit.
e [X.] Voraussetzung, dass der Betroffene an einer psychischen Störung im Sinne von §
1 Abs.
1 Nr.
1 des [X.] und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (ThUG) leidet. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert es, hinsichtlich beider Elemente der Gefährlichkeitsprognose

der Erheblichkeit weiterer Straftaten und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung

einen gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengeren Maßstab anzulegen (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
August
2016

2
StR 4/16 mwN; vgl. auch [X.] [Kammer], Beschluss vom 22. Januar 2014

2
BvR 2759/12).

Diese gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben hat die [X.] nicht (vollständig) beachtet. (...) Die [X.] genügt nicht den Anforderungen an die gesteigerten [X.].

Der restriktive Begriff der hochgradigen Gefahr dient dazu, eine strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung zu gewährleisten. Demselben Ziel dient auch die Vorgabe, dass diese Gefahr aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist. Denn diese Forderung zwingt das Gericht zu einer äußerst sorgfältigen, auf konkrete Tatsachen gestützten Bewer-tung und Begründung. Entscheidend für die Gesamtwürdigung muss sein, die Wahrscheinlichkeit und die Schwere der drohenden Straftaten so aufeinander zu beziehen, dass die Anordnung oder Fortdauer der Sicherungsverwahrung auf die prekärsten Fälle be-5
-
5
-
grenzt wird ([X.]/[X.] in [X.], 3.
Aufl., §
66b Rdnr.
24 mwN).

Es kann nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass bei einer tatgerichtlichen Beurteilung in Kenntnis des weiter eingeschränk-ten Maßstabes die [X.] bei ihrer Ermessensentscheidung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

Dem schließt sich der Senat an. Er
verweist zur Notwendigkeit von Fest-stellungen zu einer psychischen Störung im Sinne des §
1 Abs.
1 Nr.
1 [X.] als dem hier heranzuziehenden Prüfungsmaßstab auf die Kammerbeschlüsse des [X.] vom 15. September 2011 und 7. Mai 2013 (2
Bvr-sön; vgl. auch [X.], Entscheidung vom 28. November 2013

7345/12; [X.], Urteil vom 21. Juni 2011

5 [X.], [X.]St 56, 254, 261; KG, Beschluss vom 4. März 2015

2 Ws
27/15).

Mutzbauer
Sander
Schneider

Berger
Mosbacher

6

Meta

5 StR 86/17

05.04.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.04.2017, Az. 5 StR 86/17 (REWIS RS 2017, 12859)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12859

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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